Das Bamberger Marionettentheater zeigt ab 9. Mai eine Adaption von E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der goldne Topf“. Dabei handelt es sich um das
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Erzählung von E.T.A. Hoffmann
Bamberger Marionettentheater zeigt „Der goldne Topf“
Das Bamberger Marionettentheater zeigt ab 9. Mai eine Adaption von E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der goldne Topf“. Dabei handelt es sich um das erste Mal, dass eine Marionettenbühne den Text inszeniert.
Mit „Der goldne Topf. Ein Märchen aus der neuen Zeit“ schuf E.T.A. Hoffmann 1814 den Inbegriff einer romantischen Entwicklungsgeschichte, in der sich die Welt der Fantasie mit der bürgerlichen Wirklichkeit vermischt.
Der junge Student Anselmus findet nicht so recht seinen Platz in der Welt, sein Karriere-
weg ist von Rückschlägen begleitet. Und ein unglücklicher Fehltritt in den Apfelkorb einer Marktfrau bringt ihn auch noch um sein letztes Geld. Durch Zufall lernt er dann allerdings den Archivarius Lindhorst kennen. Über ihn findet Anselmus in der Folge Zugang zur Welt der Poesie, wird zum Schriftsteller ausgebildet, beginnt eine Dreiecksliebesbeziehung mit Lindhorsts Töchtern Veronika und Serpentina und lässt schließlich die bürgerliche Welt hinter sich. Auf dem Weg dorthin begegnen ihm allerdings allerlei menschliche Tierwesen, Zauberei und Geister.
Das Bamberger Marionettentheater führt „Der goldne Topf“ erstmals auf einer Marionettenbühne auf. Wir haben mit Intendantin Marta Famula und Bühnenbildner Hans Günter Ludwig über die Inszenierung und ihre Herausforderungen gesprochen.
Warum gab E.T.A. Hoffmann seiner Erzählung „Der goldne Topf“ den Titelzusatz „Märchen aus der neuen Zeit“?
Marta Famula: Das hatte zwei Gründe. Einmal nannte er es ein „Märchen aus der neuen Zeit“, weil er es in seiner Zeit, der des Anfangs des 18. Jahrhunderts, spielen lässt. Die Figuren stehen, ganz zeitgenössisch für die romantische Epoche, zwischen dem rationalen Alltag und der Welt der Phantasie. Entsprechend passiert viel Märchenhaftes in der Erzählung. Andererseits ist das Märchenhafte wie eine Schicht, die über der Realität liegt, und es bleibt dabei immer uneindeutig, ob diese phantastischen Dinge wirklich passieren oder es sich um Wahrnehmungsstörungen der Figuren oder Träumereien handelt.
Wird Ihre Inszenierung dahingehend eine Auflösung bieten?
Marta Famula: Nein, denn uns war es wichtig, die Dinge bei unserer Inszenierung im Ungewissen zu lassen. Man kann das Stück psychologisch deuten oder es als Märchen lesen und wir möchten mit beidem spielen. Da wir aber viele Spezialeffekte haben werden, tritt das Märchenhafte durchaus stark hervor. Damit aber auch die Realität bestehen bleibt und das Publikum einen deutlicheren Blick auf sie hat, haben wir zum Beispiel das Stück, das eigentlich in Dresden spielt, nach Bamberg verlegt.
Welche Stellung hat „Der goldne Topf“ im Werk Hoffmanns?
Marta Famula: Hoffmann hat eigentlich alle seine Texte im letzten Drittel seines Lebens geschrieben, es hängt also alles sehr eng zusammen. So kann man zum Beispiel sagen, dass „Der Sandmann“ und „Der goldne Topf“ Stücke sind, die einander auf gewisse Art und Weise entgegenstehen oder sich ausgleichen. In „Der Sandmann“ geht es um einen jungen Mann, Nathanael, der seinen Platz in der Welt sucht, ihn aber nicht finden kann, sondern Selbstmord begeht. In „Der goldne Topf“ findet der junge Mann Anselmus seinen Platz sehr wohl – in der Kunst.
Hans Günter Ludwig: Es ist ein regelrechtes Ankommen in der Poesie. Vom Studenten, der durchs Lebens stolpert – gleich in die erste Szene stürzt er über eine Apfelverkäuferin, das bekannte Äpfelweib –, wächst er in die Kunst hinein. Wir zeigen also auch eine Entwicklungsgeschichte.
Als Hoffmann den Text 1814 schrieb, lebte er seit zwei Jahren nicht mehr in Bamberg. Trotzdem enthält „Der goldne Topf“ einige Anspielungen auf die Stadt, wie das Äpfelweib. Auch heiratet die von Anselmus angebetete Veronika letztlich einen anderen. Ist das eine Verarbeitung von Hoffmanns unerfüllten Zuneigung zu seiner Bamberger Gesangsschülerin Julia Mark, die sich ebenfalls anderweitig verheiratete?
Marta Famula: Sicherlich schwingt das mit. Aber gleichzeitig kann man Veronika und ihre Gegenspielerin Serpentina, die Anselmus dann statt Veronika heiratet, als dieselbe Frau interpretieren, auf die Anselmus nur zwei unterschiedliche Sichtweisen hat. Wie gesagt lässt das Märchenhafte in der Erzählung einiges offen. Auf jeden Fall haben beide Frauenfiguren eine, wie es heißt, glockenhelle Stimme und blaue Augen. Julia Mark hatte ebenfalls eine schöne Stimme. Die Dreiecksbeziehung zwischen Anselmus, der bürgerlichen Veronika und dem fantastischen Naturwesen Serpentina kann man aber auch auf eine Dreiecksbeziehung zwischen diesen romantischen Polen ausweiten.
Die Inszenierung des Marionettentheaters ist die erste Inszenierung auf einer Marionettenbühne. Worin bestehen dabei die größten Herausforderungen?
Hans Günter Ludwig: Als gelernter Grafiker habe ich früher schon Krippenkulissen und dergleichen gemacht und sofort zugesagt, als Marta mich fragte, ob ich die Kulissen für „Der goldne Topf“ machen will. Aber die dreidimensionalen Bühnenbilder für ein Marionettentheater zu machen, ist tatsächlich eine große Herausforderung. Ich musste zum Beispiel erst mal in die Tatsache reinfinden, dass alles in Zentralperspektive gemacht sein muss. Aber das ist eine absolut spannende Arbeit.
Marta Famula: Bei der Textvorlage handelt es sich um eine Erzählung, nicht um einen dramatischen, fürs Theater geschrieben Text. Da stellt sich also die Frage, wie man zum Beispiel erzählende Passagen auf der Bühne zeigt. Etwa 90 Prozent des Originaltextes haben wir übernehmen können, aber, um die Handlung ein wenig zu raffen, mussten wir die Vorlage an manchen Stellen ein bisschen angleichen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Figuren an manchen Stellen der Erzählung seitenlang aus ihrem Leben erzählen. Das kann man nicht für einen Bühnentext übernehmen, also haben wir versucht, diese Passagen dramatisch umzusetzen und zu lösen. Dabei kommt man manchmal an seine Grenzen. Was außerdem schwer umsetzbar ist, sind die phantastischen Anteile der Erzählung. Auf unserer Bühne findet, wie auf jeder anderen Bühne auch, Realität statt. Alles, auch wenn es vielleicht Einbildung der Figuren ist, muss sichtbar gemacht werden. Zauberei und Geister sichtbar darzustellen, geht zwar mit Spezialeffekten, aber was die Darstellung der Mehrdeutigkeit angeht, ob diese Dinge eingebildet sind oder nicht, ist schwer. Aber wir haben unser Bestes gegeben, das mit verschiedenen Gestaltungsmitteln zu schaffen.
Wie stellen Sie die Tierwesen, Geister und Zaubertricks dar?
Marta Famula: Wir machen das über Kostüme, Beleuchtung oder Farbgebung. Wir haben in jeder Szene einen Spezialeffekt und haben aus der Bühne raus geholt, was drin steckt. Es macht auch Spaß, das auszuprobieren. Und ein bisschen Nebel und Pyrotechnik gibt es auch – einmal brennt es sogar auf der Bühne. Der Rest wird nicht verraten.
Frau Famula, Sie sind seit einem Jahr Leiterin des Marionettentheaters. Wie ist Ihr Fazit bisher?
Marta Famula: All das, was ich mir gewünscht hatte, ist Realität geworden: Wir haben Stücke wieder aufgenommen, feiern jetzt mit „Der goldenen Topf“ Premiere und haben eine Vortragsreihe im Haus von Expertinnen und Experten zu unseren Stücken. Auch das Publikum kommt zahlreich und wir haben viel Zuspruch. Aber ohne das Team geht gar nichts. Das Theater besteht aus vielen Leuten, die zusammenarbeiten.
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Weihnachtsausstellungen am Domberg
„Die magische Nuss Krakatuk“ und Krippen von Max Huscher
Auch das Historische Museum möchte es sich nicht entgehen lassen, das beherrschende Bamberger Kulturthema 2022 zu bedienen – den 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann. So widmet sich die diesjährige Weihnachtsausstellung „Die magische Nuss Krakatuk“ Hoffmanns Weihnachtsmärchen „Nussknacker und Mausekönig“. Auch im Diözesanmuseum wird es mit den Krippen von Max Huscher weihnachtlich. Wir haben mit Dombergkoordinatorin Christiane Wendenburg, Ausstellungskurator Arne Schönfeld und Carola Marie Schmidt, Leiterin des Diözesanmuseums, über die Ausstellungen gesprochen.
Herr Schönfeld, was zeigt die Weihnachtsausstellung „Die magische Nuss Krakatuk“ zu E.T.A. Hoffmann, das die anderen E.T.A.-Ausstellungen von BBK oder Staatsbibliothek in diesem Jahr noch nicht gezeigt haben?
Arne Schönfeld: „Die magische Nuss Krakatuk“ ist keine Ausstellung über E.T.A. Hoffmann, sein Leben oder seine Werke. Wir werden keine Illustrationen aufhängen und auch keine umfassenden Erklärungen zu den Episoden seines Schaffens anbieten. Stattdessen wollen wir unsere Gäste in eine seiner Erzählungen mitnehmen.
Was ist die „magische Nuss Krakatuk“?
Arne Schönfeld: Das kommt darauf an, wen Sie fragen. Der Ballett-Direktor Goyo Montero hat Krakatuk in seiner Nussknacker-Inszenierung als Maries, das ist die Protagonistin, Verstand angelegt, der durch ihre Erfahrungen während des Stückes von allem befreit werden muss, was sie glaubte zu wissen. In Hoffmanns Erzählung ist die magische Nuss der Schlüssel, einen mächtigen Fluch zu brechen und Gegenstand einer 15 Jahre andauernden Suche. Bei uns ist sie der Namenspatron für die gesamte Ausstellung, weil sie in vielerlei Hinsicht das Zentrum der gesamten Erzählung bildet.
Die Ausstellung ist eine Reise durch E.T.A. Hoffmanns Weihnachtsmärchen „Nussknacker und Mausekönig“. Wie wird das aussehen?
Arne Schönfeld: Mitreißend, will ich hoffen. Die Ausstellung basiert auf einem stark szenografischen Ansatz. Wir haben uns Requisiten und Bühnenbilder vom Theater ausgeliehen, haben Bäume aus dem Stadtforst geholt und bauen eigens neue Möbel. Wer das Historische Museum betritt, soll in Hoffmanns Erzählung eintauchen. Natürlich stellen wir spannende Objekte aus und natürlich liefern wir Hintergrundinformationen, aber vor allem sollen die Räume das Märchen erzählen. Wer dann noch etwas über Versandhandel um 1800 – quasi den Urgroßvater des heutigen Onlinehandels – oder Zinnsoldaten erfahren möchte, für den ist ebenso gesorgt.
Sie kündigen lebende Spielzeuge und sprechende Standuhren an. Wie wird das technisch dargestellt?
Arne Schönfeld: Wir haben eine großartige Illustratorin für dieses Projekt gewinnen können, die uns Bilder von den verschiedenen Figuren angefertigt hat. Mit einer Ausnahme finden sich in jedem Raum der Ausstellung Projektoren oder Bildschirme, über die wir die magischen Aspekte der Erzählung als Bilder und Videos in die Räume integrieren können. Und das so immersiv wie möglich, unsere Gäste sollen also in die Scheinwelt des Märchens eintauchen können.
Ist die Ausstellung auch für Erwachsene geeignet?
Arne Schönfeld: Ganz klar: Ja! Hoffmanns Erzählung ist mit Anspielungen gespickt, von denen seine Zeitgenossen meinten, sie wären für Kinder völlig unverständlich. Zu kompliziert, zu verworren, zu akademisch. Aber Kinder verstehen oft mehr als man denkt. Und andersherum haben viele Erwachsene weit mehr Fantasie und Vorstellungskraft in sich, als ihnen ihr Alltag zugesteht. Zu Weihnachten ist die ideale Zeit, um auch als Erwachsener Kinderfreuden zu genießen. Und wie schon gesagt, kommt auch die wissenschaftliche Arbeit mit dem Objekt nicht zu kurz, etwa bei unserer Leihgabe eines Automaten aus dem Mathematisch-Physikalischen Salon der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Ein wirklich tolles Stück, samt einem kurzen Film, der die Mechanik in Aktion zeigt. Hoffmann und seine Zeitgenossen waren überzeugt, die Maschinentechnik stünde kurz vor der Entwicklung eines Androiden, also künstlichen Menschen. Dieser Aspekt zieht sich durch viele seiner Werke und auch wir werden darauf eingehen.

Sie schreiben, dass das Märchen Hoffmanns Zeitgenossen als überkompliziert galt. Warum hat es sich trotzdem bis heute gehalten?
Christiane Wendenburg: Die Werksgeschichte ist recht verwinkelt. Seine Berühmtheit verdankt es vor allem Alexandre Dumas, dem Autor von „Die drei Musketiere“, der eine französische Version davon veröffentlichte, die sich wiederum im damals sehr frankophilen Russland sehr gut verkaufte. Daher Tschaikowskys Ballett. Ohne das wäre die Erzählung heute mit Sicherheit nicht derart bekannt.
Worin besteht der psychologische Reiz des Märchens, der bis heute erforscht wird?
Christiane Wendenburg: Hoffmanns Märchen stellt die Wahrnehmung und die Perspektive eines Kindes in den Mittelpunkt und weist dabei Parallelen mit Erkenntnissen der zeitgenössischen Kinderpsychologie auf. Diese betonte die Bedeutung der kindlichen Fantasie-Tätigkeit für die kindliche Entwicklung, wies aber auch darauf hin, dass Kinder in ihren ersten Lebensjahren gar nicht zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden können; diese Fähigkeit entwickeln sie erst später. Hoffmanns Blick in die kindliche Seele, sein Verständnis für psychische Phänomene und nicht zuletzt seine Fähigkeit, sie in seinem Märchen eindringlich darzustellen, war für seine Zeit innovativ. Einen Gegenpol zu Maries Fantasiewelt bilden die Eltern, die sich vom aufklärerischen Prinzip der Vernunft leiten lassen, wohingegen die Figur des Paten Drosselmeier eine Mittlerfunktion einnimmt. Dadurch wird der Zusammenprall zwischen Märchenwelt und Realitätserfahrung mehrdeutig, die fantastischen Ereignisse können als Einbildung, Traum, Wirklichkeit oder auch als Bewusstseinskrise gedeutet werden.
Was sagt das Märchen über Hoffmanns Zeit, das frühe 19. Jahrhundert?
Christiane Wendenburg: Es gibt uns tiefe Einblicke in die Wahrnehmung von Kindern und Kindheit in der damaligen Zeit. Eine Lebensphase, zu der sich die Einstellungen gerade dramatisch änderten. Spielen wird gesellschaftsfähig und ein Aspekt der Bildung und Pädagogik. Gleichzeitig war Hoffmann die Vorstellung ein Graus, die Aufklärung könnte die Kindheit „durchrationalisieren“. Kinder sollten die Freiheit haben, unbeschwerte Jahre zu verleben, ohne dass alles, was sie tun, einen Zweck erfüllen oder eine bestimmte pädagogische Zielsetzung haben muss. Wird dieser kindliche Drang unterdrückt – und da pflichtete Sigmund Freud Hoffmann bei –, hat das psychologische Auswirkungen, kann es Kinder krank und depressiv machen oder anderweitig stark belasten. Kann der Drang dagegen ausgelebt werden, entwickeln Kinder die Fähigkeit, außerhalb vorgegebener Bahnen zu denken, Widersinnigkeiten zu hinterfragen und für sich selbst zu entscheiden, was sie sich wünschen und wie sie es erreichen wollen. Solche Kinder werden zu Erwachsenen, die sich, so zumindest Hoffmanns Hoffnung, einen Teil ihrer kindlichen Fantasie erhalten und auch zwischen Pflicht, Beruf und Alltag noch die magischen Augenblicke finden können.
Das Märchen war die Grundlage für Pjotr Tschaikowskys Ballett. Wie geht das in die Ausstellung ein?
Arne Schönfeld: Vor allem durch fantastische Leihgaben. Die Staatsoper München stellt etwa Originalkostüme aus ihrer Nussknacker-Inszenierung zur Verfügung. So dicht wie unsere Gäste kommt also kaum jemand an Kostüme ran, die Balletttänzer in einer weltberühmten Inszenierung getragen haben und auch wieder tragen werden. Auch die Ensembles aus Nürnberg und der Semperoper sind filmisch vertreten und das Theatermuseum München leiht uns Material, das einen Blick hinter die Kulissen einer Ballettproduktion erlaubt.
Auch im Diözesanmuseum wird es mit einer Krippenausstellung weihnachtlich. Was genau gibt es zu sehen?
Carola Marie Schmidt: Detailliert geschnitzte Charakterköpfe bärtiger Männer, schöne Frauengesichter und die typischen sprechenden Hände machen Max Huschers Krippenfigurengruppen einzigartig. Bis 15. Januar bietet die Weihnachtausstellung Einblicke in das Leben des vor 30 Jahren verstorbenen gelernten Konditors und veranschaulicht die Vorlagen für seine Krippen und deren Inspirationsquellen wie auch die Machart der Figuren. Erstmals zeigen wir auch eine figurenreiche Jahreskrippe, welche als private Schenkung ins Diözesanmuseum kam.
Werden auch wieder Geschäfte im Umkreis des Dombergs Krippen ausstellen?
Carola Marie Schmidt: Da die diesjährige Weihnachtsausstellung eine monografische Ausstellung ist, lag es auf der Hand, mal wieder alle Ausstellungsstücke in den Sonderausstellungs-Räumlichkeiten des Diözesanmuseums zu zeigen. Diese Räumlichkeiten, welche erst seit letztem Sommer für Sonderausstellungen genutzt werden, erlauben es, dort die Krippe und Max Huschers Leben zu präsentieren.
Sie schreiben in der Ankündigung der Ausstellung, das Publikum liebe die Krippen. Warum sind Krippen jedes Jahr wieder interessant, was ist ihr Reiz?
Carola Marie Schmidt: Krippen erwecken bei den Betrachtern viele Emotionen. Wenn man das Leben von Max Huscher betrachtet, wird deutlich, dass die Leidenschaft zum Schnitzen von Krippenfiguren schon im Kindesalter anfangen kann. Darum eignen sich Krippenausstellungen für einen Besuch mit der ganzen Familie.
Gibt es zum Krippen-Thema noch Neues zu zeigen?
Carola Marie Schmidt: Die vielen Krippenbauvereine in Franken und anderenorts zeigen, dass es immer etwas Neues gibt. Man kann wohl ohne Vorbehalt sagen, dass Max Huscher bis heute andere Krippenbauer beeinflusst und inspiriert.

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BBK-Jahresausstellung zum 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann
„unheimlich fantastisch oder total real“
Vor 200 Jahren starb E.T.A. Hoffmann – ein Anlass, dem nun auch der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberfranken, der BBK, eine Ausstellung widmet. Für „unheimlich fantastisch oder total real“ sind noch bis 27. November die Werke von 24 Mitgliedern des Verbands in der Villa Dessauer zu sehen. Thematisch gibt es das E.T.A.-Übliche, inhaltlich zeigt die Schau aber abwechslungsreiche und neuartige Interpretationen davon.
Einigen Werken der Ausstellung „unheimlich fantastisch oder total real“ sieht man an, dass sie nicht speziell für das E.T.A. Hoffmann-Thema angefertigt, vom BBK aber für die Ausstellung ausgewählt wurden, weil sie zufällig gut dazu passen. Thomas Brixs Zeichnung „Heil-Land“ aus dem Jahr 2021 ist ein Beispiel dafür, Christine Grubers „Floria Tosca“, 2005, ein anderes. Ersteres kann im Sinne der Automatenthematik aus Hoffmanns „Der Sandmann“ ausgelegt werden; in Zweiterem hat der BBK das Unheimlich-Fantastische, das viele Werke E.T.A.s durchdringt, ausgemacht.
Andere Werke, wie Gerhard Hagens „Berganza Reloaded“ (2022) oder Ute Westiens „Elexiere des Teufels“, wurden unterdessen eigens für die Schau in der Villa Dessauer angefertigt. Insgesamt 24 Künstlerinnen und Künstler zeigt die Ausstellung, namentlich: Kerstin Amend-Pohlig, Mathias Börner, Chris Engels, Henrike Franz, Barbara Gröne-Trux, Andrea Landwehr-Ratka, Ruth Loibl, Cornelia Morsch, Wolfgang Müller, Stephan Pfeiffer, Gert Ressel, Veronika Riedl, Waltraud Scheidel, Nelly Schrott, Maria Söllner, Hubert Sowa und Cordula Utermöhlen.
Auch Walli Bauer und Thomas Michel haben Neugeschaffenes beigesteuert. Wir haben die beiden zum Gespräch über „unheimlich fantastisch oder total real“ getroffen.

Frau Bauer, Herr Michel, warum hat sich auch der BBK Oberfranken für seine Jahresausstellung dem Thema des 200. Todestages von E.T.A. Hoffmann angeschlossen?
Thomas Michel: Das war für den BBK die Chance, auch einmal auf einen größeren thematischen Zug aufzuspringen und außerdem einen Wiedererkennungswert zu erzeugen, mit der Ausstellung „Unheimlich fantastisch“, die in der Staatsbibliothek zu sehen war.
Walli Bauer: Wir wollten uns mit der Ausstellung einerseits anhängen an das große Bamberger Kulturthema 2022, den 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann. Andererseits sollte es aber auch die Möglichkeit bieten, künstlerisch freier darüber zu denken und damit zu arbeiten.
Im Angesicht dieser Freiheit, die der BBK im Umgang mit dem Thema gegeben hat, haben sich die 24 KünstleriInnen dann aber doch an den üblichen E.T.A. Hoffmann-Motiven wie gespaltene Persönlichkeit, Universalgenie, Automat und dem Hund abgearbeitet. Was zeigt die Ausstellung, was andere noch nicht gezeigt haben?
Thomas Michel: Ich denke, das sieht man an den Werken und ihren verschiedenen Genres. 24 Künstlerinnen und Künstler, die sich dem Thema widmen, war noch nicht da. Es gibt einige Künstlerinnen und Künstler, die sich intensiv und neuartig mit E.T.A. Hoffmann auseinandergesetzt haben.
Walli Bauer: Der BBK hatte das Thema ausgeschrieben, das heißt, man konnte sich bewerben und sich auf das Thema einlassen oder eben nicht. Was mich an Hoffmann interessiert hat, war, mich auf den Mann einzulassen, um nachzugraben, wer er war, was er fühlte und was er dachte. Hoffmann war ein mehrfach begabter Künstler, so gesehen eben anders als andere. Auf jeden Fall war er ein empfindsamer Mensch, der sich von seiner Umwelt sehr oft nicht verstanden fühlte und oft aneckte, was man in seiner Bamberger Zeit sehr gut beobachten kann. Heute würde man vielleicht sagen, er war sozial nicht angepasst. Das ist Thema meiner Holzschnitte.
Haben es 24 Künstlerinnen und Künstler geschafft, in „unheimlich fantastisch oder total real“ ein vollständiges Bild von E.T.A. Hoffmann zu zeichnen?
Thomas Michel: E.T.A. Hoffmann ist schon ein spezielles Thema, mit dem man sich schon umfangreich auseinandersetzen kann. Aber das Thema konnte ja sehr frei angegangen werden, man musste sich nicht allzu deutlich an Hoffmann abarbeiten oder ein vollständiges Bild schaffen. Es ging eher darum zu schauen, dass man in den Rahmen des Themas einen Ansatz integriert, der weiter geht.
Auf eine Facette von Hoffmanns Schaffen geht die Ausstellung allerdings nicht ein, nämlich auf sein Schaffen als Karikaturist. Wieso verkennt ihn die Ausstellung in dieser Richtung?
Thomas Michel: Jede Künstlerin, jeder Künstler hat Hoffmann anders aufgegriffen. Ich glaube auch, dass man Karikatur sehr zeitgenössisch aufgreifen kann, wie zum Beispiel in der Manga-Community. Karikatur ist aber ein sehr spezielles Metier, und selbst herausragende Künstlerinnen und Künstler, die gegenständlich arbeiten, sind nicht unbedingt gute Karikaturistinnen und Karikaturisten. Auch umgekehrt muss es nicht zwangsläufig so sein. Wilhelm Busch und Loriot kamen auch nicht aus der Kunstszene. Deshalb bitte ich in diesem Punkt für die BBK-Künstlerinnen und ‑Künstler um gewisse Nachsicht. Außerdem haben wir Gert Ressel mit seinem Gemälde „Der Vielseitige“. Dessen entfremdete Figuren gehen schon in die Richtung der Karikatur.

Kann man für seine Kunst heute noch Ärger bekommen so wie E.T.A. Hoffmann für seine Karikaturen?
Thomas Michel: Es ist schwierig. Es gibt ja in der Kunst nur noch ganz wenige Tabus, die man noch brechen könnte. Es sei denn, man kommt aus dem globalen Süden und stellt auf der Documenta aus.
Walli Bauer: Es gibt wohl wenig, das noch kritische, politische Grenzgänge zeigt. Arbeiten, die sich mit politischen Themen auseinandersetzen, sollten sensibel umgesetzt werden.
Herr Michel, Sie haben zur Ausstellung unter anderem das Gemälde „Olimpia“, das das Doppelgängerthema aus „Der Sandmann“ aufgreift, beigesteuert. Was sprach Sie daran an?
Thomas Michel: Was ich beim Sandmann total faszinierend finde, ist das Thema mit den Automaten. Die Menschen im 18. und 19. Jahrhundert waren, was das angeht, schon ziemlich weit entwickelt – es gab Musikautomaten oder Schreibautomaten. Hinzu kam für mich das Urthema oder die Urangst der unbelebten Materie oder Puppe, die zum Leben erweckt wird. Dann habe ich mir überlegt, was die Entsprechung zu den Automaten im 21. Jahrhundert ist. Das sind für mich humanoide Roboter oder künstliche Intelligenz. Deswegen habe ich die Vorlage, dieses Frauengesicht, das das Gemälde zeigt, einer biometrischen Datenbank entnommen, die mit einem Algorithmus aus Millionen von Gesichtern neue erschafft und diese per Zufallsgenerator dem Betrachter zeigt, der sich durch diese Datenbank scrollt. So gesehen spielt der Zufall auch bei der Auswahl eine große Rolle. Aber egal, welche Vorlagen ich verwende, es geht dabei immer um einen Transformationsprozess.
Das Spannende daran ist zu beobachten, was passiert, wenn man ein glattes virtuelles Digitalbild in reale physische Farbmaterie in Öl auf Leinwand übersetzt. Das Bild bekommt dann etwas wesentlich Authentischeres. Vieles an der vom Algorithmus erzeugten Vorlage musste ich noch korrigieren oder ergänzen, zum Beispiel die Brustpartie unterhalb des Halses oder den oberen Haarbereich. Auch die Farben sind kompositorisch und psychologisch bewusst gewählt. Weiß steht für Reinheit, rot für die Liebe beziehungsweise das Begehren und rückt das Gemälde farbenpsychologisch näher an den Betrachter heran.
Was hat es mit den Textblöcken unterhalb der Gemälde auf sich, die sagen: She stole my memories. Believe me, she is a transhuman fake?
Thomas Michel: Die Textblöcke setzen ein Dreiergespräch zwischen den beiden Bildnissen und dem Betrachter in Gang. Die beiden Porträts bezichtigen sich gegenseitig, ein Fake zu sein und der Betrachter muss dazu irgendwie einen Standpunkt finden. Es geht um Original und Fälschung und die Manipulierbarkeit des Betrachters. Das Wort „transhuman“ spielt auf die philosophische Bewegung des Transhumanismus an, wo diskutiert wird, wie zum Beispiel künstliche Intelligenz in Bezug auf die menschliche Zukunft angewandt wird, das Klonen, so wie die beiden Bilder geklont sind, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Wieso mutet das Gesicht, das dieser Algorithmus ausgerechnet hat, asiatisch an?
Thomas Michel: Letztendlich habe ich das Gesicht ausgewählt, das mir am ausdrucksstärksten erschien. Hautfarbe und Herkunft und so weiter haben dabei aber keine Rolle gespielt. Dass eine Asiatin den Idealvorstellungen der internationalen Männerwelt entspricht, kann man durchaus so stehen lassen, das war mir während des Auswahlprozesses aber gar nicht bewusst.

Frau Bauer mit ihrem Holzschnitt „E.T.A. Hoffmann tritt neben sich“ haben auch Sie sich des Themas des Doppelgängers angenommen.
Walli Bauer: Ich wollte damit näher auf den Menschen E.T.A. Hoffmann eingehen, auf den unverstandenen E.T.A. oder den traurigen eigentlich. Man sieht seinen Umriss hinter seinen vergrößerten Schatten in einer anderen Farbe. Hoffmann ist hier in verschiedenen Stimmungslagen zu sehen. Er existierte sozusagen wie eine zweite Person neben sich. Nicht nur als Ehemann und Jurist und Künstler, sondern auch jemand, der, wie eine gespaltene Persönlichkeit, seine wahnhaften oder utopischen Geschichten während er sie schrieb vielleicht auch durchlebt hat. Ein Mensch, der neben sich steht.

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200. Todesjahr E.T.A. Hoffmann
Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“
Die Staatsbibliothek Bamberg zeigt noch bis zum 22. Oktober zum 200. Todesjahr von E.T.A. Hoffmann die Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“. Auf Kulturschaffende wie ihn geht zurück, dass in der romantischen Epoche des 19. Jahrhunderts der Begriff des Universalkünstlers aufkam. Seine literarischen Werke prägten eine literarische Gattung und seine Gesellschafts- und Kunstkritiken beeinflussten die ihrige. Zudem zeigte er große Produktivität als Zeichner und Komponist. Maßgeblichen Einfluss auf seine Laufbahn als Künstler hatte indes Bamberg.
„Obwohl es in Bamberg das ETA Hoffmann Theater, das ETA Gymnasium und den Hund „Berganza“ im Hain gibt“, sagt Prof. Dr. Bettina Wagner, Direktorin der Bamberger Staatsbibliothek, „Orte also, an denen man sich E.T.A. Hoffmanns durchaus bewusst werden könnte, befürchte ich, dass viele in der Stadt mit seinem unglaublich vielseitigen Werk nicht vertraut sind.“ Um dem ein wenig gegenzusteuern und anlässlich des 200. Todesjahres des Autors, Zeichners, Kritikers, Komponisten und Juristen Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann Hoffmann (1776 bis 1822) zeigt die Staatsbibliothek die Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“.
Zu sehen seit Ende Juli, präsentiert die Schau knapp 50 Stücke aus dem Bestand der Bibliothek, die neben der Staatsbibliothek Berlin die weltweit größte Sammlung zu Hoffmann besitzt. Umrahmt wird das Ganze von Spezial-Führungen, zeitgenössischer Installation und Konzerten.
Der Universalkünstler
Der Titel der Ausstellung spielt zwar mit der vornehmlichen populären Wahrnehmung Hoffmanns, die Schau selbst legt ihren Schwerpunkt aber nicht allein auf ihn als Autor von Schauergeschichten. Der Spitzname, den ihm Zeitgenossen einst verliehen haben – Gespenster-Hoffmann – kam im Angesicht seiner genre-definierenden Werke wie des Romans „Die Elixiere des Teufels“ oder der Erzählung „Der Sandmann“ durchaus nicht von ungefähr. Der Allrounder Hoffmann beschränkte sich aber nicht nur auf die Darstellung fantastischer Welten.
„Seine literarische Bedeutung für die Romantik“, sagt Bettina Wagner, „war darum so groß, weil er eigentlich alle ihre Spielarten verkörperte. Dunkle und abwegige Themen bearbeitete er genauso wie neue gesellschaftliche Aspekte, die durch die Selbstbeobachtung und technischen Fortschritt zustande gekommen waren.“
Als ein Highlight der Ausstellung bezeichnet Frau Wagner das Original-Manuskript der Hoffmann-Erzählung „Meister Martin der Küfner und seine Gesellen“, die eher in die Richtung eines Lustspiels geht. „Das ist eines der wenigen Werkmanuskripte, das erhalten geblieben ist.“
Weitere Originale
Weitere Originale des Künstlers entstammen vor allem seinem zeichnerischen Schaffen, einer weiteren Säule seines Werks. Das großformatige Doppelporträt (siehe unten) seiner selbst und seines Freundes Adalbert Friedrich Marcus, ein Arzt und Kunstförderer, nach dem später das Markushaus, die Markusbrücke und der Markusplatz in Bamberg benannt wurden, ist ein Beispiel dafür.
„Auch zeigen wir einige Karikaturen vor allem zeitgenössischer Politik oder die des Bamberger Bürgermilitärs. Außerdem befinden sich Partituren Hoffmanns in unserem Besitz, wie diejenige seiner Oper „Dirna“, mit denen wir auch sein musikalisches Werk beleuchten wollen.“
Dieses näherte sich der Materie von zwei Seiten an. So hatte Hoffmann als Musikkritiker beispielsweise urheberischen Verdienst an der Entstehung des Begriffs der Romantischen Musik. Dies bewerkstelligte er, indem er Werke von Beethoven oder Mozart, eigentlich zwei Inbegriffe einer der Romantik vorangegangenen Epochen, der Klassik, unter romantischen Gesichtspunkten analysierte. Hoffmann versuchte als erster, die Wirkung dieser Musik auf das Empfinden des Publikums zu beschreiben, also wie sie welche Emotionen auslöst.
Außerdem galt Hoffmanns künstlerische Leidenschaft mindestens genauso sehr der Musik wie der Literatur und dem Zeichnen. So komponierte er mehr als 85 musikalische Werke, von denen nur 34 erhalten sind – sie fanden aber, besonders in seiner Bamberger Zeit, nicht immer soviel Anerkennung, wie er es sich wünschte.
Der Jurist
Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann wurde am 24. Januar im ostpreußischen Königsberg geboren. Der Familientradition gemäß schrieb er sich im jungen Alter von 16 Jahren für ein Studium der Rechtswissenschaften ein. Wenn auch damals noch hobbymäßig, widmete er sich zu dieser Zeit bereits ersten literarischen, zeichnerischen und musikalischen Unternehmungen.
Diesen ging er zwar auch in der Folge nach, räumte ihnen aber vorerst nicht den späteren Platz im Leben ein. Denn 1798 schloss Hoffmann das juristische Studium mit der Note „vorzüglich“ ab und siedelte nach Berlin über. Dort fand er eine Anstellung am Kammergericht.
Auch seine Beförderung zum Gerichtsassessor, ein Richter auf Probe, und die damit zusammenhängende Versetzung nach Posen hätten der Beibehaltung dieser Konstellation aus privater Kreativität und beruflichem Beamtentum nicht im Weg gestanden. Aber Anfang des 19. Jahrhunderts kamen sich diese beiden Hoffmanns – erst ungewollt, dann aus Überzeugung – bei zwei folgenreichen Ereignissen doch in die Quere.
Zur Karnevalszeit 1802 verteilte eine vorwitzige Gruppe junger Regierungsbeamter – Hoffmann war Teil davon – höhnische Karikaturen höherrangiger Beamten – Hoffmann hatte sie gezeichnet. Die Posse und ihre Urheber flogen auf und Hoffmann wurde zur Strafe in eine abgelegene Kleinstadt versetzt. Dort begann er sich überliefertermaßen zu langweilen.
1804 folgte eine weitere Versetzung nach Warschau, das damals preußisch war, und die Wiederaufnahme der Existenz als künstlerisch tätiger Jurist. Aus dieser Zeit stammen Hoffmanns erste musikalische Erzeugnisse samt öffentlicher Auftritte.
