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Fränkischer Theatersommer

Spiel­zeit­mot­to „Die Lie­be unter der Lupe“

Inten­dant Jan Burd­in­ski im Inter­view: 30 Jah­re Frän­ki­scher Theatersommer

Knapp 4000 Auf­füh­run­gen von etwa 350 Insze­nie­run­gen an unge­fähr 70 Orten in ganz Ober­fran­ken: Seit 30 Jah­ren ist die Ober­frän­ki­sche Lan­des­büh­ne des Frän­ki­schen Thea­ter­som­mers in der Regi­on unter­wegs. Im April ging sie in ihre 30. Spiel­zeit. Anfang August kommt der Thea­ter­som­mer für meh­re­re Auf­trit­te auch nach Bam­berg. Im Inter­view mit Inten­dant Jan Burd­in­ski haben wir uns den Spiel­plan genau­er angesehen.
Herr Burd­in­ski, was gibt es zur 30. Spiel­zeit beson­de­res im Spielplan?

Jan Burd­in­ski: Beson­der­hei­ten sind unser Haupt­stück, der Klas­si­ker „Amphi­try­on“ von Hein­rich von Kleist, und, als euro­päi­sche Komö­die, in die­sem Fall des pol­ni­schen Autors Alex­an­der Fre­dro, das sati­ri­sche Stück „Mann & Frau“. Damit kom­men wir am 6. August auch nach Bam­berg. Wir nen­nen es ein Mensch-ärge­re-dich-nicht-Sing­spiel, denn wir haben es mit eige­nen Chan­son­tex­ten und Musik bearbeitet.

Jan Burdinski
Jan Burd­in­ski, Foto: Fr. Theatersommer
Das Stück bedient das lite­ra­risch immer frucht­ba­re The­ma der Ehe und zwar in der pol­ni­schen bür­ger­li­chen Gesell­schaft des 19. Jahr­hun­derts. Was kann die Hand­lung über die heu­ti­ge Zeit aussagen?

Jan Burd­in­ski: Gegen­sei­ti­ger Betrug und Pein­lich­kei­ten en mas­se kom­men immer vor! Wobei in „Mann und Frau“ am Ende auch die Klä­rung der Ver­hält­nis­se steht, auch wenn sie beschä­mend für alle Betei­lig­ten ist.

War­um haben Sie „Amphi­try­on“ als Haupt­stück ausgewählt?

Jan Burd­in­ski: Das Stück steht für mich in einer bedeut­sa­men Tra­di­ti­on des deut­schen Thea­ters, das spä­tes­tens seit Les­sing sehr stark der Auf­klä­rung ver­pflich­tet ist. Die­ses Stück ist zeit­los in sei­ner Bespie­ge­lung mensch­li­cher Cha­rak­te­re und dem The­ma der Iden­ti­täts­kri­se, wir wie sie auch heu­te wie­der haben. Die hoch­phi­lo­so­phi­sche Fra­ge der Suche nach dem Selbst, die­ses „Wer bin ich?“ oder „Bin ich wirk­lich ich?“, behan­delt das Stück in einer für das Publi­kum sehr ver­gnüg­li­chen Form und macht sie ver­steh­bar. Wobei bei sol­chen Lust­spie­len eine Ten­denz zum Absturz bezie­hungs­wei­se zur Tra­gö­die auch immer sehr nahe ist. Bei­de Ele­men­te, das des Komi­schen und das des Tra­gi­schen, ver­kör­pert das Stück in einem per­ma­nen­ten Auf und Ab.

Haupt­fi­gur Amphi­try­on ist Feld­herr, der gera­de die Athe­ner besiegt hat, das Stück also auch ein Kriegs­stück. Kommt Ihnen das im Ange­sicht aktu­el­ler Anläs­se the­ma­tisch gelegen?

Jan Burd­in­ski: Schon zu Beginn weist die von Gui­do Apel kom­po­nier­te Musik dar­auf hin: Noch bevor man auf der Büh­ne Aktio­nen sieht, hört man aus der Fer­ne Kriegs­ge­schrei. Der Hel­den­wahn der Män­ner steht in auf­fal­len­dem Kon­trast zu den Äuße­run­gen der The­ba­ner­fürs­tin Alk­me­ne. Ihr gibt Kleist eine gewich­ti­ge Stim­me hin­sicht­lich sei­ner Kriegs­skep­sis. Aber am Schluss mar­schie­ren die Feld­her­ren – unfrei­wil­lig komisch – wie­der ver­gnügt in den nächs­ten Krieg.

Nach wel­chen Gesichts­punk­ten haben Sie den wei­te­ren Spiel­plan zusammengestellt?

Jan Burd­in­ski: Im letz­ten Jahr hat­ten wir das The­ma „Lüge“. Dies­mal haben wir das The­ma „Lie­be“ und das Mot­to lau­tet: „Die Lie­be unter der Lupe“. Wir beleuch­ten dabei die ver­schie­dens­ten Aspek­te in unse­ren Stü­cken. Ein Aller­welts­the­ma, ich weiß, aber sehr uner­schöpf­lich und immer für Über­ra­schun­gen gut. Schließ­lich betrifft es uns alle, nicht nur die Theaterliebhaber.

Am 1. August kommt der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer mit „Gär­ten der Lie­be“ zum ers­ten Mal in die­ser Sai­son nach Bam­berg, in die Kul­tur­fa­brik KUFA. Sie kün­di­gen einen „musi­ka­lisch-lite­ra­ri­schen Spa­zier­gang“ an. Was heißt das?

