Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam zu unterrichten, ist Ziel eines inklusiven Schulsystems. Eine Studie hat nun jedoch gezeigt: Das Konzept der
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Studie
Inklusion kann auf Kosten sozialer Integration gehen
Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam zu unterrichten, ist Ziel eines inklusiven Schulsystems. Eine Studie hat nun jedoch gezeigt: Das Konzept der Schwerpunktschulen kann sich negativ auf das soziale Miteinander der Kinder auswirken.
Kurz vor dem heutigen „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ haben Marcel Helbig und Sebastian Steinmetz, Forscher am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg und am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), eine Studie zu Inklusion und sozialer Integration veröffentlicht. Darin sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das Schulkonzept der Schwerpunktschulen zu Lasten des sozialen Miteinanders auswirkt.
Die Daten ihrer Studie haben Helbig und Steinmetz in in Rheinland-Pfalz erhoben. Dort wird, statt ein breites inklusives Angebote zu machen, bei Inklusion fast ausschließlich auf Schwerpunktschulen gesetzt.
Rheinland-Pfalz setzt als einziges Bundesland bei der Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf fast ausschließlich auf Schwerpunktschulen. Die Mehrheit der Bundesländer hat sich dagegen für eine flächendeckende Inklusion entschieden. In einigen Ländern wie Berlin, Hamburg oder Brandenburg gibt es Mischsysteme aus flächendeckender Inklusion und Schwerpunktschulen.
Der Anteil von Kindern aus einkommensschwachen Familien ist an den inklusiven Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz seit 2012 überdurchschnittlich gewachsen. Vor allem in den Städten hat sich damit das Problem der sozialen Trennung im Grundschulwesen verschärft.
Die Studie weist nun mit Daten der amtlichen Schulstatistik nach, dass das Konzept der inklusiven Schwerpunktschule auf Kosten der sozialen Integration geht. Das liegt zum einen in der Entstehung dieser Schulen begründet. So wurden in Rheinland-Pfalz die sozial schwächeren Grundschulen als Standorte für Schwerpunktschulen ausgewählt. Dabei handelt es sich um Schulen, die bereits vor ihrer Umwandlung einen hohen Anteil von Kindern aus einkommensschwachen Familien hatten. So lag der Anteil von Kindern mit Lernmittelbefreiung an Schwerpunktschulen sechs Prozentpunkte höher als an Nicht-Schwerpunktschulen.
Inklusiver Unterricht an allen Schulen als Ziel
Seit 2012 hat sich die Armutsquote an den Schwerpunktschulen zum Teil überdurchschnittlich erhöht. Dies gilt vor allem für die städtischen Räume, wo sich der Unterschied beim Anteil armer Kinder zwischen Schwerpunktschulen und Nicht-Schwerpunktschulen auf 12 Prozentpunkte verdoppelte. Dies trifft in besonderem Maße in Nachbarschaften zu, in denen es weitere Grundschulen gibt.
„Wir vermuten” sagt Marcel Helbig, „dass vor allem Eltern aus der Mittelschicht die Schwerpunktschulen meiden und ihre Kinder auf andere Grundschulen in Wohnortnähe schicken.” Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz müssen daher doppelte Integrationsarbeit leisten, eine pädagogische und eine soziale. „Das geht zu Lasten der Chancengerechtigkeit, verstärkt soziale Trennung und zeigt, dass halbherzige Inklusion nicht-beabsichtigte soziale Folgen haben kann.“
Zusammen mit Sebastian Steinmetz plädiert der Autor der Studie für die Überwindung der Schwerpunktschulen zugunsten eines inklusiven Unterrichts an allen Schulen. Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 wäre Deutschland ohnehin verpflichtet, Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam zu unterrichten. Die Konvention sieht vor, dass inklusiver Unterricht in möglichst wohnortnahen Schulen angeboten wird. Schwerpunktschulen konterkarieren dieses Recht aber und verhindern einen systematischen Wandel hin zu einem inklusiven Schulsystem, da nur bestimmte Standorte diesen pädagogischen Auftrag übernehmen.
Rheinland-Pfalz ist neben Bayern und Baden-Württemberg Schlusslicht bei der Umsetzung schulischer Inklusion, wie eine im September 2021 erschienene WZB-Studie gezeigt hat.
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Selbstlernkurse
Was die Menschen zum Online-Lernen motiviert
In einer Kooperation zwischen dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg und der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb) soll der Frage nachgegangen werden, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer motiviert, sich mit den Kursen der Plattform OPEN vhb weiterzubilden und wie sich die Lernmotivation im Laufe der Kursbearbeitung entwickelt.
Ob aus privatem Interesse oder für die berufliche Weiterentwicklung: Das eigenständige Lernen mit Hilfe von Videos oder anderen digitalen Lernmaterialien ist nicht erst seit der Corona-Pandemie beliebt. Mit der Überzeugung „Wissen ist die beste Antwort“ macht die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb) über ihre Plattform OPEN vhb Hochschulwissen in Form von Selbstlernkursen bereits seit Juli 2019 frei zugänglich.
Die Kooperationspartner sind gespannt auf das Feedback der Nutzenden, das in die Fortentwicklung der OPEN vhb-Kurse einfließen wird.
OPEN vhb-Kurse sind offene Online-Kurse der bayerischen Hochschulen, die über eine gemeinsame Plattform für alle Interessierten kostenfrei nutzbar sind. Die Kurse sind grundsätzlich nicht für die Anrechnung auf ein Hochschulstudium konzipiert, sondern für das selbstmotivierte, lebenslange Lernen. Derzeit umfasst das Angebot von OPEN vhb fast 90 Kurse aus zehn Wissensgebieten – vom Grundkurs Philosophie über Unternehmensführung und Medieninformatik bis hin zu den Grundlagen der Zellbiologie. Alle Kurse sind als Selbstlerneinheiten konzipiert. Das bedeutet, die Lernenden bestimmen selbst über ihr Lerntempo, sind nicht an feste Zeiten gebunden, müssen sich aber auch selbst zum Lernen über längere Zeiträume motivieren.
Motivationsverläufe verstehen
Hier setzt die Untersuchung des LIfBi an. Die dort beheimatete Forschungsgruppe „Bildung in einer digitalen Welt“ will wissen: Wie verändert sich die Motivation im Lauf der Zeit? Welche Faktoren haben einen Einfluss auf ihre Aufrechterhaltung? Wie unterscheiden sich Lernende, die ihre Motivation aufrechterhalten, von Lernenden, deren Motivation im Laufe der Zeit absinkt? Und gibt es kritische Zeitpunkte, zu denen es wahrscheinlich ist, dass Lernende die Motivation verlieren und von einem Kurs abspringen?
