In diesem Jahr wird der 150. Geburtstag des Nobelpreisträgers Thomas Mann gefeiert. Im Rahmen seines Jubiläumsprogramms zum fünfjährigen Vereinsbestehen setzt sich der Bamberger Verein nonoise im Oktober und November im Musiktheaterprojekt „Felix – in media“ mit der bekannten Romanfigur „Felix Krull“ auseinander. Komponist Jochen Neurath, Vorsitzender des nonoise e.V., stand uns Rede und Antwort.
Vor fünf Jahren wurde der nonoise e. V. gegründet. Das erste Projekt hatte noch vor der Gründung im Januar 2020 „echoes of unborn thoughts“ in der Johanniskapelle stattgefunden, die weiterhin die „Homebase“ von nonoise ist, auch wenn nicht immer dort gespielt wird. Unmittelbar nach dem ersten Stück begann die Corona-Pandemie, während der jegliches Zeitempfinden völlig anders lief. Deshalb scheint für Jochen Neurath der Beginn des Vereins „unendlich weit weg – aber gleichzeitig sind mir die ersten Schritte noch so gegenwärtig, als wenn es gestern gewesen wäre.“ Der Verein nonoise e. V. wurde bald nach der ersten Aufführung gegründet, um eine organisatorische Plattform für die Aufführungen zu haben. Dies erfolgte dann mitten im Lockdown per Video-Konferenz. „Das Amtsgericht musste erst klären, ob eine Gründung ohne Präsenz überhaupt rechtens ist. Aber wir wurden so der erste Verein, der in Bayern auf diese Weise gegründet wurde“, erinnert sich der Komponist.
Fünf Stücke zum fünften Geburtstag
Der wesentliche Impuls zur nonoise-Gründung war es, Neue Musik zu machen, die nahbar ist, und auch Menschen erreicht, die sich nicht speziell damit beschäftigen. Der Verein erarbeitet seitdem in regelmäßigen Abständen Performances sowie Klang- und Rauminstallationen. Die Ideen zu den Projekten kommen aus allen Richtungen, berichtet Jochen Neurath. „Oft sind es literarische Anregungen – wir haben Stücke zu Hölderlin, Dante, Heiner Müller, Rilke, Kafka und anderen gemacht -, aber es kommen immer auch rein musikalische Überlegungen dazu, oder Ideen zu ungewöhnlichen Aufführungssituationen.“
2022 wurde nonoise durch den Kunstverein Bamberg mit dem Berganza-Preis ausgezeichnet. Sein Gründer und Vorsitzender, Komponist Jochen Neurath, erhielt 2025 den Kulturförderpreis der Stadt Bamberg.
Er habe das Bamberger Publikum als sehr neugierig und offen kennengelernt, berichtet Neurath. Und genau diese Menschen möchte nonoise auch mit „Felix – in media“ ansprechen: künstlerisch Interessierte, die auch abseits der bekannten Pfade etwas Neues erleben möchten. „Obwohl man bei nonoise-Aufführungen nie vorher weiß, was einen erwartet, waren unsere Stücke von Anfang an sehr gut besucht.“ In den ersten Jahren, während der Pandemie, sei sicher auch der Hunger der Menschen nach Kultur dazugekommen. Teilweise mussten wegen der Abstandsregeln sogar Leute heimgeschickt werden.
Zum fünften Geburtstag hat sich der Verein fünf Stücke vorgenommen, von denen drei bereits stattfanden: „echoes of an exhibition“, „Erinnerung an die Ewigkeit“ und „windrose | brass“.
Nun folgt mit „Felix – in media“ ein recht aufwändiges Stück. „Man muss ja für solche Projekte immer um einiges im Voraus planen, und als Frank Düwel, dem Regisseur, und mir nach der Aufführung von “Das Schloss” von Kafka klar wurde, dass 2025 der 150. Geburtstag von Thomas Mann ansteht, haben wir uns diesen Anlass herausgesucht. Und wir wollten die Erfahrungen mit Tanz, die wir im Stück „Tristan“ (2024) mit Johanna Knefelkamp gemacht hatten, weiter ausbauen.“
Die Verantwortlichen haben sich früh klar gemacht, dass Kunst, insbesondere Bühnenkunst, immer Darstellung und Kommunikation mit den Erwartungen des Publikums ist, um dessen Gunst zu erlangen. Genau dies tut Felix Krull auch. Die Gefahr für den Einzelnen liege darin, sich selbst zu verlieren, indem man nur das darstellt, was andere in einem sehen wollen. „Diese Grenze muss jeder für sich erkennen“, so Neurath. Ab dem 22. Oktober wird nonoise mit dem Musiktheaterprojekt einen eigenen Blick auf die Selbstdarstellungskünste der damaligen und der heutigen Zeit werfen. Die künstlerische Verantwortung liegt bei Johanna Knefelkamp, Frank Düwel und Jochen Neurath. Darüber hinaus wirkt bei diesem Stück Andreas Klenk als Produktionsleiter mit.
