Ausgewählte Bücher vom Mittelalter bis in die Gegenwart zeigt die Ausstellung „Erlesen – 200 Jahre Bibliothek des Metropolitankapitels“, die die Bamberger Diözesanbibliothek
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Albina Rolsing
Resonanzen
Die Galerie AOA;87 bietet im Herzen Bambergs eine weltoffene Plattform für etablierte und aufstrebende zeitgenössische Künstler. Das nächste Highlight im Programm ist die am Donnerstag beginnende Soloausstellung »Resonanzen«. Mit dieser Ausstellung präsentiert AOA;87 erstmals expressive Gouachen und Acrylbilder auf Leinwand aus dem Werkzyklus »Persona« der Bamberger Künstlerin Albina Rolsing
Seit Beginn ihres Kunststudiums beteiligte sich Rolsing an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen und bediente sich unterschiedlicher Medien. Die in AOA;87 ausgestellten Werke kennzeichnen sich durch eine schwungvolle, keineswegs eingrenzende Linie und eine auf den Kontrast zwischen Rot und Blau reduzierte Farbpalette. Für den Werkzyklus schöpfte Rolsing Inspirationen aus der Kunst Mark Rothkos und Egon Schieles, weiterhin aus der Philosophie und der Psychoanalyse. Die Künstlerin verfolgt das Ziel, bildkünstlerisch an sich tiefer befindliche Bewusstseinsschichten anzuknüpfen und eine Verbindung mit den Betrachter*innen aufzubauen.
Die silhouettenhafte Andeutung eines Kopfes in »Intimacy« und die fast vollzogene Gestaltwerdung eines ›Gekreuzigten‹ in »Into the unknown« sind nur zwei der starken Motive, die sich aus dem Aufeinanderprallen innerer und äußerer Welten ergeben. Die gewohnten Seherfahrungen werden irritiert, es findet Abstraktion und Transformation statt, luzide Transparenz lässt anatomische Formen und amorphe Schichten hervortreten, die einander ablösen und ergänzen. Es wird ein Raum für neue Resonanzen kreiert.
Die Künstlerin Albina Rolsing begann ihr Studium der Bildenden Künste im Jahr 2013 an der Kunstakademie Faber Castell Nürnberg. Sie verwob die dort gesammelten Erkenntnisse mit Betrachtungsperspektiven aus den Kunstseminaren an der Freien Kunstakademie in Augsburg und in der Kunstfabrik Wien. Seit 2016 stellt die Künstlerin unter anderem in Wien, Udine, Paris, Rom, London und Miami aus. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Wien und Bamberg.
Weitere Informationen
AOA;87
Austraße 14,
96047 Bamberg
Tel.: 0951 – 30 29 40 57
Öffnungszeiten
Mittwoch – Freitag 12 – 18 Uhr
Samstag 10 – 16 Uhr
und nach Vereinbarung
„Resonanzen“
Vernissage: Donnerstag, 10. Juni 2021 ab 18.00 Uhr
Dauer der Ausstellung: 10. Juni bis 10. Juli 2021
Kunstraum JETZT!
Vertragsverlängerung Kesselhaus
Das Kesselhaus bleibt ein Ort für Kultur. Der Bamberger Verein Kunstraum JETZT! hat eine Nutzungsvertragsverlängerung über weitere fünf Jahre unterschrieben. Die erste Ausstellung ist bereits enthüllt und beschäftigt sich mit der Frage, wie das Kesselhaus ausgebaut werden könnte.
Das Kesselhaus kann damit für weitere fünf Jahre genutzt werden. Mitte März unterzeichnete der Vorstand die bereits vor zwei Jahren beantragte Vertrags-Verlängerung mit der Stadt. Zur gleichen Zeit eröffnete Vorstandssprecher Ulrich Kahle die erste Ausstellung im neuen Jahr: Acht Künstler*innen haben, in Plakatform, ihre Ideen zu Möglichkeiten der zukünftigen Gestaltung des Kesselhauses beigetragen. Die teilweise konkreten, teilweise abstrakten Ergebnisse hängen aneinandergereiht Richtung Leinritt an der Außenwand der Sheddach-Halle des Kesselhauses. Diese bisher ungenutzte Halle möchte der Kunstraum JETZT! zum weiteren zentralen Ausstellungsort im Kesselhaus umgestalten. Wir haben mit Ulrich Kahle gesprochen.
