„Orgelherbst St. Martin“ ist der neue Name für eine Konzertreihe, die ursprünglich bereits 2013 von der Pfarrei St. Martin und dem Förderverein St. Martin Bamberg e.V. – maßgeblich organisiert von Ulrich Theißen Pibernik unter dem Titel „Musik in St. Martin, Musik für St. Martin“ – ins Leben gerufen wurde. Nun erfährt sie bereits im zweiten Jahr eine Frischekur: Im Oktober wird die Steinmeyer-Orgel noch an den beiden kommenden Samstagabenden jeweils um 17.30 Uhr erklingen, zum Teil ergänzt durch weitere Instrumente. Am Profil haben die Initiatoren behutsam gefeilt, um Bewährtes mit neuen Impulsen zu verbinden.
Bamberg wartet mit zahlreichen kulturellen Angeboten auf. Abseits dieser zumeist größeren Veranstaltungen möchten Ulrich Theißen und seine Mitstreiter einen Ort schaffen, der mit musikalisch Schönem und Berührendem aufwartet, der Platz für Besinnung bietet – und das alles mitten in der pulsierenden Innenstadt. Vor diesem Hintergrund wird die „Königin der Instrumente“ in St. Martin erklingen und die Menschen einladen, innezuhalten und sich von der Musik ergreifen zu lassen. Unterstützt wird Ulrich Theißen Pibernik, im Hauptberuf Professor an der Universität Salzburg und in seiner Freizeit leidenschaftlicher Organist und Orgelforscher, durch St. Martins Pfarrer Helmut Hetzel und den Schatzmeister und Kirchenpfleger Michael Lotter. Helmut Hetzel ist der Musik sehr zugewandt. Er sieht in ihr eine spirituelle Kraftquelle und eine Chance zur Wiederbelebung des religiösen Lebens, generell sogar als Chance für die Kirche(n) an sich. Aber natürlich sind nicht nur gläubige Menschen eingeladen, den Klängen zu folgen. Jeder darf die Stücke so hören, für sich interpretieren und sich inspirieren lassen, wie er mag. Das wird bei einem derart reichhaltigen und abwechslungsreichen Programm der vier Konzerte sicherlich niemandem schwerfallen.
Ein Platz zum Innehalten und Lauschen
Ulrich Theißen Pibernik investierte die letzten zwölf Jahre viel Zeit und Aufwand in die Konzertreihe mit der Orgel und „um sie herum“. „Nicht immer ist es einfach, alle Vorstellungen der Solistinnen und Solisten mit den eigenen zu vereinen, aber auch die damit verbundene Korrespondenz und die PR, die Organisation und Finanzierung unter einen Hut zu bekommen“, lässt er die Zeit Revue passieren. „Es gilt, durch eine sensible Programmwahl Vorurteile um die Orgelmusik, mit Attributen wie ernst, kompliziert, langweilig versehen, zu relativieren.“ Umso schöner ist es, dass nun eine goldene Mitte gefunden wurde, sodass sich der Initiator wieder mit Leib und Seele dem Projekt verschrieben hat.
„Unser Ansinnen ist es, in der von Geschäftigkeit und manchmal auch Lärm geprägten Bamberger Innenstadt einen Platz zum Verweilen und ‚Herunterkommen durch Musik‘ anzubieten. Wir möchten gleichzeitig eine Veranstaltung mit einem besonderen Charakter schaffen und nicht etwas Beliebig-Unterhaltsames, aber auch nichts allzu Intellektuelles. Deshalb lassen wir genauso tiefgründige wie verspielt-humorvolle, farbenreiche, immer aber qualitätvolle Musik erklingen. Manchmal experimentieren wir auch.“ Fragen, die sich die Veranstalter mit diesem Hintergrund im Vorfeld gestellt haben, sind beispielsweise: Wie begeistern oder gewinnen wir unser Publikum? Was können wir ihm vermitteln? „Eigentlich gehen wir den bisherigen Weg weiter, nur, dass wir Künstler- und Zuhörerschaft in eine noch engere Beziehung durch Musik zueinander bringen möchten, indem wir neue inhaltliche Schwerpunkte setzen.“
Orgel zwischen West und Ost, Europareise, Saitenspiel und Opern
Der Eintritt zu den Konzerten ist frei, um Spenden wird gebeten. Der Förderverein St. Martin hat mit diesen vor, das Kulturleben in der Kirche zu fördern, etwa auch den Unterhalt der Krippenfiguren. Vor jedem Konzert wird das Publikum mit einer Einführung in das Programm samt Vorstellung der Künstlerin beziehungsweise des Künstlers begrüßt.
Los ging es am 4. Oktober mit „Orgel zwischen West und Ost“. Das zweite Konzert am 11. Oktober stand im Zeichen einer „Musikalischen Europareise“.