Um diese Fragen zu beantworten, sind ab sofort einige Kurse der OPEN vhb mit Fragebögen verknüpft. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden zu Beginn, in der Mitte und kurz vor dem Ende eines Kurses gebeten, freiwillig bei einer kurzen Online-Befragung mitzumachen.
Positive Lernerlebnisse schaffen
Ein Kursanbieter der OPEN vhb ist Jörg Wolstein, Professor für Pathopsychologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Sein „Stressmanagement“ ist einer der Kurse, in denen die Fragebögen platziert sind. „Die Erkenntnisse, die wir aus der Befragung ziehen können, sind auch für uns als Kurskonzipierende sehr hilfreich. Wenn wir wissen, wie sich die Motivation im Kursverlauf verändert, können wir schon bei der Konzeption oder der Überarbeitung von Kursen Elemente einbauen, um unsere Teilnehmenden für die weitere Kursbearbeitung zu motivieren und damit zu einem positiven Lernerlebnis beitragen.“
Forschungslücken schließen
Mit den gewonnenen Daten möchten die Forschenden des LIfBi die aktuell bestehende Forschungslücke zu Motivationsverläufen im Rahmen non-formaler, digitaler Lerngelegenheiten verringern. „Wir und alle Projektbeteiligen hoffen, dass möglichst viele Kursteilnehmende sich die Zeit nehmen, die Fragebögen zu beantworten und uns so bei der Beantwortung unserer Forschungsfrage unterstützen“, so Maria Klose von der LIfBi-Forschungsgruppe. Der Zeitaufwand dafür beträgt jeweils rund zehn Minuten. Die Teilnahme ist selbstverständlich freiwillig und ein Rückschluss auf personenbezogene Daten ist bei der Weiterverarbeitung und Auswertung der Antworten nicht möglich.
Der Kurseinstieg bei der OPEN vhb ist jederzeit und kostenfrei möglich. Eine Übersicht über alle Kursangebote und die Möglichkeit zur Registrierung finden sich auf https://open.vhb.org. Für die Registrierung sind nur Vorname, Nachname und eine E‑Mail-Adresse erforderlich.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudien ReGES und BildungswegeFlucht oder das Inklusionsprojekt INSIDE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und ‑projekte profitieren.
Über die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb)
Die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb) als Verbundeinrichtung von 32 Hochschulen in Bayern verfolgt seit ihrer Gründung im Jahr 2000 den Gedanken des Teilens und Vernetzens von digitaler Lehre. Sie fördert und unterstützt die Entwicklung digitaler Kurse und Lehreinheiten und setzt sich für den Austausch und die hochschulübergreifende Nutzung in Bayern ein. Sämtliche Online-Lehrangebote werden von Professorinnen und Professoren der Trägerhochschulen entwickelt.
Mit OPEN vhb haben seit 2019 alle interessierten Personen die Möglichkeit, sich Hochschulwissen anzueignen und einen Blick in das virtuelle Schaufenster der Hochschullehre in Bayern zu werfen. Die Einschreibung an einer Hochschule oder eine Studienberechtigung sind nicht erforderlich. Das thematisch breitgefächerte Angebot bietet derzeit rund 90 Kurse und wird fortlaufend ausgebaut.
Für die hochschulübergreifende Nutzung in Bayern stehen den Studierenden der Trägerhochschulen rund 580 CLASSIC vhb-Kurse kostenfrei zur Verfügung, in denen ECTS-Punkte für das Studium erworben werden können sowie rund 1.300 Learning SMART vhb-Einheiten mit einer Bearbeitungszeit von ca. 45 Minuten, die von Lehrenden und Studierenden flexibel in Blended Learning-Formate integriert werden können.
Inklusionsstudie INSIDE
Kinder mit Förderbedarf konnten im Lockdown schlechter lernen
Inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen haben während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 ungünstigere Lernbedingungen erlebt als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne solche besonderen Bedarfe, wie aus einer der Auswertung einer Befragung von fast 2.000 Kindern der Klassenstufen 7 und 8 hervorgeht.
Die Befragung wurde als Teil der schulbezogenen Inklusionsstudie INSIDE durchgeführt, die unter anderem am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) beheimatet ist. Es zeigte sich, dass gleichzeitig die Kinder, unabhängig von Förderbedarfen, die Zeit der Schulschließung sehr unterschiedlich wahrgenommen haben.
Die Bedingungen für das Lernen zuhause während der ersten Schulschließung waren für Schülerinnen und Schüler von ganz unterschiedlichen Voraussetzungen geprägt. Inzwischen herrscht Einigkeit darüber, dass sich bestehende Benachteiligungen durch die Schulschließungen weiter verschärft haben. Eine Gruppe ist dabei besonders betroffen, jedoch weitgehend aus dem Blickfeld geraten: Zur Situation von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarfen liegen bislang nur wenig empirische Befunde vor. Diese Lücke will das Projekt INSIDE (Inklusion in und nach der Sekundarstufe) verringern. Die Forscherinnen Dr. Cornelia Gresch von der Humboldt-Universität zu Berlin und Dr. Monja Schmitt vom LIfBi in Bamberg gehen in einer aktuellen Auswertung der Frage nach, welche Unterschiede es während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 beim Lernen und Wohlbefinden zwischen Schulkindern mit und ohne Förderbedarfe gab. Die Daten dafür liefern Selbsteinschätzungen von 1.939 Kindern, die im Rahmen der regulären Erhebungen der Langzeitstudie INSIDE im Herbst 2020 erfragt wurden. 13 Prozent dieser Kinder hatten sonderpädagogische Förderbedarfe.
Präsenzunterricht ermöglicht Teilhabe
Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen weisen zu Hause häufig eher ungünstige Lernvoraussetzungen auf. Für sie ist das Fehlen von Präsenzunterricht besonders folgenreich, denn die Teilhabe an Bildungsangeboten wird ihnen dadurch erschwert. Dazu kommt, dass das Lernen zuhause sich stark von den individualisierten Unterrichtsformaten unterscheidet, die diese Gruppe gewohnt ist: Sie benötigt mehr Motivation, mehr Begleitung und Aufmerksamkeit durch die Lehrkraft und umso mehr das Gefühl, in einer Gemeinschaft zu lernen – Faktoren, die beim Lernen zuhause im Frühjahr 2020 weitgehend weggefallen sind.
Kinder mit Förderbedarf lernten weniger
Wie auch aus anderen Befragungen zum Lernen zuhause während der Schulschließung (–> NEPS Corona & Bildung No. 1) hervorging, war die Zeitspanne, die Schülerinnen und Schüler mit schulischen Lerninhalten verbrachten, sehr unterschiedlich. Dieses Bild zeigt sich auch in der INSIDE-Befragung. Es gibt sowohl Kinder, die berichteten, in dieser Zeit deutlich weniger für die Schule gearbeitet zu haben, als auch solche, die einen viel größeren Zeitaufwand als zu normalen Schulzeiten angaben. Beim Vergleich der Gruppen mit und ohne Förderbedarfe zeigen sich statistisch bedeutsame Unterschiede. 18 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen gaben an, viel weniger gearbeitet zu haben. Bei den Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Förderbedarfe machten diese Aussage nur 11 Prozent. Noch deutlicher wird dieser Unterschied bei der Frage, in welchem Umfang die Aufgaben bearbeitet wurden, die von der Schule zur Verfügung gestellt wurden. 17 Prozent der Kinder mit Förderbedarfen gaben hier „keine“ oder „wenig“ an (im Vergleich zu 8 Prozent bei der Gruppe ohne Förderbedarfe). Bei der Arbeitsumgebung ist auffällig, dass Kinder mit Förderbedarfen weniger oft einen Zugang zu Druckern hatte, aber häufiger von Personen berichteten, die auf die Erledigung der Aufgaben achteten.
Schulschließung beeinflusst auch Wohlbefinden
Die Forschenden fragten die Kinder auch, wie es ihnen während der ersten Schulschließung insgesamt gegangen ist. Die Antworten ergeben ein heterogenes Bild. Auffällig ist, dass Kinder mit Förderbedarfen signifikant häufiger extreme Empfindungen („überhaupt nicht gut“ oder „sehr gut“) angaben.
Insgesamt sehen die Forscherinnen Gresch und Schmitt Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen beim Lernen zuhause benachteiligt. „Sie hatten zusätzlich zu den bestehenden Herausforderungen teilweise ungünstigere Lernbedingungen und verbrachten auch weniger Zeit mit Lernen. Wir sehen hier die Befunde anderer Studien bestätigt, dass Ungleichheit durch fehlenden Präsenzunterricht weiter verstärkt wird“, so Cornelia Gresch.
Der vollständige Bericht ist auf https://www.lifbi.de/Transferberichte zu finden.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudien ReGES und BildungswegeFlucht oder das Inklusionsprojekt INSIDE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und ‑projekte profitieren.
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Internationale Forschung unter Bamberger Leitung
Schulzeit bestimmt Lebenswege – unabhängig vom Bildungssystem
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Steffen Schindler von der Universität Bamberg hat Bildungswege in sieben verschiedenen Ländern untersucht. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob sich unterschiedliche Bildungssysteme darin unterscheiden, inwieweit sie den späteren beruflichen Erfolg vorherbestimmen.
Durch die Wahl der weiterführenden Schule werden in Deutschland bereits frühzeitig Lebensverläufe vorherbestimmt. Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen finden sich im späteren Leben häufiger in Berufen mit niedrigerem Einkommen wieder als Schülerinnen und Schüler auf dem Gymnasium. Der Umstand, dass durch das deutsche Schulsystem solche sogenannten Pfadabhängigkeiten besonders früh angelegt werden, wird in der öffentlichen Auseinandersetzung häufig kritisiert. Zum Vergleich werden dann oft Bildungssysteme angeführt, die längere Zeiten gemeinsamen Lernens in der Sekundarstufe vorsehen.
Ob sich unterschiedliche Bildungssysteme tatsächlich darin unterscheiden, inwieweit sie den späteren beruflichen Erfolg vorherbestimmen, hat nun ein internationales Forschungsteam untersucht. Es hat die Bildungssysteme aus sieben Ländern miteinander verglichen. Die Ergebnisse wurden im Juli 2021 in einem Sonderband der Zeitschrift „Longitudinal and Life Course Studies“ veröffentlicht. Die Erkenntnis: „In allen Bildungssystemen findet eine Sortierung der Schülerinnen und Schüler statt, durch die der spätere Arbeitsmarkterfolg vorherbestimmt wird“, fasst Dr. Steffen Schindler zusammen, Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildung und Arbeit im Lebensverlauf an der Universität Bamberg. Er leitet das Forschungsprojekt „LIFETRACK“ („Life-Course Dynamics of Educational Tracking“).
Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in allen Bildungssystemen
Soziologinnen und Soziologen aus Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Israel und Italien haben für das Projekt ihre Bildungssysteme untersucht und verglichen. Ihr Augenmerk richteten sie dabei auf die Sekundarstufe. Dort befinden sich typischerweise Schülerinnen und Schüler zwischen 10 und 18 Jahren. Die Sekundarstufe ist je nach Land unterschiedlich gestaltet. In Deutschland werden Schülerinnen und Schüler in der Regel bereits im Alter von 10 Jahren auf unterschiedliche Schulformen aufgeteilt.
In anderen Ländern besuchen Heranwachsende bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren eine Gesamtschule. Dennoch finden sich auch in solchen Schulsystemen Aufteilungen der Schülerinnen und Schüler, die jedoch nicht immer offensichtlich sind. „Alle Forschungsteams haben in ihrem Land eine Form der Aufteilung von Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe festgestellt – unabhängig vom Bildungssystem“, sagt Steffen Schindler. Sichtbar wird diese Differenzierung etwa, wenn Kinder je nach Leistung in unterschiedliche Lerngruppen aufgeteilt werden. In England findet die Aufteilung unauffälliger statt, zum Beispiel durch die Wahl bestimmter Fächer oder die Teilnahme an bestimmten Prüfungen.

Akademische Bildung bringt in jedem Bildungssystem Vorteile
Die sieben Länderstudien stimmen in einer Erkenntnis überein: Akademische Bildungswege führen tendenziell zu günstigeren Ergebnissen auf dem Arbeitsmarkt als berufliche Bildungswege. „Und die Frage, ob jemand später ein Studium aufnimmt oder nicht, wird in fast allen Ländern sehr häufig bereits durch die Sortierung in der Sekundarstufe entschieden“, sagt Steffen Schindler. Es zeigt sich in der Untersuchung auch, dass die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in allen Ländern zur Entstehung sozialer Ungleichheit beiträgt. Das liegt zum Beispiel daran, dass Kinder aus benachteiligter sozialer Herkunft häufiger in den nicht-akademischen Bildungsgängen vorzufinden sind als Kinder aus privilegierter sozialer Herkunft.
