Mit „Die Räuber frei nach Friedrich Schiller“ beginnt das Theater im Gärtnerviertel (TiG) am 9. Oktober seine neue Spielzeit. Diese Saison wird
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„Die Räuber“ zur Eröffnung
TiG startet mit neuer Doppelspitze in die neue Spielzeit
Mit „Die Räuber frei nach Friedrich Schiller“ beginnt das Theater im Gärtnerviertel (TiG) am 9. Oktober seine neue Spielzeit. Diese Saison wird gleichzeitig auch die erste mit dem neuen Leitungsteam aus Aline Joers und Valentin Bartzsch sein.
Um wieder mehr Zeit für eigene Regieprojekte zu haben, ist Nina Lorenz vor einigen Monaten als Leiterin des Theaters im Gärtnerviertel (TiG) zurückgetreten. Im zehnten Jahr des Bestehens des Theaters übergab sie die Leitung an Aline Joers und Valentin Bartzsch, beide Mitglieder des Schauspielensembles.
Den beiden steht nun die Aufgabe bevor, das beim Publikum sehr beliebte und in diesen zehn Jahren, was die Zahl der jährlichen Produktionen angeht, stetig gewachsene Theater in die Zukunft zu führen.
Eine der ersten Entscheidungen der neuen Doppelspitze war, den Spielplan der am 9. Oktober beginnenden Spielzeit zusammenzustellen. Beim Eröffnungsstück wird es sich um „Die Räuber frei nach Friedrich Schiller“ handeln, Aufführungsort ist die Altenburg. Dann folgen unter anderem eine Wiederaufnahme von „Judas und Schwester von…“ von Lot Vekemans und das Weihnachtsprogramm „Wenn’s schneit, dann schneit’s“.
Die nächste Neuproduktion steht 2025 mit „Kulinarische Tischgespräche – Stephan Bach und Oscar Wilde“ an. Eine weitere Wiederaufnahme wird „Frau Müller muss weg“ von Lutz Hübner zeigen. Und mit „Kunst“ von Yasmina Reza und der Wiederaufnahme von „Cyrano“ von Edmond Rostand wird die Spielzeit enden.
Wir haben Aline Joers und Valentin Bartzsch im TiG-Büro in der Josephstraße getroffen und mit ihnen über die neue Aufgabe, den Respekt davor, die Fallen, die sie bieten könnte, Bambergs Kulturpolitik und die neue Spielzeit gesprochen.
In welchem Zustand hat Nina Lorenz das Theater übergeben?
Valentin Bartzsch: In einem tollen Zustand. Der Publikumszuspruch ist wirklich groß und die Anzahl der Produktionen war in der letzten Spielzeit enorm hoch – mit unseren Möglichkeiten eigentlich sogar maximal. Zu Beginn der letzten Spielzeit hatten wir mit „Der kleine Horrorladen“ außerdem die bisher größte Produktion des TiG überhaupt. Und mit unseren finanziellen Mitteln wurde stets umsichtig gewirtschaftet.
Warum wurdet ihr beiden nun für die Leitung ausgewählt? Oder habt ihr euch beworben?
Aline Joers: Beworben haben wir uns nicht, wir wurden von Nina vor etwa eineinhalb Jahren angesprochen, ob wir uns vorstellen könnten, die Leitung zu übernehmen. Dann gab es verschieden schnelle Zusagen beziehungsweise unterschiedlich lange Bedenkzeiten.
Valentin Bartzsch: Wir hatten es beide nicht unbedingt angestrebt, in eine Leitungsfunktion zu gehen. Wir haben Schauspiel gelernt. Aber als Nina ankündigte, aufhören zu wollen, stand natürlich die Frage im Raum, wie es mit dem TiG weitergehen könnte. Und je länger die Bedenkzeit ging, umso interessanter wurde die Aussicht, die Zukunft des TiG maßgeblich mitgestalten zu können.
Hat man solche Pläne nicht einmal insgeheim?