Herr Kahle, vor zwei Wochen haben Sie den Nutzungsvertrag des Kesselhauses bis 2026 verlängert. Wie haben Sie sich dabei gefühlt?
Ulrich Kahle: Ich habe eine gewisse Genugtuung gespürt. Um Planungssicherheit zu haben, hatten wir die Vertragsverlängerung ja schon im Oktober 2019 beantragt. Da es seitdem aber keine entsprechenden Schritte gab, haben wir von Ausstellung zu Ausstellung, also in gewisser Weise von der Hand in Mund gelebt. Aber jetzt haben wir wieder Planungsluft für ein gutes Stück Zukunft.
Gab es Momente, in denen Sie nicht mehr an diese Verlängerung geglaubt haben?
Ulrich Kahle: Nee, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber es gab und gibt Stimmen oder Lager in dieser Stadt, die diese Vertragsverlängerung nicht so gerne sehen. Auf der anderen Seite hat der Oberbürgermeister sich über den Vertrag und die Plakatausstellung echt positiv geäußert.
Andere kulturelle Akteure, wie FRANZ KAfkA, konnten sich mit der Stadt nicht einigen. Trübt das die Freude über den Vertrag?
Ulrich Kahle: Ich interpretiere die Vorgänge zwischen FRANZ KAfkA und der Stadt nicht. Aber wenn KAfkA wieder etwas im Kesselhaus machen wollen, werden wir die Letzten sein, nein zu sagen. Wir sind für Kooperationen offen. So tritt etwa im Mai das Theater im Gärtnerviertel im Kesselhaus auf.
Welche Vertrags-Bedingungen muss der Verein Kunstraum JETZT! erfüllen?
Ulrich Kahle: Der Vertrag sieht eigentlich nur vor, dass nicht mehr als 99 Personen auf einmal im Kesselhaus sind. Das hat ausschließlich baurechtliche Gründe. Ausnahme-Genehmigungen für mehr Publikum wurden uns aber mündlich zugesichert. Ansonsten gibt es keine Vorgaben. Wie wir das Kesselhaus nutzen, ist unsere Sache.
Was hat sich die Stadt verpflichtet zu liefern?
Ulrich Kahle: Seitens der Stadt gibt es keine weiteren Zusicherungen. Das ist leicht erklärbar: Corona macht die Stadtkassen leer und wieweit sich die Kasse durch andere Aktionen selbst geleert hat, stelle ich dahin – das mögen andere klären. Kultur ist seit jeher eine freiwillige Leistung, die Geld kostet und bei der man am ehesten streichen kann.
Was soll das Kesselhaus in den kommenden fünf Jahren sein?
Ulrich Kahle: Wir möchten die Entwicklung weitertreiben, die wir schon immer vorhatten: Wir wollen das Kesselhaus als Kulturort verfestigen und verstetigen. Es gibt keinen mit diesem stillgelegten Industriebaukörper vergleichbaren alternativen Gegenwarts-Kunst-Raum in Bamberg. Daran wollen wir festhalten. Das Kesselhaus weiter zu betreiben, ist unser vordingliches Ziel. Und langfristig wollen wir die Eignung des Kesselhauses durch Umbaumaßnahmen verbessern, mehr Raum schaffen für verschiedenste Veranstaltungen neben der Kunst – Musik, Theater, Diskussionsplattformen.
Die Plakatausstellung zu Gestaltungsvarianten des Kesselhauses ist ein erstes neues Ausstellungsformat und markiert außerdem zehn Jahre Ausstellungsbetrieb im Kesselhaus. Wie hätte die Jubiläumsausstellung ohne Corona ausgesehen?
Ulrich Kahle: Wir hätten bestimmt zunächst ein Fest gemacht. Möglicherweise wäre dann vielleicht auch so eine Ausstellung zustande gekommen. Jetzt, in der Pandemiesituation, war es aber ein bewusstes Ziel, den eingeladenen Künstlern ein Honorar in der Pandemiedurststrecke verschaffen zu können, was wir dann mit dem Thema der Kesselhausaspekte kurzerhand verbinden konnten.
Die Ausstellung zeigt Zukunftsideen des Kesselhauses. Welche Vorgaben haben Sie für die Plakatgestaltung gemacht? Umsetzbarkeit scheint kein Kriterium gewesen zu sein.
Ulrich Kahle: Die einzige Vorgabe war: „Was fällt euch zur Zukunft des Kesselhauses ein?“ Mehr nicht.
