Seit 2013 tanzen „Time2Change“ aus Bamberg erfolgreich und bringen jungen Bambergern HipHop bei. HipHop-Profi Jennifer Michalski spricht über ihr Lebensgefühl, die Projekte der preisgekrönten Crew „Time2Change“ und warum es sich lohnt, den Lockdownfrust weg zu tanzen.
„Es ist wichtig, dass man nicht in ein Loch fällt, weil gerade alles nicht so geht“, meint Jennifer Michalski, „da wieder rauszukommen ist gerade für Jugendliche schwer.“ Jennifer, genannt „Jenny“, ist leidenschaftliche HipHop-Tänzerin. Ihr Hobby hat sie zum Beruf gemacht. „HipHop ist für mich ein Lebensgefühl, damit kann man gut abschalten vom Alltag und etwas Gutes für sich tun.“
Im zarten Alter von vier Jahren hat sie mit dem Tanzen angefangen und Ballett ausprobiert. Mit sechs Jahren kamen Paartanz und kleine Showtänze hinzu. Ganz nach dem Vorbild ihrer sechs Jahre älteren Schwester Jasmin, die mit 14 Jahren schon ihre eigenen HipHop-Kurse für Kinder an der Tanzschule gab und eine Tanzlehrerausbildung machte. Da wollte Jenny auch hin. Endlich selbst 14 Jahre alt geworden, klappte es. Mit 15 konnte auch Jenny erstmals Kurse unterstützen und kurz darauf selbst 14-jährige Teenies im HipHop unterrichten. Kurse für Erwachsene kamen schnell dazu. Nach dem Abi entschied sie sich erst für den Basketballtrainerschein, war dann als Trainerin ein Jahr lang im Kinder- und Jugendbereich der Brose Baskets (heute: Brose Bamberg) aktiv, schwenkte dann im Anschluss aber gleich auf die klassische Tanzlehrerausbildung beim Tanzstudio Stein in Standard und Latein um, machte ihren Kinderfachtanzlehrer und spezialisierte sich zusätzlich als „HipHop-Instructor“.
„Mit dem HipHop war ich klar familiär geprägt. Hinzu kamen ein regelrechter Tanzfilmboom zu der Zeit mit Elementen aus Ballett und HipHop oder einer Mischung daraus, das hat mir sehr gut gefallen“, meint Jenny.
HipHop-Weltmeister 2018
Und ihre Leidenschaft für HipHop ließ sich noch steigern. „Ich wollte einmal auf einer Bühne stehen und einmal etwas gewinnen“, erzählt die heute 26-Jährige, „also gründeten Jasmin und ich 2013 Time2Change, um von der Hobbyschiene weg zu kommen und unseren Tanzstil auf ein neues Level zu heben.“
Eine geeignete Crew mit einer weiteren Tänzerin und zwei Tänzern war schnell gefunden. Aus zunächst kleineren Showacts bei Hochzeiten, Geburtstagsfeiern, Supermarkteröffnungen und Modenschauen wurden immer größere und ausgefeiltere Choreographien und Shows. Es folgten Teilnahmen an Tanzmeisterschaften, wie die Bayerische Meisterschaft 2014 im Showtanz, bei der die Gruppe auf Anhieb Vizemeister wurde. „Als wir das geschafft hatten, wollten wir an immer mehr Meisterschaften teilnehmen und es auch bei internationalen HipHop-Wettbewerben versuchen“, sagt Jenny.
2016 holte sich Time2Change bei der deutschen Meisterschaft und der Europameisterschaft im Showtanz der Internationalen Interessengemeinschaft für Tanzsport e. V. (IIG) prompt die Titel und tanzte sich mit ihrer Show „Obsession“ noch im gleichen Jahr beim Supertalent von RTL in die Vorrunde zum Halbfinale. Bei den „World Championships Artistic Streetdance“ der „World Artistic Dance Federation“ mit über 700 Teilnehmern im Familienpark Wunderland Kalkar an der niederländischen Grenze im Jahr 2018 schaffte es die Crew mit ihrer Show „Escape“ als „small group“ in der Kategorie „HipHop adults“ ganz oben aufs Treppchen und sicherte sich den WM-Sieg.