Jan Burd­in­ski: Zusam­men mit dem Ensem­ble Lewan­dow­ski-Roux aus Ste­gau­rach und Elt­mann haben wir zuerst ein Rie­sen-Sam­mel­su­ri­um mög­li­cher Stof­fe zusam­men­ge­stellt und dar­aus dann ein Pro­gramm von Lie­dern und lite­ra­ri­schen Tex­ten gestal­tet. Schon bei den Pro­ben und Vor­be­rei­tun­gen war viel Feu­er und Spaß dabei – und zugleich eine gro­ße Ent­spannt­heit. Und die bis­he­ri­gen Rück­mel­dun­gen des Publi­kums sind toll. Beim The­ma Lie­be, gera­de wenn es in der Kom­bi­na­ti­on mit Musik prä­sen­tiert wird, fin­det ein­fach jeder einen oder meh­re­re Bezugspunkte.

Am 2. August folgt die Auf­füh­rung von „Der Pro­fes­sor“. Wie wird Lie­be in die­sem Solo­stück von Bri­an Parks dargestellt?

Jan Burd­in­ski: Hier han­delt es sich um die Lie­be zur Wis­sen­schaft, die einen Son­der­ling her­vor­brin­gen kann. Den haben wir in der Gestalt eines Uni­ver­sal­ge­lehr­ten vor uns. Die­ser hält in dem Stück so etwas wie eine skur­ri­le Vor­le­sungs­rei­he über mehr oder weni­ger sinn­vol­le The­men. Auch ver­spricht er dem Publi­kum eine bahn­bre­chen­de neue Erkennt­nis über eines der größ­ten Rät­sel der Wissenschaft.

Mit „Ver­liebt, ver­lobt, ver­schwun­den“ geben Sie am 3. August in der KUFA hin­ge­gen eine Ein-Frau-Komödie.

Jan Burd­in­ski: In die­sem Fall geht es um eine Frau, die in einem Baum­haus Zuflucht nimmt. Der Grund? Ihr Bräu­ti­gam ist nicht zur stan­des­amt­li­chen Trau­ung erschie­nen. Sie ist natür­lich völ­lig ver­zwei­felt und stürzt sich in eine Gene­ral­ab­rech­nung mit allem Männ­li­chen. Die­se Komö­die wird gespielt von Sil­via Ferstl unter der Regie von Chris­toph Ackermann.

Sie ver­lan­gen von jedem Ihrer Ensem­ble­mit­glie­der, frü­her oder spä­ter ein Solo­stück zum jewei­li­gen Spiel­plan bei­zu­tra­gen. Warum?

Jan Burd­in­ski: Obwohl Frau Ferstl als erfah­re­ne Schau­spie­le­rin bereits vie­le Berufs­jah­re hin­ter sich hat, ist dies ihr ers­tes Solo­stück. Eine sol­che Erfah­rung ist unge­mein wich­tig, weil man mit einem Solo eine gewis­se Schall­mau­er durch­bricht und dabei ein ande­res Zutrau­en zu sich selbst gewinnt. Wenn man einen gan­zen Abend lang einen Span­nungs­bo­gen hal­ten und die Zuschau­er in Bann zie­hen kann, ist man auch wei­ter­hin für grö­ße­re Auf­ga­ben gewapp­net. Des­halb lege ich viel Wert dar­auf, dass unse­re Leu­te immer wie­der eine solch schwe­re Auf­ga­be mit Lust angehen.

Am 9. August zei­gen Sie „Rohr­muf­fen und Nagel­lack“. Dar­in trans­por­tiert eine jun­ge Frau lin­ke, pro­gres­si­ve, öffent­lich des­we­gen oft ver­un­glimpf­te The­men wie Vega­nis­mus oder Gen­dern. Damit trifft sie auf einen, wie Sie in der Ankün­di­gung schrei­ben, „frän­ki­schen Beton­kopf“. Auf wes­sen Sei­te ist das Stück mehr?

Jan Burd­in­ski: Das Zwei­per­so­nen-Stück wur­de extra für uns und die neue Spiel­zeit geschrie­ben. Autor Rai­ner Dohlus hat ein gro­ßes Gespür für Dia­lo­ge und frän­ki­schen Humor. Der inhalt­li­che und sprach­li­che Schlag­ab­tausch zwi­schen dem Frän­kisch bezie­hungs­wei­se Hoch­deutsch der bei­den Haupt­fi­gu­ren, einer jun­gen weib­li­chen Büro­kraft und einem älte­ren Hei­zungs­bau­er, lebt von die­sem Kon­trast. Dar­um ist das älte­re frän­ki­sche Publi­kum viel­leicht ein biss­chen mehr auf der Sei­te des Man­nes, das jün­ge­re Publi­kum mehr auf der Sei­te der Frau.

In „Zwei Waa­ge­recht“, mit dem Sie am 11. August in Bam­berg sind, ent­wi­ckelt sich eine Roman­ze aus dem ver­hält­nis­mä­ßig tro­cke­nen Anlass eines Kreuz­wort­rät­sels. Wie geht das?

Jan Burd­in­ski: Eine Frau und ein Mann ler­nen sich in einem Zug­ab­teil ken­nen, weil sie bei­de das glei­che Kreuz­wort­rät­sel aus einer Zei­tung vor sich haben. Beim Lösen der Rät­sel ent­steht ein gewis­ser Wett­kampf oder anders gesagt, ein gewis­ser Paar­kampf. Denn sie ste­hen nicht nur vor dem Kreuz­wort­rät­sel in der Zei­tung, son­dern auch vor den Lebens­rät­seln der jeweils ande­ren Per­son. Aber je län­ger es geht, des­to mehr wird aus einer anfäng­li­chen Abwehr­hal­tung ein inter­es­sier­tes Ken­nen­ler­nen – jedoch immer in der Schutz­hal­tung der Anony­mi­tät, weil sie ihre Namen nicht preis­ge­ben. Eine zwei­stün­di­ge Zug­fahrt mit Konsequenzen.

Wie bewerk­stel­li­gen Sie es, dem Publi­kum das Kreuz­wort­rät­sel vor Augen zu führen?