Auch Ihr Verein hat zwei Plakate beigesteuert. Diese werden in der Zukunftsgestaltung des Kesselhaus konkreter.
Ulrich Kahle: Ja, das ist ein Fingerzeig, wo es mit dem Kesselhaus hingehen könnte – so realistisch wie möglich visualisiert, um den Leuten klarzumachen, welches Potenzial in diesem Gebäude steckt. Der Idealentwurf ist der Umbau der Shedhalle zu einer Kunsthalle.
Ist in diesen Entwürfen die mögliche Reaktion der Stadt – machbar oder zu teuer – schon miteingerechnet?
Ulrich Kahle: Nein, so weit sind wir noch nicht gekommen. Wobei die Stadt bislang eigentlich nicht bereit war, dazu etwas zu sagen. Aber wir versuchen schon unser Möglichstes, realistische Wege aufzuzeigen. Aber es ist eben ein bisschen problematisch in diesen Zeiten. Wenn der Bund 24 Millionen für die Renovierung von St. Michael bereitstellt, wird er nicht nochmal zwei Millionen fürs weit unscheinbarere Kesselhaus am Fuß des Michelsberg bereitstellen. Aber das sind Dinge, die man abwarten kann. Uns rennt ja die Zeit nicht davon, da wir in den nächsten fünf Jahren im Kesselhaus eine Menge machen können machen können, um ihm Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Glauben Sie, dass in diesen fünf Jahren schon Entscheidungen fallen, wie und ob das Kesselhaus umgebaut werden könnte?
Ulrich Kahle: (lacht) Schwierig, aber warum nicht? Ich sehe, abgesehen von den Finanzen, keine Gründe, warum das nicht möglich sein sollte.
Deutet sich bereits an, was nach Ablauf der fünf Jahre mit dem Kesselhaus passieren könnte?
Ulrich Kahle: Wir sind zuversichtlich, dann weiter zu sein und uns um die nächste Vertragsverlängerung zu bemühen. Denn wir sehen gemeinsam mit vielen Mitstreitern realistischerweise keinen anderen Standort, der die räumlichen Qualitäten des Kesselhauses bietet und eine bessere Lage hat.
Jürgen Schabel
Fotoausstellung “Mono no aware”
In seiner Ausstellung “Mono no aware” (noch bis 10. April im Kunstverein Kohlenhof in Nürnberg) zeigt der Bamberger Fotograf Jürgen Schabel Aufnahmen von zwei aufgegebenen und dem Verfall überlassenen Orten in Japan: Das Hachijo Royal Hotel liegt auf einer Insel südlich von Tokio und steht seit 2006 leer. Die Präfektur Fukushima, nördlich von Tokio gelegen, wurde im März 2011 nach einer Reaktorexplosion evakuiert. Die entstandenen Fotografien vermitteln eine Atmosphäre unwirklicher Stille und Vergänglichkeit. Eindrücke, die sich im Fall der Fotoreihe aus Fukushima für das Publikum durch die in Erinnerung gebliebenen Medien-Bilder der Atomkatastrophe noch verstärken.
Wir haben mit Jürgen Schabel über seinen Aufenthalt in der evakuierten Zone, seine Faszination am Menschenleeren und die Schönheit der Vergänglichkeit gesprochen.
Herr Schabel, was fasziniert Sie an verlassenen Orten wie die evakuierte Zone der Präfektur Fukushima und das leerstehende Gebäude des Hachijo Royal Hotels? Warum haben Sie sie als Fotomotive gewählt?
Jürgen Schabel: Im Zentrum meiner künstlerischen Arbeit stehen immer wieder Orte, die einzigartige Geschichten in sich tragen. Was führte zum Verlust der ursprünglichen Funktion, was bleibt von all den von und für Menschen geschaffenen Dingen, wie wird mit solchen Verlassenschaften umgegangen? Lassen sich daraus Erkenntnisse für die Zukunft ableiten? In letzter Konsequenz thematisieren meine Bilder die zeitliche Umdeutung von Ereignissen und Orten.
Inwiefern war für diese Wahl auch die Abwesenheit von Menschen interessant?
Jürgen Schabel: Mein Interesse gilt weniger den konkreten Orten selbst, als vielmehr den Erinnerungen und Emotionen, den Spuren von Leben, die unter der Oberfläche verborgen liegen. Es ist ein Erforschen der Resonanzräume an den Schnittstellen von Raum und Zeit, von Vergangenheit und Gegenwart. Ich öffne den Betrachter*innen ein Tor für eigene Gedanken und Empfindungen, das über die spezifische Geschichte des Ortes hinausweist.
