„Schock und Angst kön­nen läh­men, aber wir haben sie zu unse­rer Kraft­quel­le umgewandelt“

Ukrai­ni­scher Ver­ein Bamberg:UA e.V.

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Bamberg:UA
Lagerhalle auf dem Gelände der ehemaligen Lagarde-Kaserne mit Hilfsmitteln für die Ukraine, gesammelt vom Ukrainischen Verein Bamberg:UA e.V., Foto: Danylo Vegera
Auf­grund des Krie­ges in der Ukrai­ne benö­ti­gen zahl­rei­che Men­schen drin­gend Hil­fe – sowohl in den Kriegs­ge­bie­ten als auch in Bam­berg, denn zahl­rei­che Kriegs­flücht­lin­ge sind seit Ende Febru­ar 2022 in die Metro­pol­re­gi­on Nürn­berg gekom­men. Sol­che Unter­stüt­zung für Hilfs­be­dürf­ti­ge orga­ni­siert der ukrai­ni­sche Ver­ein „Bam­berg:UA e.V.“ – mit tat­kräf­ti­ger Mit­hil­fe aus der Zivilgesellschaft.

Unmit­tel­bar nach dem Angriff Russ­lands auf die Ukrai­ne am 24. Febru­ar orga­ni­sier­te Bamberg:UA eine Soli­da­ri­täts­de­mons­tra­ti­on mit der Ukrai­ne auf dem Max­platz in Bam­berg und sam­mel­te mit­tels der Initia­ti­ve „Bam­berg hilft Ukrai­ne“ die ers­ten huma­ni­tä­ren Hilfs­gü­ter. Die Web­site des Ver­eins „Bamberg:UA e.V.“ wur­de kom­plett über­ar­bei­tet und Hun­der­te Frei­wil­li­ge sag­ten ihre Unter­stüt­zung zu.

Bereits seit 2014 als stu­den­ti­sche Initia­ti­ve aktiv

Jedoch gibt es „Bamberg:UA“ nicht erst seit Kur­zem. Bereits 2014 gab es in Bam­berg jene enga­gier­te Grup­pe ukrai­ni­scher Stu­die­ren­der, die zum Stu­die­ren nach Deutsch­land gekom­men waren und sich der gemein­nüt­zi­gen Tätig­keit für ihr Her­kunfts­land ver­schrie­ben hat­ten. „Aus einer klei­nen stu­den­ti­schen Initia­ti­ve wuchs über die Jah­re hin­weg eine gro­ße Fami­lie von gut­her­zi­gen Men­schen her­an“, sagt Mari­ia Stets­ko, Koor­di­na­to­rin der Arbeits­grup­pe „Betreu­ung von Kommunikationskanälen“.

2017 ist die dama­li­ge Inter­es­sen­ge­mein­schaft offi­zi­ell als „Bamberg:UA e.V.“ in das Ver­eins­re­gis­ter ein­ge­tra­gen wor­den. Zwar war der Bereich der huma­ni­tä­ren Hil­fe bereits vor Kriegs­aus­bruch Bestand­teil der Ver­eins­ar­beit, jedoch gestal­te­te sich das Enga­ge­ment vor­her ins­ge­samt deut­lich vielfältiger.

„Vor dem Krieg konn­ten wir uns auf Kul­tur- und Bil­dungs­pro­jek­te kon­zen­trie­ren. Dar­über hin­aus war es für uns immer wich­tig, ukrai­ni­sche Jugend­li­che sowohl in der Ukrai­ne als auch in Deutsch­land zu unter­stüt­zen. Das Mot­to unse­res Ver­eins lau­te­te „Kin­der und Jugend­li­che sind unse­re Zukunft“, wes­halb mit­un­ter der Aus­tausch von ukrai­ni­schen und deut­schen Jugend­li­chen und Sams­tags­schu­len für Kin­der geför­dert wur­den“, so Stets­ko, die mit Hoff­nung und Zuver­sicht in die Zukunft blickt und fort­führt: „Für uns sind es nicht nur schreck­li­che Bil­der in den Nach­rich­ten. Es geht um unse­re Hei­mat, unse­re Lands­leu­te, Fami­li­en und Freun­de. Schock und Angst kön­nen läh­mend wir­ken, aber wir haben sie zu unse­rer Kraft­quel­le umgewandelt.“