Jan Burd­in­ski: Die bei­den ver­wei­sen immer wie­der auf die Fra­gen, die vor ihnen lie­gen. „Sie irren sich bei 129 waa­ge­recht.“ Oder: „Könn­ten Sie mir einen Tipp geben bei 23 senk­recht?“ Dabei hau­en sie sich gegen­sei­tig ihr Wis­sen um die Ohren, müs­sen sich aber Stück für Stück mehr offen­ba­ren – ihre Erfol­ge und ihr Schei­tern. Dabei ver­lie­ben Sie sich.

Die aktu­el­le Sai­son läuft seit April. Wie ist der Zuspruch des Publi­kums bisher?

Jan Burd­in­ski: Es läuft ganz gut, aller­dings mit ein paar nega­ti­ven Über­ra­schun­gen. Denn wir muss­ten eini­ge Auf­trit­te absa­gen. Wir hat­ten teil­wei­se ein­fach zu weni­ge Tickets ver­kauft. Über die Grün­de für die­ses Fern­blei­ben des Publi­kums weiß ich aller­dings nichts zu sagen. Bei ande­ren Stü­cken waren wir hin­ge­gen über­rascht, wie vie­le Leu­te gekom­men sind.

Sie bau­en der­zeit Gut Kut­zen­berg in Ebens­feld zu einem Thea­ter­zen­trum aus. Wie weit sind die Bau­maß­nah­men, wie viel wer­den sie kosten?

Jan Burd­in­ski: Wir befin­den uns gera­de noch mit­ten in der Bau­pha­se, die die etwa drei­jäh­ri­ge Sanie­rung vor­be­rei­ten soll. Zehn Pro­zent der sehr hohen Sanie­rungs­kos­ten müs­sen wir sel­ber tra­gen. Der Gewinn, den ein Thea­ter wie das unse­re, eine Lan­des­büh­ne mit auf­wän­di­ger Logis­tik, abwer­fen soll, kann im Jah­res­schnitt nicht sehr hoch sein und dar­um brau­chen wir viel Zeit und Unter­stüt­zung. Vor­sich­ti­ge Schrit­te sind der­zeit ange­bracht bei gleich­zei­ti­ger Risikobereitschaft.

Was gibt Ihnen Hoff­nung, die gefor­der­te Sum­me zusam­men zu bekommen?

Jan Burd­in­ski: Unse­re Chan­ce, das zu schaf­fen, liegt in unse­rem enga­gier­ten Ein­satz, in unse­rer Fle­xi­bi­li­tät und Mobi­li­tät. Wir ver­su­chen, immer einen Aus­gleich hin­zu­be­kom­men zwi­schen den Thea­ter-Kul­tur­be­dürf­nis­sen in der Stadt und auf dem Land. Vie­les kon­zen­triert sich natür­lich in der Regi­on um Bam­berg, Coburg und Bay­reuth. Aber eben auch die Land­stri­che dazwi­schen wol­len gefüllt sein mit anspruchs­vol­ler Thea­ter­kul­tur. Wir sind nach wie vor von einem nicht bezwing­ba­ren Begeis­te­rungs­wil­len getra­gen, wes­we­gen ich kei­nen Anlass zur Sor­ge habe.

Jan Burdinski
Gut Kut­zen­berg in Ebens­feld, Foto: Mat­thi­as Lurtz

30-jäh­ri­ges Bestehen

Frän­ki­scher Thea­ter­som­mer: „Das Expe­ri­men­tel­le kam viel­leicht ein biss­chen zu kurz“

Seit 30 Jah­ren bereist und bespielt der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer die nord­baye­ri­sche Regi­on. Nahe­zu 4000 Auf­füh­run­gen mit mehr als 350 Insze­nie­run­gen hat die Wan­der­büh­ne mitt­ler­wei­le absol­viert – vor­nehm­lich auf dem Gebiet der Komö­die. Im Inter­view haben wir mit Inten­dant Jan Burd­in­ski zurück und nach vor­ne geblickt.
Herr Burd­in­ski, war­um wur­de der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer 1993 gegründet?

Jan Burd­in­ski: Stadt­thea­ter hat­ten und haben manch­mal lei­der einen begrenz­ten Radi­us in ihrer Reich­wei­te, was den länd­li­chen Raum angeht. Was mei­nem Emp­fin­den nach damals also fehl­te, war ein Thea­ter-Zugang auf´s Land. Natür­lich gibt es hin und wie­der Din­ge wie orga­ni­sier­te Bus­rei­sen aus der Pro­vinz in grö­ße­re Städ­te, um dort eine Thea­ter­auf­füh­rung zu besu­chen, aber dass man auf die Land­be­völ­ke­rung zugeht, zu ihr hin­fährt und auf Dorf­markt­plät­zen oder ähn­li­chem spielt, kommt kaum vor. 1993 wur­de dann die Idee an mich her­an­ge­tra­gen, etwas dage­gen zu unter­neh­men und mit einem Wan­der­thea­ter die Frän­ki­sche Schweiz zu bespie­len. Die­se Anre­gung nahm ich auf und grün­de­te ein eigen­stän­di­ges Thea­ter. Kurz dar­auf haben wir schon begon­nen, die ers­te Spiel­zeit zu planen.

Fränkischer Theatersommer
Jan Burd­in­ski, Foto: Frän­ki­scher Theatersommer
Muss man für ein länd­li­ches Publi­kum ande­res Thea­ter machen als für städtisches?

Jan Burd­in­ski: Vor allem muss man ein Mehr an spon­ta­ner Begeis­te­rung für anspruchs­vol­les Komö­di­en­spiel wecken als man es bei einem thea­ter­ver­wöhn­ten städ­ti­schen Publi­kum tun muss. Mit unse­rem Komö­di­en- und Frei­licht­thea­ter­for­mat war eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung hier­zu erfüllt. Bei Pro­blem­stü­cken gilt es oft­mals, Hür­den zu über­win­den und der Publi­kums­zu­strom ist ein­ge­schränk­ter als in der Stadt. Expe­ri­men­tel­les Thea­ter hat es noch schwe­rer, beim Publi­kum anzu­kom­men. Das ist manch­mal bedau­er­lich, ande­rer­seits hütet die­se Tat­sa­che uns davor, über­in­tel­lek­tu­el­les ver­kopf­tes Thea­ter anzu­bie­ten oder einen Insze­nie­rungs­stil der Dekon­struk­ti­on zu pfle­gen, wel­cher das Publi­kum oft rat­los zurück­lässt und in den wenigs­ten Fäl­len die Lust am Thea­ter befördert.