Valentin Bartzsch: Nein, überhaupt nicht. Wir haben auch gehörig Respekt vor dieser Aufgabe, mit der ja auch viel Einfluss einhergeht. Es liegt nun viel an uns, ob das TiG auch zukünftig gelingt. Ich setze mich gedanklich schon viel mit dieser Verantwortung auseinander. Damit meine ich nicht nur die künstlerischen Belange unseres Theaters. Es werden jetzt auch wirtschaftliche Verantwortung und knallharte Geldfragen auf uns zukommen. Das sind Dinge, die mich vorher nicht unbedingt gereizt haben, mit denen wir uns jetzt aber auseinandersetzen müssen. Hinzu kommt auch die Verbindlichkeit, nun fast ausschließlich Aufgaben der Theaterleitung zu bearbeiten und die Frage, wie wir das mit, um es mal ein wenig pathetisch zu sagen, unseren Künstlerseelen vereinen können. Der Anteil an bürokratischer und organisatorischer Arbeit ist schon sehr hoch.
Musste Nina Lorenz viel Überzeugungsarbeit leisten?
Aline Joers: Wir haben tatsächlich viele Gespräche geführt. Und es hat fast zwei Monate gedauert, bis wir an dem Punkt waren zu sagen, dass wir uns diese Position vorstellen können. Die große Zahl der neuen Aufgaben, die auf uns zukommen würden, hat uns dabei aber schon stark beschäftigt. Auch wollten wir beide unbedingt weiter als Schauspielerin und Schauspieler arbeiten können.
Valentin Bartzsch: Was für uns von Anfang an wichtig war, war die Verteilung der Aufgaben auf mehr Schultern. Wie Nina das zehn Jahre lang geschafft hat, ist wirklich schier unglaublich. Es war ja nicht nur die Verwaltung – sie hat noch unzählige Produktionen als Regisseurin oder künstlerische Leiterin verantwortet. Ich habe da nichts als Respekt. Ganz entscheidend ist darüber hinaus auch, dass Stephan Bach unser 1. Vorsitzender bleibt und Werner Lorenz unser Kassierer. Beide sind als TiG-Gründungsmitglieder und mit all ihrer Erfahrung tragend und geben uns viel Sicherheit.
Macht ihr euch Sorgen, dass ihr im Fall der Fälle nun früheren Kolleg:innen Anweisungen geben müsst, worunter möglicherweise das Soziale im TiG leiden könnte?
Valentin Bartzsch: Nein. Es ist natürlich einerseits etwas Neues für uns alle, andererseits nicht. Denn wir hatten und haben immer mal wieder Konstellationen, in denen wir uns mit Spielen und Inszenieren abgewechselt haben. Ich selbst habe beim Stück „Perplex“ letzte Spielzeit gemeinsam mit Elena Weber Regie geführt und hatte dabei sozusagen das letzte Wort. Danach inszenierte mich beispielsweise Heidi Lehnert bei „Happy End“ und ganz aktuell bei „Die Räuber“. Und als Schauspielende kennen wir uns ja auch bestens mit stetigen Rollenwechseln aus. Ich bin überzeugt, dass wir in dieser Frage alle sehr respektvoll, unterstützend und wertschätzend miteinander sind und auch die notwendige Kommunikationsfähigkeit besitzen. Aber es stimmt, die Entscheidungshoheit liegt jetzt in vielen Fragen naturgemäß bei uns, das ist die Aufgabe, die wir wahrnehmen müssen und wollen. Wenn es aber doch mal, wie in jedem Betrieb, zu Meinungsverschiedenheiten kommen sollte, müssen wir mit guten Argumenten und Verantwortung hinter unseren Entscheidungen stehen.
Worauf freut ihr euch bei der neuen Stelle?
Aline Joers: Das TiG ist ein so besonderes Theater, mit einem tollen Ruf – da ist man natürlich stolz und freut sich auf die neue Herausforderung. Hinzu kommen die Treue und die Offenheit des Publikums hier in Bamberg.
Valentin Bartzsch: Der Reiz ist natürlich, künstlerisch und planerisch gestalten zu können. Zu überlegen, welche Stücke wir spielen, wer wen oder was spielen könnte, wer inszeniert, wer ausstattet und wer die Bühne macht. Nach zehn Jahren als Schauspieler jetzt auch die so vielen anderen Aspekte des Theatermachens gestaltend kennenzulernen, ist unglaublich spannend.
Zuerst sollte auch Heidi Lehnert Teil des Leitungsteams sein. Dann zog sie sich aber zurück. Wie kam dieser Schritt?
