Auch das Historische Museum möchte es sich nicht entgehen lassen, das beherrschende Bamberger Kulturthema 2022 zu bedienen – den 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann. So widmet sich die diesjährige Weihnachtsausstellung „Die magische Nuss Krakatuk“ Hoffmanns Weihnachtsmärchen „Nussknacker und Mausekönig“. Auch im Diözesanmuseum wird es mit den Krippen von Max Huscher weihnachtlich. Wir haben mit Dombergkoordinatorin Christiane Wendenburg, Ausstellungskurator Arne Schönfeld und Carola Marie Schmidt, Leiterin des Diözesanmuseums, über die Ausstellungen gesprochen.
Herr Schönfeld, was zeigt die Weihnachtsausstellung „Die magische Nuss Krakatuk“ zu E.T.A. Hoffmann, das die anderen E.T.A.-Ausstellungen von BBK oder Staatsbibliothek in diesem Jahr noch nicht gezeigt haben?
Arne Schönfeld: „Die magische Nuss Krakatuk“ ist keine Ausstellung über E.T.A. Hoffmann, sein Leben oder seine Werke. Wir werden keine Illustrationen aufhängen und auch keine umfassenden Erklärungen zu den Episoden seines Schaffens anbieten. Stattdessen wollen wir unsere Gäste in eine seiner Erzählungen mitnehmen.
Was ist die „magische Nuss Krakatuk“?
Arne Schönfeld: Das kommt darauf an, wen Sie fragen. Der Ballett-Direktor Goyo Montero hat Krakatuk in seiner Nussknacker-Inszenierung als Maries, das ist die Protagonistin, Verstand angelegt, der durch ihre Erfahrungen während des Stückes von allem befreit werden muss, was sie glaubte zu wissen. In Hoffmanns Erzählung ist die magische Nuss der Schlüssel, einen mächtigen Fluch zu brechen und Gegenstand einer 15 Jahre andauernden Suche. Bei uns ist sie der Namenspatron für die gesamte Ausstellung, weil sie in vielerlei Hinsicht das Zentrum der gesamten Erzählung bildet.
Die Ausstellung ist eine Reise durch E.T.A. Hoffmanns Weihnachtsmärchen „Nussknacker und Mausekönig“. Wie wird das aussehen?
Arne Schönfeld: Mitreißend, will ich hoffen. Die Ausstellung basiert auf einem stark szenografischen Ansatz. Wir haben uns Requisiten und Bühnenbilder vom Theater ausgeliehen, haben Bäume aus dem Stadtforst geholt und bauen eigens neue Möbel. Wer das Historische Museum betritt, soll in Hoffmanns Erzählung eintauchen. Natürlich stellen wir spannende Objekte aus und natürlich liefern wir Hintergrundinformationen, aber vor allem sollen die Räume das Märchen erzählen. Wer dann noch etwas über Versandhandel um 1800 – quasi den Urgroßvater des heutigen Onlinehandels – oder Zinnsoldaten erfahren möchte, für den ist ebenso gesorgt.
Sie kündigen lebende Spielzeuge und sprechende Standuhren an. Wie wird das technisch dargestellt?
Arne Schönfeld: Wir haben eine großartige Illustratorin für dieses Projekt gewinnen können, die uns Bilder von den verschiedenen Figuren angefertigt hat. Mit einer Ausnahme finden sich in jedem Raum der Ausstellung Projektoren oder Bildschirme, über die wir die magischen Aspekte der Erzählung als Bilder und Videos in die Räume integrieren können. Und das so immersiv wie möglich, unsere Gäste sollen also in die Scheinwelt des Märchens eintauchen können.
Ist die Ausstellung auch für Erwachsene geeignet?
Arne Schönfeld: Ganz klar: Ja! Hoffmanns Erzählung ist mit Anspielungen gespickt, von denen seine Zeitgenossen meinten, sie wären für Kinder völlig unverständlich. Zu kompliziert, zu verworren, zu akademisch. Aber Kinder verstehen oft mehr als man denkt. Und andersherum haben viele Erwachsene weit mehr Fantasie und Vorstellungskraft in sich, als ihnen ihr Alltag zugesteht. Zu Weihnachten ist die ideale Zeit, um auch als Erwachsener Kinderfreuden zu genießen. Und wie schon gesagt, kommt auch die wissenschaftliche Arbeit mit dem Objekt nicht zu kurz, etwa bei unserer Leihgabe eines Automaten aus dem Mathematisch-Physikalischen Salon der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Ein wirklich tolles Stück, samt einem kurzen Film, der die Mechanik in Aktion zeigt. Hoffmann und seine Zeitgenossen waren überzeugt, die Maschinentechnik stünde kurz vor der Entwicklung eines Androiden, also künstlichen Menschen. Dieser Aspekt zieht sich durch viele seiner Werke und auch wir werden darauf eingehen.
Sie schreiben, dass das Märchen Hoffmanns Zeitgenossen als überkompliziert galt. Warum hat es sich trotzdem bis heute gehalten?
Christiane Wendenburg: Die Werksgeschichte ist recht verwinkelt. Seine Berühmtheit verdankt es vor allem Alexandre Dumas, dem Autor von „Die drei Musketiere“, der eine französische Version davon veröffentlichte, die sich wiederum im damals sehr frankophilen Russland sehr gut verkaufte. Daher Tschaikowskys Ballett. Ohne das wäre die Erzählung heute mit Sicherheit nicht derart bekannt.
Worin besteht der psychologische Reiz des Märchens, der bis heute erforscht wird?
