Seit 2014 informiert das Steigerwald-Zentrum über den Wald, seinen Zustand und seine Erhaltung. Eine unter den Auswirkungen des Klimawandels nicht immer aussichtsreiche Aufgabe. Trotzdem blickt man positiv in die Zukunft.
Im Jahr 2012 war Spatenstich für die Umweltbildungseinrichtung Steigerwald-Zentrum, gelegen nahe dem unterfränkischen Handthal am westlichen Rand des Steigerwaldes. Nach zwei Jahren Bauzeit und etwa drei Millionen Euro Baukosten konnte 2014 Eröffnung gefeiert werden.
Seitdem hat das Zentrum etwa 280.000 Besucher:innen empfangen. Allen davon versuchte es mit seinem Veranstaltungs- und Informationsprogramm, Einsichten in das Ökosystem Wald, seine Bewirtschaftung und Erhaltung näherzubringen. Dies aber immer wieder unter inhaltlichen Anpassungen, denn der Steigerwald ist nicht mehr derselbe wie vor zehn Jahren.
Daniela Mahroug ist Mitglied der Geschäftsleitung des Trägervereins, der sich aus Gemeinden und Landkreisen des Steigerwaldes, der Bayerischen Forstverwaltung und den Bayerischen Staatsforsten zusammensetzt. Louis Kalikstein ist forstlicher Leiter des Zentrums. Mit den beiden haben wir über das Zehnjährige des Zentrums, den Zustand des Steigerwaldes, Waldwirtschaft und positive Zukunftsperspektiven gesprochen.
Warum wurde das Steigerwald-Zentrum gegründet?
Daniela Mahroug: 2011 war das internationale Jahr zum Schutz der Wälder. Zu diesem Anlass gab es einen Ministerrats-Beschluss in Bayern, ein Bildungs- und Informationszentrum aufzubauen – daraus wurde letztlich das Steigerwald-Zentrum. Ein weiterer Grund bestand darin, den Wald sozusagen einmal aufmachen zu wollen, die Tür zu ihm zu öffnen und den Leuten zu zeigen, wie nachhaltige Waldwirtschaft und Forstwirtschaft im Allgemeinen funktionieren und was man mit dem Rohstoff Holz alles machen kann. Deswegen entschied man sich auch für ein Holzgebäude.
Worauf wurde beim Bau architektonisch geachtet? Das Zentrum ist eckig und kantig – nicht unbedingt natürliche Formen.
Daniela Mahroug: Man hat sich damals sehr intensiv mit der Form befasst und dabei versucht, das Zentrum so zu gestalten, dass der Bau in diesem schönen Landstrich nicht dominiert. Viele Leute, die zu uns kommen, sind entsprechend beeindruckt, wie groß das Gebäude im Innern ist, weil es von außen nicht so groß wirkt. Vom Parkplatz aus sieht man es sogar kaum. Insofern haben die Architekten sehr gute Arbeit geleistet: Die Dachneigung ist auch genau dem Gelände angepasst und das Gebäude selbst fügt sich in den Hang ein.
Warum wurde der Ort in Handthal für das Zentrum ausgewählt?
Daniela Mahroug: Ein Expertengremium schaute verschiedene potenzielle Standorte an und dann fiel die Wahl auf Handthal. Ich denke, ausschlaggebend war die Lage des hervorragend geeigneten Standortes. Wir haben hier sehr schöne und vielfältige Wälder ringsum und konnten das Gebäude direkt an den Waldrand bauen. Eine Eigenschaft, die für ein Waldzentrum essentiell ist. Außerdem konnte Handthal bereits vor zehn Jahren Erfahrungen mit Tourismus aufweisen.
In welchem Zustand befand sich der Steigerwald 2014?