Für das Projekt haben die Forschenden längsschnittliche Daten ihres jeweiligen Landes analysiert. Das deutsche Team nutzte Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) in Zusammenarbeit mit dem Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi). Neben Steffen Schindler gehören zum deutschen Forschungsteam Prof. Dr. Corinna Kleinert und Claudia Traini. LIFETRACK ist ein Teil des europäischen Forschungsprogramms „Dynamics of Inequality Across the Life Course“ (DIAL). NORFACE fördert das Projekt insgesamt mit rund 1,4 Millionen Euro. NORFACE ist ein Zusammenschluss mehrerer nationaler Forschungsförderorganisationen in Europa, wie zum Beispiel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Projekt „Data Literacy“
Digitale und datenbezogene Kompetenzen der Menschen in Deutschland werden von Bamberg aus vermessen
Der kompetente Umgang mit digitalen Daten, Informationen und Medien ist eine Schlüsselqualifikation für gesellschaftliche Teilhabe und Fortschritt – sie steht im Fokus eines neuen Projekts, das im August am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) startet.
Die Forschung zu digitalen und datenbezogenen Kompetenzen wird als Teil der Datenstrategie der Bundesregierung und der Initiative Digitale Bildung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 8,3 Millionen Euro gefördert. In den kommenden Jahren wird systematisch untersucht, wie gut es um die Kenntnisse und Fähigkeiten der bundesdeutschen Bevölkerung im Umgang mit digitalen Daten, Informationen und Medien bestellt ist. Das Langzeitmonitoring am LIfBi erhebt für Deutschland repräsentative Daten von etwa 6.000 Personen zwischen 10 bis 70 Jahren. Ergänzt wird es durch eine Längsschnittstudie mit 5.000 Schülerinnen und Schülern, die verstehen hilft, wie sich digitale Kompetenzen ab der 6. Klasse entwickeln und wie diese gefördert werden können.
Digitale Daten, Medien und Informationen sind allgegenwärtig. Ob bei der Nutzung von Social Media, in Form von digitalen Akten oder als Kennwerte für die Risikoabschätzung in der Corona-Pandemie. „Data Literacy“ beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, mit solchen digitalen Daten und Informationen sachgerecht umzugehen, sie zu interpretieren, daraus Handlungsempfehlungen oder ‑grundsätze ableiten, aber auch die Risiken der Datensammlung und ‑nutzung einschätzen zu können. Digitale und datenbezogene Kompetenzen sind damit eine zentrale Voraussetzung für die Entfaltung eigener Handlungsspielräume, für bürgerschaftliches Engagement und den mündigen Umgang mit eigenen und fremden Daten.
Ministerin Karliczek: Datenkompetenz erstmals flächendeckend erfassen
Das Projekt „Data Literacy“ am LIfBi in Bamberg nimmt nun diese zentrale Schlüsselkompetenz für die Bevölkerung in den Blick. Es sollen die grundlegenden Kenntnisse und Fähigkeiten von Menschen erfasst werden, die als Voraussetzung für einen kompetenten Umgang mit digitalen Informationen und Daten im Lebensalltag anzusehen sind. Im Zuge der Förderung des Projekts durch das BMBF wies Bundesbildungsministerin Anja Karliczek in einer Pressemitteilung des BMBF (157÷2021) darauf hin, dass es bislang noch keine wissenschaftlich gesicherten Informationen darüber gibt, wie gut es um diese Kompetenzen in der Bevölkerung tatsächlich bestellt ist – besonders in unterschiedlichen Altersgruppen. Die neue Förderung ermöglicht nun, den Kenntnisstand und das Fähigkeitsniveau der Bevölkerung durch das LIfBi flächendeckend zu erfassen. Darauf aufbauend könnten zukünftig Lernangebote, Kurse und Weiterbildungen gezielt auf die Bedarfe in der Bevölkerung abgestimmt werden.
Expertise kommt vom LIfBi
„Für die Durchführung dieses wichtigen Projekts sind wir am LIfBi gut gerüstet“, erläutert Prof. Dr. Cordula Artelt, Direktorin des LIfBi und eine der Antragstellerinnen des neuen Projekts. „Wir greifen bei der inhaltlichen und praktischen Konzeption der Testverfahren, der Datenerhebung, dem Datenschutz und schließlich auch der Aufbereitung der Daten für die wissenschaftliche Nutzung auf unsere umfassende Expertise zurück und können das ambitionierte Langzeitmonitoring-Projekt daher zeitnah umsetzen.“
Repräsentativer Bevölkerungsschnitt von Kindern bis zu Senioren
Umgesetzt werden soll ein Forschungsdesign, das die digitalen und datenbezogenen Kompetenzen für die Bundesbevölkerung repräsentativ in Form wiederkehrender Querschnittserhebungen erfasst. Dafür werden wiederholt 6.000 Personen im Alter zwischen 10 und 70 Jahren befragt und getestet. Ergänzend dazu werden mit einem längsschnittlichen Ansatz Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe gezielt in den Blick genommen. Hier wird ab 2022 eine Stichprobe mit 5.000 Kindern von der 6. Klasse an begleitet. Auf diese Weise können die individuellen Veränderungen der digitalen und datenbezogenen Kompetenzen vom Ende der Kindheit bis zum Übergang ins Jugendalter über einen Zeitraum von mehreren Schuljahren erhoben und die Entwicklung und Bedingungen für diese Schlüsselkompetenz moderner Gesellschaften erfasst und besser verstanden werden.
Das Großprojekt „Data Literacy: Langzeitmonitoring von digitalen und datenbezogenen Kompetenzen der bundesdeutschen Bevölkerung“ startet im August 2021 und läuft bis zum Jahr 2026. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Datenstrategie der Bundesregierung. Die Förderung der Datenkompetenzen der Bevölkerung ist ein zentraler Baustein der Datenstrategie und der Initiative Digitale Bildung und soll unter anderem dabei helfen, zukünftig Lernangebote gezielt auf die Bedarfe der Bevölkerung abzustimmen.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudien ReGES und BildungswegeFlucht oder das Inklusionsprojekt INSIDE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und ‑projekte profitieren.
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Studie
Lebenszufriedenheit durch Corona-Auswirkungen deutlich gesunken
Mithilfe von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) konnte erstmals differenziert nach Altersgruppen die Lebenssituation von Erwachsenen während des ersten Lockdowns in Deutschland untersucht werden, wobei insbesondere die Zufriedenheit und die Zukunftserwartungen von über 65-Jährigen betrachtet wurden.
Es zeigt sich: Ältere teilen dieselben Sorgen, insbesondere darüber, dass die Kluft zwischen Arm und Reich weiter wächst. Ernsthafte Geldprobleme bei sich oder Nahestehenden erwarten ältere dagegen deutlich seltener als jüngere Jahrgänge.
Für die Auswertung wurden die Antworten von 2.273 Erwachsenen zwischen 33 und 76 Jahren herangezogen, die regelmäßig im Rahmen des Nationalen Bildungspanels befragt werden und im Mai 2020 an einer Corona-Zusatzerhebung teilgenommen haben. Bei der Analyse wurde die Lebenssituation der Befragten im Alter von über 65 Jahren mit der von jüngeren Befragten verglichen – zum einen im Hinblick auf die aktuelle Lebenszufriedenheit, zum anderen bezüglich ihrer Erwartungen an die Zukunft.
