Seit 2013 leitet Patricia Alberth das Zentrum Welterbe Bamberg. Jüngst wurde sie zur Vorsitzenden der International Association of World Heritage Professionals (IAWHP) gewählt. Die Vereinigung verbindet Welterbe-Theorie und ‑Praxis. Wir haben mit ihr gesprochen und nachgefragt, was dieses Amt für sie und für die Stadt Bamberg bedeutet.
Frau Alberth, wie erweitert sich das tägliche Aufgabenspektrum der Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg durch die Wahl zur Vorsitzenden der International Association of World Heritage Professionals?
Patricia Alberth: Mein neues Amt als Vorsitzende der International Association of World Heritage Professionals ist ein Ehrenamt. Vorstandssitzungen und Projektbesprechungen finden in meiner Freizeit statt – teilweise zu ungewöhnlichen Tageszeiten, wenn wir mit Bamberg, Tiflis, Peking und La Paz an einem – virtuellen – Tisch sitzen. Aktuell planen wir eine Veranstaltung im Rahmen der nächsten Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in China sowie einen Publikationsbeitrag für das Jubiläum der Welterbe-Konvention im kommenden Jahr.
Muss man sich für die Position bewerben oder wird man vorgeschlagen?
Patricia Alberth: Ich habe mich um eine aktive Rolle in der Vereinigung beworben und wurde vom Vorstand einstimmig zur Präsidentin gewählt. Meine Amtszeit beträgt drei Jahre.
Wodurch haben Sie sich für die Position qualifiziert?
Patricia Alberth: 20 Jahre Welterbe-Erfahrung? Eine gesunde Portion Pragmatismus? Dass das Bamberger Welterbe weit über die Stadtgrenze hinaus strahlt, hat sicher auch zu meiner Wahl beigetragen. Insgesamt bin ich begeistert, wie gut wir uns im Vorstand mit Fachwissen, technischen Fähigkeiten, juristischer Expertise und organisatorischem Können ergänzen.
Welche Ziele möchten Sie in Ihrer Amtszeit erreichen? Welche Projekte stehen für die IAWHP an?
Patricia Alberth: Wir haben in unserer Vereinigung viele kluge, engagierte Welterbe-Expertinnen und ‑Experten, darunter auch einige Koryphäen. Mir ist daran gelegen, dass dieses Expertentum Anwendung findet, dass Theorie und Praxis einander ergänzen. Das kann über Austauschformate, auch informeller Art, gelingen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um über die Vereinigung ein internationales Symposium zu einem der Themen, an denen wir in Bamberg gerade arbeiten, zu organisieren und dadurch neue Impulse zu setzen.
Wie und was kann die IAWHP vom Welterbe Bamberg lernen oder profitieren, wie Bamberg von der IAWHP?
Patricia Alberth: Die 2010 gegründete Vereinigung bringt Forscherinnen und Praktiker aus aller Welt zusammen und fungiert als Ideenschmiede für die Entwicklung innovativer Ansätze zum Schutz, zur Erhaltung und zum Management kulturellen und natürlichen Erbes. Die International Association of World Heritage Professionals erreicht rund 5.000 Fachleute. Damit können wir Bambergs Präsenz international festigen und ausbauen. Gleichzeitig bringen wir Bamberger Lösungsansätze in die Vereinigung ein, die auch auf andere Orte übertragbar sind wie unser interaktives Besucherzentrum oder die Förderung von Barrierefreiheit im urbanen Raum.
Gibt es so etwas wie eine Bamberger Art des Welterbe-Managements, eine Vorgehensweise, die nur hier praktiziert wird und die Sie international einbringen könnten?
Patricia Alberth: Bamberg zeichnet sich durch eine engagierte Stadtgesellschaft und eine große Anzahl an Vereinen aus, die sich in die lokalen Belange einbringen. Viele Bambergerinnen und Bamberger besitzen auch selbst ein Denkmal. Das Bamberger Welterbe-Management funktioniert nicht aus dem Elfenbeinturm heraus, sondern zusammen mit den Menschen.
Die IAWHP setzt sich für den Schutz von kulturellem Erbe ein. Welche Erbestätten sind derzeit besonders gefährdet?
Patricia Alberth: Von den aktuell 1.121 UNESCO-Welterbestätten stehen derzeit 53 auf der Liste des Weltererbes in Gefahr. Das sind rund fünf Prozent. Zu den gefährdeten Welterbestätten zählen beispielsweise die Moscheen, Mausoleen und Friedhöfe von Timbuktu in Mali, die Altstadt von Wien und die bolivianische Silberminenstadt Potosí. Die Gefährdungen reichen von bewaffneten Konflikten über Klimawandel bis hin zu Infrastrukturprojekten.
In welchem allgemeinen Zustand befindet sich das internationale Welterbe-System?
Patricia Alberth: Die Anzahl der Welterbestätten wächst jährlich bei, im besten Fall, stagnierenden Budgets. Der Multilateralismus befindet sich in der Krise und die UNESCO steht aufgrund ihrer Schwerfälligkeit und Fällen von politischer Vereinnahmung immer wieder in der Kritik. Doch gerade angesichts globaler Herausforderungen wie der Corona-Pandemie oder dem Klimawandel brauchen wir starke überstaatliche Organisationen, die globale Lösungen vorantreiben können.
Welche Mittel stehen Ihnen als Vorsitzende zur Verfügung, Welterbe, das sich zum Beispiel in einem Kriegsgebiet befindet, zu schützen?
Patricia Alberth: Der Schutz von Kulturgut in Krisenregionen oder die gezielte Zerstörung von kulturellem Erbe durch Terrorismus sind schwieriges Terrain. 2016 wurde die mutwillige Zerstörung von Kulturgut zum ersten Mal vor dem Internationalen Strafgerichtshof verhandelt und verurteilt. Das war eine wegweisende Entscheidung. Als Vereinigung liegt unsere Stärke vor allem darin, das Bewusstsein für Welterbe-Belange zu schärfen, Praxis und Forschung zusammenzubringen und den Wissenstransfer zu unterstützen.
Sie sind seit etwa zwei Monaten im Amt. Lässt sich bereits ein Fazit ziehen?
Patricia Alberth: Die Neuwahl des Vorstandes fand schon am 12. Dezember 2020 statt. Wir benötigten einige Zeit, um die Vereinsübergabe während des Lockdowns über mehrere Kontinente hinweg zu regeln. Das hat erstaunlich gut geklappt – nicht zuletzt aufgrund der guten Zusammenarbeit mit den Behörden und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand.