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Ausstellung - Page 2

Albi­na Rolsing

Reso­nan­zen

Die Gale­rie AOA;87 bie­tet im Her­zen Bam­bergs eine welt­of­fe­ne Platt­form für eta­blier­te und auf­stre­ben­de zeit­ge­nös­si­sche Künst­ler. Das nächs­te High­light im Pro­gramm ist die am Don­ners­tag begin­nen­de Solo­aus­stel­lung »Reso­nan­zen«. Mit die­ser Aus­stel­lung prä­sen­tiert AOA;87 erst­mals expres­si­ve Gou­achen und Acryl­bil­der auf Lein­wand aus dem Werk­zy­klus »Per­so­na« der Bam­ber­ger Künst­le­rin Albi­na Rolsing

Seit Beginn ihres Kunst­stu­di­ums betei­lig­te sich Rol­sing an zahl­rei­chen Ein­zel- und Grup­pen­aus­stel­lun­gen und bedien­te sich unter­schied­li­cher Medi­en. Die in AOA;87 aus­ge­stell­ten Wer­ke kenn­zeich­nen sich durch eine schwung­vol­le, kei­nes­wegs ein­gren­zen­de Linie und eine auf den Kon­trast zwi­schen Rot und Blau redu­zier­te Farb­pa­let­te. Für den Werk­zy­klus schöpf­te Rol­sing Inspi­ra­tio­nen aus der Kunst Mark Roth­kos und Egon Schie­les, wei­ter­hin aus der Phi­lo­so­phie und der Psy­cho­ana­ly­se. Die Künst­le­rin ver­folgt das Ziel, bild­künst­le­risch an sich tie­fer befind­li­che Bewusst­seins­schich­ten anzu­knüp­fen und eine Ver­bin­dung mit den Betrachter*innen aufzubauen.

Die sil­hou­et­ten­haf­te Andeu­tung eines Kop­fes in »Inti­ma­cy« und die fast voll­zo­ge­ne Gestalt­wer­dung eines ›Gekreu­zig­ten‹ in »Into the unknown« sind nur zwei der star­ken Moti­ve, die sich aus dem Auf­ein­an­der­pral­len inne­rer und äuße­rer Wel­ten erge­ben. Die gewohn­ten Seh­erfah­run­gen wer­den irri­tiert, es fin­det Abs­trak­ti­on und Trans­for­ma­ti­on statt, luzi­de Trans­pa­renz lässt ana­to­mi­sche For­men und amor­phe Schich­ten her­vor­tre­ten, die ein­an­der ablö­sen und ergän­zen. Es wird ein Raum für neue Reso­nan­zen kreiert.

Die Künst­le­rin Albi­na Rol­sing begann ihr Stu­di­um der Bil­den­den Küns­te im Jahr 2013 an der Kunst­aka­de­mie Faber Cas­tell Nürn­berg. Sie ver­wob die dort gesam­mel­ten Erkennt­nis­se mit Betrach­tungs­per­spek­ti­ven aus den Kunst­se­mi­na­ren an der Frei­en Kunst­aka­de­mie in Augs­burg und in der Kunst­fa­brik Wien. Seit 2016 stellt die Künst­le­rin unter ande­rem in Wien, Udi­ne, Paris, Rom, Lon­don und Miami aus. Die Künst­le­rin lebt und arbei­tet in Wien und Bamberg.

Wei­te­re Informationen 

AOA;87

Austra­ße 14,

96047 Bam­berg

Tel.: 0951 – 30 29 40 57

https://www.aoa-87.com/

Öff­nungs­zei­ten

Mitt­woch – Frei­tag 12 – 18 Uhr

Sams­tag 10 – 16 Uhr

und nach Vereinbarung

„Reso­nan­zen“

Ver­nis­sa­ge: Don­ners­tag, 10. Juni 2021 ab 18.00 Uhr

Dau­er der Aus­stel­lung: 10. Juni bis 10. Juli 2021

Kunst­raum JETZT!

Ver­trags­ver­län­ge­rung Kesselhaus

Das Kes­sel­haus bleibt ein Ort für Kul­tur. Der Bam­ber­ger Ver­ein Kunst­raum JETZT! hat eine Nut­zungs­ver­trags­ver­län­ge­rung über wei­te­re fünf Jah­re unter­schrie­ben. Die ers­te Aus­stel­lung ist bereits ent­hüllt und beschäf­tigt sich mit der Fra­ge, wie das Kes­sel­haus aus­ge­baut wer­den könnte.