35 Mit­glie­der und mehr als 150 Ehrenamtliche

Offi­zi­ell hat der Ver­ein 35 Mit­glie­der, wobei sich das Kern­team aus etwa 20 Per­so­nen zusam­men­setzt. Eini­ge der Mit­glie­der ver­wei­len auf­grund ihres beruf­li­chen Wer­de­gangs zwar nicht mehr in Bam­berg und leben teil­wei­se sogar in Öster­reich oder (wie­der) in der Ukrai­ne, sind nichts­des­to­trotz aber nach wie vor akti­ve Ver­eins­mit­glie­der. Dies ist sogar för­der­lich für die Gesamt­ver­net­zung. Neue Mit­glie­der sind jedoch der­zeit nicht vor­ge­se­hen. Unter­stützt wird der Ver­ein seit Beginn der Gescheh­nis­se in der Ukrai­ne von mehr als 150 Ehren­amt­li­chen in den ver­schie­de­nen Bereichen.

Einer die­ser äußerst enga­gier­ten Frei­wil­li­gen ist Olek­sii Lon­ski, des­sen Frau Anna eben­falls in der Ver­eins­ar­beit ein­ge­bun­den ist und die Koor­di­na­ti­on der Frei­wil­li­gen im Bereich der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung vor­nimmt. Olek­sii stammt aus der Ukrai­ne und ist 2014 aus dem aktu­ell umkämpf­ten Cher­son als Aus­tausch­stu­dent nach Deutsch­land gekom­men, um sei­nen Mas­ter an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg im Fach­be­reich der Ger­ma­nis­tik anzugehen.

Mitt­ler­wei­le ist er ein vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge lizen­zier­ter Dozent und beschäf­tigt sich sowohl mit berufs­be­zo­ge­nen Kur­sen als auch Inte­gra­ti­ons­kur­sen. Kon­takt zu ande­ren Stu­die­ren­den aus der Ukrai­ne hat er schnell bei sei­nen sonn­täg­li­chen Besu­chen in der ukrai­ni­schen Kir­che gefun­den. Hin­zu kommt, dass der Pfar­rer der ukrai­ni­schen Kir­che in Bam­berg bereits 2014 im umfang­rei­chen Stil per LKW-Ladun­gen Hilfs­gü­ter in die Ukrai­ne für Hilfs­be­dürf­ti­ge geschickt hat­te. Auf die­se Art und Wei­se ent­wi­ckel­te sich zunächst ein eher unre­gel­mä­ßi­ges Enga­ge­ment inner­halb der stu­den­ti­schen Initia­ti­ve ein­schließ­lich der ers­ten Jah­re des spä­ter offi­zi­ell bestehen­den Ver­eins. Bis vor weni­gen Mona­ten, als sich am 24. Febru­ar alles schlag­ar­tig änderte.

Bamberg:UA
Mari­ia Stets­ko und Olek­sii Lon­ski, Fotos: Privat
Viel Soli­da­ri­tät mit Bamberg:UA

„Mei­ne Frau ist wie vie­le ande­re ehren­amt­li­che Hel­fer aktu­ell sehr ein­ge­spannt. Ich unter­stüt­ze sie dabei momen­tan mas­siv“, sagt Olek­sii Lon­ski. „So haben wir seit dem Beginn des Krie­ges in der Ukrai­ne alle Apo­the­ken in Bam­berg kon­tak­tiert und nach­ge­fragt, ob sie uns im Bereich der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung hel­fen könn­ten. Noch­mals: Wir haben tat­säch­lich alle Apo­the­ken in Bam­berg kon­tak­tiert – und ich kann kei­ne Apo­the­ke nen­nen, die uns nicht in irgend­ei­ner Form gehol­fen hat. Die­se Unter­stüt­zung haben die Leu­te in der Ukrai­ne sofort gespürt. Ich bin ehr­lich gesagt sehr begeis­tert, dass so vie­le Men­schen mit­ma­chen. Dar­über hin­aus hat uns die Stadt Bam­berg zwei Lager in der Lag­ar­de Kaser­ne zur Ver­fü­gung gestellt – dort kön­nen wir alle Hilfs­mit­tel sam­meln und bis zum Ver­sand lagern. Das Lager ist zwei­mal pro Woche geöff­net. Wirk­lich sehr vie­le Bam­ber­ger – dar­un­ter auch sehr vie­le Schü­ler von etli­chen Schu­len in und um Bam­berg – betei­li­gen sich an den Spen­den­ak­tio­nen. Mit­ma­chen lohnt sich auf jeden Fall, denn ich könn­te eben­falls nicht ein­fach nur rum­ste­hen und nichts tun, wenn es mei­nem Nach­barn schlecht ginge.“