Valentin Bartzsch: Es ergab sich, dass ihre bereits lange bestehende Leitungsfunktion bei Chapeau Claque ausgebaut wurde und sie nun doch dort in künstlerischer Leitungsfunktion bleibt. In leitender Funktion an zwei Theatern in derselben Stadt tätig zu sein, war für uns alle selbstverständlich ausgeschlossen. Sehr wichtig war uns hierbei, dass Heidi dem TiG als Schauspielerin und Regisseurin in vielen Produktionen erhalten bleibt. Zum Beispiel ganz aktuell als Regisseurin bei unserer Spielzeiteröffnung.
Wie wird sich die Arbeitsweise des Theaters mit der neuen Doppelspitze ändern?
Aline Joers: Eigentlich gar nicht. Wir werden dem TiG-Konzept treu bleiben: Wechselnde Spielorte und ein Spielplan aus Klassikern und Zeitgenössischem, auch am Personal wird sich selbstverständlich nichts ändern. Unsere Arbeitsweise entwickelt sich wahrscheinlich auch erst nach und nach im laufenden Tagesgeschäft. In manche Aufgaben werden wir uns schneller einfühlen, aber dann wird es auf der anderen Seite sicherlich auch viele Dinge geben, die sich erst einspielen müssen und die für uns immer wieder neu sein werden. Jede Produktion ist anders und – gerade beim TiG – weicht ja auch jeder Spielort von der Routine ab. Wir stellen uns also darauf ein, uns immer neu einstellen zu müssen.
Was werdet ihr von Nina Lorenz nicht übernehmen?
Valentin Bartzsch: Alleine alles zu wuppen, werden wir offensichtlich nicht machen. Aber sonst gibt es da eigentlich nichts Grundlegendes. Wir finden ein gut funktionierendes Theater vor und haben keine Erfahrung mit der Leitung. Da wollen wir uns erst mal das Gegebene aneignen und nicht vorschnell oder unnötig gravierende Veränderungen vornehmen. Über das Reinfinden in die Aufgabe werden wir aber sicherlich auch Punkte finden, bei denen wir uns ändern wollen – ohne dass das heißen soll, dass diese Punkte derzeit schlecht sind. Ein Beispiel wäre: Wir wollen uns als Ensemble immer weiter entwickeln. Bereits Anfang dieses Jahres haben wir dafür einen Workshop zu einer speziellen Schauspielmethode gemacht und alle zusammen vier Tage lang gelernt, ohne hinterher präsentieren zu müssen. Das würden wir gerne immer wieder mal für uns organisieren.
Gibt es schon Reaktionen eures Publikums. Herrscht Argwohn über oder Vorfreude auf das neue Leitungsteam?
Aline Joers: Ich denke schon, dass die Leute Nina vermissen werden. Sie hat die Leitung so lange innegehabt und war das Gesicht des Theaters. Da wird sich das Publikum schon erst mal umgewöhnen müssen. Aber es gibt auch viel Verständnis für ihren Schritt und unsere Nachfolge. Die Rückmeldungen auf Valentin und mich waren auch grundsätzlich wohlwollend, positiv und unterstützend. Insbesondere von unserem Förderverein „Freunde des Theaters im Gärtnerviertel e.V.“ fühlen wir uns sehr getragen.
Ihr übernehmt die Leitung in kulturpolitisch ungünstigen Zeiten. Die Stadt und ihr Kämmerer haben jüngst ihr Desinteresse an der Freien Szene klargemacht. Wie geht das TiG damit um?
Valentin Bartzsch: Wir positionieren uns ganz klar, nehmen an Demonstrationen teil und waren bei Sitzungen des Kultur- und Finanzsenats, um uns einmal genauer anzuhören, wie da über unsere Belange verhandelt wird. Dieser kulturpolitische Prozess ist noch nicht am Ende. Gerade die Forderung nach fünf Prozent des gesamten Kulturetats der Stadt Bamberg für die freie Kunst- und Kulturszene ist eine Forderung, die wir sehr hochhalten. Gleichwohl bekommen wir durchaus von der Stadt eine institutionelle Förderung, die nun auch erhöht wurde. Das geht aber leider, wenn der Kulturbetrag nicht auch insgesamt erhöht wird, nur auf Kosten der anderen Akteure der Szene. Das ist überhaupt nicht schön. Insgesamt müsste die Szene von der Stadt finanziell viel besser ausgestattet werden, damit wir als professionelle Kulturschaffende auch dauerhaft in und für Bamberg arbeiten können. So gerne wird in der Stadt von ihrem vielfältigen, kulturellen Angebot gesprochen, das die hiesige Lebensqualität steigert und auch ein wichtiger ökonomischer Standortfaktor ist. Aber die Professionalität der freien Kulturschaffenden kann sich nur langfristig stabilisieren, wenn auch die finanzielle Unterstützung durch die Stadt an professionelles Arbeiten angepasst wird.

