Der Wirtschaftsstandort Oberfranken ist laut den wirtschaftlichen Interessenvertretungen vbw und IHK in Gefahr. Die Unternehmen der Region stünden nicht nur vor konjunkturellen,
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Corona- und demografiebedingt rückläufige Ausbildungszahlen
2020 kein gutes Jahr für ausbildungsbereite Unternehmen
Knapp 3.000 Ausbildungsplätze waren zu Beginn des Ausbildungsjahres 2020/2021 noch unbesetzt, wie die IHK für Oberfranken Bayreuth mitteilt. Die Zahl der Neueintragungen fiel bei der IHK spürbar von 4.212 auf 3.375. „2020 war kein gutes Jahr für ausbildungsbereite Unternehmen”, resümiert deren Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner.
„Noch nie gab es einen ähnlichen Einbruch bei den Ausbildungszahlen wie 2020”, so Frau Hohenner. Dies liege einerseits an der demografischen Entwicklung, andererseits aber vor allem an den Auswirkungen der Corona-Pandemie. „Corona brachte nahezu alle Maßnahmen zur Berufsorientierung zum Erliegen. Auch die wichtige Bewerbungsphase im Frühjahr hatte darunter gelitten. Ausbildungsmessen, Schnupperpraktika und Bewerbungsgespräche konnten nicht in gewohnter Form stattfinden”, erläutert Bernd Rehorz, IHK-Bereichsleiter Berufliche Bildung.
Kaum Unterschiede bei den Schulformen
Beide appellierten an die Unternehmen, sich von der hohen Zahl der unbesetzten Lehrstellen im abgelaufenen Jahr nicht abschrecken zu lassen und auch 2021 wieder Lehrstellen auszuschreiben. Hohenner: „Ausbildung ist schließlich eine Investition in die nahe Zukunft, vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass die ersten der geburtenstarken Jahrgänge bereits jetzt in den Ruhestand gehen.”
Zwischen den verschiedenen Schulformen gab es gegenüber 2019 keinen großen Unterschied: Bei Schülern mit mittlerer Reife sowie fachgebundener und allgemeiner Hochschulreife betrug der Rückgang gegenüber 2019 jeweils rund 20 Prozent, bei Schülern mit einem Mittelschulabschluss rund 16 Prozent.
Größer fielen die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen aus. Während der Rückgang bei den Neueintragungen im Landkreis Kulmbach um 10,8 Prozent zurückging, verzeichneten die Landkreise Lichtenfels und Wunsiedel einen Rückgang von 25,7 Prozent bzw. 24,2 Prozent.
46.708 Auszubildende sind 2020 in bayerischen Betrieben aus Industrie, Handel und Dienstleistungen ins Berufsleben gestartet, 11.8 Prozent weniger als im Vorjahr. Im Einzugsgebiet der IHK für Oberfranken Bayreuth betrug der Rückgang 19,9 Prozent.
IHK rechnet auch für 2021 mit mehr Ausbildungsplätzen als Bewerbern
Die IHK für Oberfranken Bayreuth rechnet für 2021 coronabedingt mit einem rückläufigen Lehrstellenangebot seitens der Unternehmen. Die Zahl der angebotenen Lehrstellen werde aber auch 2021 wieder die Zahl der Lehrstellensuchenden übertreffen. „Umso wichtiger ist es, in der Berufsorientierung alle Register zu ziehen”, so Hohenner. „Kreative Ideen müssen umgesetzt, neue Wege gegangen werden.”
Click and Collect
Bewegungsspielraum für den Einzelhandel
Anfang Januar hat die bayerische Staatsregierung, nachdem sie ihn bis 2020 noch verboten hatte, die Einführung des Bestelldiensts Click and Collect erlaubt. Sowohl Handelsverband als auch IHK begrüßen diese Entscheidung, auch wenn pandemiebdingte Umsatzausfälle damit nur notdürftig wettgemacht werden könnten.
Um den aufgrund derzeitiger sozialer Beschränkungen wirtschaftlich geschwächten Einzelhandel zu stärken, hat die bayerische Staatsregierung Anfang Januar die stationäre Bestellvariante Click and Collect erlaubt. Dabei können Kundinnen und Kunden bei Geschäften online eine Bestellung aufgeben und die bestellte Ware im jeweiligen, ansonsten geschlossenen Geschäft abholen. So sollen die Möglichkeiten des Onlinehandels genutzt werden, aber nicht wie sonst unter weitgehendem Ausschluss des örtlichen Einzelhandels, sondern zu dessen Nutzen und Profit.