Wur­de der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer also auch gegrün­det, um die­ser Art des Thea­ters mit sei­nen eher leich­te­ren Stü­cken etwas entgegenzusetzen?

Jan Burd­in­ski: Nein, der Thea­ter­som­mer wur­de nicht aus einer Anti-Hal­tung her­aus gegrün­det. Zuge­ge­ben: Ich bin kein gro­ßer Freund des soge­nann­ten Regie­thea­ters, bei dem der Regis­seur oft mehr gilt als der Autor. Ein sol­ches Thea­ter- und Regie­kon­zept kann zwar gelin­gen, benö­tigt aber zum Ver­ständ­nis oft­mals eine umständ­li­che Fuß­no­ten-Dra­ma­tur­gie in einem über­di­men­sio­nier­ten Pro­gramm­heft. Ich habe die Erfah­rung gemacht, dass der Dis­kurs mit dem Publi­kum dadurch kei­nes­wegs leben­di­ger wird.

Wel­ches war das ers­te Stück, das der Thea­ter­som­mer vor 30 Jah­ren auf die Büh­ne brachte?

Jan Burd­in­ski: „Rit­ter Unken­stein“ von Karl Valen­tin. Ein Stück mit einem sehr tro­cke­nen Humor, das zeich­net Valen­tin gene­rell aus, und köst­li­chen Dia­lo­gen. Das Büh­nen­bild war das pri­mi­tivs­te und sim­pels­te, was man sich vor­stel­len kann: Ein Tisch, ein Hocker und eine Burg-Turm-Attrap­pe, sonst nichts. Aber es war ein durch­schla­gen­der Erfolg. Wir konn­ten das Stück über vie­le Jah­re spie­len, weil es immer wie­der gewünscht wurde.

Haben Sie sich zu Beginn Etap­pen-Zie­le gesetzt, wie etwa in fünf Jah­ren dies und in zehn jenes errei­chen zu wollen?

Jan Burd­in­ski: Nein, soweit waren wir in den Anfän­gen nicht. Wir hat­ten kei­ner­lei För­de­rung. Ich dach­te damals, das Gan­ze ein oder höchs­tens zwei Jah­re machen zu kön­nen und dann ande­re Thea­ter­zie­le zu suchen. Aber da die­se ers­ten bei­den Jah­re äußerst erfolg­reich waren, kam irgend­wann die Kom­mu­nal-Poli­tik auf uns zu und ermu­tig­te uns wei­ter­zu­ma­chen. Das Ver­spre­chen, einen Trä­ger­ver­ein zur künf­ti­gen kon­ti­nu­ier­li­chen För­de­rung zu grün­den, wur­de von der Poli­tik umge­hend eingelöst.

Was hat sich die Poli­tik von die­sem Ange­bot versprochen?

Jan Burd­in­ski: Das Inter­es­se der Poli­tik bestand in einer kul­tu­rell-tou­ris­ti­schen Erschlie­ßung der Frän­ki­schen Schweiz.

War das der Moment, in dem sich der Thea­ter­som­mer eta­bliert hatte?

Jan Burd­in­ski: Ent­schei­dend war die Tat­sa­che, dass wir uns mit unse­ren Thea­ter­an­ge­bo­ten Jahr für Jahr stei­gern konn­ten, bis wir mit einem Umfang von 150 Auf­füh­run­gen pro Sai­son bereits zu einer Art Lan­des­büh­ne gewor­den waren. Die­se Ent­wick­lung zog wie­der­um das Inter­es­se des baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums für Wis­sen­schaft und Kunst auf sich – samt wei­te­rer Förderung.

Hat­ten Sie damals schon eine Heim­stät­te wie heu­te mit Gut Kut­zen­berg in Ebensfeld?

Jan Burd­in­ski: Nein. In den Anfangs­jah­ren hat­ten wir fünf ver­schie­de­ne Orte in der Regi­on, an denen wir unse­re Pro­be­mög­lich­kei­ten, Requi­si­ten, Tech­nik oder Tour­bus­se unter­brach­ten. Es war ein Hin- und Her­ge­ren­ne über vie­le Jah­re. Als wir dann 2018 das Gut Kut­zen­berg als Schen­kung erhiel­ten, war dies ein sehr ein­schnei­den­des, hoff­nungs­vol­les Erlebnis.

Sie muss­ten also 25 Jah­re ohne fes­ten Ort auskommen?

Jan Burd­in­ski: Ja, 25 Jah­re lang war die Kunst der Impro­vi­sa­ti­on gefor­dert und dazu atem­be­rau­bend viel orga­ni­sa­to­ri­sche und logis­ti­sche Arbeit. Aber die Kraft der Begeis­te­rung ver­leiht Zähig­keit im Durch­hal­ten. Das gilt auch für das vor uns lie­gen­de Ziel, Kut­zen­berg zu einem anspruchs­vol­len Thea­ter­zen­trum aus­zu­bau­en. Wir möch­ten mehr kam­mer­spiel­mä­ßi­ge Auf­füh­run­gen und auch mehr Thea­ter­päd­ago­gik anbie­ten kön­nen. Das heißt aber nicht, dass wir unser ober­frän­ki­sches Wan­der­büh­nen-Dasein auf­ge­ben. Wir haben jetzt nur end­lich einen Ort, an dem kom­pakt alle Berei­che, die ein Thea­ter braucht, unter­ge­bracht sind.

