Schaufensterausstellungen sind derzeit gezwungenermaßen im Trend. So macht sich der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberfranken e.V. (BBK) seinen Büroraum in der Schützenstraße und vor allem dessen großflächige Fensterfront für eine neunteilige Ausstellungsreihe zunutze. Noch bis 2022 zeigen BBK-Mitglieder bei weiterlaufendem Bürobetrieb ihre Werke.
Bisher zu sehen waren Kunstwerke von Hans Doppel, Angelika Gigauri und dem aktuellen Berganza-Preisträger Peter Schoppel. Noch bis 1. März zeigt Gerhard Schlötzer seine Ausstellung “Zeichnen mit Zeichen”. Bei diesen großformatigen Bleistiftzeichnungen lässt Schlötzer aus den Buchstaben und Wörtern von Liedtiteln und Liedzeilen unter dem Eindruck und der Inspiration der jeweiligen Musikstücke komplexe Zeichenkonstrukte entstehen. Wir haben mit ihm über die Ausstellung, seine künstlerische Herangehensweise und seinen Umgang mit künstlerischen Konventionen gesprochen.
Herr Schlötzer, die Ausstellungsreihe im Büro des BBK begann letzten Sommer. “Zeichnen mit Zeichen” ist der vierte Teil. Wie sind Sie auf die Reihe gekommen?
Gerhard Schlötzer: Wir hatten schon länger die Idee, im gemeinsamen Büro von BBK und Kunstverein in der Schützenstraße eine Ausstellung zu machen. Dieser Raum ist durch seine gläsernen Schaufensterwände allseitig durchblickbar. Die Pandemie und städtische Fördermittel, die wir eigentlich für eine Ausstellung im Kesselhaus verwenden wollten, und eine Förderung der Sparkassenstiftung haben wir zum Anlass genommen, diese Idee nun umzusetzen, die nötige Ausstattung anzuschaffen und die Ausstellung unter den Mitgliedern des BBK auszuschreiben.
Welchen Maßgaben der Ausschreibung mussten Kunstwerke gerecht werden, um ausgestellt werden zu können?
Gerhard Schlötzer: Grundlegend geeignet für eine Ausstellung in einem Büroraum mussten die Werke sein. Sie müssen ihre Wirkung auch dann entfalten, wenn sie von mehreren Metern Entfernung betrachtet werden. Inhaltliche Vorgaben gab es keine.
Die Ausstellung findet in einem Büro, also inmitten von Büromaterial und teilweise Büropersonal statt. Kann da Ausstellungsgefühl aufkommen?
Gerhard Schlötzer: Kann im Museum Ausstellungsgefühl aufkommen, wenn der Vordermann zwischen mir und dem Kunstwerk steht und mir den Blick verstellt? Ich weiß nicht, ob Menschen da allzu viel stören. Das einzige, das mich als Betrachter bei der Ausstellung stört, ist, dass ich nicht nah an die Werke herantreten kann und draußen vor dem Büro stehen bleiben muss. Aber das ist ein Kompromiss, den uns Corona aufzwingt.
Was ist “Zeichnen mit Zeichen”? Wieso haben Sie sich für diese Herangehensweise entschieden?
Gerhard Schlötzer: Ich mache schon längere Zeit Zeichnungen nach Musikstücken. Von der Musik leihe ich mir den Gestus beim Zeichnen aus und folge ihr. Ich wähle eine Abfolge von Stücken aus, unter deren Eindruck die Zeichnungen, die dabei entstehen, wachsen, immer dichter werden und sich verändern, bis am Ende ein komplexes Netzwerk sich überlagernder Linien das Papier bedeckt.
Es ist eine Reise beim Zeichnen – vom ersten Strich bis hin zu einer gefüllten Zeichenfläche.
