VHS-Ver­an­stal­tung

Eine klang­li­che Büh­ne für Fried­rich Hölderlin

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Friedrich Hölderlin: Das nonoise-Ensemble, Foto: nonoise, Januar 2020
Das nonoise-Ensemble, Foto: nonoise, Januar 2020
Im März wäre Fried­rich Höl­der­lin 250 Jah­re alt gewor­den. Am 9. und 10. Okto­ber wid­met ihm die Bam­ber­ger VHS eine Urauf­füh­rung des Ensem­bles nonoi­se von Jochen Neu­r­a­th mit dem Titel: Ele­gie. Oder Ode. (An Fried­rich H.). Fazit: Musik für Fortgeschrittene.

Nach über 200 Jah­ren der Inter­pre­ta­ti­on, Insze­nie­rung und Adap­ti­on gibt es, so möch­te man mei­nen, einem Werk wie dem von Lyri­ker Fried­rich Höl­der­lin nicht mehr all­zu viel Neu­es hin­zu­zu­fü­gen. Kom­po­nist Jochen Neu­r­a­th hat es mit sei­nem Ensem­ble nonoi­se trotz­dem ver­sucht. Her­aus­ge­kom­men ist eine hoch­abs­trak­te Ver­schmel­zung zeit­ge­nös­si­scher Klang­ge­bil­de mit Gedich­ten Höl­der­lins. Wir haben mit Jochen Neu­r­a­th gesprochen. 

Friedrich Hölderlin: Jochen Neurath
Jochen Neu­r­a­th, Foto: S. Quenzer
Herr Neu­r­a­th, was ist Ihre per­sön­li­che Bezie­hung zu Fried­rich Hölderlin?

Jochen Neu­r­a­th: Der äuße­re Anlass für die Urauf­füh­rung ist sein 250. Geburts­tag, der inne­re besteht dar­in, dass er mich schon seit Jugend­jah­ren, seit­dem ich mich für Musik und Lite­ra­tur inter­es­sie­re, beglei­tet. Außer­dem habe ich der Schu­le ein biss­chen Alt­grie­chisch gelernt, aus des­sen Dich­tung und Mytho­lo­gie Höl­der­lin in sei­nen Gedich­ten sehr viel schöpft. Er war für mich immer einer der fas­zi­nie­rends­ten Dich­ter über­haupt und in der Epo­che, in der er gewirkt hat, war er sehr spe­zi­ell und sei­ner Zeit vor­aus. Sei­ne Gedich­te sind der­ma­ßen inten­siv und emo­tio­nal, dass sie mich immer wie­der umhau­en und auf einer ele­men­ta­ren emo­tio­na­len Ebe­ne anspre­chen, wie es sonst eigent­lich nur Musik tut. 

Wor­in besteht der Ansatz­punkt für musi­ka­li­sche Ver­wert­bar­keit sei­ner Gedichte?

Jochen Neu­r­a­th: Fried­rich Höl­der­lin hat eine emi­nent musi­ka­li­sche Spra­che, einen unglaub­li­chen Sinn für Rhyth­mus und Fein­hei­ten des Sprach­klan­ges. Und all das im Ver­bund mit einer span­nend dis­pa­ra­ten Ästhe­tik in sei­nen Gedich­ten. Oft wer­den in einem Gedicht ganz ver­schie­de­ne Bil­der und Vor­stel­lun­gen zusam­men­ge­spannt, die auf den ers­ten Blick nichts mit­ein­an­der zu tun haben, auf einer höhe­ren Ebe­ne aber auf jeden Fall zusam­men­ge­hö­ren. Das wirkt für mich eher wie ein Musik­stück, in dem ein The­ma auf­ge­stellt wird, dann folgt ein kon­tras­tie­ren­des Gegen­the­ma, dann die Zusam­men­füh­rung. Da sehe ich sehr vie­le Bezü­ge zu musi­ka­li­schen Verläufen.

Um wel­che Wer­ke Höl­der­lins wird es kon­kret gehen? 

Jochen Neu­r­a­th: Im Hin­ter­grund wer­den vie­le sei­ner Wer­ke her­um­schwir­ren – oft aber nur ange­stupst. Es geht näm­lich nicht dar­um, ein musi­ka­li­sches Semi­nar zu Höl­der­lin zu machen, son­dern in der Ästhe­tik, die wir mit nonoi­se ent­wi­ckelt haben, dem nach­zu­hor­chen, was Höl­der­lin in der Fer­ne für uns ist. 

Das heißt?

