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Stu­die

Inklu­si­on kann auf Kos­ten sozia­ler Inte­gra­ti­on gehen

Kin­der mit und ohne Behin­de­rung gemein­sam zu unter­rich­ten, ist Ziel eines inklu­si­ven Schul­sys­tems. Eine Stu­die hat nun jedoch gezeigt: Das Kon­zept der Schwer­punkt­schu­len kann sich nega­tiv auf das sozia­le Mit­ein­an­der der Kin­der auswirken.

Kurz vor dem heu­ti­gen „Inter­na­tio­na­len Tag der Men­schen mit Behin­de­rung“ haben Mar­cel Hel­big und Sebas­ti­an Stein­metz, For­scher am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) in Bam­berg und am Wis­sen­schafts­zen­trum Ber­lin für Sozi­al­for­schung (WZB), eine Stu­die zu Inklu­si­on und sozia­ler Inte­gra­ti­on ver­öf­fent­licht. Dar­in sind sie zu dem Ergeb­nis gekom­men, dass sich das Schul­kon­zept der Schwer­punkt­schu­len zu Las­ten des sozia­len Mit­ein­an­ders auswirkt.

Die Daten ihrer Stu­die haben Hel­big und Stein­metz in in Rhein­land-Pfalz erho­ben. Dort wird, statt ein brei­tes inklu­si­ves Ange­bo­te zu machen, bei Inklu­si­on fast aus­schließ­lich auf Schwer­punkt­schu­len gesetzt.

Rhein­land-Pfalz setzt als ein­zi­ges Bun­des­land bei der Inklu­si­on von Kin­dern mit son­der­päd­ago­gi­schem För­der­be­darf fast aus­schließ­lich auf Schwer­punkt­schu­len. Die Mehr­heit der Bun­des­län­der hat sich dage­gen für eine flä­chen­de­cken­de Inklu­si­on ent­schie­den. In eini­gen Län­dern wie Ber­lin, Ham­burg oder Bran­den­burg gibt es Misch­sys­te­me aus flä­chen­de­cken­der Inklu­si­on und Schwerpunktschulen.

Der Anteil von Kin­dern aus ein­kom­mens­schwa­chen Fami­li­en ist an den inklu­si­ven Schwer­punkt­schu­len in Rhein­land-Pfalz seit 2012 über­durch­schnitt­lich gewach­sen. Vor allem in den Städ­ten hat sich damit das Pro­blem der sozia­len Tren­nung im Grund­schul­we­sen verschärft.

Die Stu­die weist nun mit Daten der amt­li­chen Schul­sta­tis­tik nach, dass das Kon­zept der inklu­si­ven Schwer­punkt­schu­le auf Kos­ten der sozia­len Inte­gra­ti­on geht. Das liegt zum einen in der Ent­ste­hung die­ser Schu­len begrün­det. So wur­den in Rhein­land-Pfalz die sozi­al schwä­che­ren Grund­schu­len als Stand­or­te für Schwer­punkt­schu­len aus­ge­wählt. Dabei han­delt es sich um Schu­len, die bereits vor ihrer Umwand­lung einen hohen Anteil von Kin­dern aus ein­kom­mens­schwa­chen Fami­li­en hat­ten. So lag der Anteil von Kin­dern mit Lern­mit­tel­be­frei­ung an Schwer­punkt­schu­len sechs Pro­zent­punk­te höher als an Nicht-Schwerpunktschulen.


Inklu­si­ver Unter­richt an allen Schu­len als Ziel

Seit 2012 hat sich die Armuts­quo­te an den Schwer­punkt­schu­len zum Teil über­durch­schnitt­lich erhöht. Dies gilt vor allem für die städ­ti­schen Räu­me, wo sich der Unter­schied beim Anteil armer Kin­der zwi­schen Schwer­punkt­schu­len und Nicht-Schwer­punkt­schu­len auf 12 Pro­zent­punk­te ver­dop­pel­te. Dies trifft in beson­de­rem Maße in Nach­bar­schaf­ten zu, in denen es wei­te­re Grund­schu­len gibt.
„Wir ver­mu­ten” sagt Mar­cel Hel­big, „dass vor allem Eltern aus der Mit­tel­schicht die Schwer­punkt­schu­len mei­den und ihre Kin­der auf ande­re Grund­schu­len in Wohn­ort­nä­he schi­cken.” Schwer­punkt­schu­len in Rhein­land-Pfalz müs­sen daher dop­pel­te Inte­gra­ti­ons­ar­beit leis­ten, eine päd­ago­gi­sche und eine sozia­le. „Das geht zu Las­ten der Chan­cen­ge­rech­tig­keit, ver­stärkt sozia­le Tren­nung und zeigt, dass halb­her­zi­ge Inklu­si­on nicht-beab­sich­tig­te sozia­le Fol­gen haben kann.“