Johanna Knefelkamp, die 2023 den Kulturförderpreis der Stadt Bamberg verliehen bekam, hat die Choreografie für die Tänzerin Paulina Schabacker und den Tänzer Julian Sturz entwickelt, Frank Düwel hat die Szenerie entworfen und die Texte geschrieben, die Jochen Neurath für Gesang und Schlagzeug vertont hat. Singen wird Opernsängerin Taxiarchoula Kanati, am Schlagzeug spielt Paul Laga.
„Die letzte Probenphase ist immer die spannendste!“
Die ersten Planungen reichen bereits zwei Jahre zurück, berichtet Jochen Neurath. Das Stück von Frank Düwel sei Anfang dieses Jahres entstanden, Neuraths Musik im Frühjahr. In einem ersten Probenblock im Juni habe dann Johanna Knefelkamp ihre Choreografie entwickelt.
Felix Krull in Manns Roman verwandelt sich ständig, um den Wünschen seines Gegenübers zu entsprechen. So bekommt er die Anerkennung, ohne die er nicht leben kann. Schließlich nimmt er eine komplett andere Identität an, vergisst sich völlig – und erschrickt zutiefst, als er doch wieder mit dem eigenen Begehren konfrontiert wird. Fragen wie „Wie stellen wir uns dar?“ „Was wollen wir dem Anderen von uns zeigen?“ stellen sich im Roman, sind aber auch für uns heute ganz gegenwärtig im Umgang mit social media. „Felix – in media“ wird sie nicht beantworten, aber mit Musik, Licht, Szene und Tanz umkreisen.
„Die Selbstdarstellungskünste von Thomas Manns Titel-Figur schienen uns sehr nah dran an dem, was Influencer und andere User heute in social media betreiben: Die Selbstoptimierung mit dem steten Gedanken daran, den Wünschen der Anderen zu entsprechen, um dadurch wiederum einen Vorteil zu genießen“, erläutert Neurath.
Für „Felix – in media“ hat nonoise Szenen aus „Felix Krull“ ausgewählt, die die Verantwortlichen als zentral ansehen, und zu einzelnen Bühnensituationen verdichtet. „Aber wir haben die Prosa Thomas Manns – so meisterhaft sie natürlich ist – nicht als Grundlage genommen. Frank hat im Geiste dieser Vorlage eigene, sehr poetische Texte geschrieben“, so Jochen Neurath.
Herr Neurath hofft, dass sie auch mit „Felix – in media“ das Publikum erreichen und im besten Falle begeistern können durch die Intensität, die sie in der Vorbereitung in das Stück gesteckt haben. „Und wir hoffen, dass wir den vier Mitwirkenden einen guten Rahmen bieten können, in dem ihr künstlerisches Bestreben und ihre Fähigkeiten gut zur Wirkung kommen.“
Sie sind jetzt mit den Vorbereitungen mitten im Endspurt. „Die letzte Probenphase, bei der dann alles zusammenkommt – Bühne, Darsteller, Licht, Technik – ist immer die spannendste!“
Premiere ist am 22. Oktober 2025, weitere Vorstellungen sind am 23. und 30. Oktober sowie am 1., 2. und 25. November in der Kufa in der Ohmstraße. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr, Einlass um 19.00 Uhr.
Der Abschluss des Jubiläumsjahres wird wieder ein Novum sein: nonoise lädt ein Gastspiel ein: „Lear – Königin im Moor“ heißt das Stück von nonoise-Regisseur Frank Düwel, das am 23. November in der Johanniskapelle zu sehen sein wird, mit Herma Koehn und Mario Gremlich als Lear und Narr.“
Nach den fünf Stücken in diesem Jahr wird nonoise wieder in den ursprünglichen Rhythmus zurückkehren: pro Jahr ein größeres Werk und ein bis zwei kleinere Arbeiten. Für Herbst 2026 ist ein Werk geplant, das wieder eine ganz neue Seite von nonoise zeigen soll. Mehr möchte Jochen Neurath noch nicht dazu sagen. Nur so viel: „Drücken Sie uns die Daumen, dass es gelingt!“