Mit dem Titel „Wenn Saiten und Pfeifen jubilieren“ läutet Silke Aichhorn aus Traunstein die zweite Hälfte des Orgelherbstes ein. Am 18. Oktober lässt sie ihre Harfe erklingen. Sie hat sich durch zahlreiche Auftritte, Projekte und CDs einen Namen gemacht und ist auch häufig im Radio zu hören. Ihre Musik verbindet oft traditionelle Elemente mit modernen Einflüssen. Bei zwei Stücken ist Ulrich Theißen selbst mit beteiligt. Er wird Silke Aichhorns Duopartner an der Truhenorgel sein. Eine Truhenorgel (auch Positiv genannt) ist eine kleine, transportierbare Orgel, die seit dem Frühbarock als sogenannte Continuo-Orgel zur Begleitung von Sängern, Soloinstrumenten und Chören verwendet wird.
Der fulminante Abschluss der Konzertreihe wird am 25. Oktober durch den Organisten und Orgelbauer Salvatore Pronestì gestaltet.
„Da fetzt es dann richtig!“ Gewitzt und voller Vorfreude funkeln Ulrich Theißen Piberniks Augen. Unter dem Titel „L’organo operistico“ oder „Melodramen, Opernarien und Symphonien für die Orgel“ spielt Pronestì Transkriptionen aus italienischen Opern, so von Bellini, Rossini, Verdi und Puccini. Pronestì ist der künstlerische Leiter des Internationalen Orgelfestivals im Pantheon in Rom. Er gibt außerdem regelmäßig und weltweit Konzerte. Für die Kooperation bei diesem Konzert hat Ulrich Theißen Pibernik den „Mosaico Italiano e. V.“ unter dem Vorsitz von Marco Depietri gewinnen können.
Der „Kopf“ des Orgelherbstes
Ulrich Theißen Pibernik ist seit seiner Kindheit mit der Bamberger Orgelwelt verbunden. Unter anderem arbeitete er als junger Mann im Orgelbau. „Ich habe jede Gelegenheit genutzt, um mich im Orgelspiel und in Fragen des Orgelbaus weiterzubilden.“ Nach seinem Studium der Slawistik und Musikwissenschaft in Würzburg und Salzburg, ein Jahr auch im bulgarischen Sofia, entschied er sich dann doch für eine akademische Laufbahn. Als Vorteil sieht er es an, dass es in der Sprach- und Kulturwissenschaft immer wieder Bezüge zur Musik gibt. Des Weiteren ist er nebenamtlicher Kirchenmusiker und zertifizierter Orgelsachverständiger. Das von ihm verfasste reich bebilderte Buch „Königin der Vielfalt. Gegenwart und Geschichte der Bamberger Orgeln“ ist ein Standardwerk der Literatur über Orgellandschaften.
Der jugendliche 62-Jährige ist einer, der nicht stillsteht, der nicht auslernen will. So nimmt er, der seit langem versiert in die Tasten greift, seit zwei Jahren noch einmal Orgelunterricht. Hier setzt er sich unter anderem mit der Alexander-Technik auseinander. Diese konzentriert sich darauf, eingelernte ungünstige und ungesunde Bewegungs‑, Haltungs- und Spielgewohnheiten zu erkennen und durch gezieltere Techniken und Abläufe zu ersetzen, um eine bessere Koordination, Atmung, mehr Entspannung, Effizienz und Konzentration – besonders beim Musizieren – zu erreichen.
Seit Ulrich Theißen Piberniks Heirat, hieraus entstammt auch der Doppelname, mit der slowenischen Organistin Barbara Pibernik treten die beiden regelmäßig als Orgelduo auf. Das Zusammenspiel mit vier Händen und Füßen ermöglicht, die Orgel oder zwei Orgeln noch vielfältiger und farbiger zu nutzen.
Ausblick
Auch der nächstjährige Orgelherbst ist teilweise bereits geplant. Der Oktober 2026 wird mit herausragenden Konzertthemen in St. Martin aufwarten. So gibt es bereits verbindliche Zusagen. Barbara Theißen Pibernik möchte aus Anlass des Welttierschutztages ein Konzert „Tierische Orgelmusik“ gestalten. Vivien Geldien aus Bad Reichenhall hat ebenfalls ein Programm namens „Alte und Neue Welt“ unter anderem mit einer Orgelfassung der „Neue-Welt-Symphonie“ von Dvořák angekündigt. Paolo Oreni, ebenfalls Bewunderer der Steinmeyer-Orgel, wird das Publikum mit seinen Improvisationen begeistern.
Es bleibt spannend. Widmen wir uns aber zunächst dem heurigen Orgelherbst und freuen uns auf vier Konzerte, die uns auf eine klangvolle und abenteuerlustige Reise durch Epochen und Stile mitnehmen werden.