Dann kam ihm allerdings die Weltgeschichte dazwischen. Napoleon nahm Warschau ein und zwang die dortige Beamtenschaft, entweder einen Eid auf ihn abzulegen oder die Stadt zu verlassen. Hoffmann entschied sich zu gehen. Außerdem nahm er diese Entwicklung zum Anlass, die Juristerei vorerst ruhen zu lassen und nun ganz und gar Künstler zu werden.
Die Bamberger Zeit
Allerlei Bewerbungen um verschiedenste musikalische Stellen führten E.T.A. Hoffmann 1808 zusammen mit seiner Ehefrau Marianne Thekla Michalina Rorer nach Bamberg. Am örtlichen Theater hatte er die Zusage für den Posten des Kapellmeisters erhalten. Künstlerisch war seine Zeit in Bamberg eine Zeit des Zu-sich-selbst-Findens, frei von Rückschlägen, nicht zuletzt privater Art, war sie aber nicht.
„Hoffmann hatte sich an mehreren Stellen beworben“, sagt Bettina Wagner. „Er hatte auch ein Angebot aus Luzern und wäre auch gerne nach Leipzig gezogen – beides wäre finanziell aber nur wenig einträglich gewesen. So kam er nach Bamberg. Diese Station ist auch insofern nennenswert, weil es die südlichste Station seines Lebens war.“ Nie sei er weiter weg von der ostpreußischen Heimat gewesen.

„Es war die Zeit, in der er versucht hat, Künstler zu werden, und so gesehen war es sicher auch beglückend für ihn, diesen Traum vom freien Künstler und seine Kreativität auszuleben zu können.“
Da er sich damals aber in erster Linie als Komponist gesehen habe und nicht als Autor, ließen die ersten Irritationen mit der neuen Lebenssituation und dem neuen Lebensplan nicht lange auf sich warten. „Wenn er etwas Literarisches produziert hat, ist ihm alles ganz leicht aus der Feder geflossen. Den „Sandmann“ hat er zum Beispiel in einer Woche niedergeschrieben. Er war unglaublich produktiv und hat auch zu allen möglichen Dingen textlich Stellung bezogen.“
Mit der Musik wollte es aber nicht so einfach klappen. Seine Kompositionen für das Theater trugen nicht genug finanziellen Erfolg ein und bald wurde er vom Kapellmeister zum Direktionsgehilfen zurückgestuft.
Kein Mensch mit gleichmäßigem Seelenzustand
„In seiner Bamberger Zeit hat Hoffmann viele Briefe und Tagebücher geschrieben. Daher wissen wir, dass er sehr kritisch über das Bamberger Theater und die dortigen Verhältnisse geschrieben hat. Aber wahrscheinlich hat er das Haus mit seinen Kompositionen auch überfordert. Er wollte musikalische Neuerungen einführen, was nicht so positiv aufgenommen wurde. Vielleicht hat er auch aber auch einfach nicht kompromissbereit genug agiert“ – wie bei Napoleon, könnte man sagen – auch aus dem Grund, dass Hoffmann erneut anderen Dingen den Vorzug geben konnte; diesmal allerdings nicht der Kunstkarriere allgemein, sondern der Literatur.
So stammt seine erste literarische Veröffentlichung, die „Fantasiestücke in Callots Manier“, in denen unter anderem „Der goldene Topf“ und „Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza“ enthalten sind, aus der Bamberger Zeit.
Auch das bereits genannte „Die Elixiere des Teufels“ sähe ohne Bamberg anders aus. „Das Gruselstück spielt in einem Kloster. Die Idee dazu kam Hoffmann beim Besuch des Bamberger Kapuzinerklosters. Als Protestant war ihm diese Welt und ihre Atmosphäre völlig fremd. Kurz gesagt: Bamberg hat ihm den Namen gemacht als Autor von Fantasiestücken.“
Diesen Namen brachte er in der damaligen Bamberger Gesellschaft allerdings ein wenig in Verruf, als er sich in seine Gesangsschülerin Julia Mark verliebte. Diese Verliebtheit soll aufs Peinlichste aufgefallen sein und dann geriet Hoffmann auch noch mit Julia Marks Verlobten in Konflikt.
„Ja, er war verliebt“, sagt Bettina Wagner, „aber unglücklich. Dieser euphorische Zustand hob ihn zwar ein bisschen aus dem Alltag heraus, hat ihn aber auch zur Verzweiflung gebracht. Wobei wir eigentlich grundlegend davon ausgehen sollten, dass er sicher kein Mensch war, der einen gleichmäßigen Seelenzustand hatte.“
Verhängnisvoller Ausflug
Bei einem Ausflug zum Schloss Weißenstein in Pommersfelden, den Hoffmann, Julia Mark und ihr Verlobter 1812 im Angesicht der sich teilweise zuwiderlaufenden emotionalen Verbindungen in dieser Gruppe bemerkenswerterweise gemeinsam unternahmen, soll sich der Verlobte derart heftig betrunken haben, dass er stürzte. Das nahm Hoffmann zum Anlass, ihn als „Scheißhund“ zu beschimpfen. „Der Entschuldigungsbrief, den er an Julias Mutter schreiben musste, ist bei uns im Bestand erhalten“, sagt Bettina Wagner.
Als Julia kurz darauf heiratete und etwa zur selben Zeit das Stellenangebot des Musikdirektors einer Operngesellschaft einging, zog Hoffmann Bilanz. Er entschied sich zuzusagen und verließ Bamberg. „Dann endete seine Bamberger Zeit nach knapp fünf Jahren. Dass heute unter anderem das ETA Theater seinen Namen trägt, hätte ihn, denke ich, amüsiert. Denn die Tatsache, dass der Ort nach ihm benannt wurde, an dem er gelitten hat und unterschätzt wurde, ist nicht ohne Ironie.“
Die Ausstellung „Unheimlich Fantastisch“, die die Staatsbibliothek noch bis 22. Oktober zeigt, geht auf das gesamte Spektrum des Schaffens von E.T.A. Hoffmann ein und widmet sich auch seiner Bamberger Zeit.