Louis Kalikstein: Was seine Zusammensetzung angeht, hat sich in den letzten zehn Jahren nichts Gravierendes geändert. Gerade der nördliche Steigerwald ist nach wie vor geprägt von großen Buchenwald-Beständen. Was wir in den letzten Jahren aber natürlich sehr stark merken, sind die Auswirkungen des Klimawandels. Dabei hat sich der Zustand des Steigerwaldes hinsichtlich der Waldvitalität insgesamt eher verschlechtert. Auch das stellen wir gerade an den Buchen fest. Diese Bäume leiden besonders unter den trockenen und heißen Sommern der letzten zehn Jahre. Eine positive Veränderung, gerade auch für die Artenvielfalt, ist die Zunahme an Biotopbäumen und Totholzstrukturen im Wald.
Machte sich der Klimawandel auch schon vor zehn Jahren bemerkbar?
Louis Kalikstein: Sicherlich, aber nicht so drastisch wie heute. Seit 2018 merken wir den Klimawandel deutlich. Das war ein besonders trockenes und heißes Jahr. Diese Zustände haben sich dann 2019 fortgesetzt und wir hatten seitdem mehr Extremjahre als normale. Von meinem Büro aus sehe ich einen Südhang und kann von Jahr zu Jahr zuschauen, wie die Bäume absterben.
Wie bekannt waren vor zehn Jahren die Themen Naturschutz und Klimawandel?
Louis Kalikstein: Im Forst sind diese Themen seit viel längerer Zeit aktuell. Ich denke jedoch, dass diese Themen gesellschaftlich erst vor einigen Jahren wichtiger geworden sind, heute stehen sie aber auf jeden Fall im öffentlichen Fokus. Gesellschaftliche Initiativen wie das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ von 2018 haben weitere Bewegung reingebracht.
Das Publikum des Steigerwald-Zentrums ist wahrscheinlich Publikum, das sich sowieso schon für diese Themen interessiert. Wie erreicht man die, die sich nicht dafür interessieren?
Louis Kalikstein: Unser Publikum ist zwar sehr breit gefächert, trotzdem kommen viele Leute tatsächlich aus dem Grund, dass sie sich bereits über die Materie informiert haben. Dennoch haben wir auch immer wieder Besucher, die vielleicht einfach einen Ausflug in den Steigerwald machen und noch keine allzu großen Vorerfahrungen mitbringen. Diese versuchen wir ganz besonders in unseren Veranstaltungen und Ausstellungen zu erreichen.
Daniela Mahroug: Wir machen zum Beispiel viele Führungen für Schulklassen, um ihnen den Wald, aber auch Natur- und Umweltschutz näherzubringen. Denn die Schüler kommen teilweise aus Familien, in denen Nachhaltigkeits-Themen noch nicht besonders verankert sind. Ähnlich wie bei einem Schulbesuch im Theater oder im Museum möchten wir so Kontakt mit dem Wald herstellen.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie: „Das Konzept des Steigerwald-Zentrums ist es, Nachhaltigkeit am Beispiel der Waldbewirtschaftung und Holzverwendung erlebbar zu machen.“ Inwiefern gehören Waldbewirtschaftung und Erhaltung zusammen, inwiefern stehen sie im Widerspruch?
Louis Kalikstein: Ich würde sagen, Waldwirtschaft ist angewandter Klimaschutz. Der Wald leidet unter dem Klimawandel, aber er ist auch eine Antwort auf ihn. Denn wenn wir etwa Holzprodukte nutzen und dadurch energie- und CO2-intensive Produkte ersetzen, schützen wir das Klima. Man hilft dem Wald und unterstützt seinen Erhalt also durch seine Bewirtschaftung. Ein weiterer Punkt ist: Wenn wir sehen, wie die Bäume unter dem Klimawandel leiden, dann stellen gerade wir Förster fest, dass wir aktiv etwas tun müssen, um den Wald umzubauen und ihn zu stabilisieren.
Wenn man den Wald also vollständig in Ruhe ließe, ginge es ihm schlechter?
