In seiner neuen Stadtecho-Kolumne erkennt Florian Herrnleben sein Bamberg nicht wieder. Nicht ein Skandal in Sicht. Kann das wirklich sein?
Trotz verschiedenster, zumindest rhetorischer Versuche aus diversen Ecken, neue und große Skandale heraufzubeschwören, stehst du aktuell da wie der Gabelmann zu seinen besten Zeiten. Selbst die penetranteste Saatkrähe mit der Verdauung eines Durchlauferhitzers kann dir in deiner Souveränität nichts anhaben. Es läuft rund. Und alles andere wird gekonnt wegmoderiert.
Die Innenstadt, die nach einseitiger Sperrung der Kettenbrücke vom Stadtmarketing bereits dem sicheren Tod geweiht wurde, kann dem Onlinehandel seit Wochen erfolgreich trotzen, weil du den kleinen Umweg perfekt und nahezu für jeden motorisierten Individualverkehrsteilnehmer verständlich ausgeschildert hast.
Als dein Finanzsenat jüngst ein Haus entdeckt hat, das im Eigentum der Stadt größtenteils seit Jahren leer herumsteht, sprachen die ersten Stadträte schon von einem neuen Überstundenskandal. Zum Glück merkte sogar die Presse rechtzeitig, dass du auf dem Stadtgebiet mehr baufällige Immobilien besitzt als alle windigen Investmentpropertygermangroups in Bamberg zusammen. Wie langweilig.
Deine Untere Brücke hat nach rund 60 Jahren endlich ein Geländer angedübelt bekommen. Nicht schön, mittelbequem, sauteuer, man kann auch immer noch runterbollern, wenn man meint, mit 2,7 Promille auf der Brüstung tanzen zu müssen, aber bei Amtshaftungsfragen versteht der gemeine Stadtrat halt keinen Spaß. Und das – und da sind wir schon beim nächsten Punkt – obwohl du relativ gut gegen inhaltlich defizitäre oder juristisch mindestens wackelige Entscheidungen der Rathausoberschicht versichert zu sein scheinst. Man hätte es vielleicht riskieren können auf der Brücke, denn auch der Überstundenskandal hat sich dank Spendierfreudigkeit der Versicherungskammer Bayern – zumindest für den OB und seine Strafbefehlsgenossen – mit der einstimmigen Entscheidung im Personalsenat in Wohlgefallen aufgelöst.
Als mir dann plötzlich die Sitzungsvorlage des Mobilitätssenats vor die Füße flog, wo Pläne für eine Einbahnstraßenregelung der Friedrichstraße hineingeschmuggelt worden sein sollten, war ich mir sicher: Endlich haben wir einen neuen Skandal! Die Bagger würden eines Nachts anrücken wie damals im Hainbad und binnen weniger Stunden (das ist eigentlich der lustigste Witz in der ganzen Kolumne) die komplette Friedrichstraße, ach, was sag ich, die ganze Innenstadt zu Einbahnstraßen umbuddeln. „Heimlich, still und möglichst leise“, fluchte die Bürgerinitiative Bamberg.Gemeinsam.Mobil, bis herauskam, dass „heimlich“ und „öffentliche Sitzungsvorlage“ sowie „leise“ und „FT-Artikel“ eher widersprüchlich sind.
Wieder nix jedenfalls, wieder kein neuer Aufreger.
Ich musste es selbst in die Hand nehmen! Das tun, was mich seit Wochen und Monaten bekannt, berühmt, man möchte fast sagen, berüchtigt hat werden lassen. Aber was? – In diesem Moment schlug eine Pressemitteilung bei mir ein: Anwohnerausweise könnten nun online beantragt werden. Smartcity sei Dank! Online. Bei der Stadt Bamberg. Was so aufregend und unglaublich klang wie „Doppelt-ISDN“ Mitte der 90er, war meine Chance.
Ich klickte mich durch das Onlineformular, immer auf der Suche nach dem kleinen Fehler, der Lücke im System, die den Rathausserver oder wenigstens den Mitarbeiter, der mein ausgefülltes Onlineformular ausdrucken und abheften würde, um dann einen Ausweis zu laminieren, aus dem Konzept bringen und zu einem Fehler – dem verhängnisvollen Fehler 2023 – veranlassen müsste. Aber nix.
Meine letzte Hoffnung war, dass der Ausweis einfach nicht kommt und ich mich lautstark hier in der Kolumne beschweren könnte, natürlich auf Basis großer Verschwörungstheorien von der großen, dunklen Macht im Rathaus gegen den kleinen Herrnleben.
Aber keine drei Tage später lag der Ausweis im Briefkasten. Und das Geld wurde auf den Cent korrekt von meinem Konto abgebucht.
Ey, Bamberg, was ist los mit dir?