Das Kes­sel­haus kann damit für wei­te­re fünf Jah­re genutzt wer­den. Mit­te März unter­zeich­ne­te der Vor­stand die bereits vor zwei Jah­ren bean­trag­te Ver­trags-Ver­län­ge­rung mit der Stadt. Zur glei­chen Zeit eröff­ne­te Vor­stands­spre­cher Ulrich Kah­le die ers­te Aus­stel­lung im neu­en Jahr: Acht Künstler*innen haben, in Pla­kat­form, ihre Ideen zu Mög­lich­kei­ten der zukünf­ti­gen Gestal­tung des Kes­sel­hau­ses bei­getra­gen. Die teil­wei­se kon­kre­ten, teil­wei­se abs­trak­ten Ergeb­nis­se hän­gen anein­an­der­ge­reiht Rich­tung Lein­ritt an der Außen­wand der Shed­dach-Hal­le des Kes­sel­hau­ses. Die­se bis­her unge­nutz­te Hal­le möch­te der Kunst­raum JETZT! zum wei­te­ren zen­tra­len Aus­stel­lungs­ort im Kes­sel­haus umge­stal­ten. Wir haben mit Ulrich Kah­le gesprochen.

Herr Kah­le, vor zwei Wochen haben Sie den Nut­zungs­ver­trag des Kes­sel­hau­ses bis 2026 ver­län­gert. Wie haben Sie sich dabei gefühlt?

Ulrich Kah­le: Ich habe eine gewis­se Genug­tu­ung gespürt. Um Pla­nungs­si­cher­heit zu haben, hat­ten wir die Ver­trags­ver­län­ge­rung ja schon im Okto­ber 2019 bean­tragt. Da es seit­dem aber kei­ne ent­spre­chen­den Schrit­te gab, haben wir von Aus­stel­lung zu Aus­stel­lung, also in gewis­ser Wei­se von der Hand in Mund gelebt. Aber jetzt haben wir wie­der Pla­nungs­luft für ein gutes Stück Zukunft.


Gab es Momen­te, in denen Sie nicht mehr an die­se Ver­län­ge­rung geglaubt haben?

Ulrich Kah­le: Nee, denn die Hoff­nung stirbt zuletzt. Aber es gab und gibt Stim­men oder Lager in die­ser Stadt, die die­se Ver­trags­ver­län­ge­rung nicht so ger­ne sehen. Auf der ande­ren Sei­te hat der Ober­bür­ger­meis­ter sich über den Ver­trag und die Pla­kat­aus­stel­lung echt posi­tiv geäußert.


Ande­re kul­tu­rel­le Akteu­re, wie FRANZ KAf­kA, konn­ten sich mit der Stadt nicht eini­gen. Trübt das die Freu­de über den Vertrag?

Ulrich Kah­le: Ich inter­pre­tie­re die Vor­gän­ge zwi­schen FRANZ KAf­kA und der Stadt nicht. Aber wenn KAf­kA wie­der etwas im Kes­sel­haus machen wol­len, wer­den wir die Letz­ten sein, nein zu sagen. Wir sind für Koope­ra­tio­nen offen. So tritt etwa im Mai das Thea­ter im Gärt­ner­vier­tel im Kes­sel­haus auf.

Wel­che Ver­trags-Bedin­gun­gen muss der Ver­ein Kunst­raum JETZT! erfüllen?

Ulrich Kah­le: Der Ver­trag sieht eigent­lich nur vor, dass nicht mehr als 99 Per­so­nen auf ein­mal im Kes­sel­haus sind. Das hat aus­schließ­lich bau­recht­li­che Grün­de. Aus­nah­me-Geneh­mi­gun­gen für mehr Publi­kum wur­den uns aber münd­lich zuge­si­chert. Ansons­ten gibt es kei­ne Vor­ga­ben. Wie wir das Kes­sel­haus nut­zen, ist unse­re Sache.


Was hat sich die Stadt ver­pflich­tet zu liefern?

Ulrich Kah­le: Sei­tens der Stadt gibt es kei­ne wei­te­ren Zusi­che­run­gen. Das ist leicht erklär­bar: Coro­na macht die Stadt­kas­sen leer und wie­weit sich die Kas­se durch ande­re Aktio­nen selbst geleert hat, stel­le ich dahin – das mögen ande­re klä­ren. Kul­tur ist seit jeher eine frei­wil­li­ge Leis­tung, die Geld kos­tet und bei der man am ehes­ten strei­chen kann. 