Louis Kalikstein: Davon gehen wir aus. Grundsätzlich informieren wir sehr breit zu verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten, im persönlichen Bereich zum Beispiel über Ernährung, aber eben auch zu nachhaltiger Waldwirtschaft. Dabei bemerken wir, dass viele Leute glauben, dass Waldbewirtschaftung dazu führt, dass der Wald kleiner wird oder das Holz weniger. Man muss aber erklären, dass wir den Wald natürlich bewirtschaften, es ihm deswegen aber nicht schlechter geht oder es weniger Waldfläche gibt. Wir pflanzen ja auch immer wieder Bäume nach, beziehungsweise schaffen Voraussetzung für Naturverjüngung. Entsprechend nimmt die Waldfläche im ganzen Land, wenn auch im geringen Umfang, stetig zu.
Das Steigerwald-Zentrum ist auch Walderlebniszentrum. Was bedeutet das?
Daniela Mahroug: Jeder Mensch erlebt den Wald, wenn er in ihn hineingeht. Was wir machen möchten, ist Impulse geben, wie man den Wald zusätzlich aus einer anderen Perspektive sehen kann. Das versuchen wir mit Waldführungen für Kinder verschiedener Altersstufen, Oberstufenklassen und Fachgruppen. Dabei möchten wir den Leuten zielgruppengerechte Einsichten bieten, die sie sonst vielleicht nicht sehen.
Was sind das für Einsichten?
Louis Kalikstein: Normalerweise geht man vielleicht im Wald spazieren und schaut sich ein bisschen die Bäume an. Wir blicken aber auch mal unter die Oberfläche des Bodens oder nach oben in die Baumkronen oder mit dem Mikroskop auf Blatt- oder Holzstrukturen Auch verfügen wir über Spezialbrillen, die einen Eindruck vermitteln, wie ein Insekt den Wald sieht. Außerdem bieten wir immer wieder Elemente wie das bewusste Wahrnehmen der Gerüche oder Geräusche des Waldes. Das sind Dinge, sie schon viel bewirken können, was die Sicht auf den Wald angeht. Und eine Veranstaltung, die eine sehr ungewöhnliche Perspektive auf den Wald liefert, ist das Baumklettern. Das ist vor allem bei Kindern sehr beliebt.
Nach welchen Gesichtspunkten stellen Sie das Veranstaltungsprogramm zusammen?
Daniela Mahroug: Wir schauen, dass wir es ausgewogen zwischen Information und Unterhaltung gestalten, wobei jede Unterhaltungs-Veranstaltung auch die Absicht hat, über den Wald zu informieren und den Blick auf ihn zu schärfen. So ist unser Wildgrillen nicht nur eine Grill-Aktion, sondern soll den Leuten auch klar machen, was für ein nachhaltiges Produkt Wildfleisch ist. Ansonsten stehen bei der Veranstaltungs-Gestaltung natürlich Familien mit Kindern als Zielgruppe sehr im Fokus. Da wir aber für alle etwas bieten wollen, haben wir ebenfalls zum Beispiel Radtouren mit dem Förster, Führungen der Kräuterfrau oder einmal im Jahr unseren großen Waldtag.
Die Politik tut zu wenig für den Klimaschutz. Welche Schwierigkeiten bereitet es dem Steigerwald-Zentrum, als Träger unter anderem die Bayerischen Staatsforsten und Landkreise im Steigerwald und damit den bayerischen Staat zu haben?
Louis Kalikstein: Wir sind als Forstteam des Steigerwald-Zentrums dem Forstministerium unterstellt und dieses Ministerium ist sich, schon sehr lange bewusst, dass uns der Klimawandel vor große Herausforderungen stellt. Deshalb hat das Ministerium auch schon seit längerem darauf reagiert. So gibt es etwa ein Förderprogramm für private Waldbesitzer, das im bundesweiten Vergleich die höchsten Fördersätze hat. Dieses Förderprogramm unterstützt die Waldbesitzer bei der wichtigen Aufgabe des Waldumbaus. Auch existiert seit Kurzem ein neues Holzbauföderprogramm. So werden Waldumbau und die langfristige Verwendung dieses nachhaltigen Rohstoffes gezielt vorangetrieben.