Choreographien zeigen aktuelle Themen
Die Choreos in ihren Shows sind dabei mehr als nur ein eigener Ideenmix, sie erzählen Geschichten. „In unseren Shows zeigen wir viel Gefühl. Freude, Trauer, Liebe, Hass – all das projizieren wir auf die Bühne. Mit unseren Storys wollen wir eine Verbindung zu den Menschen aufbauen, sie berühren und Emotionen auslösen“, so die Profitänzerin. Dazu greift sich die Crew gerne aktuelle Themen auf, die bewegen. In ihrer Show „Obsession“ führten sie den Zuschauer durch das Szenario der Abhängigkeit von Medien und Handys mit sozialer Isolation als Folge. Bei ihrer Show „Escape“ tanzten sie über die Themen Ausbruch und Befreiung, ließen dem Zuschauer aber Freiräume für Interpretation. „Gefangen zu sein, sei es örtlich oder gedanklich, hat für jeden eine andere Bedeutung. Am Ende stand die Befreiung durch sich selbst“, erklärt Jenny.
Derart tiefgründige Shows haben sie für die nächste Zeit nicht geplant. „Wir wollen gerade nichts, das so deep ist. Aktuell zeigen wir unsere Choreos zu Songs, die uns in Stimmung bringen, die gute Laune verbreiten und einfach Spaß machen“, meint Jenny. Wie in den letzten Videos „Kiespijn“ (https://youtu.be/LipUYQk0F1k) und „River“ (https://youtu.be/tyKqV6UU54s) aus dem Jahr 2019.
Da seit 2020 Tanzen in der Gruppe praktisch nicht stattfinden kann, machen sie unabhängig voneinander bei verschiedenen Online-Contests mit oder probieren Challenges aus. „Momentan macht jeder etwas für sich, um fit und auf irgendeine Weise dran zu bleiben“, sagt Jenny, „oft sind das auch einfach witzige Sachen wie die 30-Tage-Dehnen-Challenge oder Laufen.“ Welche Show sie als nächstes vorbereiten, bleibt offen. „Tatsächlich hat gerade jeder von uns viel Zeit, aber es gibt zu wenige Einflüsse von außen, die uns inspirieren“, meint Jenny, „es wird wieder etwas sein, dass gerade jetzt in unserer Zeit passiert. Corona wollen wir aber sicher nicht vertanzen!“
Im HipHop-Livestream beim Tanzstudio Stein
Auch für Tanzprofi Jenny, für die es nicht nur ein „Megagefühl“ ist, in diesem Beruf zu arbeiten, sondern die sich ihrer großen Verantwortung für ihre zumeist jugendlichen Fans bewusst ist, liegt der Schlüssel in dieser schwierigen Zeit bisweilen darin, sich aufzuraffen. „Im ersten Lockdown war ich noch sehr motiviert und habe Workouts gemacht, bis es wieder losging. Jetzt, im zweiten Lockdown, war die Motivation zwischenzeitlich auf dem Tiefpunkt. Irgendwann habe ich nur noch TV-Serien geschaut“, erzählt Jenny und lacht, „damit musste schnell wieder Schluss sein.“ Inzwischen hat das Tanzstudio Stein neben Online-Choreos im ersten Lockdown auch Livestreams für seine Kurse eingerichtet. Jenny und ihre Schwester Jasmin sind dort mit ihren HipHop-Kursen ab acht Jahren vertreten. Zwar könne man sich zuhause einfach Musik anschalten und für sich selbst tanzen, an festen Kursen zu festen Zeiten mit persönlichem Kontakt und Anleitung teilzunehmen, sei aber deutlich einfacher. „Auch die krassesten Tänzer mit ihren Videos auf irgendeinem Portal ersetzen keinen Unterricht“, weiß Jenny, „man kann keine Bindung aufbauen, dabei ist die Kommunikation, wie live reden und gemeinsam üben essentiell. Wir geben Feedback, können per Kamera verbessern und auch Chat-Funktionen nutzen.“ Die Streams gibt es beim Tanzstudio Stein neben HipHop auch für Country Linedance, Kindertanz und Zumba. Die Buchung funktioniert derzeit wahlweise nur für den einzelnen Livestream oder als Monatsvertrag, der sich nach dem Lockdown ganz bequem von selbst wieder auflöst und auch nicht zu einer dauerhaften Mitgliedschaft im Tanzstudio verpflichtet. Dass Time2Change zudem bald wieder eigene Musikvideos machen und bei Auftritten und Wettbewerben dabei sein kann, darauf hofft die Crew ganz stark. „Es ist immer wieder toll, auf der Bühne zu stehen, neue Sachen zu erleben und neue Erfahrungen zu machen – einfach unbeschreiblich. Für mich macht das die Leidenschaft fürs Tanzen aus.“
Weitere Informationen
Zu aktuellen HipHop-Livestreams und mehr beim Tanzstudio Stein unter
https://www.tanzstudio-stein.de/
Alles zur HipHop-Tanzcrew Time2Change gibt es unter
https://instagram.com/time2change_crew?igshid=1a0z3c7l16m4
oder unter