Was soll das Kes­sel­haus in den kom­men­den fünf Jah­ren sein?

Ulrich Kah­le: Wir möch­ten die Ent­wick­lung wei­ter­trei­ben, die wir schon immer vor­hat­ten: Wir wol­len das Kes­sel­haus als Kul­tur­ort ver­fes­ti­gen und ver­ste­ti­gen. Es gibt kei­nen mit die­sem still­ge­leg­ten Indus­trie­bau­kör­per ver­gleich­ba­ren alter­na­ti­ven Gegen­warts-Kunst-Raum in Bam­berg. Dar­an wol­len wir fest­hal­ten. Das Kes­sel­haus wei­ter zu betrei­ben, ist unser vor­ding­li­ches Ziel. Und lang­fris­tig wol­len wir die Eig­nung des Kes­sel­hau­ses durch Umbau­maß­nah­men ver­bes­sern, mehr Raum schaf­fen für ver­schie­dens­te Ver­an­stal­tun­gen neben der Kunst – Musik, Thea­ter, Diskussionsplattformen.


Die Pla­kat­aus­stel­lung zu Gestal­tungs­va­ri­an­ten des Kes­sel­hau­ses ist ein ers­tes neu­es Aus­stel­lungs­for­mat und mar­kiert außer­dem zehn Jah­re Aus­stel­lungs­be­trieb im Kes­sel­haus. Wie hät­te die Jubi­lä­ums­aus­stel­lung ohne Coro­na ausgesehen?

Ulrich Kah­le: Wir hät­ten bestimmt zunächst ein Fest gemacht. Mög­li­cher­wei­se wäre dann viel­leicht auch so eine Aus­stel­lung zustan­de gekom­men. Jetzt, in der Pan­de­mie­si­tua­ti­on, war es aber ein bewuss­tes Ziel, den ein­ge­la­de­nen Künst­lern ein Hono­rar in der Pan­de­mie­durst­stre­cke ver­schaf­fen zu kön­nen, was wir dann mit dem The­ma der Kes­sel­haus­aspek­te kur­zer­hand ver­bin­den konnten.


Die Aus­stel­lung zeigt Zukunfts­ideen des Kes­sel­hau­ses. Wel­che Vor­ga­ben haben Sie für die Pla­kat­ge­stal­tung gemacht? Umsetz­bar­keit scheint kein Kri­te­ri­um gewe­sen zu sein.

Ulrich Kah­le: Die ein­zi­ge Vor­ga­be war: „Was fällt euch zur Zukunft des Kes­sel­hau­ses ein?“ Mehr nicht.


Auch Ihr Ver­ein hat zwei Pla­ka­te bei­gesteu­ert. Die­se wer­den in der Zukunfts­ge­stal­tung des Kes­sel­haus konkreter.

Ulrich Kah­le: Ja, das ist ein Fin­ger­zeig, wo es mit dem Kes­sel­haus hin­ge­hen könn­te – so rea­lis­tisch wie mög­lich visua­li­siert, um den Leu­ten klar­zu­ma­chen, wel­ches Poten­zi­al in die­sem Gebäu­de steckt. Der Ide­al­ent­wurf ist der Umbau der Shed­hal­le zu einer Kunsthalle.


Ist in die­sen Ent­wür­fen die mög­li­che Reak­ti­on der Stadt – mach­bar oder zu teu­er – schon miteingerechnet?

Ulrich Kah­le: Nein, so weit sind wir noch nicht gekom­men. Wobei die Stadt bis­lang eigent­lich nicht bereit war, dazu etwas zu sagen. Aber wir ver­su­chen schon unser Mög­lichs­tes, rea­lis­ti­sche Wege auf­zu­zei­gen. Aber es ist eben ein biss­chen pro­ble­ma­tisch in die­sen Zei­ten. Wenn der Bund 24 Mil­lio­nen für die Reno­vie­rung von St. Micha­el bereit­stellt, wird er nicht noch­mal zwei Mil­lio­nen fürs weit unschein­ba­re­re Kes­sel­haus am Fuß des Michels­berg bereit­stel­len. Aber das sind Din­ge, die man abwar­ten kann. Uns rennt ja die Zeit nicht davon, da wir in den nächs­ten fünf Jah­ren im Kes­sel­haus eine Men­ge machen kön­nen machen kön­nen, um ihm Auf­merk­sam­keit zu verschaffen.


Glau­ben Sie, dass in die­sen fünf Jah­ren schon Ent­schei­dun­gen fal­len, wie und ob das Kes­sel­haus umge­baut wer­den könnte?