Die neue Spielzeit beginnt ihr mit „Die Räuber – frei nach Friedrich Schiller“. Was heißt frei nach in diesem Fall?
Aline Joers: Regisseurin Heidi Lehnert hat eine eigene Fassung erstellt. Es wird eine kurze knackige „Räuber“-Inszenierung zu sehen geben.
Valentin Bartzsch: Inhaltlich gibt es einige Aspekte, die man – zumindest nicht unkommentiert – heute so nicht mehr bringen möchte: Beispielsweise das Frauenbild des Stücks oder auch antisemitisches Gedankengut. Die Fassung „frei nach“ beinhaltet entsprechend eine Kommentarebene, die Heidi eingezogen hat. Da wollen wir aber noch nicht zu viel verraten. Aber, eine Umdichtung wird es nicht, „Die Räuber“ werden zu erkennen und zu erleben sein.
Warum habt ihr dieses Stück für die Eröffnung ausgewählt?
Aline Joers: Bei uns steht bei der Spielplangestaltung manchmal zuerst der Spielort fest, manchmal zuerst das Stück. In diesem Fall hatten wir zuerst den Ort – den tollen Rittersaal in der Altenburg. Also überlegten wir, welches Stück dort gut hineinpassen würde. Außerdem hatten wir zur Spielzeiteröffnung Lust auf einen Klassiker. So kamen wir recht schnell auf „Die Räuber“. Das Stück ist nach wie vor sehr aktuell, denn es geht unter anderem um Radikalisierung und die Ursprünge von Hass oder die Grenzen von Freiheit.
Valentin Bartzsch: Ein Thema, neben den zeitlosen Themen wie Liebe und Rache, ist zudem, wie Menschen das, was sie für richtig oder falsch halten, durchsetzen – und das gegen die Allgemeinheit und ihre Gesetze. Denn Gesetze und Gemeinwohl erkennen weder die Räuberbande um Karl Moor, noch sein Bruder Franz als Hemmnis an. Ich denke, das ist hochaktuell. Mehr und mehr Menschen stellen das Gesamtkonstrukt – in dem Fall das der Demokratie – grundsätzlich und auf teils gefährliche, menschenverachtende Art und Weise infrage.
Werdet ihr dafür auch das Erscheinungsbild der Inszenierung heutigen Zeiten anpassen oder spielt ihr in historischen Kostümen?
Valentin Bartzsch: Nein, unsere Kostümbildnerin Nikola Voit hat die Kostüme nicht historisch beziehungsweise historisierend, sondern in zeitgenössischer Art und Weise gestaltet. Was auf das Aussehen der Inszenierung außerdem einen großen Einfluss haben wird, ist das Bühnenbild von Alexander Brehm, der seines Zeichens Bühnenmaler ist und mit „Die Räuber“ seinen Einstand bei uns hat. Er hat uns ganz großartige verschiebbare Hintergrundbilder gemalt.
Welches Stück würdet ihr gerne einmal auf die Bühne bringen?
Valentin Bartzsch: Ich würde gerne, auch wenn das beim TiG kaum machbar ist, „Der nackte Wahnsinn“ spielen. Das ist eine der Slapstick-Komödien überhaupt zurzeit. Aber technisch sehr aufwändig zu produzieren.
Aline Joers: Ich hätte gerne wieder einmal eine große Produktion mit Live-Musik, so wie wir es schon zweimal mit dem Blue Train Orchestra hatten. Aber egal, welches Stück wir zeigen, unser Anspruch wird sein, dass es eine Inszenierung ist, die das Publikum berührt und emotional mitnimmt.
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Motto „Verwandtschaften“
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