Zusam­men mit Sebas­ti­an Stein­metz plä­diert der Autor der Stu­die für die Über­win­dung der Schwer­punkt­schu­len zuguns­ten eines inklu­si­ven Unter­richts an allen Schu­len. Mit der Unter­zeich­nung der UN-Behin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on im Jahr 2008 wäre Deutsch­land ohne­hin ver­pflich­tet, Kin­der und Jugend­li­che mit und ohne son­der­päd­ago­gi­schem För­der­be­darf gemein­sam zu unter­rich­ten. Die Kon­ven­ti­on sieht vor, dass inklu­si­ver Unter­richt in mög­lichst wohn­ort­na­hen Schu­len ange­bo­ten wird. Schwer­punkt­schu­len kon­ter­ka­rie­ren die­ses Recht aber und ver­hin­dern einen sys­te­ma­ti­schen Wan­del hin zu einem inklu­si­ven Schul­sys­tem, da nur bestimm­te Stand­or­te die­sen päd­ago­gi­schen Auf­trag übernehmen.

Rhein­land-Pfalz ist neben Bay­ern und Baden-Würt­tem­berg Schluss­licht bei der Umset­zung schu­li­scher Inklu­si­on, wie eine im Sep­tem­ber 2021 erschie­ne­ne WZB-Stu­die gezeigt hat.

Selbst­lern­kur­se

Was die Men­schen zum Online-Ler­nen motiviert

In einer Koope­ra­ti­on zwi­schen dem Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) in Bam­berg und der Vir­tu­el­len Hoch­schu­le Bay­ern (vhb) soll der Fra­ge nach­ge­gan­gen wer­den, was die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer moti­viert, sich mit den Kur­sen der Platt­form OPEN vhb wei­ter­zu­bil­den und wie sich die Lern­mo­ti­va­ti­on im Lau­fe der Kurs­be­ar­bei­tung entwickelt.

Ob aus pri­va­tem Inter­es­se oder für die beruf­li­che Wei­ter­ent­wick­lung: Das eigen­stän­di­ge Ler­nen mit Hil­fe von Vide­os oder ande­ren digi­ta­len Lern­ma­te­ria­li­en ist nicht erst seit der Coro­na-Pan­de­mie beliebt. Mit der Über­zeu­gung „Wis­sen ist die bes­te Ant­wort“ macht die Vir­tu­el­le Hoch­schu­le Bay­ern (vhb) über ihre Platt­form OPEN vhb Hoch­schul­wis­sen in Form von Selbst­lern­kur­sen bereits seit Juli 2019 frei zugänglich.

Die Koope­ra­ti­ons­part­ner sind gespannt auf das Feed­back der Nut­zen­den, das in die Fort­ent­wick­lung der OPEN vhb-Kur­se ein­flie­ßen wird.

OPEN vhb-Kur­se sind offe­ne Online-Kur­se der baye­ri­schen Hoch­schu­len, die über eine gemein­sa­me Platt­form für alle Inter­es­sier­ten kos­ten­frei nutz­bar sind. Die Kur­se sind grund­sätz­lich nicht für die Anrech­nung auf ein Hoch­schul­stu­di­um kon­zi­piert, son­dern für das selbst­mo­ti­vier­te, lebens­lan­ge Ler­nen. Der­zeit umfasst das Ange­bot von OPEN vhb fast 90 Kur­se aus zehn Wis­sens­ge­bie­ten – vom Grund­kurs Phi­lo­so­phie über Unter­neh­mens­füh­rung und Medi­en­in­for­ma­tik bis hin zu den Grund­la­gen der Zell­bio­lo­gie. Alle Kur­se sind als Selbst­lern­ein­hei­ten kon­zi­piert. Das bedeu­tet, die Ler­nen­den bestim­men selbst über ihr Lern­tem­po, sind nicht an fes­te Zei­ten gebun­den, müs­sen sich aber auch selbst zum Ler­nen über län­ge­re Zeit­räu­me motivieren.


Moti­va­ti­ons­ver­läu­fe verstehen

Hier setzt die Unter­su­chung des LIf­Bi an. Die dort behei­ma­te­te For­schungs­grup­pe „Bil­dung in einer digi­ta­len Welt“ will wis­sen: Wie ver­än­dert sich die Moti­va­ti­on im Lauf der Zeit? Wel­che Fak­to­ren haben einen Ein­fluss auf ihre Auf­recht­erhal­tung? Wie unter­schei­den sich Ler­nen­de, die ihre Moti­va­ti­on auf­recht­erhal­ten, von Ler­nen­den, deren Moti­va­ti­on im Lau­fe der Zeit absinkt? Und gibt es kri­ti­sche Zeit­punk­te, zu denen es wahr­schein­lich ist, dass Ler­nen­de die Moti­va­ti­on ver­lie­ren und von einem Kurs abspringen?

Um die­se Fra­gen zu beant­wor­ten, sind ab sofort eini­ge Kur­se der OPEN vhb mit Fra­ge­bö­gen ver­knüpft. Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer wer­den zu Beginn, in der Mit­te und kurz vor dem Ende eines Kur­ses gebe­ten, frei­wil­lig bei einer kur­zen Online-Befra­gung mitzumachen.