Ulrich Kah­le: (lacht) Schwie­rig, aber war­um nicht? Ich sehe, abge­se­hen von den Finan­zen, kei­ne Grün­de, war­um das nicht mög­lich sein sollte.


Deu­tet sich bereits an, was nach Ablauf der fünf Jah­re mit dem Kes­sel­haus pas­sie­ren könnte?

Ulrich Kah­le: Wir sind zuver­sicht­lich, dann wei­ter zu sein und uns um die nächs­te Ver­trags­ver­län­ge­rung zu bemü­hen. Denn wir sehen gemein­sam mit vie­len Mit­strei­tern rea­lis­ti­scher­wei­se kei­nen ande­ren Stand­ort, der die räum­li­chen Qua­li­tä­ten des Kes­sel­hau­ses bie­tet und eine bes­se­re Lage hat.

Jür­gen Schabel

Foto­aus­stel­lung “Mono no aware”

In sei­ner Aus­stel­lung “Mono no awa­re” (noch bis 10. April im Kunst­ver­ein Koh­len­hof in Nürn­berg) zeigt der Bam­ber­ger Foto­graf Jür­gen Scha­bel Auf­nah­men von zwei auf­ge­ge­be­nen und dem Ver­fall über­las­se­nen Orten in Japan: Das Hachi­jo Roy­al Hotel liegt auf einer Insel süd­lich von Tokio und steht seit 2006 leer. Die Prä­fek­tur Fuku­shi­ma, nörd­lich von Tokio gele­gen, wur­de im März 2011 nach einer Reak­tor­ex­plo­si­on eva­ku­iert. Die ent­stan­de­nen Foto­gra­fien ver­mit­teln eine Atmo­sphä­re unwirk­li­cher Stil­le und Ver­gäng­lich­keit. Ein­drü­cke, die sich im Fall der Fotorei­he aus Fuku­shi­ma für das Publi­kum durch die in Erin­ne­rung geblie­be­nen Medi­en-Bil­der der Atom­ka­ta­stro­phe noch verstärken.

Wir haben mit Jür­gen Scha­bel über sei­nen Auf­ent­halt in der eva­ku­ier­ten Zone, sei­ne Fas­zi­na­ti­on am Men­schen­lee­ren und die Schön­heit der Ver­gäng­lich­keit gesprochen.


Herr Scha­bel, was fas­zi­niert Sie an ver­las­se­nen Orten wie die eva­ku­ier­te Zone der Prä­fek­tur Fuku­shi­ma und das leer­ste­hen­de Gebäu­de des Hachi­jo Roy­al Hotels? War­um haben Sie sie als Foto­mo­ti­ve gewählt?

Jür­gen Scha­bel: Im Zen­trum mei­ner künst­le­ri­schen Arbeit ste­hen immer wie­der Orte, die ein­zig­ar­ti­ge Geschich­ten in sich tra­gen. Was führ­te zum Ver­lust der ursprüng­li­chen Funk­ti­on, was bleibt von all den von und für Men­schen geschaf­fe­nen Din­gen, wie wird mit sol­chen Ver­las­sen­schaf­ten umge­gan­gen? Las­sen sich dar­aus Erkennt­nis­se für die Zukunft ablei­ten? In letz­ter Kon­se­quenz the­ma­ti­sie­ren mei­ne Bil­der die zeit­li­che Umdeu­tung von Ereig­nis­sen und Orten.


Inwie­fern war für die­se Wahl auch die Abwe­sen­heit von Men­schen interessant?

Jür­gen Scha­bel: Mein Inter­es­se gilt weni­ger den kon­kre­ten Orten selbst, als viel­mehr den Erin­ne­run­gen und Emo­tio­nen, den Spu­ren von Leben, die unter der Ober­flä­che ver­bor­gen lie­gen. Es ist ein Erfor­schen der Reso­nanz­räu­me an den Schnitt­stel­len von Raum und Zeit, von Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart. Ich öff­ne den Betrachter*innen ein Tor für eige­ne Gedan­ken und Emp­fin­dun­gen, das über die spe­zi­fi­sche Geschich­te des Ortes hinausweist.


Wie vie­le Fotos sind an den bei­den Orten ent­stan­den, wie vie­le haben es in die Aus­stel­lung geschafft und nach wel­chen Gesichts­punk­ten haben Sie die­se ausgewählt?