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Anmeldungen sind ab 24. Februar möglich
Neues Programm der VHS Bamberg Stadt ab 19. Februar online
Ab kommendem Samstag ist das neue Programm der Volkshochschule Bamberg Stadt online, wie die VHS mitteilt, zeitnah wird auch der Programm-Flyer in gedruckter Form erhältlich sein. Zum Programm wird anlässlich seines 200. Todestages in diesem Jahr E.T.A. Hoffmann gehören, der in unterschiedlichen Facetten beleuchtet wird.
Das Programm Frühjahr/Sommer der Volkshochschule Bamberg Stadt ist ab 19. Februar online auf der Homepage der VHS sichtbar, Anmeldungen sind ab 24. Februar möglich. Der Programm-Flyer ist zeitnah zur Anmeldung bei der VHS im Alten E‑Werk und vielen Stellen im Stadtgebiet erhältlich. Anmeldungen sind bequem über die Homepage, per Mail an info@vhs-bamberg.de, telefonisch unter 0951−87−1108 oder schriftlich möglich. Persönliche Anmeldungen bittet die VHS nur in Ausnahmefällen und mit Terminvereinbarung und 3G-Nachweis vorzunehmen.
Laufend neue Kurse und Führungen statt eines starren Semester-Korsetts
Informative, spannende, lehrreiche, kreative und gesundheitsfördernde Angebote sind im neuen Programm zu finden: beliebte Klassiker und neue Trends, in Präsenz, Online und Outdoor. Anlässlich seines 200. Todestages beleuchtet die VHS Bamberg Stadt unterschiedliche Facetten des Universalkünstlers E.T.A. Hoffmann in Vorträgen, Führungen, Literatur- und Kreativkursen. Das Angebot betrachtet Hoffmann als Dichter, als Musiker, als Philosoph und Phantast, es beleuchtet die Bamberger Jahre und geht dem für sein Werk wichtigen Motiv des Doppelgängers bis in die Gegenwart nach.
Auch politische Bildung wird großgeschrieben: Zum Equal Care Day sind besonders Frauen und junge Familien eingeladen, es geht um das Stärken wirtschaftlicher Unabhängigkeit. An die Schicksale jüdischer Familien in Bamberg erinnern Vorträge zu den Familien Loebl und Kahn. Vorträge zu Kunst, Kultur- und Musikgeschichte, darunter zum Weltfrauentag (Yoko Ono), zu den Tagen alter Musik und zu Kunst in St. Stephan runden das Programm ab.
Als Neuerung hat die VHS angekündigt, sich vom starren Semester-Korsett zu verabschieden und in den kommenden Monaten laufend neue Kurse und Führungen ins Programm zu nehmen. „Deshalb ist unser Programm-Flyer nur ein erster Überblick über unser vielfältiges Angebot. Es lohnt sich, sich auf der Homepage immer wieder über Neuigkeiten zu informieren“, sagt Leiterin Dr. Anna Scherbaum. Als inklusive Bildungsstätte beraten die Mitarbeiterinnen im Sekretariat wie bisher gerne alle Interessierte, die keinen Internet-Zugang haben.
Für den Präsenzbetrieb und Führungen in Innenräumen, Outdoor-Sport und Outdoor-Führungen gilt aktuell 2G, für Bewegungs- und Entspannungskurse 2Gplus (geimpft/genesen und zusätzlich geboostert oder getestet). Die entsprechenden Nachweise müssen zu jedem Termin mitgebracht und vorgelegt werden.
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Umfangreiches Jubiläumsprogramm in diesem Jahr
E.T.A. Hoffmann – „Unheimlich fantastisch“
Das Jahr 2022 steht im kulturellen Bamberg ganz unter dem Stern des Gedenkens an Ernst Theodor Amadeus Hoffmann. Dieser vielseitige Künstler verstarb am 25. Juni 1822. Anlässlich des 200. Todestages sind für dieses Jahr zahlreiche Veranstaltungen geplant.
E.T.A. Hoffmann hatte fünf Jahre in Bamberg verbracht, die ihn als Mensch und Künstler nachhaltig geprägt haben – darauf fußt die Verbundenheit des Künstlers mit dieser Stadt. Unter dem Titel „Unheimlich Fantastisch“ finden in diesem Jubiläumsjahr zahlreiche Veranstaltungen in den verschiedensten Kunstsparten statt, genauso facettenreich und spartenübergreifend wie der Komponist, Literat, Illustrator, Musikkritiker und Jurist einst arbeitete. Darüber informiert das Kulturamt der Stadt Bamberg.
In Bamberg werden Institutionen wie die Bamberger Symphoniker, das ETA Hoffmann Theater, die Otto-Friedrich-Universität Bamberg und freie Akteure der Kulturszene wie das Theater im Gärtnerviertel, der Rosengarten-Serenaden e.V., das Bamberger Marionettentheater und viele weitere in ihrem Jahresprogramm den Künstler aufnehmen oder thematisieren.
Das gesamte bundesweite Jahresprogramm wird maßgeblich von der Staatsbibliothek Berlin koordiniert und gestaltet. In Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek Bamberg und dem Freien Deutschen Hochstift wurde eine Wanderausstellung zu Leben und Werk Hoffmanns konzipiert. Die als Gesamtschau zu Hoffmann angelegte und an ein breites Publikum gerichtete Schau wird im Frühjahr zunächst im Bibliotheksmuseum der Staatsbibliothek zu Berlin Unter den Linden zu sehen sein. Vom 24.07. – 29.10.2022 wird die Ausstellung in Bamberg in der Staatsbibliothek ausgestellt sein. Ende November zieht die Ausstellung dann in das neue Romantik-Museum in Frankfurt am Main.
Sonderausstellung im E.T.A.-Hoffmann-Haus
Neben der ständigen Ausstellung ist in dieser Saison eine Auseinandersetzung zum Thema der Fantasie im Hoffmannschen Sinne zu sehen. Diese entsteht in Kooperation mit der Hegelwoche der Otto-Friedrich-Universität. Sowohl bildende Künstlerinnen und Künstler als auch Autorinnen und Autoren werden beauftragt, Werke beizusteuern, um so dem Wechselspiel von Denken und Fantasieren näher und dem Unergründlichen auf die Spur zu kommen. Das E.T.A.-Hoffmann-Haus öffnet zum 1. Mai 2022 seine Pforten.