Boban Andjelkovic ist seit April Stipendiat der Villa Concordia. Der Münchner Maler hatte sich für seine Zeit in der Stadt vor allem Entschleunigung und Kontemplation vorgenommen. Wir haben ihn in seinem Atelier besucht und nachgefragt, wie das bisher klappt.
Im Ebracher Hof am Unteren Kaulberg unterhält die Villa Concordia ein ganzes Gebäude voller Wohnungen und Ateliers für ihre Stipendiatinnen und Stipendiaten. Derzeit und noch bis März 2024 wohnen und arbeiten dort Teile des aktuellen deutsch-ukrainischen Jahrgangs des Künstlerhauses.
Einer davon ist Boban Andjelkovic. Der 1975 im serbischen Prokuplje geborene Maler lebt in München, wo er von 1998 bis 2005 an der Akademie der Bildenden Künste studierte. 2014 erhielt er für seine Gemälde den Bayerischen Kunstförderpreis.
In seinem Bamberger Arbeitsraum im vierten Stock des Ebracher Hofs haben wir ihn besucht. Darin herrscht ein tolles Chaos: Farbtuben, Farbkleckse, Pinsel und Lappen, die eine oder andere Weinflasche, Papier und eine erstaunliche Menge an Wegwerfhandschuhen (als Schutz beim Malen) bestimmen das Bild des Bodens. Gemälde und Zeichnungen – in verschiedenen Stadien der Fertigstellung – stehen, lehnen oder hängen ringsum an den Wänden.
Im April trat Boban Andjelkovic in der Villa Concordia sein Stipendium an. Eine tolle Möglichkeit, sagte er damals, einmal an einem Ort länger zu arbeiten und zu entschleunigen. „Denn durch Langsamkeit können viele Gedanken entstehen.“ Dann serviert er erst einmal Krapfen und Kaffee.
Arbeiten ohne Nebengeräusche
Diese Langsamkeit, die Bamberg ihm bietet, scheint es Boban Andjelkovic richtig angetan zu haben. „Bamberg ist ein guter Kontrast zu München, weil ich hier weniger Ablenkung habe“, sagt er. „Hier kann ich mich sehr gut auf meine Arbeit konzentrieren und habe auch den Raum und die Zeit, meine Gedanken laufen zu lassen und richtig einzutauchen in meine Arbeit.“
Das eine oder andere moderne Museum vermisse er zwar hin und wieder in der Stadt oder ein bisschen mehr kulturellen Austausch außerhalb der Villa Concordia. Aber mehr Zeit bedeutet eben auch mehr Zeit im Atelier – und ein stressfreieres Leben. „Wir haben Stipendiaten, die sehr früh aufstehen, so um sechs Uhr. Ich gehöre nicht dazu. Ich stehe gegen neun oder halb zehn auf, frühstücke, öffne die Balkontür und schaue, was für den Tag anliegt. Dabei fange ich im Kopf auch schon an zu arbeiten. Das Tolle dabei: Man hat erstmal überhaupt keine Verpflichtungen. Das ist für einen Künstler nicht die schlechteste Ausgangsposition.“
Das monatliche Geld sorgt dafür, dass zusätzlich gewisse Sorgen wegfallen. Der professionelle Umgang, ein wirkliches Pro-Künstler-Sein, das er der Villa Concordia bescheinigt, tut sein Übriges. „Man hat Raum und Zeit, sich ganz seiner Arbeit zu widmen – ohne Nebengeräusche.“ Ewig könne er so nicht arbeiten, „aber im Moment tut mir das absolut gut. Und wenn ich Sehnsucht nach Austausch habe, kann ich mich mit den anderen Stipendiaten unterhalten oder einfach nach München pendeln.“
Blaue Mauritius und Champagner
Diese Langsamkeit, oder Uneingespanntheit, spricht zudem den inneren Boban Andjelkovic an. Denjenigen, der in Bamberg seinen Stil weiterentwickeln will. Seit einiger Zeit hat sich Andjelkovic mit seinen Ölgemälden und Zeichnungen der expressionistischen Stilrichtung des Kubismus verschrieben. Dieser kam etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf und zeichnet sich vor allem durch eine geometrisch oder würfelhaft (daher der Name) anmutende Abstraktion oder Aufspaltung von zum Beispiel architektonischen oder figürlichen Formen aus. Oft sehen kubistische Gemälde wie ineinander übergehende Einzelbilder aus.
Die Absicht dabei war, die Vorstellung zu verabschieden, Gemälde könnten Realität nachahmen, und zu zeigen, dass sie Realität höchstens darstellen können. Die Form, das Wie, trat also in den Vordergrund, der Inhalt, das Was, verlor an Wichtigkeit.
„Was mir am Kubismus sehr gefällt, und vor allem an kubistischen Gesichtern, ist, dass das Gehirn des Betrachters die abgebildeten Formen erst zu einem Gesicht zusammeninterpretieren muss“, sagt Boban Andjelkovic in seinem Atelier und zeigt auf ein aktuelles Gemälde namens „Blaue Mauritius und Champagner“. Darin sieht man menschliche Formen wie ein Auge oder einen Mund und eine Zunge (mit Briefmarke darauf), dazu eine Art blaues Hemd und etwas Mützenartiges, auf dem „Champagner“ steht. Diese Teile zu einem Gesicht samt Kopfbedeckung und Bekleidung zu verbinden, bedarf einiger Momente des Betrachtens – solch ein Gemälde herzustellen, macht für Andjelkovic unterdessen eine gewisse Improvisation nötig.