Jür­gen Scha­bel: Mei­nen Pro­zess des Foto­gra­fie­rens wür­de ich als Art des Fla­nie­rens bezeich­nen. Es weni­ger ein Suchen, als viel­mehr ein Fin­den. Für eine neue Werk­grup­pe ent­ste­hen cir­ca 150 Fotos. In einem ers­ten Schritt gilt es dann, aus dem Roh­ma­te­ri­al die eigent­li­che Geschich­te zu destil­lie­ren, den sprich­wört­li­chen roten Faden zu finden.

Der Zusam­men­hang kann dabei for­mal, sti­lis­tisch oder auch farb­lich sein. Eine Aus­stel­lung ist ja immer eine Kom­po­si­ti­on, die für eine Auf­füh­rung in die­sen ganz bestimm­ten Raum geschrie­ben wird. Wich­tig sind inhalt­li­che Bezü­ge, Rhyth­mus, Farb­kon­tras­te und manch­mal auch eine bewusst pro­vo­zier­te Irri­ta­ti­on. Die aktu­el­le Prä­sen­ta­ti­on im Kunst­ver­ein Koh­len­hof zeigt 30 groß­for­ma­ti­ge Fine-Art-Prints.

Jür­gen Scha­bel. Foto: Privat

Der Titel der Aus­stel­lung lau­tet “Mono no awa­re”. Was hat es damit auf sich?

Jür­gen Scha­bel: “Mono no awa­re” ist ein Begriff aus der Lite­ra­tur der Hei­an-Zeit und wur­de im 18. Jahr­hun­dert vom Gelehr­ten Moto­o­ri Nori­na­ga als Teil sei­ner Leh­re bekannt. Er beschreibt ein zen­tra­les Kon­zept japa­ni­scher Ästhe­tik und bedeu­tet wört­lich über­setzt das “Pathos der Din­ge“. Im Wesent­li­chen geht es um das bereits im Bud­dhis­mus ver­an­ker­te Bewusst­sein von der Unbe­stän­dig­keit des Seins. Ein gutes Bei­spiel für die­se Geis­tes­hal­tung ist die beson­de­re Ver­eh­rung der Kirsch­blü­te, die Saku­ra, die Schön­heit und Ver­gäng­lich­keit in sich ver­eint. Wäh­rend in unse­rem Kul­tur­kreis Melan­cho­lie eher mit Depres­si­on gleich­ge­setzt wird und damit patho­lo­gisch kon­no­tiert ist, wird sie in Japan als tief emp­fun­de­ne Emo­ti­on, als eine Mischung aus Freu­de, Trau­er und Hin­nah­me erlebt.


Was woll­ten Sie vor­nehm­lich dar­stel­len? Eine Atom-Kata­stro­phe und ihre Aus­wir­kun­gen oder lee­re, ver­fal­len­de Orte?

Jür­gen Scha­bel: Letz­ten Endes berüh­ren die Bil­der exis­ten­ti­el­le Fra­gen der Mensch­heit: Kli­ma­wan­del, Umwelt­zer­stö­rung oder Migra­ti­on. Fra­gen nach den Gren­zen des Wachs­tums und der Fra­gi­li­tät unse­res gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Lebens­ent­wurfs. Die Fas­zi­na­ti­on ent­steht aus einer beun­ru­hi­gen­den Span­nung zwi­schen dem Schönen und dem Vergänglichen – mono no awa­re. Oft ver­wei­gert die Bild­spra­che eine inhalt­li­che oder geo­gra­fi­sche Bele­gung und schafft damit mehr­deu­ti­ge und poe­ti­sche Bilderrätsel. Ich bin ein Geschichtenerzähler.


Wel­chen Bestim­mun­gen muss man sich unter­wer­fen, wenn man die Fuku­shi­ma-Zone betre­ten will, wel­che Sicher­heits­maß­nah­men gibt es, kann man allein unter­wegs sein, wie lan­ge durf­ten Sie bleiben?

Jür­gen Scha­bel: Es gibt nach wie vor streng kon­trol­lier­te Sperr­zo­nen, die nicht betre­ten wer­den dür­fen. Die Eva­ku­ie­rungs­zo­ne ist ohne zeit­li­che Ein­schrän­kung oder ver­pflich­ten­de Sicher­heits­maß­nah­men zugäng­lich. Ich war allei­ne unter­wegs und bin bei mei­ner zwei­tä­gi­gen Exkur­si­on kaum einem Men­schen begeg­net. Aller­dings wur­de es nicht ger­ne gese­hen, dass ein “gai­jin”, eine Lang­na­se, in der Regi­on foto­gra­fier­te – die letz­te Nacht habe ich auf einer Poli­zei­sta­ti­on verbracht.


