Im Oktober 2021 hatte sich Bamberg als Host-Town einer Nationen-Delegation der Special Olympics World Games Berlin 2023 beworben. Im Januar 2022 kam die Zusage, im Juni 2023 sind die Spiele. Bis dahin muss noch einiges organisiert werden. Wobei es den Bamberger Hosts vor allem darum geht, Inklusion eine größere Aufmerksamkeit zu verschaffen und Teilhabe damit dauerhaft im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.
Seit 1968 finden alle vier Jahre die Special Olympics World Summer Games statt. Mit mehr als 170 teilnehmenden Nationen sind sie die größte Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Von 17. bis 25. Juni 2023 werden die Wettbewerbe in Berlin ausgetragen.
Um die Delegationen dieser Nationen unter- und Inklusion der Bevölkerung näherzubringen, wurden deutschlandweit Kommunen als Host-Towns ausgewählt. Bamberg ist eine davon. Vier Tage lang vor Beginn der Spiele in Berlin wird Bamberg Gastgeberstadt für eine Gruppe von Sportlerinnen, Sportlern und ihres Organisationsteams sein.
„Das Motto der Host-Town Bamberg lautet „Bamberg l(i)ebt Inklusion““, sagt Robert Bartsch, Mitglied des Host Town-Bewerbungsteams und Projektleiter des Förderkreises goolkids. „Das „liebt“ ist die Gegenwart, aber die Zukunftsvision heißt „Bamberg lebt Inklusion“.“
Als bekannt wurde, dass Bamberg als Host Town ausgewählt worden war, habe man sich natürlich sehr gefreut. Aber Robert Bartsch, der sich mit goolkids schon lange für die Inklusion von Menschen mit Behinderung durch Sport einsetzt, und Dr. Matthias Pfeufer, Bambergs Sportreferent und ebenfalls Bewerbungsteam-Mitglied, versprechen sich von der Auswahl als Gastgeberstadt vor allem einen Schub für Inklusion, der auch nach den Tagen der Special Olympics World Games anhalten soll.
Wir haben mit den beiden über das Host Town Programm, noch anstehende Aufgaben und Chancen für die Inklusion gesprochen.
Herr Bartsch, Herr Pfeufer, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Bamberg zur Bewerbung als Host-Town anzumelden?
Robert Bartsch: Eines Tages im Frühjahr 2021 bekam ich je eine Email von Nicole Orf, der Behindertenbeauftragten der Stadt Bamberg, und von Peter Müller, ihrem Pendant im Landkreis. Sie schickten mir die Ausschreibung der Special Olympics in Berlin. Da stand: Wir suchen 170 Gastgeberstädte für die Nationen, die an den Spielen teilnehmen. Diese Mail verbanden sie mit der Frage, ob dieses Host-Town-Projekt denn nicht etwas für Bamberg und seine Inklusionsvereine wie goolkids wäre.
Daraufhin habe ich mit Michael Hemm von der Lebenshilfe Kontakt aufgenommen und ihm vorgeschlagen, den Stadtrat zu überzeugen, Bamberg als Host-Town zu bewerben. Die Lebenshilfe könnte die Organisationsbereiche Kultur und Begegnung übernehmen und goolkids die sportlichen Aspekte des Host-Town-Projekts. Das war unser gemeinsamer Plan. Der nächste Schritt war ein Termin bei Matthias Pfeufer, von dem ich wusste, dass er ein offenes Ohr für Inklusion hat. Ich wusste, wenn es mir gelingt, ihn zu überzeugen, wird er das Projekt nicht auf die lange Bank schieben. Ich stellte ihm das Projekt vor – aber nicht nur die Bewerbungsmöglichkeit, sondern auch das, was wir dahinter sehen. Wir betrachten diese vier Tage nächstes Jahr nämlich als Möglichkeit, mehr Begeisterung, vielleicht sogar eine Begeisterungswelle für Inklusion zu erzeugen. Wir haben nicht nur an die Host-Town gedacht, sondern auch daran, anhand des Projekts gesellschaftliche Inklusion zu verbessern.
Mussten Sie sich von Herrn Bartsch lange überzeugen lassen, Herr Pfeufer?