Wird sich das Steigerwald-Zentrum irgendwann eines düsteren oder drastischeren Tones bedienen müssen, um auf den drastischer werden Klimawandel hinzuweisen?
Louis Kalikstein: Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg wäre. Vielleicht merke ich das in meiner Forst-Bubble nur besonders stark, aber eigentlich habe ich den Eindruck, dass bereits von allen Seiten gewarnt wird. Da könnte es passieren, dass die Leute dieses Warnens irgendwann überdrüssig oder noch überdrüssiger werden. Nächstes Jahr zeigen wir darum eine Ausstellung, die den Ansatz verfolgt, das Thema vom Positiven her anzugehen und nicht immer vom Düsteren. Dabei werden wir zeigen, was schon erreicht wurde und wie man daraus vielleicht Hoffnung und Motivation schöpfen kann.
Was wollen oder müssen Sie im Zentrum außerdem noch erreichen?
Daniela Mahroug: Ich denke, wir haben uns als Zentrum in der Region sehr gut etabliert, das sehen wir zum Beispiel an der Vielzahl der Anfragen aus Schulen, beim großen Besucherandrang beim Waldtag oder den in der Regel ausgebuchten Wochenendveranstaltungen. Diesen Zuspruch wollen wir in einem ersten Schritt halten und fortführen. Künftig wird es aber durchaus auch Themen geben, die wir stärker in den Fokus nehmen müssen, wie zum Beispiel Holzbau. Der Klimawandel fordert uns auf, mehr Holz im Bauwesen zu verwenden. Auch entsteht gegenüber von unserem Zentrum auf einer bisher verwachsenen Fläche eine Streuobstwiese, auf der wir noch einen kleinen Weg und verschiedene Stationen anlegen möchten. Eine Ausstellung „Schatzkammer Streuobstwiese“ zeigen wir bereits in diesem Jahr.
Wie könnte sich der Zustand des Steigerwaldes in den nächsten zehn Jahren verändern?
Louis Kalikstein: Ich glaube, auch hier muss man die Sache positiv sehen. Der Staatswald, der einen großen Teil des Steigerwaldes ausmacht, wird vorbildlich bewirtschaftet. Auch sind die Bayerischen Staatsforsten intensiv dabei, den Wald umzubauen und auf den Klimawandel vorzubereiten – und das schon seit eigentlich 30 Jahren. Wichtig wird es nur werden, auch die Privatwaldbesitzer mitzunehmen, sie aufzuklären und zu motivieren, ihren Wald zukunftsfest aufzustellen. Ihnen sollte man nicht die Zukunft schwarzmalen und sagen, dass in 20 Jahren sowieso alles vorbei ist. Es gibt eine Chance, den Wald zu retten und daran arbeiten wir.
Im September gibt es im Zentrum ein Fest zum zehnjährigen Bestehen. Was wird an diesem Tag geboten?
Daniela Mahroug: Nach einem Festakt für geladene Gäste haben wir ab 13 Uhr ein buntes Programm für alle auf die Beine gestellt. Es wird verschiedene Themenführungen unserer Waldpädagogik geben, Vorträge rund um Wald, Holz und Klima sowie viele Mitmachstationen wie Naturbasteleien, Brenngravur oder Textildruck. Außerdem kann man sich unsere Jubiläumsausstellungen ansehen und eine eigene „Jubiläums-Waldwundertüte“ erwerben. Gemäß dem Motto unseres gesamten Jubiläumsjahres „10 bunte Jahre“ wollen wir an diesem Tag vor allem zeigen, welche Angebotsvielfalt das Haus bietet.