War­um schlie­ßen sich Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler dem Frän­ki­schen Thea­ter­som­mer an?

Jan Burd­in­ski: Die Schau­spiel­tä­tig­keit für eine rei­sen­de Lan­des­büh­ne ist sicher­lich beschwer­li­cher als die Arbeit für ein Stand­ort­thea­ter. Der Vor­teil bei uns ist aber: Wir haben ein sehr unter­schied­li­ches Publi­kum und bei uns kann man Fran­ken sehr gründ­lich ken­nen­ler­nen und kommt in Gefil­de, die man wahr­schein­lich noch nie gese­hen hat. Auch bie­ten sich immer wie­der Spiel­si­tua­tio­nen, die wegen ihrer Auf­füh­rungs­or­te gera­de­zu aben­teu­er­lich sind, zum Bei­spiel das Brü­cken­thea­ter in Bad Staf­fel­stein, Thea­ter in Höh­len und auf Bur­gen der Frän­ki­schen Schweiz, Thea­ter­auf­füh­run­gen auf Tanz­lin­den, auf Bau­ern­hö­fen oder auch in einem Ker­wa-Fest­zelt. Hin­zu kommt für Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler: Wer sich ein­mal als Autor ver­su­chen will, einen Kaba­rett-Text kre­ieren oder sich ein eige­nes Stück auf den Leib schrei­ben las­sen möch­te, hat beim Frän­ki­schen Thea­ter­som­mer auch die Mög­lich­keit dazu. Die­se Art der krea­ti­ven Mit­wir­kung ist an ande­ren Thea­tern weni­ger aus­ge­prägt. Was wir letzt­lich auf die Büh­ne brin­gen, ist also stark abhän­gig vom Ensem­ble und sei­nen Wün­schen. Da sind wir frei­er und viel­leicht sogar näher dran am Urer­leb­nis schöp­fe­ri­schen Theatermachens.

Wie haben Sie sich in den Jah­ren des Bestehens als Inten­dant verändert?

Jan Burd­in­ski: Ich bin viel gelas­se­ner gewor­den. Den Umgang mit plötz­lich auf­tau­chen­den Pro­ble­men sind wir gewohnt, das Auf­fin­den von krea­ti­ven Lösun­gen eben­falls. Wir unter­schei­den uns in die­ser Hin­sicht von ande­ren Thea­tern so gut wie gar nicht.

Hilft Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz für die Stel­le des Intendanten?

Jan Burd­in­ski: Das ist sogar aller­ers­te Vor­aus­set­zung. Alle machen Feh­ler, man sel­ber natür­lich auch. Man lernt mit der Zeit, die Schwie­rig­kei­ten der Logis­tik, der Orga­ni­sa­ti­on und der Pro­ben­ab­läu­fe zu ver­ein­fa­chen bezie­hungs­wei­se zu opti­mie­ren. Das Lei­tungs­team muss aus Spar­sam­keits­grün­den ver­schie­de­ne Funk­tio­nen im Betrieb aus­fül­len kön­nen, zum Bei­spiel Tech­nik, Mas­ke, Inspi­zi­enz oder Büh­nen­bild, weil uns die Mit­tel für wei­te­res Thea­ter­per­so­nal feh­len. Der Spar­zwang ist bei uns zwin­gen­der als an ande­ren Theatern.

Begin­nen Sie nach 30 Jah­ren an eine mög­li­che Nach­fol­ge in der Inten­danz zu denken?

Jan Burd­in­ski: Schon, aber auch da blei­be ich gelas­sen. Noch traue ich mir zu, jedes Jahr aufs Neue die Sai­son zu pla­nen und zu gestal­ten. Wenn es mir die Gesund­heit erlaubt und sie mir noch zehn wei­te­re Jah­re erhal­ten bleibt, wid­me ich mich der Thea­ter­ar­beit ent­spre­chend län­ger. Ich sehe mich im posi­ti­ven Sin­ne sehr her­aus­ge­for­dert und habe noch Zie­le, wie den erwähn­ten Aus­bau von Gut Kut­zen­berg. Ich möch­te das Thea­ter erst dann in ande­re Hän­de über­ge­ben, wenn sich dort alles sta­bi­li­siert hat. Heu­te wäre das noch zu früh.

Was heißt stabilisiert?

Jan Burd­in­ski: Wir gehen gera­de ein Risi­ko ein mit dem Bau einer Funk­ti­ons­scheu­ne für die Tech­nik, das Thea­ter­mo­bi­li­ar, die Requi­si­te und unse­ren Fuhr­park. Um unser Thea­ter­zen­trum über­haupt sanie­ren zu kön­nen, benö­ti­gen wir in einem ers­ten Schritt eine sol­che Scheu­ne. Die­ses Bau­pro­jekt wird aller­dings nicht geför­dert, wir müs­sen also flei­ßig sein, um die Kos­ten in den nächs­ten Jah­ren ein­zu­spie­len. Wir hof­fen, dass schon im Juni das Richt­fest gefei­ert wer­den kann.

In wel­chem wirt­schaft­li­chen Zustand befin­det sich der Theatersommer?

Jan Burd­in­ski: In einem ziem­lich soli­den. Wir haben eine tol­le Vor­stand­schaft, die sich sehr mit uns iden­ti­fi­ziert und viel Frei­zeit auf­bringt, damit der Betrieb erfolg­reich wei­ter­läuft. Auch sind wir ganz gut durch die Coro­na-Jah­re gekom­men, weil wir oft im Frei­en spiel­ten und unse­re Geschäfts­stel­len­lei­te­rin die gefor­der­ten Hygie­ne­kon­zep­te per­fekt aus­ar­bei­te­te. Da hat­ten es ande­re Thea­ter aus­nahms­wei­se ein­mal schwe­rer als wir.

Stand der Thea­ter­som­mer schon ein­mal kurz vor Auflösung?