„Der Einzelhandel, auch der oberfränkische”, sagt Thomas Zapf, stellvertretender Leiter der Standortpolitik der IHK Bayreuth, „unterliegt seit Corona-Beginn einer schweren wirtschaftlichen Prüfung. Aber auch schon vor der Krise sah sich der Handel sehr starker Konkurrenz durch Neuerungen im E‑Commerce ausgesetzt. Der Online-Handel nimmt immer weiter zu – die Situation war auch schon vor der Pandemie angespannt.” Die Entscheidung, Click and Collect einzuführen, habe man entsprechend postiv aufgenommen. Zusammen mit dem bayerischen Handelsverband setzte sich die IHK in den zurückliegenden Monaten bei zuständigen politischen Stellen für die Zulassung von Click and Collect unter Sicherheitsaspekten ein.
Auch Annemarie Rudel, Kreisvorsitzende des Bezirks Oberfranken des Handelsverbands und selbst Lebensmittel-Einzelhändlerin, freut sich über die Entscheidung. „Es geht bei Click and Collect darum, die heimische Wirtschaft zu stärken und vor allem kleine Einzelhändler vor Ort zu retten.”
Im Angesicht von in den letzten Jahren immer stärker zunehmender Verkaufszahlen im Online-Handel sieht sich der Einzelhandel der Gefahr ausgesetzt, von globalen Händlern wirtschaftlich noch mehr abgehängt zu werden. „Wenn derzeit schon ein großer Teil des Handels online unternommen wird”, sagt Frau Rudel, „sollte ein Teil davon örtlichen Händlern zugutekommen. Und das ist es ja, worum es bei Click and Collect geht: Vor Ort bestelle ich, vor Ort hole ich ab.” Ihr Appell an Bürgerinnen und Bürger fällt entsprechend aus: „Ich hoffe, die Leute nehmen den Click and Collect-Abholdienst in Anspruch. Sie unterstützen damit den Einzelhandel.”
Thomas Zapf von der IHK empfiehlt Händlern ebenfalls, die Zeichen der Zeit zu erkennen und mehr auf E‑Commerce zu setzen: „Wir befinden uns in einem substantiellen Wechsel, der vergleichbar ist mit der Zeit als das Automobil die Pferdekutsche abgelöst hat. Und es hat sich auf Seiten des Handels auch durchaus schon rumgesprochen, dass es ohne Online-Angebot heute schwer wird.”
Tropfen auf den heißen Stein?
Allerdings machen IHK und Handelsverband auch klar, dass Click and Collect wirtschaftlich angeschlagenen Einzelhändlern nicht allein aus ihrer Notlage helfen kann. Annemarie Rudel sagt: „Click and Collect könnte sich als Tropfen auf den heißen Stein herausstellen, aber man soll in diesen Zeiten nichts unversucht lassen, Umsatz zu generieren. Dass man mit solchen Maßnahmen nicht den großen Gewinn einfahren wird, muss aber einleuchten. Ich denke jedoch, laufende Kosten lassen sich damit decken.”
Thomas Zapf bewertet den Abholdienst zwar als ein Stück mehr Freiheit für den Handel, mahnt aber auch an, dass er regulären Umsatz in keinster Weise ersetzen könne. „Ich rechne damit, dass der Dienst etwa zehn Prozent des Umsatzausfalls kompensieren kann und somit nur ein kleiner Baustein von vielen ist. Ein Baustein, der ergänzt werden muss durch das schnelle Fließen staatlicher finanzieller Hilfen. Aber“, fügt er an, „wenn man im Schlechten auch etwas Gutes sehen will: Die Händler, die bisher noch kein Click and Collect oder andere E‑Commerce-Angebote betrieben haben, finden jetzt vielleicht den Einstieg in die Materie und können ihre Online-Angebote nach der Krise noch ausbauen.”
IHK bietet Online-Seminare an
„Haus der kleinen Forscher” auch digital
Im Rahmen der Initiative „Haus der kleinen Forscher” bietet die IHK für Oberfranken Bayreuth auch Online-Seminare an, wie die IHK mitteilt. Sie schafft damit ein Zusatzangebot für interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer, bis Präsenzveranstaltungen wieder möglich sind. Das „Haus der kleinen Forscher” will Kinder im Vorschulalter für Naturwissenschaften und Technik begeistern und qualifiziert dafür pädagogisches Personal.