Jochen Neu­r­a­th: Die Welt, in der Fried­rich Höl­der­lin vor 250 Jah­ren gebo­ren wur­de, auch die geis­ti­ge, war eine voll­kom­men ande­re. Die Art, wie Spra­che in der Lyrik benutzt wur­de, hat­te einen voll­kom­men ande­ren Stel­len­wert als heu­te. Das heißt, für mich ist es ein biss­chen so, dass Höl­der­lin heu­te nur noch aus fer­nen Echos wahr­nehm­bar ist. Des­halb wird es nicht ein­fach dicht­ge­packt Höl­der­lin-Text auf Höl­der­lin-Text geben, son­dern vie­le, eher trans­pa­ren­te Klang­flä­chen, in denen ab und zu ein Höl­der­lin-Text durch­scheint. In der Ankün­di­gung haben wir es ein biss­chen spa­ßig mit den Wor­ten zusam­men­ge­fasst „Höl­der­lin war nie in Bam­berg. Wir hor­chen den Echos sei­ner Vor­bei-Rei­sen nach.“ Er war nie hier, ist aber mehr­fach vor­bei­ge­reist und wir hören viel­leicht die Echos des Huf­ge­tram­pels sei­ner Kutschen.

Das klingt alles sehr abs­trakt. Wie wird die Zusam­men­füh­rung von Musik und Lite­ra­tur genau ablaufen?

Jochen Neu­r­a­th: Das Aller­wich­tigs­te im Ensem­ble nonoi­se ist, auf­ein­an­der zu hören. Alle pro­du­zie­ren Klän­ge sel­ber, auf ver­schie­de­nen Instru­men­ten – wel­che, will ich noch nicht ver­ra­ten –, sind sich bewusst, was sie machen, und hören aber auch immer dar­auf, was die ande­ren an Klän­gen bei­steu­ern. Es ent­steht also ein Klang­ge­we­be, das ins­ge­samt eine Auf­merk­sam­keit auf Klän­ge, auf Raum und Echos len­ken und das genaue Hin­hö­ren eta­blie­ren soll. Wenn dann ein paar Wor­te aus einem Höl­der­lin-Gedicht dazu­kom­men, haben die­se eine ganz ande­re Mög­lich­keit auf das Publi­kum zu wir­ken, als wenn sich jemand hin­stellt und ein Gedicht vor­liest. Man könn­te sagen, dass wir für Höl­der­lins Gedich­te eine klang­li­che Büh­ne bereiten.

Wor­te und Musik wer­den also zusam­men­ge­bracht, ohne dass das eine not­wen­di­ger­wei­se aus dem ande­ren her­vor­geht, ohne dass die Musik eine Ver­to­nung der Gedich­te ist? 

Jochen Neu­r­a­th: Genau. Mit unse­ren Klän­gen tra­gen wir die Gedich­te sozu­sa­gen auf den Hän­den und im Grun­de ent­springt das Gan­ze mei­ner Vor­stel­lung, dass Spra­che immer auch einen musi­ka­li­schen Aspekt hat und ich auch gespro­che­ne Spra­che als Musik emp­fin­den kann. Und die­se Anschluss­fä­hig­keit zwi­schen Musik und Spra­che ist bei Höl­der­lin eben beson­ders ausgeprägt. 

Wer­den Sie dem Publi­kum die­se Aus­füh­run­gen vor Beginn der Kon­zer­te auch machen? Besteht ansons­ten nicht das Risi­ko, dass das Publi­kum die genann­ten Zusam­men­hän­ge nicht erkennt?

Jochen Neu­r­a­th: Es wird zu Beginn ein paar Wor­te geben, aber nicht so detail­liert. Aber dar­in sehe ich die Her­aus­for­de­rung an mich als Kom­po­nist und ich ver­traue – ganz unbe­schei­den gesagt – mei­nen kom­po­si­to­ri­schen Erfah­run­gen soweit, das Stück so zu gestal­ten, dass ein kla­rer, nach­voll­zieh­ba­rer for­ma­ler Ablauf vor­han­den und erkenn­bar ist, der die Leu­te mit­trägt und ihrem Ver­ständ­nis Halt gibt. Wir ver­su­chen, eine der­art dich­te Atmo­sphä­re zu erschaf­fen, dass die Leu­te für sich anneh­men kön­nen, was wir machen.

Geben Sie sich Gedan­ken­spie­len hin, wie wohl Fried­rich Höl­der­lin auf Ihre Her­an­ge­hens­wei­se an sei­ne Wer­ke reagiert hätte?

Jochen Neu­r­a­th: Das ist sehr schwer – unter ande­rem eben auch des­we­gen, weil die Zei­ten so grund­le­gend ande­re sind. Die­se Art der musi­ka­li­schen Arbeit, wie ich sie mit nonoi­se ver­su­che, wäre zu Zei­ten Höl­der­lins nicht im Ent­fern­tes­ten denk­bar gewe­sen. Es ist nicht mal bekannt, ob er selbst ger­ne Musik gehört hat und wenn ja, wel­che. Aber viel­leicht hät­te es ihm gefal­len, dass sich die Musik, wie in die­sem Fall, soweit zurück­nimmt, dass sie sei­ne Tex­te fast wie auf Hän­den trägt. 

Ensem­ble nonoise

Ele­gie. Oder Ode. (An Fried­rich H.): Zu Fried­rich Höl­der­lins 250. Geburtstag

9. Okto­ber, 20 Uhr und 10. Okto­ber, 17 Uhr

VHS Bam­berg im Alten E‑Werk

Bit­te vor­her anmel­den unter www.vhs-bamberg.de oder tele­fo­nisch 0951 – 871 108.

www.nonoisemusic.de

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