Jan Burd­in­ski: Eine sol­che Situa­ti­on gab es. Das war vor etwa 15 Jah­ren, als es im Ensem­ble zwi­schen­mensch­lich der­art geknirscht hat, dass wir im Lei­tungs­team vor Ver­zweif­lung fast die Lust ver­lo­ren. Zum Glück konn­ten wir die­se Zustän­de über­win­den. Seit­dem habe ich viel schär­fe­re Augen dafür, was die Che­mie in einem Ensem­ble betrifft.

Auch ein schär­fe­res Durchgreifen?

Jan Burd­in­ski: Nein, das ist nicht nötig. Gelas­sen­heit hilft auch hier. Ich sage heu­te nur schnel­ler „nein“. Es genügt meist ein offe­nes Gespräch. Ich kann mich auch nur an einen Fall erin­nern, in dem ich einem Ensem­ble­mit­glied sagen muss­te: Unse­re Wege tren­nen sich.

Was war das künst­le­ri­sche High­light der 30 Jahre?

Jan Burd­in­ski: Es gab so vie­le High­lights, dass ich das nicht sagen kann. Ein per­sön­li­ches High­light war aber sicher­lich, als mei­ne damals 13-jäh­ri­ge Toch­ter nach dem kurz­fris­ti­gen Aus­fall einer Schau­spie­le­rin deren Rol­le über­nahm. Sie war glänzend.

Was wür­den Sie heu­te künst­le­risch nicht mehr machen?

Jan Burd­in­ski: Die Fra­ge stel­le ich mir nicht, da ich auch mei­ne künst­le­ri­sche Ent­wick­lung als einen fort­dau­ern­den Lern­pro­zess erle­be, der nach vor­ne gerich­tet ist. Auch die eige­nen Irr­tü­mer im Lau­fe einer sol­chen Ent­wick­lung sind nütz­lich und hel­fen beim Umsteu­ern bezie­hungs­wei­se Korrigieren.

Was wol­len Sie unbe­dingt noch machen?

Jan Burd­in­ski: Ich wür­de ger­ne ein­mal in einem Autoren­team zu einem bestimm­ten The­ma arbei­ten, ein eige­nes Musi­cal schrei­ben, mich inten­si­ver mit der Thea­ter­ge­schich­te aus­ein­an­der­set­zen, mich an expe­ri­men­tel­le­re Stü­cke wagen, etwa an phi­lo­so­phisch-ver­spiel­te Thea­ter­stü­cke aus dem Bereich des absur­den Thea­ters. Auch Schnitt­punk­te zwi­schen Natur­wis­sen­schaft und Thea­ter inter­es­sie­ren mich. Im über­tra­ge­nen Sin­ne möch­te ich mich auf eine neu­ar­ti­ge Thea­ter-Ent­de­ckungs­rei­se bege­ben, ger­ne mit Impul­sen aus frem­den Kulturen.

Also doch ein wenig Regietheater?

Jan Burd­in­ski: Ja, viel­leicht im Sin­ne eines Thea­ter­la­bo­ra­to­ri­ums. Das Expe­ri­men­tel­le kam bei uns in den 30 Jah­ren viel­leicht tat­säch­lich ein biss­chen zu kurz. Wir sind sehr dar­auf ange­wie­sen, dass das Publi­kum auf dem Land vol­ler Freu­de zu uns kommt und auch vol­ler Freu­de wie­der geht. Da kann man nicht erwar­ten, dass es jedes Expe­ri­ment mit­macht. In einem fes­ten Zen­trum könn­te man aber hin­ter­her mit dem Publi­kum ins Gespräch kom­men über das jewei­li­ge Stück. Ich bin sicher, dass das Bedürf­nis nach leben­di­gem Thea­ter nicht tot zu krie­gen ist – auch nicht in unse­rer digi­ta­li­sier­ten Welt. Unser geplan­tes Kut­zen­ber­ger Thea­ter­zen­trum möge dafür stehen.

„Wir machen uns wie­der an die gro­ßen Stü­cke ran“

Frän­ki­scher Theatersommer

Die ober­frän­ki­sche Lan­des­büh­ne Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer ist nach eige­nen Anga­ben zwar mit Ein­schrän­kun­gen, aber letzt­lich gut durch die Pan­de­mie gekom­men. Pro­duk­tio­nen, die auf­grund ihres Auf­wands in der Spiel­zeit 2021 nicht rea­li­siert wer­den konn­ten, kön­nen nun gezeigt wer­den. Und es bleibt sogar noch Luft, ande­re Thea­ter­grup­pen zu unterstützen.

Der Som­mer 2022 ist für den Kul­tur­be­trieb der ers­te Som­mer seit zwei Jah­ren, den die Sze­ne ohne Sor­gen vor Pan­de­mie-Beschrän­kun­gen auf sich zukom­men las­sen kann. Ver­ges­sen sind die Sor­gen der zurück­lie­gen­den Som­mer dabei aber nicht. Vie­le Kul­tur­ak­teu­re muss­ten schwe­re orga­ni­sa­to­ri­sche und finan­zi­el­le Rück­schlä­ge verkraften.