Ältere nicht stärker belastet
Erwartungsgemäß hat die Corona-Pandemie in Verbindung mit dem ersten Lockdown die Lebenszufriedenheit der Menschen verringert – um knapp einen Punkt auf einer Skala von 0 (ganz und gar unzufrieden) bis 10 (ganz und gar zufrieden). Dieser Befund zeigt sich in allen Altersgruppen gleichermaßen. Befragte über 65 Jahre waren also vom Lockdown mit all seinen sozialen Folgen nicht stärker betroffen als jüngere Erwachsene. Zu den individuellen Gründen für den Zufriedenheitsrückgang in den verschiedenen Altersgruppen lässt die Befragung jedoch keine Rückschlüsse zu.
„Dass der Rückgang der Zufriedenheit bei allen Altersgruppen etwa gleich stark war, hat uns überrascht“, so Dr. Philipp Handschuh, Hauptautor der Auswertung. „Wir hatten vermutet, dass die Zufriedenheit der Älteren durch Reduktion der sozialen Kontakte besonders leidet. Allerdings muss man einschränkend sagen, dass wir bei unserer Online-Umfrage natürlich vor allem die Älteren mit Zugang zu digitalen Technologien erreicht haben, durch die fehlende persönliche Sozialkontakte zum Teil ja auch kompensiert werden konnten.“
Ältere und Jüngere teilen dieselben Sorgen
Bei der Frage nach ihren Sorgen zeigte sich, dass alle untersuchten Altersgruppen in ähnlichem Ausmaß eine Überlastung des Gesundheitssystems oder eine längere schwere Wirtschaftskrise fürchten. Am stärksten war dabei die Sorge darüber ausgeprägt, dass die finanzielle Kluft zwischen Arm und Reich durch die Pandemie weiter wachsen werde.
In Bezug auf ihre Erwartungen für die Zukunft zeigten sich wiederrum Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Befragte über 65 Jahre hielten eigene Geldprobleme, eine Einschränkung ihres Lebensstandards oder mögliche finanzielle Notlagen ihrer Angehörigen für deutlich weniger wahrscheinlich als jüngere Befragte. Auch die Erkrankung von Angehörigen an Corona hielten die Älteren für unwahrscheinlicher. Lediglich wenn es um die eigene Gesundheit geht, rechneten alle Altersgruppen etwa gleich stark mit Einschränkungen.
Alle Ergebnisse der Auswertung finden sich im vollständigen Bericht „Ältere Erwachsene in der Corona-Krise“ der auf https://www.lifbi.de/Corona mit weiteren Hintergrundinformationen zum Download bereit steht.
Über das NEPS und die Zusatzbefragung
Das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg beheimatet ist, besteht aus sechs großen Teilstudien, den sogenannten Startkohorten. Diese umfassen insgesamt mehr als 60.000 getestete und befragte Personen von der Geburt über Ausbildungs- und Erwerbsphase bis hinein in die Nacherwerbsphase sowie 40.000 zusätzlich befragte Personen aus deren Umfeld, etwa Eltern und pädagogisches Fachpersonal. Die Stichproben der Startkohorten wurden repräsentativ für ganz Deutschland gezogen. Die so erhobenen Daten werden anonymisiert und Bildungsforschenden weltweit zugänglich gemacht.
Das NEPS wird getragen von einem interdisziplinär zusammengesetzten, deutschlandweiten Exzellenznetzwerk, in dem zwölf renommierte Forschungsinstitute zusammenarbeiten. Geleitet wird das NEPS von Prof. Dr. Cordula Artelt vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg.
Durch die Zusatzbefragung im Mai und Juni 2020 wurden die aktuellen Erlebnisse und Eindrücke der NEPS-Teilnehmenden in der Zeit zwischen dem Beginn der Beschränkungen und den ersten Lockerungen während der Corona-Krise ermittelt und so gemeinsam mit den anderen Längsschnittsdaten des NEPS für die Bildungsforschung nutzbar gemacht. Die Daten wurden gewichtet und poststratifiziert, um Verzerrungen in der Stichprobe auszugleichen.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudien ReGES und BildungswegeFlucht oder das Inklusionsprojekt INSIDE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und ‑projekte profitieren.
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Geflüchtetenstudie ReGES zieht nach fünf Jahren Bilanz
Befunde zur Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher in das deutsche Bildungssystem
Die Studie ReGES – Refugees in the German Educational System hat über 4.800 geflüchtete Kinder und Jugendliche über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet und untersucht, wie gut die Integration in das deutsche Bildungssystem gelingt. Ein Transferbericht fasst nun zentrale Befunde zur Betreuung geflüchteter Kinder in Kindertageseinrichtungen und zur Beschulung geflüchteter Jugendlicher zusammen.
Die Auswertungen der erhobenen Daten zeigen, dass die Integration in verschiedenen Bildungsbereichen durchaus gelingt, aber sie geben auch Hinweise auf Unterstützungsbedarfe und Herausforderungen. Besonders der Sprachförderung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
ReGES ist eine Längsschnittstudie, die über 4.800 Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund begleitet. Sie ist im Juli 2016 am Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) gestartet und wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Zum Abschluss des Projekts ReGES wurden nun die Analysen verschiedener Forscherinnen und Forscher in einem Transferbericht zusammengefasst. Dieser bietet einen umfangreichen Überblick über bisherige Befunde und zeichnet dabei ein differenziertes Bild über die Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen an verschiedenen Punkten im deutschen Bildungssystem. Die Befunde reichen in ihren Implikationen deutlich über den formalen Bildungsbereich hinaus.
Geflüchtete Kinder deutlich seltener in Kindertageseinrichtungen betreut
Im Rahmen der Studie wurden 2.405 Kinder im Alter von mindestens vier Jahren, die zum ersten Befragungszeitpunkt noch nicht eingeschult waren, und ihre Eltern befragt. 79,2 % der Kinder besuchten eine Kindertageseinrichtung. Die Besuchsquote der untersuchten Geflüchteten bleibt deutlich hinter der anderer Gruppen Gleichaltriger zurück. Dabei erachten Dr. Jutta von Maurice und Dr. Gisela Will, die beiden Verfasserinnen des Transferberichts, den Besuch einer Kindertageseinrichtung gerade für Kinder mit Fluchthintergrund als sinnvoll und wichtig. Die Familien, deren Kinder keine Kindertageseinrichtung besuchten, gaben als Grund hierfür am häufigsten an, dass kein Betreuungsplatz verfügbar war. Die Problemlage von Geflüchteten geht aber darüber hinaus, so die Autorinnen des Transferberichts, da etwa einige Eltern hier von fehlenden Informationen berichten.