Wie waren die Abläu­fe Ihres Aufenthalts?

Jür­gen Scha­bel: Die Stadt Fuku­shi­ma liegt etwa 60 Kilo­me­ter west­lich des Atom­kraft­werks und war durch die Nukle­ar­ka­ta­stro­phe kaum betroffen.

Ich habe in einem Hotel über­nach­tet, mich am Mor­gen mit Pro­vi­ant ver­sorgt und bin in die Städ­te Namie, Futu­ba oder Tomio­ka auf­ge­bro­chen. Die Insel Hachi­jo-jima, Teil der Izu-Inseln, liegt 287 km süd­lich von Tokio im phil­ip­pi­ni­schen Meer. Bis in die frü­hen 1960er Jah­re war es für Japa­ner fast unmög­lich, einen Pass für Aus­lands­rei­sen zu erhal­ten. 1963 eröff­ne­te das als größ­tes und luxu­riö­ses­tes Hotel des Lan­des bewor­be­ne Hachi­jo Roy­al Hotel mit einer Kom­bi­na­ti­on aus fran­zö­si­scher Barock­ar­chi­tek­tur und tra­di­tio­nel­len japa­ni­schen Gäs­te­zim­mern. Als inter­na­tio­na­le Rei­sen ein­fa­cher wur­den, erleb­te der Tou­ris­mus auf der Insel einen star­ken Rück­gang. Das Res­sort wur­de geschlos­sen, ein gro­ßer Teil der Innen­ein­rich­tung zurückgelassen.

Eine Schu­le in der Prä­fek­tur Fuku­shi­ma. Foto: Jür­gen Schabel

Mit wel­chen Gefüh­len hiel­ten Sie sich in der eva­ku­ier­ten Zone und im ver­las­se­nen Hotel auf?

Jür­gen Scha­bel: Das lässt sich mit einer Mischung aus Ent­de­cker­freu­de und Aben­teu­er­geist ganz gut beschrei­ben. Für außer­ge­wöhn­li­che Bil­der muss man manch­mal bereit sein, ein kal­ku­lier­tes Risi­ko einzugehen.


Ist es in Ihrem Sin­ne, dass das Publi­kum Ihre Foto­gra­fien aus einer wegen eines Atom­un­falls eva­ku­ier­ten Gegend nicht nur unter ästhe­ti­schen Gesichts­punk­ten, son­dern auch mit einem gewis­sen bou­le­var­desken Kata­stro­phen-Gru­sel betrach­ten könnte?

Jür­gen Scha­bel: So, wie es unend­li­che Mög­lich­kei­ten gibt, einen Moment dar­zu­stel­len, so gibt es auch unend­li­che Mög­lich­kei­ten, eine Foto­gra­fie zu lesen. Ich öff­ne den Betrachter*innen einen Raum für eige­ne Gedan­ken und Emp­fin­dun­gen, der über die spe­zi­fi­sche Geschich­te des Ortes hin­aus­weist. Wel­che Reak­tio­nen mei­ne Bil­der aus­lö­sen, hängt von den per­sön­li­chen Erfah­run­gen des Ein­zel­nen ab. Ent­schei­dend fin­de ich es, dass Impul­se für eine emo­tio­na­le Berüh­rung oder intel­lek­tu­el­le Aus­ein­an­der­set­zung gesetzt wer­den. Das beinhal­tet auch die Mög­lich­keit eines “Gru­sel­ef­fek­tes”, aller­dings ist das nicht mei­ne Intention.


Die Aus­stel­lung hat seit 13. März geöff­net. Wie sehen die bis­he­ri­gen Rück­mel­dun­gen des Publi­kums aus?

Jür­gen Scha­bel: Der Zeit­punkt der Ver­nis­sa­ge hät­te nicht glück­li­cher gewählt wer­den kön­nen. Der Besuch von Muse­en und Gale­rien war unter Ein­hal­tung von Hygie­ne­maß­nah­men mög­lich und es herrsch­te ein gro­ßes Bedürf­nis nach Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen. Die Eröff­nung war sehr gut besucht. Um eine Rezep­ti­on auch unter den aktu­ell gel­ten­den Beschrän­kun­gen zu ermög­li­chen, wur­de ein vir­tu­el­ler Gale­rierund­gang pro­gram­miert und ein Künst­ler­ge­spräch auf­ge­zeich­net. Um inter­na­tio­na­le Wahr­neh­mung sicher­zu­stel­len, wird gera­de eine Kurz­füh­rung auf japa­nisch pro­du­ziert, eine drei­spra­chi­ge Doku­men­ta­ti­on der Aus­stel­lung ist in Arbeit.