Für das Jahr 2021 hatte die IHK für Oberfranken Bayreuth im Rahmen der Initiative „Haus der kleinen Forscher” mehr als 20 Workshop-Termine an den Standorten Bayreuth, Bamberg und Hof geplant. Aufgrund der aktuellen Beschränkungen können diese vorerst nicht stattfinden. Um die Zeit dennoch produktiv nutzen zu können, läuft aktuell ein Online-Seminar zum Thema „Forscherdialoge gestalten”. Aufgrund der positiven Resonanz soll in den kommenden Wochen ein weiteres Online-Seminar zum Thema „Freiräume” folgen.
Qualifizierter Fachkräftenachwuchs
Gemeinsam mit ihren Netzwerkpartnern vor Ort bietet die Stiftung „Haus der kleinen Forscher” ein Bildungsprogramm an, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei unterstützt, Kinder im Kita- und Grundschulalter qualifiziert beim Entdecken, Forschen und Lernen zu begleiten. „Forschen und Entdecken funktioniert aber nur, wenn man Dinge tatsächlich greifen und dadurch auch begreifen kann” erläutert Christa Stelter, Trainerin für das „Haus der kleinen Forscher” in Oberfranken. „Nicht alle Workshop-Themen lassen sich auch online abbilden.” Daher würden nun gezielt Themen identifiziert, die für Online-Workshops geeignet seien, um ein qualifiziertes Zusatzangebot zu schaffen.
„Eine Investition in den Fachkräftenachwuchs ist eine Investition in die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts. Daran ändert auch die Pandemie nichts”, so Bernd Rehorz, Leiter Berufliche Bildung bei der IHK für Oberfranken Bayreuth. Die IHK engagiert sich daher seit vielen Jahren als Netzwerkpartner der Stiftung „Haus der kleinen Forscher”. Rehorz: „Wir möchten einen aktiven Beitrag zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses in Oberfranken leisten.”
Zum „Haus der kleinen Forscher”
Die gemeinnützige Stiftung „Haus der kleinen Forscher” engagiert sich für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Ziel ist, Mädchen und Jungen stark für die Zukunft zu machen und zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Das „Haus der kleinen Forscher” verbessert Bildungschancen, fördert Interesse im MINT-Bereich und professionalisiert dafür pädagogisches Personal. Partner der Stiftung sind die Helmholtz-Gemeinschaft, die Siemens Stiftung, die Dietmar Hopp Stiftung und die Deutsche Telekom Stiftung. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Weitere Informationen unter: https://www.haus-der-kleinen-forscher.de/
Ernüchterung in oberfränkischen Unternehmen
Oberfränkische Wirtschaft schreibt schnelle konjunkturelle Erholung ab
Ernüchterung macht sich breit in den oberfränkischen Unternehmen. Nach dem Lockdown im Frühjahr letzten Jahres und der darauffolgenden Besserung über den Sommer und Frühherbst schwindet seit November zunehmend die Zuversicht auf ein verhältnismäßig normales Geschäftsjahr 2021, wie die IHK für Oberfranken mitteilt.
„Die erhoffte schnelle konjunkturelle Erholung ist derzeit nicht in Sicht”, so Sonja Weigand, Präsidentin der IHK für Oberfranken Bayreuth. In der Konjunkturumfrage der IHK für Oberfranken Bayreuth zum Jahreswechsel berichten viele Unternehmerinnen und Unternehmer von einer rückläufigen Geschäftslage. Auch die Erwartungen für die anstehenden Monate können die Stimmung der Wirtschaft nicht heben. Die zweite Corona-Welle hat die Erholung vorerst beendet. IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner: „Branchenübergreifend sind viele Unternehmen zum Nichtstun verdammt oder verzeichnen wegen der Corona-Beschränkungen hohe Umsatzeinbußen. Die Stimmung bei unseren Unternehmerinnen und Unternehmern ist deshalb ernüchternd.” Der Konjunkturklimaindex für den Kammerbezirk notiert zehn Zähler unter dem Wert vom Herbst 2020 und liegt nun bei 91 Punkten.
Negative Geschäftslage
Mit einem Minus von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat die deutsche Wirtschaft das Jahr 2020 abgeschlossen. Ein großer Rückgang, der aber glücklicherweise nicht das Ausmaß erreichte, das viele Institute noch Mitte des vergangenen Jahres prognostiziert hatten. Der Schwung aus dem Sommer und Frühherbst ist jedoch zum Jahresbeginn 2021 nahezu vollends abgeebbt und die harten Einschnitte zur Bekämpfung der Corona-Pandemie drücken spürbar auf die Geschäftslage der oberfränkischen Wirtschaft. Nur noch 28 Prozent der befragten Betriebe berichten von einer guten geschäftlichen Situation, 37 Prozent schätzen ihre Geschäftslage negativ ein.