„Ein erfreuliches Ergebnis ist, dass 94,1 % der befragten Erzieherinnen und Erzieher die Integration der Kinder mit Fluchthintergrund in ihrer Einrichtung als gelungen einschätzen“, so Jutta von Maurice, Leiterin der ReGES-Studie. Es dürfe aber nicht unerwähnt bleiben, dass damit 5,9 % nicht von einer gelingenden Integration berichten.
Deutsche Sprache als Schlüsselkompetenz
Im Rahmen der Studie wurden 2.415 geflüchtete Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren dazu befragt, wie sie ihre sprachlichen Fähigkeiten im Allgemeinen (Verstehen, Sprechen, Lesen, Schreiben) und mit Bezug auf spezielle Anwendungsfälle einschätzen. Die erhobenen Daten weisen auf deutliche Kompetenzunterschiede in Alltags- und Bildungssprache hin.
Während die befragten Jugendlichen ihre Fähigkeiten im Allgemeinen häufig als „eher gut“ oder sogar „sehr gut“ einschätzen, zeigt die differenzierte Erhebung ein deutlich komplexeres Bild: So können 93,0 % jemanden begrüßen oder sich vorstellen, aber nur 41,1 % können den meisten Fernsehsendungen problemlos folgen. Und schließlich können nur 18,7 % Literatur und Sachbücher lesen und 15,2 % nach eigenen Angaben anspruchsvolle Texte schreiben. „Die Befunde zur Sprachkompetenz weisen sehr deutlich auf die Notwendigkeit von Sprachfördermaßnahmen hin. Hier alarmiert der Befund, dass 64,9 % der Jugendlichen zum Erhebungszeitpunkt an keiner Maßnahme zur Förderung der Deutschkompetenzen teilnahmen“, so Prof. Dr. Hans-Günther Roßbach, ehemaliger Direktor des Bamberger Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe und einer der Antragsstellenden der Studie. Er fordert daher den Ausbau von Angeboten der schulischen und außerschulischen Sprachförderung.
Große Herausforderungen in den Schullaufbahnen geflüchteter Jugendlicher
Die befragten Jugendlichen gaben im Rahmen der Studie Auskunft zum Schulbesuch vor, während und nach ihrer Flucht. „Die Daten zeigen unter anderem, dass die Schullaufbahn der befragten Jugendlichen aufgrund der Flucht und im Zuge des Ankommens in Deutschland durchschnittlich länger als ein Jahr unterbrochen war“, so Gisela Will. Die anschließende Beschulung in Deutschland erfolge überdies häufig in niedrigeren – dem Alter der Jugendlichen nicht entsprechenden – Klassenstufen. Gisela Will, Projektkoordinatorin der Studie ReGES, betont, dass man mögliche Kumulationen der Risiken in den Bildungswegen geflüchteter Jugendlicher im Blick behalten müsse.
Verbesserte Datenlage über die Situation Geflüchteter im deutschen Bildungssystem
Im Rahmen von ReGES wurden geflüchtete Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien zu mehreren Zeitpunkten (= Erhebungswellen) befragt. Eltern und Jugendliche machten Angaben zu persönlichen und fluchtspezifischen Merkmalen sowie zu ihrem Leben und ihren Bildungserfahrungen in Deutschland. Die Geflüchteten hatten auch Gelegenheit, über Bildungsziele und Zukunftswünsche zu berichten. Auch Daten der pädagogischen Fachkräfte sowie der haupt- und ehrenamtlich in den Gemeinden und Gemeinschaftsunterkünften Tätigen wurden erhoben. So konnte die Studie ReGES eine reichhaltige Datenbasis über die Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen im deutschen Bildungssystem schaffen, die in Kürze auch der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Nutzung zur Verfügung steht. Die bislang publizierten Arbeiten beziehen sich vorwiegend auf die erste Erhebungswelle. Weitere Analysen mit den Daten der späteren Erhebungswellen sind in Vorbereitung.
Neue Studie am LIfBi: „Bildungswege von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“
Ende Januar wurde die Förderung eines neuen Projekts „Bildungswege von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bewilligt, das auf dem Datenbestand der Studie ReGES aufbaut. Das Projekt untersucht mit längerfristiger Perspektive Bildungswege sowie Bildungsentscheidungen von jungen Geflüchteten an zentralen Schnittstellen des deutschen Bildungssystems.
Der vollständige Bericht zum Projekt ReGES ist auf https://www.lifbi.de/reges zu finden.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind neben der Geflüchtetenstudie ReGES auch das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE oder die Förderstudie für benachteiligte Kinder und Familien BRISE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und ‑projekte profitieren.
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30 Jahre nach dem Mauerfall
Einstellung zu Müttererwerbstätigkeit spaltet Ost und West, Jung und Alt
Sollten Mütter kleiner Kinder beruflich kürzer treten? Frauen sich lieber um die Familie als um die Karriere kümmern? Männer sich aus der Hausarbeit heraushalten? Eine Studie am Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg hat untersucht, inwiefern sich Ost- und Westdeutsche auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung in ihren Rollenbildern aktuell noch unterscheiden.
Dr. Gundula Zoch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, hat mithilfe von Längsschnittdaten untersucht, inwiefern sich Ost- und Westdeutsche in ihren Rollenbildern aktuell noch unterscheiden. Für ihre Analyse verwendete sie Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam (Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics). Die ursprünglich etwa 12.000 Teilnehmenden werden seit 2008 einmal pro Jahr zu Themen wie Partnerschaft, Einstellungen und Familienleben befragt. Für die Untersuchung vergleicht Zoch drei Geburtskohorten von Ost- und Westdeutschen, die Anfang der 1970-er, 1980-er und 1990-er Jahre geboren wurden und damit unter ganz unterschiedlichen Bedingungen aufgewachsen sind.
Müttererwerbstätigkeit spaltet Ost und West, Jung und Alt
Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung unterscheiden sich die Rollenbilder in Ost und West immer noch deutlich: Ostdeutsche befürworten im Durchschnitt etwas modernere Rollenbilder als Westdeutsche. Zwar liegen die Einstellungen, dass sich Männer ebenso wie Frauen an der Hausarbeit beteiligen sollten, in Ost- und Westdeutschland recht nahe beieinander, der größte Unterschied zeigt sich aber in der Bewertung der Erwerbstätigkeit von Frauen mit kleinen Kindern. Während sich im Westen die Haltung dazu im Laufe der Jahre immer weiter modernisiert und sich damit den egalitäreren Einstellungen des Osten angeglichen hat, förderte die Auswertung überraschende Ergebnisse für die jüngste befragte Altersgruppe zutage: Sowohl in West als auch in Ost zeigt die Gruppe der zwischen 1990 und 1993 Geborenen deutlich traditionellere Einstellung zur Müttererwerbstätigkeit als ältere Befragte. Für die traditionelleren Einstellungen jüngerer Ostdeutsche dürften vor allem die gestiegene Teilzeitarbeit von Müttern und der Abbau von Betreuungsplätzen in der Nachwendezeit relevant sein.