Matthias Pfeufer: Nein, überhaupt nicht. Robert hat damit bei mir offene Türen eingerannt. Ich habe mich schon an früheren Wirkungsstätten intensiv mit dem Thema Inklusion beschäftigt – wenn auch mit dem Schwerpunkt der schulischen Inklusion. Seit ich bei der Stadt Bamberg arbeite, bin ich allerdings beim Thema ein bisschen draußen gewesen – auch aufgrund der Änderungsunwilligkeit des bayerischen Schulsystems. Da geht wenig vorwärts. Auch aus kommunaler Richtung kann wenig beigetragen werden, weil wir für die allermeisten Schulen nur eine Verwaltungsaufgabe haben. Der Bereich Sport und Inklusion, um den es bei Host-Town aber geht, liegt viel stärker in kommunaler Verantwortung und kann mehr gestaltet werden.
Was bedeutet das?
Matthias Pfeufer: Das Host-Town Programm hat in Bamberg ein Feld eröffnet, in dem viele Organisationen und Initiativen, goolkids ist sicherlich ein Paradebeispiel dafür, sehr viel bewirken können. Wir haben hier die Möglichkeit, die Ressourcen, die in den Menschen stecken – jeder kann etwas und hat die Möglichkeit, sich gesellschaftlich einzubringen – über das Feld des Sports besonders zu heben. Es ging uns, wie gesagt, von Anfang an nicht nur um diese vier Tage des Gastgeberseins, sondern auch darum, diese Tage zu nutzen, um Inklusion in der Stadtgesellschaft selbstverständlicher zu machen – weg von einem Thema, mit dem man sich nur zu besonderen Anlässen schmückt.
Robert Bartsch: Alle Welt redet von Inklusion, macht aber meistens nur Schaufenstergeschichten. Entscheidend ist, etwas zu tun, das Nachhaltigkeit ermöglicht. Wir müssen Chance nutzen, aus dem Event heraus eine größere Breite zu erzielen.
Wie sehen Sie die Chancen, dass das Thema Inklusion auch am 26. Juni 2023, wenn die Spiele vorbei sind und die Delegation abgereist ist, in der Breite der Öffentlichkeit bestehen wird?
Robert Bartsch: Ein Selbstläufer ist es nicht, darüber sind wir uns im Klaren. Aber vom Bauchgefühl her bin ich mir relativ sicher, dass es uns gelingt, emotionale Höhepunkte zu setzen und wenigstens eine gewisse Breite in der Öffentlichkeit zu erreichen. Zu spekulieren, wie weit das die komplette Stadt mitreißt, wäre vielleicht ein bisschen vermessen, aber wir setzen uns keine Grenzen.
Was meinen Sie mit emotionalen Höhepunkten?
Robert Bartsch: Ich denke da zum Beispiel an ein fröhlich-buntes und ungezwungenes Fest in der KUFA mit unseren und den Athletinnen und Athleten, die zu Besuch kommen, und mit Menschen kreuz und quer aus der Gesellschaft.
Matthias Pfeufer: Zusätzlich zu emotionalen Höhepunkten, die es braucht, um Betroffenen Öffentlichkeit zu geben, ist auch Nachhaltigkeit nötig. Entscheidend über den 26. Juni hinaus ist darum, dass wir nicht nur auf dieses eine Host-Town-Ereignis abzielen. Wir wollen in den nächsten eineinhalb Jahren bis zu den Spielen bestimmte Events schon vorher so setzen, dass wir sie als dauerhafte Veranstaltungen im Veranstaltungs-Kalender Bambergs verankern können. Regelmäßige Veranstaltungen zum Europatag am 5. Mai, der gleichzeitig auch der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ist, wäre ein Beispiel. Für solch eine Nachhaltigkeit wäre es auch wichtig, über einzelne sportliche Veranstaltungen zu mehr regelmäßigen inklusiven Trainingsangeboten zu kommen, Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung also miteinzubeziehen in das ganz normale Leben eines Sportvereins. Ich hatte in den letzten Monaten viele Gespräche mit Sportvereinen dazu und spüre da eine große Bereitschaft.
Wodurch hat sich Bamberg als Host-Town qualifiziert?