Auch die Wan­der­büh­ne des Frän­ki­schen Thea­ter­som­mer hat gelit­ten und muss­te Auf­trit­te ver­schie­ben oder absa­gen. Aber Inten­dant Jan Burd­in­ski weiß, dass es schlim­mer hät­te kom­men kön­nen und ist froh, dass der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer schnell gelernt hat, sich ein­zu­schrän­ken. „Wir haben einen Weg gefun­den“, sagt er, „durch Öko­no­mi­sie­rung, mit weni­gen Mit­teln, über die Run­den zu kom­men. Ganz ent­schei­dend dabei war, das haben wir in den letz­ten bei­den Jah­ren gelernt, das Thea­ter­bü­ro rich­tig zu füh­ren – mit einer hell­wa­chen Geschäfts­füh­rung. So sind wir auch ganz gut durch die Pan­de­mie gekommen.“

Genau genom­men ken­ne er sogar kein ande­res Thea­ter, das es bes­ser durch die Covid-Zeit geschafft hat als der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer. Wobei „bes­ser“ hier unter Vor­be­halt steht: „Wir haben bei den ers­ten Alarm-Mel­dun­gen nicht die kom­plet­te Spiel­zeit abge­sagt, son­dern schnell ent­spre­chen­de Hygie­ne-Plä­ne ent­wi­ckelt, fle­xi­bel auf Ein­schrän­kun­gen reagiert und teu­re Pro­duk­tio­nen verschoben.“

Für die Sai­son 2022 hat der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer die­se Zurück­hal­tung aber auf­ge­ge­ben. „Wir machen uns wie­der an die gro­ßen Stü­cke ran“, sagt Jan Burd­in­ski. Vier sol­cher Stü­cke, deren Grö­ße ent­we­der von ihrer kano­ni­sier­ten Klas­si­ker­haf­tig­keit kommt oder vom Aus­stat­tungs­auf­wand, sind in den aktu­el­len Spiel­plan ein­ge­gan­gen. „Don Qui­jo­te und Sancho Pan­sa“ und das Musi­cal „Höchs­te Zeit“ sind Wie­der­auf­nah­men. Die Moliè­re-Komö­die „Arzt wider Wil­len“ – der fran­zö­si­sche Dra­ma­ti­ker wäre 2022 400 Jah­re alt gewor­den – und „Vol­po­ne“ von Ste­fan Zweig sind Neuinszenierungen.

Sei­ne Sai­son-Eröff­nung gab der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer am 20. Mai mit „Arzt wider Wil­len“. Über die bis­he­ri­gen Vor­ver­kaufs­zah­len kön­ne man sich nicht bekla­gen, aber das Publi­kum schei­ne der wie­der­ge­won­ne­nen Mög­lich­keit zur Frei­zeit­ge­stal­tung durch Kul­tur noch etwas zurück­hal­tend gegen­über­zu­ste­hen. „Ich weiß nicht, ob es noch an Coro­na liegt“, sagt Jan Burd­in­ski, „aber die Leu­te müs­sen offen­sicht­lich noch ein biss­chen ange­sto­ßen wer­den. Wir müs­sen dem Publi­kum noch deut­li­cher vor Augen füh­ren, dass man sich wie­der ins Freie wagen kann und Som­mer­thea­ter­kul­tur wie­der mög­lich ist. Wir müs­sen die Leu­te an einen Punkt brin­gen, an dem sie sagen: „Ein Abend voll schö­ner Unter­hal­tung, an der Luft, mit viel­leicht noch einem schö­nen Gespräch hin­ter­her – das gön­ne ich mir.“

Hil­fe für ande­re Theaterbetriebe

„Luxus­pro­ble­me“ mögen da ande­re Kul­tur­ak­teu­re sagen, denn um über ein zurück­hal­ten­des Publi­kum zu kla­gen, braucht man erst mal eines. „Ja“, sagt Jan Burd­in­ski, „wir wis­sen das und haben gemerkt, dass wäh­rend der Pan­de­mie und jetzt in ihren Nach­we­hen Künst­ler nicht die Auf­tritts­flä­che haben, die ihnen eigent­lich gebührt.“

Des­halb hat sich der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer ent­schie­den, sei­ne pri­vi­le­gier­te Situa­ti­on aus einer zufrie­den­stel­lend bewäl­tig­ten Pan­de­mie und einer begin­nen­den Som­mer-Tour­nee zu nut­zen, und ande­re Akteu­ren zu unterstützen.

Mit dem Pro­jekt „Künstler*innen unter­stüt­zen Künstler*innen“ möch­te der Thea­ter­som­mer einer Ama­teur­thea­ter­trup­pe und einer Grup­pe aus dem Pro­fi­be­reich hel­fen. So sol­len dem Main­Thea­ter aus Ebens­feld und ihrer „Ebens­fel­der Bier-Kömo­die“ und dem Duo Mysik Fan­tas­tik für ihre Klang­erzäh­lun­gen „Im Dunst­kreis des Hel­den“ insze­na­to­ri­sche bezie­hungs­wei­se infra­struk­tu­rel­le Unter­stüt­zung zuteil werden.

Leich­tes, aber mit schwe­rem Unterton

Auf dem eige­nen Spiel­plan der Sai­son 2022/​/​2023 ste­hen unter­des­sen wie immer Komö­di­en, Musi­cals, Kaba­rett­shows und Chan­son­aben­de. Der Schwer­punkt liegt auf dem Leich­ten. „Unser Pro­gramm“, sagt Jan Burd­in­ski, „ist dies­mal sehr komö­di­en­las­tig, wobei ich die Komö­die kei­nes­wegs als Last sehe, denn sie hat die Fähig­keit, das Schwe­re mit einem Lachen vorzutragen.“

Ein Stück des Spiel­plans passt auf den ers­ten Blick jedoch nicht in die­se Rich­tung, kommt es the­ma­tisch doch wesent­lich erns­ter daher. Denn in „All das Schö­ne“ des eng­li­schen Dra­ma­ti­kers Dun­can Macmil­lan geht es um die stän­di­gen Sui­zid-Gedan­ken einer Mut­ter, mit denen sich Vater und Toch­ter aus­ein­an­der­set­zen müs­sen. Viel­sei­tig sind die Ver­su­che der Toch­ter, ihrer Mut­ter das Leben mit sei­nen schö­nen Sei­ten wie­der schmack­haft zu machen. 