Wie viele Fotos sind an den beiden Orten entstanden, wie viele haben es in die Ausstellung geschafft und nach welchen Gesichtspunkten haben Sie diese ausgewählt?
Jürgen Schabel: Meinen Prozess des Fotografierens würde ich als Art des Flanierens bezeichnen. Es weniger ein Suchen, als vielmehr ein Finden. Für eine neue Werkgruppe entstehen circa 150 Fotos. In einem ersten Schritt gilt es dann, aus dem Rohmaterial die eigentliche Geschichte zu destillieren, den sprichwörtlichen roten Faden zu finden.
Der Zusammenhang kann dabei formal, stilistisch oder auch farblich sein. Eine Ausstellung ist ja immer eine Komposition, die für eine Aufführung in diesen ganz bestimmten Raum geschrieben wird. Wichtig sind inhaltliche Bezüge, Rhythmus, Farbkontraste und manchmal auch eine bewusst provozierte Irritation. Die aktuelle Präsentation im Kunstverein Kohlenhof zeigt 30 großformatige Fine-Art-Prints.
Der Titel der Ausstellung lautet “Mono no aware”. Was hat es damit auf sich?
Jürgen Schabel: “Mono no aware” ist ein Begriff aus der Literatur der Heian-Zeit und wurde im 18. Jahrhundert vom Gelehrten Motoori Norinaga als Teil seiner Lehre bekannt. Er beschreibt ein zentrales Konzept japanischer Ästhetik und bedeutet wörtlich übersetzt das “Pathos der Dinge“. Im Wesentlichen geht es um das bereits im Buddhismus verankerte Bewusstsein von der Unbeständigkeit des Seins. Ein gutes Beispiel für diese Geisteshaltung ist die besondere Verehrung der Kirschblüte, die Sakura, die Schönheit und Vergänglichkeit in sich vereint. Während in unserem Kulturkreis Melancholie eher mit Depression gleichgesetzt wird und damit pathologisch konnotiert ist, wird sie in Japan als tief empfundene Emotion, als eine Mischung aus Freude, Trauer und Hinnahme erlebt.
Was wollten Sie vornehmlich darstellen? Eine Atom-Katastrophe und ihre Auswirkungen oder leere, verfallende Orte?
Jürgen Schabel: Letzten Endes berühren die Bilder existentielle Fragen der Menschheit: Klimawandel, Umweltzerstörung oder Migration. Fragen nach den Grenzen des Wachstums und der Fragilität unseres gesamtgesellschaftlichen Lebensentwurfs. Die Faszination entsteht aus einer beunruhigenden Spannung zwischen dem Schönen und dem Vergänglichen – mono no aware. Oft verweigert die Bildsprache eine inhaltliche oder geografische Belegung und schafft damit mehrdeutige und poetische Bilderrätsel. Ich bin ein Geschichtenerzähler.
Welchen Bestimmungen muss man sich unterwerfen, wenn man die Fukushima-Zone betreten will, welche Sicherheitsmaßnahmen gibt es, kann man allein unterwegs sein, wie lange durften Sie bleiben?
Jürgen Schabel: Es gibt nach wie vor streng kontrollierte Sperrzonen, die nicht betreten werden dürfen. Die Evakuierungszone ist ohne zeitliche Einschränkung oder verpflichtende Sicherheitsmaßnahmen zugänglich. Ich war alleine unterwegs und bin bei meiner zweitägigen Exkursion kaum einem Menschen begegnet. Allerdings wurde es nicht gerne gesehen, dass ein “gaijin”, eine Langnase, in der Region fotografierte – die letzte Nacht habe ich auf einer Polizeistation verbracht.
Wie waren die Abläufe Ihres Aufenthalts?
Jürgen Schabel: Die Stadt Fukushima liegt etwa 60 Kilometer westlich des Atomkraftwerks und war durch die Nuklearkatastrophe kaum betroffen.