Robert Bartsch: Ich denke, das lag einerseits daran, dass wir schon frühzeitig viele städtische Kooperationspartner präsentieren konnten. Und ich denke, dass auch das goolkids-Sportfest am 25. September 2021 und die Begeisterung an diesem Tag sich rumgesprochen haben. Wir hatten viele inklusive Sportarten, Live-Musik und Tanz. Und an diesem Tag war auch ein Vertreter der Special Olympics zu Gast, der außerdem Mitglied im Bayerischen Auswahl-Gremium der Host-Towns war. Ihn haben wir ein bisschen ins Programm eingebunden und er konnte uns kennenlernen. Wir konnten ihn begeistern und lebendig zeigen, welche Begeisterung wir erzeugen können, wenn sich Sport, Kultur und Gesellschaft verbinden. Es wurde sogar gemunkelt, dass Bamberg, nicht zuletzt durch die breite Begeisterung in der Stadt und im Stadtrat, eine der besten Bewerbungen in Bayern abgeben hatte. Das würde natürlich nie jemand bestätigen, aber was die Emotionalität angeht, ist uns, glaube ich, ein großer Wurf gelungen.
Was ist bis 13. Juni 2023, wenn die Delegation in Bamberg eintrifft, noch alles zu tun?
Matthias Pfeufer: Ganz konkret haben wir ein lokales Organisationsteam geschaffen, auch unter Beteiligung des Landkreises, das sich Ende Februar zum ersten Mal getroffen hat. Momentan sind viele Rahmenbedingungen aber noch nicht klar. Was wir tun werden, ist, den Weg vorzuzeichnen, den Veranstaltungskalender mit dem Thema Host-Town zu bespielen und zu schauen, ob wir aus der Perspektive der Inklusion im Sport einen Beitrag leisten können.
Werden Sie auch versuchen, die Bevölkerung ins Projekt Host-Town einzubinden?
Matthias Pfeufer: Um die Frage beantworten zu können, was geeignet ist, um Inklusion in der Region weiter voranzubringen, brauchen wir die Expertise der Betroffenen und möglichst viele Impulse von außen, aus der Bevölkerung. Eine Gelegenheit dazu haben wir bei der zurückliegenden Gesundheitsmesse in Bamberg wahrgenommen. Dort haben wir eine Ideenbörse eröffnet, bei der die Leute Vorschläge, wie Inklusion in Stadt und Landkreis vorangebracht werden kann, einbringen konnten. Und da ist schon einiges zusammengekommen. Wir scheinen also in bestimmten Teilen der Bevölkerung durchaus einen Nerv zu treffen und ein Bedürfnis zum Mitmachen auszulösen. Letztendlich müssen wir nur noch sehen, was umsetzbar ist.
Robert Bartsch: Ich sehe auch Ideenpotenzial in der Bevölkerung oder bei Vereinen und Sportvereinen und Schulen. Und wer professionelle Hilfe braucht, weiß, dass er sich an uns von goolkids oder an die Stadt und den Landkreis wenden kann. Übrigens: Die Bevölkerung ist aufgerufen, zu unserem Motto Gestaltungsvorschläge zu einem passenden Logo zu machen. Damit wollen wir erreichen, dass die Bevölkerung einen größeren Anteil nehmen kann und sich als Teil des Host-Town-Projekts fühlt.
Wird man die Delegation in den vier Tagen vor den Spielen sozusagen als Teil des Stadtbilds antreffen können?
Matthias Pfeufer: Genau, das Ziel ist tatsächlich, Begegnungsmöglichkeiten vielfältiger Art zu schaffen. Das Kulturfest in der KUFA wäre eine solche Möglichkeit. Die Leute sollen aber auch direkt in die Stadt gehen – ein mögliches Inklusionsfest auf dem Maxplatz könnte da funktionieren. Es gibt aber auch Ideen, in welcher Form sich auch der Landkreis mit seinen Bürgern einbringen kann. Wo wir aber aufpassen müssen ist, dass wir die Delegation und ihre vier Tage in Bamberg nicht komplett mit Terminen zupflastern. Wir können kein zu dichtes Programm aufstellen, zumal die Sportlerinnen und Sportler ja auch noch etwas trainieren wollen.