Wei­te­re Informationen:

Die Aus­stel­lung “Mono no awa­re” läuft noch bis 10. April im Kunst­ver­ein Koh­len­hof in Nürnberg

http://www.kunstvereinkohlenhof.de/

Zehn Jah­re Kesselhaus

Belieb­ter Aus­stel­lungs­ort für die Kulturszene

In die­sem Jahr fei­ert das Kes­sel­haus sei­nen zehn­ten Geburts­tag als Aus­stel­lungs­ort, den es mit einer Open-Air-Aus­stel­lung begeht!

Zehn Jah­re ist es her, als sich im Früh­jahr 2011 ein klei­nes Häuf­lein Akti­vis­ten vom Kunst­ver­ein, dem BBK Ober­fran­ken, dem Archi­tek­tur­treff Bam­berg und dem dama­li­gen Bau­re­fe­ren­ten der Stadt, Micha­el Ilk, mit eige­ner Hän­de Arbeit dar­an­mach­ten, den brach lie­gen­den Indus­trie­raum im Kes­sel­haus auf­zu­räu­men. Und bei­na­he 40 Aus­stel­lun­gen und Events bewei­sen seit­her die Rich­tig­keit des ehren­amt­li­chen Enga­ge­ments für die­sen Ort mit sei­nen 225 Qua­drat­me­tern Flä­che, sie­ben Metern Höhe, durch­gän­gig ori­gi­na­len Ober­flä­chen und sei­ner zen­tra­len Lage am Lein­ritt als Aus­stel­lungs- und Ver­an­stal­tungs­flä­che. Denn: Das „Kes­sel­haus“ – bis 1984 genutz­te ehe­ma­li­ge Ener­gie­zen­tra­le des „Alten Kran­ken­hau­ses“ mit Kran­ken­haus­wä­sche­rei und Patho­lo­gie ¬–, am west­li­chen „Ein­gangs­tor“ zu Alt­stadt und Welt­erbe Bam­bergs gele­gen, birgt ein außer­or­dent­li­ches Poten­zi­al als leben­di­ger Kul­tur­ort. Es strahlt vor allem wegen der beson­de­ren funk­tio­na­len Archi­tek­tur der frü­hen 60er Jah­re und dem in Bam­berg sel­te­nen indus­tri­el­len Cha­rak­ter einen außer­ge­wöhn­li­chen Charme aus.


„Was mir zum Kes­sel­haus einfällt“

In die­sem Jahr fei­ert das Kes­sel­haus nun sei­nen zehn­ten Geburts­tag als Aus­stel­lungs­ort. Aber wie begeht man einen run­den Geburts­tag in Zei­ten von Coro­na? Ganz ein­fach: mit einer Open-Air-Ausstellung!

Die Idee dazu ist bereits im ers­ten Lock­down und dem damit erzwun­ge­nen Still­stand für die Kul­tur ent­stan­den. Bam­ber­ger Künstler:innen aus den Rei­hen des BBK Ober­fran­ken haben zum Pla­kat­wett­be­werb ein­ge­la­den, um das Kes­sel­haus mate­ri­ell zu unter­stüt­zen und damit für die Zukunft als Kul­tur­stand­ort zu sichern. Die Auf­ga­be bestand in der Gestal­tung eines Pla­ka­tes zum The­ma „Was mir zum Kes­sel­haus ein­fällt“, das als Ban­ner an der EG-Fas­sa­de des Kes­sel­hau­ses zum Lein­ritt open-air aus­ge­stellt wer­den soll. Ein beglei­ten­der eige­ner QR-Code erlaubt es allen Inter­es­sen­ten, sich auf der Web­site des Ver­eins ein­zu­klin­ken, um Nähe­res zu den Ent­wür­fen zu erfah­ren. Her­aus­ge­kom­men ist eine kun­ter­bun­te Mischung uto­pi­scher Vor­stel­lun­gen, augen­zwin­kern­de bis ernst­haf­te Anstö­ße an die Stadt Bam­berg bis hin zu ziem­lich kon­kret for­mu­lier­ten Vor­stel­lun­gen, die seit Anfang Febru­ar 2021 nun am vor­ge­se­he­nen Ort aus­ge­stellt sind.

