In jeder Ausgabe des Stadtechos legen wir einer Bamberger Persönlichkeit einen Fragebogen vor. Für die Juliausgabe hat ihn die Porzellankünstlerin und aktuelle Berganza-Preisträgerin Christiane Toewe beantwortet.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Ihre Arbeit als Künstlerin?
Da ich gerade aus Indien zurückkam, habe ich diese unglaubliche Ruhe und die Leere in Bamberg genossen. Nach meiner Rückkehr hatte ich vielfältige Eindrücke aus der Hauptstadt Ahmedabad zu verarbeiten. Da tat die Stille gut. Dann gab es einen tiefen Moment der Perspektivlosigkeit. Warum arbeiten, wenn keiner es sehen kann, alle Wettbewerbe, viele Ausstellungen ausfallen, oder weit ins nächste Jahr verschoben werden? Gesellschaftliche Wahrnehmung und Wertschätzung der Arbeit von Kulturschaffenden ist im normalen Alltag schon selten und diese Seltenheit ist manchmal schwer auszuhalten… aber im Shutdown? Ich habe sehr viele Gipsformen weggeschmissen, Tabula Rasa im Atelier gemacht. Jetzt habe ich mich wieder innerlich beruhigt.
Sehen Sie in der Krise auch Positives?
Vielleicht wurde von manchen Menschen der Wert von Kultur, Natur und Gemeinschaft auch wiederentdeckt. Die Zahlen der Herzinfarkte und Unfalltoten ging zurück, kein Stau auf den Autobahnen, weniger Luftverschmutzung, wir alle hatten eine Atempause. Ich hoffe sehr, dass dieser Einschnitt in unser Leben ein Umdenken bewirkt.
Was braucht gute Kunst?
Zeit, Zeit und nochmals Zeit. Ruhe und eine sehr gute Ausbildung, zumindest in meinem Metier. Ohne die langen Jahre der Ausbildung und des Experimentierens hätte ich vielleicht nicht den Mut zum Extrem und die Qualität im Umgang mit dem Material erreicht. Das ist aber nur die technische Seite. Viel entscheidender sind ein wacher Geist und Neugierde. Ein wacher, neugieriger Geist auch beim Betrachter. Kunst ist viel mehr als „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“.
Zahlen Sie gern Rundfunkgebühren?
Ja, warum nicht?
Töten Sie Insekten?
Ja. Mücken, wenn ich sie erwische.
Wie viele Apps sind auf Ihrem Smartphone? Welche benutzen Sie am meisten?
Ich habe viele Apps. Die Kamera und Foto App benutze ich täglich. Außerdem noch Messenger-Dienste und E‑Mail.
Wovon waren Sie zuletzt überrascht?
Dass es offensichtlich viel mehr Menschen in Deutschland gibt, die an Verschwörungstheorien glauben. Ich hielt dieses Phänomen für etwas Seltenes.
Was ist Ihr größter Wunsch?
Weltfrieden.
Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
Der perfekte Tag fängt morgens in der Werkstatt an und hört abends dort auf. Wenn dann noch kunstinteressierte Besucher*innen/Käufer*innen/Freund*innen kommen – perfekt.
Worüber haben Sie sich zuletzt geärgert?
Ich ärgere mich nicht so oft… eher versuche ich bei Dingen, die mir nicht passen, eine konstruktive Lösung zu finden.
Haben Sie ein Lieblingsgeräusch?
Regentropfen, Wind und Nebel. Jetzt denken Sie vielleicht Nebel? Kann man nicht hören. Doch, er schluckt genau wie Schnee die Geräusche der Umwelt. Alles ist gedämpft. Das mag ich.
Wovor haben Sie Angst?
Vor dem zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft. Nicht nur in Deutschland… mich verängstigt das laute Auftreten Rechtsradikaler in der Welt, auch dass sie solch große mediale Präsenz haben.
Welches Buch haben Sie zuletzt nicht zu Ende gelesen?
Eigentlich bin ich sehr wissensdurstig und mag jedes Buch bis zu Ende lesen. Wenn mich der Schreibstil fesselt lese ich manche Bücher auch zwei- oder dreimal. Dennoch habe ich mich sehr durch „Die weiße Straße“ von Edmund de Waal gequält. Letztendlich habe ich es nach zwei Jahren geschafft und bin nun auch ganz froh darüber. Vielleicht ist es eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen, die das Lesen mühsam macht und auch einige falsche fachspezifische Beschreibungen – nun ja, aber es beschreibt auf einer emotionalen Weise ganz gut den Weg des Porzellans in die Welt.
Ihr Leben wird verfilmt. Welche Schauspielerin sollte Sie spielen?
Nora Tschirner.