Ich habe in einem Hotel übernachtet, mich am Morgen mit Proviant versorgt und bin in die Städte Namie, Futuba oder Tomioka aufgebrochen. Die Insel Hachijo-jima, Teil der Izu-Inseln, liegt 287 km südlich von Tokio im philippinischen Meer. Bis in die frühen 1960er Jahre war es für Japaner fast unmöglich, einen Pass für Auslandsreisen zu erhalten. 1963 eröffnete das als größtes und luxuriösestes Hotel des Landes beworbene Hachijo Royal Hotel mit einer Kombination aus französischer Barockarchitektur und traditionellen japanischen Gästezimmern. Als internationale Reisen einfacher wurden, erlebte der Tourismus auf der Insel einen starken Rückgang. Das Ressort wurde geschlossen, ein großer Teil der Inneneinrichtung zurückgelassen.
Mit welchen Gefühlen hielten Sie sich in der evakuierten Zone und im verlassenen Hotel auf?
Jürgen Schabel: Das lässt sich mit einer Mischung aus Entdeckerfreude und Abenteuergeist ganz gut beschreiben. Für außergewöhnliche Bilder muss man manchmal bereit sein, ein kalkuliertes Risiko einzugehen.
Ist es in Ihrem Sinne, dass das Publikum Ihre Fotografien aus einer wegen eines Atomunfalls evakuierten Gegend nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunkten, sondern auch mit einem gewissen boulevardesken Katastrophen-Grusel betrachten könnte?
Jürgen Schabel: So, wie es unendliche Möglichkeiten gibt, einen Moment darzustellen, so gibt es auch unendliche Möglichkeiten, eine Fotografie zu lesen. Ich öffne den Betrachter*innen einen Raum für eigene Gedanken und Empfindungen, der über die spezifische Geschichte des Ortes hinausweist. Welche Reaktionen meine Bilder auslösen, hängt von den persönlichen Erfahrungen des Einzelnen ab. Entscheidend finde ich es, dass Impulse für eine emotionale Berührung oder intellektuelle Auseinandersetzung gesetzt werden. Das beinhaltet auch die Möglichkeit eines “Gruseleffektes”, allerdings ist das nicht meine Intention.
Die Ausstellung hat seit 13. März geöffnet. Wie sehen die bisherigen Rückmeldungen des Publikums aus?
Jürgen Schabel: Der Zeitpunkt der Vernissage hätte nicht glücklicher gewählt werden können. Der Besuch von Museen und Galerien war unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen möglich und es herrschte ein großes Bedürfnis nach Kulturveranstaltungen. Die Eröffnung war sehr gut besucht. Um eine Rezeption auch unter den aktuell geltenden Beschränkungen zu ermöglichen, wurde ein virtueller Galerierundgang programmiert und ein Künstlergespräch aufgezeichnet. Um internationale Wahrnehmung sicherzustellen, wird gerade eine Kurzführung auf japanisch produziert, eine dreisprachige Dokumentation der Ausstellung ist in Arbeit.
Weitere Informationen:
Die Ausstellung “Mono no aware” läuft noch bis 10. April im Kunstverein Kohlenhof in Nürnberg
Zehn Jahre Kesselhaus
Beliebter Ausstellungsort für die Kulturszene
In diesem Jahr feiert das Kesselhaus seinen zehnten Geburtstag als Ausstellungsort, den es mit einer Open-Air-Ausstellung begeht!
Zehn Jahre ist es her, als sich im Frühjahr 2011 ein kleines Häuflein Aktivisten vom Kunstverein, dem BBK Oberfranken, dem Architekturtreff Bamberg und dem damaligen Baureferenten der Stadt, Michael Ilk, mit eigener Hände Arbeit daranmachten, den brach liegenden Industrieraum im Kesselhaus aufzuräumen. Und beinahe 40 Ausstellungen und Events beweisen seither die Richtigkeit des ehrenamtlichen Engagements für diesen Ort mit seinen 225 Quadratmetern Fläche, sieben Metern Höhe, durchgängig originalen Oberflächen und seiner zentralen Lage am Leinritt als Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche. Denn: Das „Kesselhaus“ – bis 1984 genutzte ehemalige Energiezentrale des „Alten Krankenhauses“ mit Krankenhauswäscherei und Pathologie ¬–, am westlichen „Eingangstor“ zu Altstadt und Welterbe Bambergs gelegen, birgt ein außerordentliches Potenzial als lebendiger Kulturort. Es strahlt vor allem wegen der besonderen funktionalen Architektur der frühen 60er Jahre und dem in Bamberg seltenen industriellen Charakter einen außergewöhnlichen Charme aus.