Olek­sii ist dank­bar und von der Soli­da­ri­tät im Bam­ber­ger Raum schlicht­weg begeis­tert. Jedoch ist er zugleich sehr trau­rig und scho­ckiert über die aktu­el­len Ereig­nis­se: „Ich habe eigent­lich ange­nom­men, dass man aus ver­gan­ge­nen Krie­gen viel­leicht etwas gelernt hat und auf sie ver­zich­tet – dem scheint lei­der nicht so zu sein.“

Mit Zuver­sicht in die Zukunft und hof­fen auf bes­se­re Zeiten

Die Arbeit des ukrai­ni­schen Ver­eins kann sich auf jeden Fall sehen las­sen – selbst­ver­ständ­lich auch Dank der Hel­fer. Man konn­te ein deut­li­ches Zei­chen set­zen und auf Unter­stüt­zung aus der gesam­ten Bevöl­ke­rung zurückgreifen.

„In den ver­gan­ge­nen Wochen haben wir tat­säch­lich 16 Ret­tungs­wa­gen gekauft und in die Ukrai­ne trans­por­tiert! Das hat uns alle sehr gefreut, aber erneut gleich­zei­tig trau­rig gemacht. Ich wer­de nie ver­ste­hen kön­nen, wes­halb man so viel Geld in Waf­fen steckt und damit so viel Leid anrich­tet. Statt­des­sen könn­te man das Geld gezielt in vie­le ande­re Berei­che wie bei­spiels­wei­se in die Ent­wick­lung und For­schung inves­tie­ren“, so Olek­sii Lonski.

Die Stadt Bam­berg unter­stützt die Hil­fe­su­chen­den sehr. Vie­le Hotels wer­den teil­wei­se fast aus­schließ­lich Flücht­lin­gen zur Ver­fü­gung gestellt. Trotz­dem wer­den wei­te­re Schlaf­plät­ze benö­tigt, meint Olek­sii, der bis­her selbst vier Fami­li­en bei sich emp­fan­gen und vor allem auf den ers­ten Metern in Deutsch­land stark unter­stützt hat.

„Geflüch­te­te auf­zu­neh­men, wäre eine gro­ße Hil­fe, denn vie­le Flücht­lin­ge woh­nen wei­ter­hin in Sport­hal­len, obwohl die Stadt bereits sehr viel unter­nimmt.“ Wei­te­re Hel­fe­rin­nen und Hel­fer wer­den drin­gend benö­tigt, um unter ande­rem Arz­nei­mit­tel und der­glei­chen zusam­men mit ande­ren Hilfs­gü­tern zu sor­tie­ren, ver­pa­cken und auf die LKWs auf­zu­la­den. Auch LKW- und Sprin­ter-Fah­rer, die frei­wil­lig die Güter zur Gren­ze oder in die Ukrai­ne brin­gen könn­ten, wären eine enor­me Hil­fe für alle Betei­lig­ten und grund­le­gend wichtig.

Mari­ia Stets­ko fasst zusam­men: „Die deut­sche Gesell­schaft leis­tet eine enor­me Hil­fe für uns und die Ukrai­ne. Auch die Stadt Bam­berg steht uns zur Sei­te. Es ist unglaub­lich, was wir in den letz­ten Mona­ten – weit über die Gren­zen Bam­bergs hin­aus – gemein­sam geleis­tet haben. Das Wich­tigs­te ist jetzt, dass wir nicht in unse­ren Bemü­hun­gen nach­las­sen, denn nie­mand kann vor­her­se­hen, wie lan­ge die­ser Krieg noch anhal­ten wird. Wir dür­fen uns nicht an die neue Rea­li­tät gewöh­nen, son­dern müs­sen mit aller Kraft ver­su­chen, den Frie­den in der Ukrai­ne wiederherzustellen.“

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