„Ich male nie mit einer Absicht, wie es am Ende aussehen soll. Ich fange an, reagiere auf das Gemalte und mache von da aus weiter. Oft weiß ich selbst nicht, wohin es geht mit einem Gemälde, was mein Kopf daraus macht, wie er es interpretiert.“ Ein bisschen wie ein Jazzmusiker komme er sich manchmal vor, auch wenn er kein Instrument spielt. „Es ist vorher ein kleiner Plan oder eine Grundstruktur da, aber ich verlasse sie, je weiter ich vorankomme. In diesem Interpretieren kann man vorher nie wissen, wie es letztlich aussieht oder abläuft. Es kann immer etwas Neues passieren.“
Dieses Vorgehen möchte er in Bamberg noch intensivieren. Noch mehr auf die Form will sich Andjelkovic konzentrieren, noch mehr darauf, analytisch Formen aufzuspalten, um von da aus weiterzumachen. „Ich habe viel Zeit zum Nachdenken und Ruhe zum Ausprobieren. Seit etwa einem Jahr hat sich meine Arbeit in diese Richtung entwickelt: kubistische Köpfe und Porträts. Seit ich in Bamberg bin, sind solche Motive aber häufiger geworden und mein Malen freier.“
Aber irgendeinen bestimmten Reiz und eine Absicht muss es doch gehabt haben, die Briefmarke, die Mütze und ein Gesicht zu malen. „Die Mauritius fand ich lustig, weil sie in meiner Kindheit als ein unglaubliches Luxusding galt, das aber total in Vergessenheit geraten ist. Kein Mensch sammelt mehr Briefmarken. Das wollte ich hervorbringen. Die Champagner-Mütze ist eine eigene und das blaue Hemd ein Blaumann. So einen trage ich immer beim Malen. Das Gemälde könnte also ein Selbstporträt sein.“
Die Frage allerdings nach der Aussage des Gemäldes stellt sich bei Andjelkovic nicht. Sie ginge an seinem Ansatz vorbei. „Ich glaube, wenn ich anfangen würde bewusst zu malen, dann kommt es nicht authentisch raus, dann ist es eine Story, die ich erzähle. Ich will mehr im Moment sein.“
Die Langsamkeit wieder – sie scheint zu funktionieren. „Ja“, sagt Andjelkovic, „man macht langsam oder hört vielleicht auch nur mehr auf seinen Körper und seine innere Taktung. Ich folge immer sehr meinen Impulsen und innerem Takt.“
Einmal Weltall und zurück
Ein weiteres Produkt dieser Herangehensweise ist das Gemälde „Porträt in Streifen“. Ein Absuchen der Bilddetails und Zusammenfügen des Gefundenen deuten darauf hin, dass es sich auch hierbei um ein Porträt handelt. Augen, ein Mund, ein Pferdeschwanz – in diesem Fall handelt es sich um das Porträt einer Frau, beziehungsweise eines seiner Ehefrau.
Als er das Gemälde zur weiteren Betrachtung an die Wand hängt und es so direkt neben „Blaue Mauritius und Champagner“ positioniert, fällt ein ein weiteres Detail auf. Beim Frauenporträt fehlt im Unterschied zum Briefmarkenwerk, das rechts oben unterschrieben ist, die Signatur des Künstlers. „Wenn man ein Bild malt“, sagt Boban Andjelkovic und tunkt den Rest seines Krapfen in den Kaffebecher, „und ein Detail zum Beispiel übermalt, um es an anderer Stelle auf der Leinwand neu einzubringen, verschiebt und ändert sich manchmal alles im Bild.“
Eine Arbeit müsse aber immer einen Moment haben, in dem die Balance zwischen all ihren Details stimmt. Und so ein Detail kann eben auch eine Signatur abgeben. Die Jazz-Analogie passt auch hier gut: Ein geänderter Ton – und die Tonart kann auf einmal eine andere sein. „Manchmal habe ich Probleme damit, meine Signatur zu platzieren. Ist ein Bild ausbalanciert, könnte sie alles zum Kippen bringen.“ Bei „Porträt in Streifen“ war es sogar so, dass sich Andjelkovic nicht anders zu helfen wusste, als seine Unterschrift auf die Rückseite der Leinwand zu setzen.
Auf jeden Fall sind im Laufe seines Stipendium-Aufenthalts in Bamberg bisher vier Gemälde und mehrere Papierarbeiten entstanden. Zu sehen sind sie zusammen mit älteren Arbeiten noch bis 26. November in der Villa Concordia in der Ausstellung „Einmal Weltall und zurück“. Ein Titel, der, wie könnte es anders sein, einen Bamberg-Bezug hat. „Wenn ich hier bin, bin ich irgendwie schwerelos, aber dann kommt die Erdanziehung wieder und es geht zurück.“