Im Ein­zel­nen fin­det man nun eine Idee von Ger­hard Hagen, in einer Qua­si-Kari­ka­tur Bam­berg dar­auf auf­merk­sam zu machen, dass die Rea­li­sie­rung einer Kunst­hal­le ana­log zur Lan­dung auf dem Mond eigent­lich nur einen „klei­nen“ Schritt dar­stel­len würde.

Peter Schop­pel hat ein Modell ent­wor­fen, das zeigt, wie ein auf­ge­wer­te­tes Kes­sel­haus aus­se­hen könn­te. Höchst rea­lis­tisch visua­li­siert Tho­mas Michel einen erfolg­ten Umbau des Kes­sel­hau­ses unter Wah­rung sei­ner prä­gnan­ten Gestalt und ent­wirft sehr reiz­vol­le Auf­ent­halts­qua­li­tä­ten im Außen­be­reich. Nina Gross folgt mit einer bun­ten Phan­ta­sie­an­sicht eines veri­ta­blen Aus­stel­lungs­hau­ses, die gleich­falls Wert auf Auf­ent­halts­qua­li­tä­ten als Anzie­hungs­punkt für Publi­kum legt: der Park­platz ist einer Wie­se gewi­chen und das Dach des Kes­sel­hau­ses begrünt. Chris­tia­ne Toe­we wie­der­um schafft einen wuch­ti­gen Archi­tek­tur­kör­per, um ihn dann mit kräf­ti­gen rot-wei­ßen Bän­de­run­gen zu ver­se­hen, ähn­lich dem berühm­ten Leucht­turm „Roter Sand“ in der Weser­mün­dung – ein Welt­kul­tur­er­be übri­gens –, um dem unschwer erkenn­ba­ren Kes­sel­haus einen pro­gram­ma­ti­schen Leucht­turm­cha­rak­ter zu ver­lei­hen. Dag­mar Ohrn­dorf nimmt in ihrem Ban­ner Bezug auf die Akti­vi­tä­ten der Ver­gan­gen­heit und hat aus Frag­men­ten alter Aus­stel­lungs­pla­ka­te ein neu­es tän­ze­ri­sches Gesamt­bild kom­po­niert. Ger­hard Schlöt­zer, neben sei­nen foto­gra­fi­schen Fähig­kei­ten ein lei­den­schaft­li­cher und begab­ter Zeich­ner, prä­sen­tiert den Betrachter:innen mit peni­blen Blei­stifts­stri­chen sei­ne leicht nach­voll­zieh­ba­re Visi­on des Kes­sel­hau­ses mit auf­ge­setz­tem Dach­cafè und der zu einem Kiosk umfunk­tio­nier­ten Tra­fo­sta­ti­on an der Nord­spit­ze des Are­als inmit­ten einer publi­kums­freund­li­chen Frei­flä­che. David Grimm schließ­lich sieht das Kes­sel­haus als Funk­sta­ti­on, als geer­de­te Basis für inter­pla­ne­ta­ren Aus­tausch, als ein Labor für Rele­vanz, Funk­ti­on und Ver­ant­wor­tung von Kunst und Kul­tur im 21. Jahrhundert.

Stadt­wärts been­den die Open-Air-Aus­stel­lung zwei archi­tek­ten­ba­sier­te und com­pu­ter­gra­fisch auf­be­rei­te­te Ide­al­an­sich­ten eines umge­bau­ten Kes­sel­hau­ses, ein­mal das Inne­re des Shed­dach­be­reichs als veri­ta­ble Kunst­hal­le und zum ande­ren die Gesamt­schau des Kes­sel­hau­ses als Kunst­ort samt auto­frei­em Lein­ritt und Frei­trep­pen­an­la­ge am Fluss mit zuvor unge­ahn­ten Aufenthaltsqualitäten.

Allen aus­ge­stell­ten Künst­lern gemein ist ihre klar aus­ge­drück­te Hoff­nung auf eine kon­ti­nu­ier­li­che Wei­ter­ent­wick­lung des Kes­sel­hau­ses als Kul­tur­ort. Denn nir­gends sonst fin­det sich in die­ser Stadt ein ande­rer, bes­ser geeig­ne­ter Ort als die­se städ­te­bau­lich irgend­wie ver­kann­te Bra­che am äußers­ten Wes­t­en­de des Sand­vier­tels – und dies nur den sprich­wört­li­chen Stein­wurf von St. Micha­el entfernt!