Wann haben Sie zuletzt geflirtet?
Erst gestern mit dem Baby einer Freundin.
Wann und warum hatten Sie zum letzten Mal Ärger mit der Polizei?
In meiner Jugend. Da war ich ganz wild politisch unterwegs.
Welche Drogen sollten Ihrer Meinung nach legalisiert werden?
Ich habe mich mit diesem Thema nicht beschäftigt. Arbeit ist meine Droge und das ist ja legal.
Auf welchen Moment Ihrer Laufbahn waren Sie am schlechtesten vorbereitet?
Meisterprüfung im Keramiker-Handwerk. Ich war hochschwanger und konnte nicht so intensiv das Drehen großer Gefäße üben. Letztendlich ging alles gut, aber es war sehr anstrengend.
Mit welcher großen Künstlerin/welchem großen Künstler können Sie gar nichts anfangen?
Weiß nicht. Ich kann, wenn ich mich darauf einlasse, eigentlich immer interessante Aspekte in den Arbeiten großer Künstler*innen finden. Manchmal ist es mir aber zu anstrengend, zum Beispiel bei Jonathan Meese.
Was war der schönste Moment Ihrer Karriere als Künstlerin?
Die Einladung nach Jingdezhen/China als Artist in Residenz in das Internationale Studio Taoxichuan.
Welchen Luxus leisten Sie sich?
Ich habe ein supergutes Fahrrad.
Was ist Ihr Lieblingsschimpfwort?
Mist.
Darf man in Ihrem Schlafzimmer rauchen?
Nie!
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gern dabei gewesen?
Mein historisches Ereignis liegt in der Zukunft: Wahlniederlage von Donald Trump.
Was ist Ihre schlechteste Angewohnheit?
Ich schaffe es nicht, auf meinem Schreibtisch das offensichtliche Chaos zu beenden.
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Unpünktlichkeit. Ich selber konnte gerade mit meinen kleinen Kindern auch nicht so gut Termine einhalten.
Ihre Lieblingstugend?
Empathie.
Was mögen Sie an sich gar nicht?
Ich kann eine Tätigkeit, die ich nicht mag, bis kurz vor Schluss hinausschieben. Das mag ich überhaupt nicht, kann es anscheinend aber auch nicht ändern.
Was hätten Sie gerne erfunden?
Die Seladonglasur.
Was ist Ihr Lieblingsbuch, Lieblingsalbum, Lieblingsfilm?
Ich lese alles von Murakami und höre so gerne die Musik und Stimme von Jasper Munk. Bei Film wird es schon schwieriger. Ich liebe die Bamberger Kurzfilmtage, überhaupt das Odeon- und Lichtspielkino und auch tatsächlich Tierfilme. Faszinierende Aufnahmen von Körpern in Bewegung. Das gibt es manchmal auch bei guten Fußballspielen.
Welche Musik hören Sie nur heimlich?
Xero Slingsby and the works.
Was war Ihre größte Modesünde?
Ein extra kurzer Kurzhaarschnitt.
Was ist Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Kultur, Ökologie, Stadtentwicklung, Garten.
Was zeigt das letzte Foto, das Sie mit Ihrem Handy aufgenommen haben?
Den Dachboden vom Museum Kloster Wechterswinkel.
Wovon haben Sie keine Ahnung?
Von Aktien, Fonds, ETFs, Devisen, Indizes…
Was finden Sie langweilig?
Autos.
Sie sind in einer Bar. Welches Lied würde Sie dazu bringen, zu gehen?
Jegliche deutsche Volksmusik, Rechtsrock…
Was ist Ihre Vorstellung von Hölle?
Dass es da ziemlich voll ist. Und so heiß wie in meinem Brennofen bei Endtemperatur.
Gibt es etwas, das Ihnen das Gefühl gibt, klein zu sein?
Ja, ich fühle mich ohnmächtig, wenn ich rechtsradikale Parolen höre, wenn Inhalte verkürzt und verdreht, Lügen verbreitet werden. Mir fehlen bei soviel Schwachsinn die Worte.
Ich kann nicht leben ohne…
Licht.
Sind Sie Tänzerin oder Steherin?
Tänzerin.
Was war die größte Unwahrheit, die Sie je über sich gelesen haben?
Dass ich Glaskünstlerin bin.
Welches Problem werden Sie in diesem Leben nicht mehr in den Griff bekommen?
Frühzeitig meine Steuer zu machen.
Das Stadtecho gibt eine Runde aus. Was trinken Sie?
Wie schön, wann? Tagsüber trinke ich gerne Tee, im Winter Ingwerwasser. Abends alkoholfreies dunkles Bier oder Cremant. In einer heißen Sommernacht auch Gin Tonic mit Gurke.