Die Staatsbibliothek Bamberg zeigt noch bis zum 22. Oktober zum 200. Todesjahr von E.T.A. Hoffmann die Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“. Auf Kulturschaffende wie ihn geht zurück, dass in der romantischen Epoche des 19. Jahrhunderts der Begriff des Universalkünstlers aufkam. Seine literarischen Werke prägten eine literarische Gattung und seine Gesellschafts- und Kunstkritiken beeinflussten die ihrige. Zudem zeigte er große Produktivität als Zeichner und Komponist. Maßgeblichen Einfluss auf seine Laufbahn als Künstler hatte indes Bamberg.
„Obwohl es in Bamberg das ETA Hoffmann Theater, das ETA Gymnasium und den Hund „Berganza“ im Hain gibt“, sagt Prof. Dr. Bettina Wagner, Direktorin der Bamberger Staatsbibliothek, „Orte also, an denen man sich E.T.A. Hoffmanns durchaus bewusst werden könnte, befürchte ich, dass viele in der Stadt mit seinem unglaublich vielseitigen Werk nicht vertraut sind.“ Um dem ein wenig gegenzusteuern und anlässlich des 200. Todesjahres des Autors, Zeichners, Kritikers, Komponisten und Juristen Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann Hoffmann (1776 bis 1822) zeigt die Staatsbibliothek die Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“.
Zu sehen seit Ende Juli, präsentiert die Schau knapp 50 Stücke aus dem Bestand der Bibliothek, die neben der Staatsbibliothek Berlin die weltweit größte Sammlung zu Hoffmann besitzt. Umrahmt wird das Ganze von Spezial-Führungen, zeitgenössischer Installation und Konzerten.
Der Universalkünstler
Der Titel der Ausstellung spielt zwar mit der vornehmlichen populären Wahrnehmung Hoffmanns, die Schau selbst legt ihren Schwerpunkt aber nicht allein auf ihn als Autor von Schauergeschichten. Der Spitzname, den ihm Zeitgenossen einst verliehen haben – Gespenster-Hoffmann – kam im Angesicht seiner genre-definierenden Werke wie des Romans „Die Elixiere des Teufels“ oder der Erzählung „Der Sandmann“ durchaus nicht von ungefähr. Der Allrounder Hoffmann beschränkte sich aber nicht nur auf die Darstellung fantastischer Welten.
„Seine literarische Bedeutung für die Romantik“, sagt Bettina Wagner, „war darum so groß, weil er eigentlich alle ihre Spielarten verkörperte. Dunkle und abwegige Themen bearbeitete er genauso wie neue gesellschaftliche Aspekte, die durch die Selbstbeobachtung und technischen Fortschritt zustande gekommen waren.“
Als ein Highlight der Ausstellung bezeichnet Frau Wagner das Original-Manuskript der Hoffmann-Erzählung „Meister Martin der Küfner und seine Gesellen“, die eher in die Richtung eines Lustspiels geht. „Das ist eines der wenigen Werkmanuskripte, das erhalten geblieben ist.“
Weitere Originale
Weitere Originale des Künstlers entstammen vor allem seinem zeichnerischen Schaffen, einer weiteren Säule seines Werks. Das großformatige Doppelporträt (siehe unten) seiner selbst und seines Freundes Adalbert Friedrich Marcus, ein Arzt und Kunstförderer, nach dem später das Markushaus, die Markusbrücke und der Markusplatz in Bamberg benannt wurden, ist ein Beispiel dafür.
„Auch zeigen wir einige Karikaturen vor allem zeitgenössischer Politik oder die des Bamberger Bürgermilitärs. Außerdem befinden sich Partituren Hoffmanns in unserem Besitz, wie diejenige seiner Oper „Dirna“, mit denen wir auch sein musikalisches Werk beleuchten wollen.“
Dieses näherte sich der Materie von zwei Seiten an. So hatte Hoffmann als Musikkritiker beispielsweise urheberischen Verdienst an der Entstehung des Begriffs der Romantischen Musik. Dies bewerkstelligte er, indem er Werke von Beethoven oder Mozart, eigentlich zwei Inbegriffe einer der Romantik vorangegangenen Epochen, der Klassik, unter romantischen Gesichtspunkten analysierte. Hoffmann versuchte als erster, die Wirkung dieser Musik auf das Empfinden des Publikums zu beschreiben, also wie sie welche Emotionen auslöst.
