Bei der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober werden viele Menschen mit Behinderung noch immer auf Hindernisse treffen, die ihnen die Ausübung der Wahl erschweren. Bei Blinden und Sehbehinderten wird laut VdK Bayern sogar das Grundrecht der geheimen Wahl verletzt.
Wenn Markus Ertl aus Lenggries am 8. Oktober zur Landtagswahl geht, braucht er eine Vertrauensperson. Diese begleitet ihn nicht nur zum Wahllokal, sondern auch bei der Abstimmung selbst. Denn Ertl selbst kann die Kreuze nicht machen, da es für ihn als blinden Wähler kein Hilfsmittel gibt, das eine selbstständige Wahl ermöglicht. Damit sei bei ihm und anderen Blinden und Sehbehinderten, wie der Sozialverband VdK Bayern am Mittwoch (30. August) in einer Mitteilung angab, das Grundrecht der geheimen Wahl verletzt. Etwa bei Bundestags- oder Europawahlen gebe es Schablonen, die Blinde und Sehbehinderte nutzen können, um die Kreuze an der gewünschten Stelle zu machen.
Ausnahme Mittelfranken
Bei der bayerischen Landtagswahl gab es diese Möglichkeit bisher nicht, da nach Behördenangaben die Wahlzettel dafür zu groß wären. Nur ein Bezirk wird am 8. Oktober eine Art Modellversuch unternehmen. So soll es in Mittelfranken erstmals möglich sein, mit einer Schablone zu wählen.
Für den Oberbayern Markus Ertl bleibe aber die Enttäuschung, dass er nicht allein abstimmen kann, so die VdK Bayern. Und auch andere könnten nicht ohne Einschränkungen zur Wahl gehen. Gemeinsam mit der Ortswahlleitung hat Ertl alle sieben Wahllokale in Lenggries inspiziert. Vor diesem Termin waren alle als barrierefrei ausgegeben worden. „Vier davon sind es definitiv nicht“, sagte Markus Ertl nach der Begehung. So war der Zugang zum Teil nur über Stufen oder eine zu steile Rampe möglich. Außerdem behinderte mehrmals Kopfsteinpflaster den Weg. Die Gemeinde reagierte auf die Kritik und verlegte ein Wahllokal in ein Nachbargebäude, das für jeden zugänglich ist.
Bayern bleibt hinter anderen Bundesländern zurück
Jan Gerspach, Leiter des Ressorts „Leben mit Behinderung“ beim VdK Bayern, kann die Einschränkungen bei der Landtagswahl trotzdem nicht nachvollziehen. „Sozialministerin Ulrike Scharf hatte im Januar angekündigt, dass die Wahllokale zur Landtagswahl barrierefrei sein sollen und die Wahlunterlagen für alle verständlich formuliert werden“, sagte er. „Wenn man jetzt aber hört, dass beispielsweise nur in Mittelfranken testweise Wahlschablonen für blinde Menschen zur Verfügung stehen oder einige Wahllokale immer noch nicht stufenlos erreichbar sind, müssen wir feststellen, dass wir von barrierefreien Wahlen noch weit entfernt sind.“
Menschen mit Behinderung sollten ohne Unterstützung wählen können und nicht auf die Briefwahl vertröstet werden, sagt Gerspach. „Die UN-Behindertenrechtskonvention schreibt in Artikel 29 vor, dass die Wahlen für alle Menschen geeignet und zugänglich sein müssen. Die Konvention gilt in Deutschland bereits seit 2009 und noch immer haben wir dieses Ziel in Bayern nicht erreicht.“ Der Freistaat bleibe damit auch beim Thema barrierefreies Wählen hinter anderen Bundesländern zurück, in denen Schablonen für Blinde und Sehbehinderte schon längst Standard sind.