Zustimmung zu Müttererwerbstätigkeit vor allem bei Jüngeren stark gestiegen
Aufgrund der jährlichen Befragung konnte erstmals auch untersucht werden, inwieweit sich die Rollenbilder individueller Personen in den vergangenen 10 Jahren verändert haben. Hier zeigt sich: gerade jüngere Befragte verändern ihre Einstellungen vor dem Hintergrund neuer Erfahrungen und Lebensereignisse stärker als ältere Befragte. Die jüngste Generation in Ost und West unterscheidet sich inzwischen in ihren Einstellungen am wenigsten voneinander.
Lebensverhältnisse wichtiger als Herkunft
Ein großer Teil der beobachteten Einstellungsunterschiede zwischen Ost und West geht auf unterschiedliche Lebensverhältnisse zurück. Beispielsweise arbeiten im Westen Deutschlands noch immer mehr Frauen in Teilzeit, es gibt dort mehr Menschen mit Migrationshintergrund und mehr religiös geprägte Menschen als im Osten. All diese Eigenschaften beeinflussen die generelle Einstellung zu traditionellen Rollenbildern stark. Aber auch wenn diese Unterschiede berücksichtigt werden, unterscheiden sich vor allem ältere Ost- und Westdeutsche in ihren Einstellungen zur Müttererwerbstätigkeit.
„Die Ost-West-Unterschiede haben sich in einem nur sehr kurzen Zeitfenster von knapp 10 Jahren sichtbar reduziert. Vor allem in Westdeutschland lassen sich deutliche Veränderungen in den vormals eher traditionellen Rollenbildern beobachten. Diese Einstellungsveränderungen, insbesondere im Hinblick auf die Berufstätigkeit von Frauen, hängen sicherlich auch mit dem starken Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren in Westdeutschland zusammen“, so Gundula Zoch.
Der vollständige Bericht zur Studie ist hier zu finden: https://www.lifbi.de/Portals/13/Transferberichte/LIfBi-Forschung-kompakt_01_Rollenbilder-Ost-West.pdf
Wer profitiert vom Digitalisierungsschub?
Wie Corona zu einer neuen digitalen Spaltung in der Arbeitswelt beiträgt
Aktuelle Auswertungen einer Corona-Zusatzbefragung im Nationalen Bildungspanel (NEPS) geben Aufschluss darüber, welche Berufs- und Bildungsgruppen digitale Technologien im ersten Lockdown häufiger als vor der Pandemie genutzt haben, zeigen aber auch, dass der Digitalisierungsschub zu einer neuen digitalen Spaltung der Erwerbsbevölkerung beiträgt. Hier gilt es, jetzt Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen, fordern die Autorinnen und Autoren des Berichts.
Videomeetings, Teamarbeitsplattformen und virtuelle Konferenzen sind spätestens seit dem Frühjahr 2020 aus dem pandemischen Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken. Die Nutzung dieser vernetzten digitalen Technologien ist für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inzwischen selbstverständlicher Teil ihres Arbeitsalltags. Aktuelle Auswertungen der Corona-Zusatzbefragung im Nationalen Bildungspanel (NEPS) geben nun Aufschluss darüber, welche Berufs- und Bildungsgruppen digitale Technologien im ersten Lockdown häufiger als vor der Pandemie genutzt haben. Die Daten zeigen aber auch, dass der pandemiebedingte Digitalisierungsschub nicht alle Beschäftigten erreicht hat und sogar zu einer neuen digitalen Spaltung der Erwerbsbevölkerung beiträgt, die lange über die Pandemie hinaus Bestand haben könnte. Hier gilt es, jetzt Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen, fordern die Autorinnen und Autoren des Berichts.
Corona hat der Digitalisierung in Deutschland einen Schub beschert. Die Hälfte der fast 1.800 in der NEPS-Zusatzerhebung befragten Erwerbstätigen gab an, in den ersten zwei Monaten der Pandemie vernetzte digitale Technologien beruflich häufiger als zuvor genutzt zu haben. Welche Beschäftigtengruppen konkret einen Digitalisierungsschub erlebt haben und welche Rolle das Bildungsniveau und Tätigkeitsprofile dabei spielen, wurde mit den NEPS-Daten nun detailliert untersucht.
Die Tätigkeit ist entscheidend
Mehr als die Hälfte der Befragten mit Hochschulabschluss berichtete, dass sie digitale Technologien mit Beginn der Pandemie stärker genutzt hat. Wichtiger als der formale Bildungsgrad sind jedoch die Tätigkeiten der Beschäftigten. Hier zeigt sich, dass die Schere weiter auseinandergeht: Menschen mit stark analytischen Tätigkeiten im Job, für die Schreiben, Lesen, Rechnen und IT-Kenntnisse hoch relevant sind, sowie Menschen mit stark interaktiven Tätigkeiten im Job und hohem Kundenkontakt erfuhren einen deutlichen Digitalisierungsschub am Arbeitsplatz. Sie berichteten zu 70 beziehungsweise 63 Prozent, digitale Technologien stärker als zuvor zu nutzen. Wer hingegen vor allem manuellen Tätigkeiten nachgeht, erlebte seltener eine Verstärkung und manchmal sogar einen Rückgang der Technologienutzung.
Wer zuhause arbeitet und hochqualifiziert ist, wird digitaler
Den gravierendsten Unterschied fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Zusammenhang mit der Verlagerung des Arbeitsortes ins Homeoffice. Während 73 Prozent der im Homeoffice Tätigen von einer Zunahme berichteten, liegt der Anteil unter denjenigen, die ihren Arbeitsplatz nicht in die eigenen vier Wände verlagern konnten, bei nur 38 Prozent. Aus einer früheren Auswertung ist bekannt, dass es vor allem hochqualifizierte Arbeitnehmende sind, die ins Homeoffice wechseln. Und diese Gruppe profitiert vom pandemischen Digitalisierungsschub auch am stärksten.
Digitalisierungsschub muss alle erreichen
„Diese neue digitale Spaltung der Erwerbsbevölkerung dürfte sich seit dem Frühjahr 2020 noch weiter verschärft haben“, so Prof. Dr. Corinna Kleinert, eine der Autorinnen des Berichts.
Sie forscht am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) und ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt längsschnittliche Bildungsforschung an der Universität Bamberg.