„Ich emp­fin­de das Stück nicht als beklem­mend“, sagt Jan Burd­in­ski. „Es macht zwar all die Fäs­ser auf, die zum The­ma gehö­ren, aber es ist nicht düs­ter. Es ist lebens­be­ja­hend. Bei der Mut­ter hat sich eine Mut­lo­sig­keit soweit ein­ge­nis­tet, dass sich die Toch­ter beru­fen fühlt dage­gen anzu­kämp­fen. Sie will der Mut­ter die Augen öff­nen für all das, was am Leben schön ist. Das Stück weist inso­fern auch über sich selbst hin­aus, als dass es eine Pro­ble­ma­tik anspricht, die sich wäh­rend der Pan­de­mie ohne­hin ver­schärft hat: die Zunah­me von Depres­sio­nen. Das Stück „All das Schö­ne“ hat den Vor­zug, dass es vie­le hei­te­re Sei­ten auf­weist und viel­leicht gera­de des­halb umso mehr unter die Haut geht.“

Stellt sich die Fra­ge, ob sich auch das zwei­te der­zeit alles beherr­schen­de The­ma im Sai­son­pro­gramm nie­der­ge­schla­gen hat: Kommt der Ukrai­ne-Krieg vor? „Ja, die tota­le Absa­ge an Krieg und Gewalt fin­det auf sub­ti­le Wei­se in „Don Qui­jo­te“ sei­nen Platz. Und – ohne zu viel zu ver­ra­ten – im Kaba­rett-Stück „Lügen haben lan­ge Bei­ne“ taucht ein gewis­ser Herr Putin auf.“

Insze­nie­run­gen in Bamberg

Anfang August kommt der Frän­ki­sche Thea­ter­som­mer auf sei­ner dies­jäh­ri­gen Sai­son­rei­se zum ers­ten Auf­tritt nach Bam­berg. Wie es sich in den letz­ten Jah­ren ein­ge­übt hat, fin­den die Auf­füh­run­gen auch 2022 wie­der in den Räu­men der KUFA in der Ohm­stra­ße statt.

Los geht es am 3. August mit dem erwähn­ten Duo Mysik Fan­tas­tik. Chris­ti­ne und Caro­li­ne Hau­sen prä­sen­tie­ren eine von Flö­ten­mu­sik unter­mal­te Ver­si­on der Aben­teu­er von Odys­seus. Dar­in sind auch Wer­ke des Bam­ber­ger Kom­po­nis­ten Horst Loh­se enthalten.

In „Rei­se-Sehn­süch­te“, mit dem der Thea­ter­som­mer am 4. August in Bam­berg auf­tritt, wird neben der Musi­ke­rin Bea­te Roux und dem Musi­ker Bog­dan Lewan­dow­ski auch Jan Burd­in­ski als Dar­stel­ler zu sehen sein. Der lite­ra­ri­sche Musik­abend ver­bin­det Wer­ke berühm­ter Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­ler mit Musik von unter ande­rem Cho­pin, Mozart und Duke Ellington.

Am Tag dar­auf, dem 5. August, zeigt das Ensem­ble Clau­dia Schrei­bers Ein-Per­so­nen-Stück „Emmas Glück“. Dar­in küm­mert sich die Bäue­rin Emma, gespielt von Rebek­ka Herl, um den mit dem Auto ver­un­glück­ten Max, eben­falls gespielt von Rebek­ka Herl. Im Lau­fe des Stücks kom­men sich die „bei­den“ näher. Kann sich das Publi­kum hier also auf eine Inter­pre­ta­ti­on der Fern­seh­sen­dung „Bau­er sucht Frau“ ein­stel­len? „Nein“, sagt Jan Burd­in­ski lachend, „das ist ein ganz ande­res Niveau. Neben viel Komik ent­hält das Stück auch Dra­ma und Poesie.“

In „Der Traum von Las Vegas“, dem nächs­ten Bam­ber­ger Stück am 6. August, zei­gen Sibyl­le Man­t­au und Sieg­fried Mai, was sie in Sachen Artis­tik, Jon­gla­ge und Varie­té kön­nen und ver­bin­den Show­num­mern mit Tanz­ein­la­gen und Gesang.

Wei­ter geht es in der KUFA am 7. August mit „Zwei wie Bon­nie und Cly­de“. Die bekann­te Geschich­te über das Gangs­ter­paar – hier sind es zwei Frau­en – legt der Thea­ter­som­mer eher humo­ris­tisch aus. Das Stück lebt von den immer wie­der schei­tern­den Ver­su­chen von Jen­ny und Chan­tal, an Geld zu kommen.

Mit „Lügen haben lan­ge Bei­ne“ wird es am 11. August kaba­ret­tis­tisch. Sil­via Ferstl und Chris­toph Acker­mann lügen, hoch­sta­peln und schwin­deln sich in ihrem Pro­gramm durch die Welt­ge­schich­te. „In die­sem Kaba­rett-Stück gehen wir neben all­täg­li­chen Lügen im pri­va­ten Rah­men auch auf die Pro­ble­ma­tik von Falsch­mel­dun­gen und Fake News ein“, sagt Jan Burdinski.

In „Mor­ta­del­la & Co.“, das der Thea­ter­som­mer am 12. August in der KUFA zeigt, spielt Pup­pen­spie­ler Tho­mas Glas­mey­er im Sti­le von „Don Camil­lo und Pep­po­ne“ den Kampf um das Bür­ger­meis­ter­amt in einem ita­lie­ni­schen Dörfchen.

Am 13. August gibt es „Vol­po­ne – Der Fuchs“ zu sehen. In Ste­fan Zweigs Ver­si­on der Komö­die von Ben Jon­son aus dem 17. Jahr­hun­dert ste­hen Ego­is­mus und Erb­schlei­che­rei der Bes­ser­ge­stell­ten im Mit­tel­punkt. Unter dem Vor­wand ster­bens­krank zu sein, lockt der rei­che Vol­po­ne aller­lei Geschäfts­part­ner an und macht sich sei­nen Spaß dar­aus, deren Hab­gier zu entlarven.

Den Abschluss der Bam­berg-Etap­pe des Frän­ki­schen Thea­ter­som­mers macht am 14. August das bereits erwähn­te Stück „All das Schöne“.