Zeit­ge­nös­si­scher Tanz

Mar­tha Krö­ger beim CON.NECT Tanz­fes­ti­val 2023

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Martha Kröger
Martha Kröger, Foto: S. Quenzer
Zeit­ge­nös­si­scher Tanz hat in Bam­berg im Ver­gleich zu ande­ren kul­tu­rel­len Ange­bo­ten einen schwe­ren Stand. Um die Ver­net­zung und Bekannt­heit der Kunst­form vor­an­zu­trei­ben, orga­ni­siert der Ver­ein CON Bam­berg das Tanz­fes­ti­val „CON.NECT“ (8. bis 9. Juli, Jäck­stra­ße 35). Haupt­punkt im Pro­gramm ist der Auf­tritt der Ber­li­ner Tän­ze­rin Mar­tha Kröger.

Mar­tha Krö­ger hat der­zeit eine Resi­dence bei CON Bam­berg inne. „In die Wen­de 1988 in Ber­lin hin­ein­ge­bo­ren wor­den zu sein, war der Grund­stein für mei­nen Tanz zwi­schen den Wel­ten“, sagt sie sie über ihre Her­an­ge­hens­wei­se an den zeit­ge­nös­si­schen Tanz. „Ver­ständ­nis war für mich mehr als das gespro­che­ne Wort. Ich habe immer schon nach ande­ren Aus­drucks­mit­teln gesucht, nach dem sinn­lich Erfahr­ba­ren, dem nicht Sag­ba­ren, dem Verbindenden.“

Beim CON.NECT zeigt Mar­tha Krö­ger ihr Pro­jekt „Col­lapsing Beau­tiful­ly: Mei­ne Erin­ne­rung ist genau­so wert­voll, wie dei­ne“. Dar­in behan­delt sie unter ande­rem ihre ost­deut­sche Her­kunft. Über ihr Pro­jekt haben wir mit ihr im Inter­view gesprochen.

Frau Krö­ger, was hat es mit Titel „Mei­ne Erin­ne­rung ist genau­so wert­voll, wie dei­ne“ auf sich?

Mar­tha Krö­ger: In dem Stück geht es um indi­vi­du­el­le Erin­ne­run­gen und kol­lek­ti­ve Erin­ne­run­gen aus dem Leben in Ost­deutsch­land – also sol­che Erin­ne­run­gen, die in Per­so­nen und in bestimm­ten Orten ein­ge­schrie­ben sind. Da die gesell­schaft­li­che Erzäh­lung über den Osten aber nach wie vor eine ein­sei­tig west­deutsch domi­nier­te Erzäh­lung ist, herrscht eine Art Gefäl­le im Wert der Erin­ne­run­gen. Ich selbst muss mir zum Bei­spiel trotz mei­ner Fami­li­en­er­in­ne­run­gen immer wie­der anhö­ren, als 1988 in Ost-Ber­lin Gebo­re­ne über­haupt nicht wis­sen zu kön­nen, wie es ist, aus dem Osten zu kom­men. Es wird nicht mit einem gespro­chen, son­dern über einen.

Geht es im Stück um eine spe­zi­el­le Erinnerung?

Mar­tha Krö­ger: In mei­nem Fall geht es um die Erin­ne­run­gen an eine bestimm­te Brü­cke in Ber­lin – die Böse­brü­cke, auch Born­hol­mer Brü­cke genannt. Über sie ver­lief ein Grenz­über­gang zwi­schen Ost- und West­ber­lin und sie war 1989 die ers­te Stel­le, die beim Mau­er­fall zwi­schen den bei­den Stadt­tei­len geöff­net wur­de. Mei­ne Fami­lie wohn­te frü­her auf der Ost­sei­te die­ser Brü­cke. Vor allem mein Vater erzählt heu­te noch, wie er die Brü­cke und die Gren­ze jeden Tag betrach­te­te, und über­leg­te, wie es wohl gewe­sen wäre rüber­zu­ge­hen. Ich fah­re heu­te fast jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit drü­ber. Dabei sind die Erin­ne­run­gen mei­nes Vaters bei mir, es ist, als ob ich über die Erin­ne­run­gen fah­re. Das hat sich so lan­ge ange­staut, bis ich ein Stück dar­über gemacht habe.

Was mei­nen Sie mit „ange­staut“?

Mar­tha Krö­ger: Ich habe sehr viel Zeit damit ver­bracht, in der Erin­ne­rung und den Geschich­ten mei­nes Vaters zu leben bezie­hungs­wei­se in der natio­na­len Geschich­te, die mit die­sem Teil der Stadt zusam­men­hängt. Das Stück ist mein Ver­such, eine eige­ne Erin­ne­rung auf­zu­bau­en, an das Päck­chen, das die deut­sche Geschich­te ist und das wir alle zu tra­gen haben. Dar­in möch­te ich mei­ne eige­ne Per­son wer­den und das in die Öffent­lich­keit tragen.

Wie gießt man die­se Din­ge in eine Handlung?

Mar­tha Krö­ger: Ich arbei­te nicht so sehr mit einer Hand­lung, son­dern eher mit Bil­dern. Ein Jahr lang haben mein Vater und ich Orte in Ber­lin und Leip­zig abge­fah­ren, die per­sön­li­che und kol­lek­ti­ve Bedeu­tung haben. Wir haben sie abge­filmt und er hat dazu erzählt. Die­se Fil­me und zusätz­li­ches Archiv­ma­te­ri­al aus ver­schie­de­nen Doku­men­ta­tio­nen brin­gen wir bei der Auf­füh­rung mit Video­pro­jek­tio­nen auf die Büh­ne und in einen Dia­log mit mei­nen Tanz- und Spiel­pas­sa­gen. Und Live-Musik haben wir auch.

Wie gestal­ten Sie die Tanzpassagen?

Mar­tha Krö­ger: Es gibt Gefühls­zu­stän­de, wie hin­zu­fal­len und immer wie­der auf­zu­ste­hen, oder nach Frei­heit zu stre­ben, die nicht unbe­dingt greif­bar sind, die man aber gut in Kör­per­bil­der brin­gen und mit dem Kör­per rela­tiv gut und klar aus­drü­cken kann. Ich kom­me ja aus dem Phy­si­cal Theat­re, bei dem Hand­lung oder eben Bil­der in ers­ter Linie durch kör­per­li­che Bewe­gun­gen aus­ge­drückt wer­den. Es geht dabei auch viel um den einen Aus­druck, den es in einem bestimm­ten Moment braucht. Ich arbei­te also viel mehr mit Impro­vi­sa­ti­on als mit fest­ge­setz­ten Choreografien.

Ist das Stück zur Auf­klä­rung eines West­pu­bli­kums gemacht?

Mar­tha Krö­ger: Nicht nur. Ich habe tat­säch­lich die gro­ße Hoff­nung, dass ich das Stück auf bei­den Sei­ten zei­gen kann, denn ich den­ke, es tut gut, wenn man sich im Osten ver­stan­den fühlt. Ich selbst mer­ke, wie gut es mir tut, in Bam­berg mit Leu­ten zu reden und unse­re Erfah­run­gen und Sicht­wei­sen zu teilen.

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