Tourismus und Einzelhandel erheblich unter Druck
Je nach Branche stellt sich die Lage sehr unterschiedlich dar, mit zum Teil extremen Ergebnissen in einzelnen Wirtschaftszweigen. Allen Branchen gemein ist der rückläufige Trend bei der Beurteilung der Geschäftslage. Kein Sektor stuft die Lage besser ein, als noch in der Herbstumfrage.
“Land unter” vermeldet der Tourismussektor, in dem nahezu alle befragten Betriebe eine schlechte Geschäftslage zu Protokoll geben, gefolgt vom Einzelhandel mit fast 40 Prozent Negativbewertungen. Im Saldo leicht pessimistisch gestimmt sind das verarbeitende Gewerbe, das verstärkt Impulse aus dem Ausland registriert, und der Großhandel. Das Baugewerbe und der Dienstleistungssektor können hingegen ihre positive Grundstimmung mit ins neue Jahr nehmen.
Erhebliche Einbrüche
Zu massiv wirken sich wegbrechende Aufträge, Stornierungen, Betriebsuntersagungen, aber auch unterbrochene Lieferketten und Absatzwege auf die Geschäftstätigkeit aus. 58 Prozent aller befragten Firmen müssen das Jahr 2020 mit einem geringeren Umsatz als im Vorjahr abschließen. Einen Rückgang, der mehr als 25 Prozent des Vorjahresumsatzes beträgt, vermelden gar ein Viertel aller Befragten. Demgegenüber konnten 22 Prozent ihre Umsätze konstant halten und ein Fünftel der teilgenommenen Unternehmerinnen und Unternehmer berichten über Umsatzzuwächse. Hohenner: „Der Durchhaltewille in der Wirtschaft weicht zunehmend einer tiefen Frustration.”
Sand im Getriebe bei den Unterstützungsmaßnahmen
Wichtig für den Wirtschaftsstandort Oberfranken ist, dass die zugesagten Fördermittel zügig und in vollem Umfang fließen, so dass die Zahl coronabedingter Insolvenzen möglichst niedrig bleibt. „Leider ist derzeit die Divergenz zwischen öffentlich verkündeten finanziellen Hilfen auf der einen Seite und den tatsächlich in den Betrieben ankommenden Mitteln auf der anderen Seite zum Teil erheblich”, wie Weigand betont. So entsteht nach den öffentlichen Ankündigungen der Eindruck, dass besonders betroffene Branchen hohe Geldbeträge schnell überwiesen bekommen. Weigand: „Tatsächlich kommt aber häufig nur der vielzitierte Tropfen auf den heißen Stein beim jeweiligen Betrieb an. Die Gründe hierfür sind häufig vielschichtig, müssen aber seitens der Politik zeitnah gelöst werden.” Hohenner ergänzt: „Ich wünsche mir hier mehr Augenmaß bei der Umsetzung.”
Erwartungen verharren auf niedrigem Niveau
Die Stimmung mit Blick auf die kommenden Monate verschlechterte sich bei den Unternehmen teilweise massiv. Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Pandemie und die Wirksamkeit der Maßnahmen zu deren Bekämpfung sind die Hauptursache. Insgesamt rechnen 29 Prozent der befragten Firmen aus dem Kammerbezirk mit einer Verschlechterung der eigenen Geschäftslage, auf Besserung hoffen 21 Prozent. „Zurückzuführen ist dies hauptsächlich auf die schwachen Impulse aus dem Inland”, erläutert Hohenner. “Aber auch auf dem internationalen Parkett kalkulieren die Unternehmen mit sinkenden Auftragsmengen. Am ehesten wird noch dem nordamerikanischen Markt zugetraut, Impulse zu setzen.“
Dieser Prognose folgend muss in den kommenden Monaten auch mit sinkenden Beschäftigtenzahlen in Oberfranken gerechnet werden. Besonders stark betroffen sind der Tourismussektor, sowie der Groß- und Einzelhandel. Einzige Ausnahme ist das Baugewerbe, das seine Beschäftigtenzahl aufstocken will.
Oberfränkische Industrie will investieren
Auch wenn der konjunkturelle Motor derzeit kräftig ins Stottern geraten ist, hoffen viele Unternehmen auf eine baldige Normalität, wie ein Blick auf die Investitionsabsichten zeigt. Industrie und Baugewerbe wollen ihre Investitionen steigern. Dies macht auch Hoffnung auf einen zügigen Neustart nach der Pandemie.