„Vernetzte Technologien werden zunehmend auch für die berufliche Weiterbildung genutzt. Wir gehen davon aus, dass der kompetente Umgang mit diesen neuen Arbeitswerkzeugen künftig eine wachsende Bedeutung hat und bestimmte Beschäftigtengruppen ins Hintertreffen geraten. Der durch die Corona-Krise ausgelöste Digitalisierungsschub muss so gesteuert werden, dass möglichst viele Beschäftigte davon profitieren – eine größere Ausschöpfung der Homeoffice-Potentiale könnte zu einer Verringerung der digitalen Spaltung beitragen“, so Kleinert weiter.
Alle Ergebnisse der Auswertung finden sich im vollständigen Bericht „Für wen brachte Corona einen Digitalisierungsschub?“, der mit weiteren Hintergrundinformationen zum Download bereit steht auf https://www.lifbi.de/Corona
Lernen im Lockdown
Wer gut liest, lernt auch zuhause besser
Was hilft Schülerinnen und Schülern, das Lernen im Lockdown zu meistern? Mit dieser Frage beschäftigt sich die fünfte Auswertung der Corona-Zusatzbefragung im Rahmen des Nationalen Bildungspanels.
Befragungen von 1.452 Eltern während des Lockdowns im Frühjahr 2020 und Kompetenztests und Befragungen aus dem Jahr 2018 liefern Daten, anhand derer der Stellenwert von Lesekompetenz, dem Interesse an den Lerninhalten und der Bereitschaft, sich beim Lernen anzustrengen, analysiert wurde. Die Auswertungen der Elternbefragungen zeigen, dass die Kinder mit hoher Lesekompetenz und hoher Anstrengungsbereitschaft besser mit dem Lernen zuhause zurechtkamen – das Interesse an den Lerninhalten spielt dagegen eine geringere Rolle für die Motivation zum Lernen während der Schulschließungen. Der Distanzunterricht kann aber auch eine Chance bieten, das selbstregulierte Lernen zu fördern. Dazu müssen Lehrende verstärkt Methoden nutzen, die individuelle Rückmeldungen erlauben, sagt Prof. Dr. Cordula Artelt, Leiterin des Nationalen Bildungspanels.
Das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg beheimatet ist, besteht aus sechs großen Teilstudien. Diese umfassen insgesamt mehr als 60.000 getestete und befragte Personen von der Geburt über Ausbildungs- und Erwerbsphase bis hinein in die Nacherwerbsphase sowie 40.000 zusätzlich befragte Personen aus deren Umfeld, etwa Eltern und pädagogisches Fachpersonal. Die Stichproben wurden repräsentativ für ganz Deutschland gezogen. Die so erhobenen Daten werden anonymisiert und Bildungsforschenden weltweit zugänglich gemacht.
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung. Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel, das die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint.
Schriftliche Arbeitsanweisungen als Motivationsbremse
Zwei Drittel der Eltern (67 %) hatten Probleme, ihre Kinder beim Distanzunterricht zum Lernen zu motivieren, etwa die Hälfte davon (35 %) fand dies sogar eher oder sehr schwer. Ein deutlicher Unterschied besteht dabei zwischen den Geschlechtern: Eltern gaben für Jungen deutlich häufiger an, dass sie schwieriger zum Lernen zuhause zu motivieren waren als für Mädchen. Das berichten die Eltern von 14-jährigen Schülerinnen und Schülern der achten Klasse während der ersten Phase des Homeschoolings im Frühjahr 2020. Kombiniert man diese Einschätzung der Eltern mit den Ergebnissen von Kompetenztests, die dieselben Schülerinnen und Schüler anderthalb Jahre zuvor im Rahmen des Nationalen Bildungspanels erbracht haben, zeigt sich: Wer gut liest, lässt sich leichter zum Lernen zuhause motivieren und kam mit der ungewohnten Lernsituation besser zurecht.
Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass das Lesen von Texten in Schulbüchern, aber auch von Anleitungen und Arbeitsanweisungen beim Lernen zuhause besonders wichtig ist, folgern die Autorinnen des Berichts. Anders als im regulären Präsenzunterricht können Lehrkräfte den Lernstoff und die Aufgaben in vielen Fällen nicht mündlich erklären. Die Fähigkeit schriftliche Texte zu verstehen, wird damit zur zentralen Kompetenz für alle Schulfächer – nicht nur für den Deutschunterricht. Das hat Folgen. Hauptautorin Dr. Kathrin Lockl, Leiterin des Arbeitsbereichs „Kompetenzen“ am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe: „Wir vermuten, dass Schülerinnen und Schüler mit geringeren Lesekompetenzen häufiger Verständnisschwierigkeiten haben und manche Aufgabenstellungen weniger gut nachvollziehen können. Solche eher entmutigenden Erfahrungen könnten dann dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler weniger motiviert sind, ihre Aufgaben zu erledigen.“
Welche Chancen im Distanzunterricht liegen
Doch Distanzunterricht kann Kindern auch helfen, ihre Kompetenzen zu entwickeln. Prof. Dr. Cordula Artelt, Leiterin des Nationalen Bildungspanels und Direktorin des LIfBi: „Damit Kinder motiviert sind, brauchen sie realistische Ziele und Rückmeldungen. Sie müssen sich als kompetent und autonom erleben. Eigentlich eignet sich das Lernen auf Distanz wunderbar dazu, selbstreguliertes Lernen zu fördern, aber es muss eine gute Mischung aus selbstständigen und angeleiteten Phasen geben.“

Wird Distanzunterricht nur als die Übermittlung von Aufgaben verstanden, besteht die Gefahr, dass Kinder zu wenig Rückmeldung erhalten und gerade diejenigen, die ohnehin Motivationsschwierigkeiten haben, abgehängt werden. Die bisherigen Auswertungen der Zusatzbefragung des Nationalen Bildungspanels legen nahe, dass dies im ersten Lockdown oft der Fall war. Bildungsforscherin Artelt empfiehlt Lehrerinnen und Lehrern deshalb unbedingt, individuelle Elemente zukünftig in den Distanzunterricht einzubauen, zum Beispiel durch persönliche Sprechstunden, Videokonferenzen oder interaktive Aufgaben. Klar sei auch: Eltern können diese didaktisch-pädagogische Begleitung nicht ersetzen. Was Eltern hingegen von den Schulen brauchen, ist neben Planbarkeit des Homeschoolings auch Transparenz, was im Fernunterricht erwartet wird und was die Kinder in dieser Zeit leisten sollen. Alle Ergebnisse der Auswertung finden sich im vollständigen Bericht „Lernen im Lockdown: Welche Voraussetzungen helfen Schülerinnen und Schülern während der Schulschließungen?“ auf https://www.lifbi.de/corona