Man kann es ein bisschen mit Tanzen vergleichen – die Spuren seiner Bewegungen nach Musik werden mit der Zeichnung dokumentiert. Auch stelle ich mir beim Zeichnen immer die Frage, wie ich mich zu dem, was bereits auf der Zeichenfläche ist, sinnvoll verhalte, damit ein Bild entsteht.
Letztlich soll ein Werk meinen Konventionen von einem guten Werk, also Aufbau, Struktur, Spannungsverhätnisse, entsprechen, mich aber immer auch in neue Regionen führen und mein Wissen davon, was ein gutes Bild sein könnte, erweitern. Das ist auch ein Prozess, in dem ich versuche, mich nicht zu langweiligen.
Müssen Sie während des Zeichenprozesses manchmal Korrekturen am Werk vornehmen, wenn Sie feststellen, dass Sie sich gestalterisch in der falschen Region befinden?
Gerhard Schlötzer: Nein, weil ich bei dieser Art von Zeichnung keine Fehler machen kann. Die Zeichnung kann langweilig werden oder spannungsarm, aber Fehler kann ich keine machen. Das ist auch ein Grund, warum ich nach Musik zeichne, um eben nicht in eine eigene stereotype, eingelernte Körpermechanik zu verfallen. Ich brauche einen gestischen Input von außerhalb, den ich mir aus verschiedenen Musikstücken hole.
Das klingt, als ob Sie mit geschlossenen Augen und nur mit der Musik im Ohr zeichnen.
Gerhard Schlötzer: Es stimmt, es gibt Zeichnungen, die fange ich blind, rein aus dem Körpergefühl heraus, an. Aber irgendwann, eher früh als spät, kommt natürlich das Auge hinzu.
Es gibt aber auch Fälle, wo ich versuche, diesen von Konventionen gesteuerten kontrollierenden Blick, also das Hinzutreten all der Regeln, nach denen man ein Bild beurteilen kann, möglichst hinauszuschieben. Da versuche ich, den Kompositionsprozess möglichst lange offen zu lassen, nicht zu schnell in Konventionen zu kommen, was ja unter anderem heißt, Teile des Bildes miteinander in Verhältnis zu setzen.
Wie gelingt es Ihnen, Konventionen auszuklammern?
Gerhard Schlötzer: Ich arbeite mit Konventionen, das will ich gar nicht leugnen, Konventionen sind nichts Schlimmes. Sie sind sozusagen das Raster der Bewegungsmöglichkeiten, die Bedingungen des Kulturprozesses, in dem wir stehen. Ich finde es spannend, in einem kulturellen Prozess zu stecken und mich zum Vorhandenen verhalten zu müssen. Aber das ist kompliziert, weswegen auch die Zeichnungen komplex werden. Immer wieder versuche ich, Grenzen zu setzen und zu schauen, wo man sie überschreiten kann.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Gerhard Schlötzer: Ich verwende zum Beispiel bei vielen Zeichnungen der Serie „Zeichnen mit Zeichen“ quadratische Bildträger, weil Quadrate im Gegensatz zu längsrechteckigen Formaten nicht frühzeitig schon zu kompositorischen Entscheidungen zwingen. So ein Quadrat kann man während des Zeichnens auch mal um 90 Grad drehen und in dieser Position weiter bearbeiten. Andererseits habe ich bei dieser Serie aber auch eine Anfangsbedingung eingeführt, eine Einschränkung meiner Handlungsmöglichkeiten, nämlich die, nur Großbuchstaben des lateinischen Alphabets, die Liedtitel oder Liedzeilen wiedergeben, zu verwenden. Meine selbst auferlegte Bedingung ist die Verwendung der geometrischen Formen der Buchstaben und ihre Reihenfolge – meine Freiheit ist, dass ich das so groß und mit dem Gestus, den ich will, und an beliebiger Stelle der Zeichenfläche tun kann. Ich konfrontiere also vorgegebene Setzungen mit Freiheitsgraden und schaue, was unter den gegebenen Bedingungen rauskommt.