Christiane Wendenburg: Hoffmanns Märchen stellt die Wahrnehmung und die Perspektive eines Kindes in den Mittelpunkt und weist dabei Parallelen mit Erkenntnissen der zeitgenössischen Kinderpsychologie auf. Diese betonte die Bedeutung der kindlichen Fantasie-Tätigkeit für die kindliche Entwicklung, wies aber auch darauf hin, dass Kinder in ihren ersten Lebensjahren gar nicht zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden können; diese Fähigkeit entwickeln sie erst später. Hoffmanns Blick in die kindliche Seele, sein Verständnis für psychische Phänomene und nicht zuletzt seine Fähigkeit, sie in seinem Märchen eindringlich darzustellen, war für seine Zeit innovativ. Einen Gegenpol zu Maries Fantasiewelt bilden die Eltern, die sich vom aufklärerischen Prinzip der Vernunft leiten lassen, wohingegen die Figur des Paten Drosselmeier eine Mittlerfunktion einnimmt. Dadurch wird der Zusammenprall zwischen Märchenwelt und Realitätserfahrung mehrdeutig, die fantastischen Ereignisse können als Einbildung, Traum, Wirklichkeit oder auch als Bewusstseinskrise gedeutet werden.
Was sagt das Märchen über Hoffmanns Zeit, das frühe 19. Jahrhundert?
Christiane Wendenburg: Es gibt uns tiefe Einblicke in die Wahrnehmung von Kindern und Kindheit in der damaligen Zeit. Eine Lebensphase, zu der sich die Einstellungen gerade dramatisch änderten. Spielen wird gesellschaftsfähig und ein Aspekt der Bildung und Pädagogik. Gleichzeitig war Hoffmann die Vorstellung ein Graus, die Aufklärung könnte die Kindheit „durchrationalisieren“. Kinder sollten die Freiheit haben, unbeschwerte Jahre zu verleben, ohne dass alles, was sie tun, einen Zweck erfüllen oder eine bestimmte pädagogische Zielsetzung haben muss. Wird dieser kindliche Drang unterdrückt – und da pflichtete Sigmund Freud Hoffmann bei –, hat das psychologische Auswirkungen, kann es Kinder krank und depressiv machen oder anderweitig stark belasten. Kann der Drang dagegen ausgelebt werden, entwickeln Kinder die Fähigkeit, außerhalb vorgegebener Bahnen zu denken, Widersinnigkeiten zu hinterfragen und für sich selbst zu entscheiden, was sie sich wünschen und wie sie es erreichen wollen. Solche Kinder werden zu Erwachsenen, die sich, so zumindest Hoffmanns Hoffnung, einen Teil ihrer kindlichen Fantasie erhalten und auch zwischen Pflicht, Beruf und Alltag noch die magischen Augenblicke finden können.
Das Märchen war die Grundlage für Pjotr Tschaikowskys Ballett. Wie geht das in die Ausstellung ein?
Arne Schönfeld: Vor allem durch fantastische Leihgaben. Die Staatsoper München stellt etwa Originalkostüme aus ihrer Nussknacker-Inszenierung zur Verfügung. So dicht wie unsere Gäste kommt also kaum jemand an Kostüme ran, die Balletttänzer in einer weltberühmten Inszenierung getragen haben und auch wieder tragen werden. Auch die Ensembles aus Nürnberg und der Semperoper sind filmisch vertreten und das Theatermuseum München leiht uns Material, das einen Blick hinter die Kulissen einer Ballettproduktion erlaubt.
Auch im Diözesanmuseum wird es mit einer Krippenausstellung weihnachtlich. Was genau gibt es zu sehen?
Carola Marie Schmidt: Detailliert geschnitzte Charakterköpfe bärtiger Männer, schöne Frauengesichter und die typischen sprechenden Hände machen Max Huschers Krippenfigurengruppen einzigartig. Bis 15. Januar bietet die Weihnachtausstellung Einblicke in das Leben des vor 30 Jahren verstorbenen gelernten Konditors und veranschaulicht die Vorlagen für seine Krippen und deren Inspirationsquellen wie auch die Machart der Figuren. Erstmals zeigen wir auch eine figurenreiche Jahreskrippe, welche als private Schenkung ins Diözesanmuseum kam.
Werden auch wieder Geschäfte im Umkreis des Dombergs Krippen ausstellen?
Carola Marie Schmidt: Da die diesjährige Weihnachtsausstellung eine monografische Ausstellung ist, lag es auf der Hand, mal wieder alle Ausstellungsstücke in den Sonderausstellungs-Räumlichkeiten des Diözesanmuseums zu zeigen. Diese Räumlichkeiten, welche erst seit letztem Sommer für Sonderausstellungen genutzt werden, erlauben es, dort die Krippe und Max Huschers Leben zu präsentieren.
Sie schreiben in der Ankündigung der Ausstellung, das Publikum liebe die Krippen. Warum sind Krippen jedes Jahr wieder interessant, was ist ihr Reiz?
Carola Marie Schmidt: Krippen erwecken bei den Betrachtern viele Emotionen. Wenn man das Leben von Max Huscher betrachtet, wird deutlich, dass die Leidenschaft zum Schnitzen von Krippenfiguren schon im Kindesalter anfangen kann. Darum eignen sich Krippenausstellungen für einen Besuch mit der ganzen Familie.
Gibt es zum Krippen-Thema noch Neues zu zeigen?
Carola Marie Schmidt: Die vielen Krippenbauvereine in Franken und anderenorts zeigen, dass es immer etwas Neues gibt. Man kann wohl ohne Vorbehalt sagen, dass Max Huscher bis heute andere Krippenbauer beeinflusst und inspiriert.