„Was mir zum Kesselhaus einfällt“
In diesem Jahr feiert das Kesselhaus nun seinen zehnten Geburtstag als Ausstellungsort. Aber wie begeht man einen runden Geburtstag in Zeiten von Corona? Ganz einfach: mit einer Open-Air-Ausstellung!
Die Idee dazu ist bereits im ersten Lockdown und dem damit erzwungenen Stillstand für die Kultur entstanden. Bamberger Künstler:innen aus den Reihen des BBK Oberfranken haben zum Plakatwettbewerb eingeladen, um das Kesselhaus materiell zu unterstützen und damit für die Zukunft als Kulturstandort zu sichern. Die Aufgabe bestand in der Gestaltung eines Plakates zum Thema „Was mir zum Kesselhaus einfällt“, das als Banner an der EG-Fassade des Kesselhauses zum Leinritt open-air ausgestellt werden soll. Ein begleitender eigener QR-Code erlaubt es allen Interessenten, sich auf der Website des Vereins einzuklinken, um Näheres zu den Entwürfen zu erfahren. Herausgekommen ist eine kunterbunte Mischung utopischer Vorstellungen, augenzwinkernde bis ernsthafte Anstöße an die Stadt Bamberg bis hin zu ziemlich konkret formulierten Vorstellungen, die seit Anfang Februar 2021 nun am vorgesehenen Ort ausgestellt sind.
Im Einzelnen findet man nun eine Idee von Gerhard Hagen, in einer Quasi-Karikatur Bamberg darauf aufmerksam zu machen, dass die Realisierung einer Kunsthalle analog zur Landung auf dem Mond eigentlich nur einen „kleinen“ Schritt darstellen würde.
Peter Schoppel hat ein Modell entworfen, das zeigt, wie ein aufgewertetes Kesselhaus aussehen könnte. Höchst realistisch visualisiert Thomas Michel einen erfolgten Umbau des Kesselhauses unter Wahrung seiner prägnanten Gestalt und entwirft sehr reizvolle Aufenthaltsqualitäten im Außenbereich. Nina Gross folgt mit einer bunten Phantasieansicht eines veritablen Ausstellungshauses, die gleichfalls Wert auf Aufenthaltsqualitäten als Anziehungspunkt für Publikum legt: der Parkplatz ist einer Wiese gewichen und das Dach des Kesselhauses begrünt. Christiane Toewe wiederum schafft einen wuchtigen Architekturkörper, um ihn dann mit kräftigen rot-weißen Bänderungen zu versehen, ähnlich dem berühmten Leuchtturm „Roter Sand“ in der Wesermündung – ein Weltkulturerbe übrigens –, um dem unschwer erkennbaren Kesselhaus einen programmatischen Leuchtturmcharakter zu verleihen. Dagmar Ohrndorf nimmt in ihrem Banner Bezug auf die Aktivitäten der Vergangenheit und hat aus Fragmenten alter Ausstellungsplakate ein neues tänzerisches Gesamtbild komponiert. Gerhard Schlötzer, neben seinen fotografischen Fähigkeiten ein leidenschaftlicher und begabter Zeichner, präsentiert den Betrachter:innen mit peniblen Bleistiftsstrichen seine leicht nachvollziehbare Vision des Kesselhauses mit aufgesetztem Dachcafè und der zu einem Kiosk umfunktionierten Trafostation an der Nordspitze des Areals inmitten einer publikumsfreundlichen Freifläche. David Grimm schließlich sieht das Kesselhaus als Funkstation, als geerdete Basis für interplanetaren Austausch, als ein Labor für Relevanz, Funktion und Verantwortung von Kunst und Kultur im 21. Jahrhundert.
Stadtwärts beenden die Open-Air-Ausstellung zwei architektenbasierte und computergrafisch aufbereitete Idealansichten eines umgebauten Kesselhauses, einmal das Innere des Sheddachbereichs als veritable Kunsthalle und zum anderen die Gesamtschau des Kesselhauses als Kunstort samt autofreiem Leinritt und Freitreppenanlage am Fluss mit zuvor ungeahnten Aufenthaltsqualitäten.
Allen ausgestellten Künstlern gemein ist ihre klar ausgedrückte Hoffnung auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Kesselhauses als Kulturort. Denn nirgends sonst findet sich in dieser Stadt ein anderer, besser geeigneter Ort als diese städtebaulich irgendwie verkannte Brache am äußersten Westende des Sandviertels – und dies nur den sprichwörtlichen Steinwurf von St. Michael entfernt!