Außerdem galt Hoffmanns künstlerische Leidenschaft mindestens genauso sehr der Musik wie der Literatur und dem Zeichnen. So komponierte er mehr als 85 musikalische Werke, von denen nur 34 erhalten sind – sie fanden aber, besonders in seiner Bamberger Zeit, nicht immer soviel Anerkennung, wie er es sich wünschte.
Der Jurist
Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann wurde am 24. Januar im ostpreußischen Königsberg geboren. Der Familientradition gemäß schrieb er sich im jungen Alter von 16 Jahren für ein Studium der Rechtswissenschaften ein. Wenn auch damals noch hobbymäßig, widmete er sich zu dieser Zeit bereits ersten literarischen, zeichnerischen und musikalischen Unternehmungen.
Diesen ging er zwar auch in der Folge nach, räumte ihnen aber vorerst nicht den späteren Platz im Leben ein. Denn 1798 schloss Hoffmann das juristische Studium mit der Note „vorzüglich“ ab und siedelte nach Berlin über. Dort fand er eine Anstellung am Kammergericht.
Auch seine Beförderung zum Gerichtsassessor, ein Richter auf Probe, und die damit zusammenhängende Versetzung nach Posen hätten der Beibehaltung dieser Konstellation aus privater Kreativität und beruflichem Beamtentum nicht im Weg gestanden. Aber Anfang des 19. Jahrhunderts kamen sich diese beiden Hoffmanns – erst ungewollt, dann aus Überzeugung – bei zwei folgenreichen Ereignissen doch in die Quere.
Zur Karnevalszeit 1802 verteilte eine vorwitzige Gruppe junger Regierungsbeamter – Hoffmann war Teil davon – höhnische Karikaturen höherrangiger Beamten – Hoffmann hatte sie gezeichnet. Die Posse und ihre Urheber flogen auf und Hoffmann wurde zur Strafe in eine abgelegene Kleinstadt versetzt. Dort begann er sich überliefertermaßen zu langweilen.
1804 folgte eine weitere Versetzung nach Warschau, das damals preußisch war, und die Wiederaufnahme der Existenz als künstlerisch tätiger Jurist. Aus dieser Zeit stammen Hoffmanns erste musikalische Erzeugnisse samt öffentlicher Auftritte.
Dann kam ihm allerdings die Weltgeschichte dazwischen. Napoleon nahm Warschau ein und zwang die dortige Beamtenschaft, entweder einen Eid auf ihn abzulegen oder die Stadt zu verlassen. Hoffmann entschied sich zu gehen. Außerdem nahm er diese Entwicklung zum Anlass, die Juristerei vorerst ruhen zu lassen und nun ganz und gar Künstler zu werden.
Die Bamberger Zeit
Allerlei Bewerbungen um verschiedenste musikalische Stellen führten E.T.A. Hoffmann 1808 zusammen mit seiner Ehefrau Marianne Thekla Michalina Rorer nach Bamberg. Am örtlichen Theater hatte er die Zusage für den Posten des Kapellmeisters erhalten. Künstlerisch war seine Zeit in Bamberg eine Zeit des Zu-sich-selbst-Findens, frei von Rückschlägen, nicht zuletzt privater Art, war sie aber nicht.
„Hoffmann hatte sich an mehreren Stellen beworben“, sagt Bettina Wagner. „Er hatte auch ein Angebot aus Luzern und wäre auch gerne nach Leipzig gezogen – beides wäre finanziell aber nur wenig einträglich gewesen. So kam er nach Bamberg. Diese Station ist auch insofern nennenswert, weil es die südlichste Station seines Lebens war.“ Nie sei er weiter weg von der ostpreußischen Heimat gewesen.

