Atemberaubend und sagenhaft erstrahlt der neue Unterrichts- und Konzertsaal von Haus Marteau, der Internationalen Musikbegegnungsstätten des Bezirks Oberfranken, in Lichtenberg.
Mächtige Granitkeile lenken den Blick an die Decke. Die Gesteinskörper fächern einen Raum auf, der magisch wirkt und außergewöhnliche Konzerterlebnisse verspricht. Jetzt gab der verantwortliche Akustiker, Dr. Eckard Mommertz vom Ingenieurbüro Müller-BBM, letzte Anweisungen für den klanglichen Feinschliff.
Geheimnisvoll wirkt der Raum durch die gewaltigen, ineinander geschichteten Granitspitzen, die mit bis zu 13 Meter Länge und bis zu vier Meter Breite gewaltige Ausmaße haben.
„Der erste Raumeindruck war überwältigend. Zunächst beeindruckt die Architektur, dann die Stille im Raum. Und die ersten musikalischen Klänge waren sehr überzeugend“, schildert Mommertz seine erste Wahrnehmung des Unterrichts- und Konzertsaals. „Ziel unserer Arbeit ist es, die Architektur so zu beeinflussen, dass ein Raum für die vorgesehenen Nutzungen die richtige Akustik hat. Für den Proben- und Konzertsaal im Haus Marteau standen dabei beste Bedingungen für anspruchsvolle Proben und Konzerte im Vordergrund. Jetzt geht es nur noch um kleine bauliche Details.“ Das Besondere an diesem Saal sei für ihn neben der spektakulären Innenarchitektur auch die Materialwahl. „Ein Proben- und Konzertsaal aus Granit ist schon etwas Besonderes.“
Architekt Peter Haimerl wurde von der bergbaulichen Geschichte Lichtenbergs inspiriert, die Stimmung eines Bergwerksstollens einzufangen. Damit und durch imposante Lichteffekte hat er die spektakuläre Komposition geschaffen, die den neuen Saal einzigartig macht.
„Die Anlehnung an Lichtenbergs Bergbautradition verbindet den Saal thematisch mit dem Ritterstädtchen, an dessen Rand sich der Geigenvirtuose Henri Marteau 1912//13 ein repräsentatives Sommerhaus erbauen ließ“, so Oberfrankens Bezirkstagspräsident Henry Schramm. „Wir sind glücklich, dass wir diese in Europa einzigartige musikalische Bildungsstätte um diesen großartigen Saal erweitern konnten.“
Großartige Akustik, fantastische Raumwirkung
Durch die imposanten Granitspitzen wird der Raum nicht nur optisch, sondern auch akustisch geprägt, so der Akustikplaner Mommertz: „Diese wurden in Zusammenarbeit von Architekt und Akustiker geometrisch so entwickelt, dass klanglich der Fokus auf die Bühne gerichtet ist. Raumproportionen und ‑geometrie und das Zusammenwirken der Materialitäten spielen dabei eine entscheidende Rolle.“ Die Granitsplitter reflektieren und streuen den Schall gleichermaßen und tragen so zu einem ausgewogenen Klangbild bei.
In den vier Sitzreihen zu beiden Seiten der Bühne sei das Publikum räumlich und klanglich sehr nah am musikalischen Geschehen; ein hohes Maß an klanglicher Transparenz werde so begünstigt. Die akustische Balance zu den Granitkörpern und den Betonwänden stellen das Podium und die Zuschauertribünen in Holz sowie die gepolsterte Bestuhlung her. Das kritische Hören und die Interaktion mit dem Publikum stehe durch diese Raumgestaltung im Mittelpunkt, erläutert der Ingenieur, dessen Firma weltweit für die bau- und raumakustische Beratung großer Opernhäuser, Theater und Konzerthäuser tätig ist – unter anderem für das Wiener Konzerthaus, das Konzerthaus am Gendarmenmarkt oder für das Sydney Opera House.
Hinter der beeindruckenden ingenieurtechnischen Planung und Konstruktion sowie Transport und Einbau der Elemente aus Granit stehen die Granitwerke Kusser aus dem niederbayerischen Aicha vorm Wald. „Die schwerste Granitspitze wiegt knapp sieben Tonnen“, erläutert Projektleiterin Stephanie Schreiter. 330 Granitplatten wurden im Werk mit Stahl zu 32 Granitkörpern verbaut.
Der Entwurf des renommierten Architekten Peter Haimerl berücksichtige in besonderer Weise auch eine Nutzung des Saals als Unterrichtsraum bei den Meisterkursen, sagt der Verwaltungsleiter von Haus Marteau, Dr. Ulrich Wirz.
Haimerl plante den Raum so, dass er zur Diskussion anregt: „Deshalb sind beidseitig der Bühne Sitzplätze in einer dialogischen Situation angeordnet. Diese Konstellation erfordert eine besondere Gestaltung des Raumes. Die splitterartigen Granitelemente definieren die räumliche Wirkung. Gleichzeitig nehmen die kristallinen Formen des Konzertsaals Bezug zu den Materialien, die hier abgebaut wurden“, beschreibt der Architekt seine Grundgedanken.
Die Inszenierung der Architektur ziele darauf ab, dass der Raum den Besucher überrascht. Neben der räumlichen Wirkung in dem 13×13 Meter großen Unterrichts- und Konzertsaal solle das Material spürbar sein und einen direkten körperlichen Bezug zu den Musikern und Besuchern herstellen, so Haimerl. „Durch die lebendige Oberfläche und die vielfältigen Perspektiven wie auch die zahlreichen Details sollen die Zuhörerinnen und Zuhörer während eines Konzertes die Gelegenheit bekommen, eigene Bilder zur Musik zu komponieren, im Dialog der Richtungen neue Gedanken zu fassen, Vertrautes zu verlassen und sich der Raummagie hinzugeben.“
Neue Übungsräume und barrierefreier Zugang
In der Villa selbst wurden im Gartengeschoss drei zusätzliche Übungsräume geschaffen, um zwei Meisterkurse parallel veranstalten zu können und den Meisterschülern zeitgemäße Unterrichtsbedingungen zu bieten. Dafür wurde das Untergeschoss in einem aufwändigen Verfahren um 60 Zentimeter tiefer gelegt. Zudem wurden Villa und Saal durch den Einbau eines Aufzugs barrierefrei.
Mit der von der Oberfrankenstiftung und dem Bayerischen Kulturfonds unterstützen Maßnahme wurde im Herbst 2017 begonnen; die Bauarbeiten an Haus Marteau mit der Fertigstellung des Unterrichts- und Konzertsaals sind nahezu abgeschlossen.
Der Bezirk Oberfranken veranstaltet in der denkmalgeschützten Künstlervilla des einstigen Violinvirtuosen Henri Marteau (1874–1934) jährlich rund 40 Meisterkurse mit renommierten Dozenten für herausragende Nachwuchsmusiker aus aller Welt.
Neben den Meisterkursen findet dort in dreijährigem Turnus auch der Internationale Violinwettbewerb Henri Marteau statt. Der neue Unterrichts- und Konzertsaal ist der neue, spektakuläre Anziehungspunkt der renommierten Internationalen Musikbegegnungsstätte.