„Es war die Zeit, in der er versucht hat, Künstler zu werden, und so gesehen war es sicher auch beglückend für ihn, diesen Traum vom freien Künstler und seine Kreativität auszuleben zu können.“
Da er sich damals aber in erster Linie als Komponist gesehen habe und nicht als Autor, ließen die ersten Irritationen mit der neuen Lebenssituation und dem neuen Lebensplan nicht lange auf sich warten. „Wenn er etwas Literarisches produziert hat, ist ihm alles ganz leicht aus der Feder geflossen. Den „Sandmann“ hat er zum Beispiel in einer Woche niedergeschrieben. Er war unglaublich produktiv und hat auch zu allen möglichen Dingen textlich Stellung bezogen.“
Mit der Musik wollte es aber nicht so einfach klappen. Seine Kompositionen für das Theater trugen nicht genug finanziellen Erfolg ein und bald wurde er vom Kapellmeister zum Direktionsgehilfen zurückgestuft.
Kein Mensch mit gleichmäßigem Seelenzustand
„In seiner Bamberger Zeit hat Hoffmann viele Briefe und Tagebücher geschrieben. Daher wissen wir, dass er sehr kritisch über das Bamberger Theater und die dortigen Verhältnisse geschrieben hat. Aber wahrscheinlich hat er das Haus mit seinen Kompositionen auch überfordert. Er wollte musikalische Neuerungen einführen, was nicht so positiv aufgenommen wurde. Vielleicht hat er auch aber auch einfach nicht kompromissbereit genug agiert“ – wie bei Napoleon, könnte man sagen – auch aus dem Grund, dass Hoffmann erneut anderen Dingen den Vorzug geben konnte; diesmal allerdings nicht der Kunstkarriere allgemein, sondern der Literatur.
So stammt seine erste literarische Veröffentlichung, die „Fantasiestücke in Callots Manier“, in denen unter anderem „Der goldene Topf“ und „Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza“ enthalten sind, aus der Bamberger Zeit.
Auch das bereits genannte „Die Elixiere des Teufels“ sähe ohne Bamberg anders aus. „Das Gruselstück spielt in einem Kloster. Die Idee dazu kam Hoffmann beim Besuch des Bamberger Kapuzinerklosters. Als Protestant war ihm diese Welt und ihre Atmosphäre völlig fremd. Kurz gesagt: Bamberg hat ihm den Namen gemacht als Autor von Fantasiestücken.“
Diesen Namen brachte er in der damaligen Bamberger Gesellschaft allerdings ein wenig in Verruf, als er sich in seine Gesangsschülerin Julia Mark verliebte. Diese Verliebtheit soll aufs Peinlichste aufgefallen sein und dann geriet Hoffmann auch noch mit Julia Marks Verlobten in Konflikt.
„Ja, er war verliebt“, sagt Bettina Wagner, „aber unglücklich. Dieser euphorische Zustand hob ihn zwar ein bisschen aus dem Alltag heraus, hat ihn aber auch zur Verzweiflung gebracht. Wobei wir eigentlich grundlegend davon ausgehen sollten, dass er sicher kein Mensch war, der einen gleichmäßigen Seelenzustand hatte.“
Verhängnisvoller Ausflug
Bei einem Ausflug zum Schloss Weißenstein in Pommersfelden, den Hoffmann, Julia Mark und ihr Verlobter 1812 im Angesicht der sich teilweise zuwiderlaufenden emotionalen Verbindungen in dieser Gruppe bemerkenswerterweise gemeinsam unternahmen, soll sich der Verlobte derart heftig betrunken haben, dass er stürzte. Das nahm Hoffmann zum Anlass, ihn als „Scheißhund“ zu beschimpfen. „Der Entschuldigungsbrief, den er an Julias Mutter schreiben musste, ist bei uns im Bestand erhalten“, sagt Bettina Wagner.
Als Julia kurz darauf heiratete und etwa zur selben Zeit das Stellenangebot des Musikdirektors einer Operngesellschaft einging, zog Hoffmann Bilanz. Er entschied sich zuzusagen und verließ Bamberg. „Dann endete seine Bamberger Zeit nach knapp fünf Jahren. Dass heute unter anderem das ETA Theater seinen Namen trägt, hätte ihn, denke ich, amüsiert. Denn die Tatsache, dass der Ort nach ihm benannt wurde, an dem er gelitten hat und unterschätzt wurde, ist nicht ohne Ironie.“
Die Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“, die die Staatsbibliothek noch bis 22. Oktober zeigt, geht auf das gesamte Spektrum des Schaffens von E.T.A. Hoffmann ein und widmet sich auch seiner Bamberger Zeit.