Posi­ti­ve Lern­erleb­nis­se schaffen

Ein Kurs­an­bie­ter der OPEN vhb ist Jörg Wol­stein, Pro­fes­sor für Patho­psy­cho­lo­gie an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg. Sein „Stress­ma­nage­ment“ ist einer der Kur­se, in denen die Fra­ge­bö­gen plat­ziert sind. „Die Erkennt­nis­se, die wir aus der Befra­gung zie­hen kön­nen, sind auch für uns als Kurs­kon­zi­pie­ren­de sehr hilf­reich. Wenn wir wis­sen, wie sich die Moti­va­ti­on im Kurs­ver­lauf ver­än­dert, kön­nen wir schon bei der Kon­zep­ti­on oder der Über­ar­bei­tung von Kur­sen Ele­men­te ein­bau­en, um unse­re Teil­neh­men­den für die wei­te­re Kurs­be­ar­bei­tung zu moti­vie­ren und damit zu einem posi­ti­ven Lern­erleb­nis beitragen.“


For­schungs­lü­cken schließen

Mit den gewon­ne­nen Daten möch­ten die For­schen­den des LIf­Bi die aktu­ell bestehen­de For­schungs­lü­cke zu Moti­va­ti­ons­ver­läu­fen im Rah­men non-for­ma­ler, digi­ta­ler Lern­ge­le­gen­hei­ten ver­rin­gern. „Wir und alle Pro­jekt­be­tei­li­gen hof­fen, dass mög­lichst vie­le Kurs­teil­neh­men­de sich die Zeit neh­men, die Fra­ge­bö­gen zu beant­wor­ten und uns so bei der Beant­wor­tung unse­rer For­schungs­fra­ge unter­stüt­zen“, so Maria Klo­se von der LIf­Bi-For­schungs­grup­pe. Der Zeit­auf­wand dafür beträgt jeweils rund zehn Minu­ten. Die Teil­nah­me ist selbst­ver­ständ­lich frei­wil­lig und ein Rück­schluss auf per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten ist bei der Wei­ter­ver­ar­bei­tung und Aus­wer­tung der Ant­wor­ten nicht möglich.

Der Kurs­ein­stieg bei der OPEN vhb ist jeder­zeit und kos­ten­frei mög­lich. Eine Über­sicht über alle Kurs­an­ge­bo­te und die Mög­lich­keit zur Regis­trie­rung fin­den sich auf https://open.vhb.org. Für die Regis­trie­rung sind nur Vor­na­me, Nach­na­me und eine E‑Mail-Adres­se erforderlich.


Über das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi)

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Verfügung.

Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am LIf­Bi behei­ma­tet ist und die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks ver­eint. Wei­te­re Groß­pro­jek­te, an denen das LIf­Bi betei­ligt oder füh­rend ist, sind die Geflüch­te­ten­stu­di­en ReGES und Bil­dungs­we­ge­Flucht oder das Inklu­si­ons­pro­jekt INSIDE. Grund­la­ge dafür sind die eige­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re die fun­dier­te Instru­men­ten- und Metho­den­ent­wick­lung für längs­schnitt­li­che Bil­dungs­stu­di­en, von der auch ande­re Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen und ‑pro­jek­te profitieren.


Über die Vir­tu­el­le Hoch­schu­le Bay­ern (vhb)

Die Vir­tu­el­le Hoch­schu­le Bay­ern (vhb) als Ver­bund­ein­rich­tung von 32 Hoch­schu­len in Bay­ern ver­folgt seit ihrer Grün­dung im Jahr 2000 den Gedan­ken des Tei­lens und Ver­net­zens von digi­ta­ler Leh­re. Sie för­dert und unter­stützt die Ent­wick­lung digi­ta­ler Kur­se und Lehr­ein­hei­ten und setzt sich für den Aus­tausch und die hoch­schul­über­grei­fen­de Nut­zung in Bay­ern ein. Sämt­li­che Online-Lehr­an­ge­bo­te wer­den von Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren der Trä­ger­hoch­schu­len entwickelt.

Mit OPEN vhb haben seit 2019 alle inter­es­sier­ten Per­so­nen die Mög­lich­keit, sich Hoch­schul­wis­sen anzu­eig­nen und einen Blick in das vir­tu­el­le Schau­fens­ter der Hoch­schul­leh­re in Bay­ern zu wer­fen. Die Ein­schrei­bung an einer Hoch­schu­le oder eine Stu­di­en­be­rech­ti­gung sind nicht erfor­der­lich. Das the­ma­tisch breit­ge­fä­cher­te Ange­bot bie­tet der­zeit rund 90 Kur­se und wird fort­lau­fend ausgebaut.

Für die hoch­schul­über­grei­fen­de Nut­zung in Bay­ern ste­hen den Stu­die­ren­den der Trä­ger­hoch­schu­len rund 580 CLASSIC vhb-Kur­se kos­ten­frei zur Ver­fü­gung, in denen ECTS-Punk­te für das Stu­di­um erwor­ben wer­den kön­nen sowie rund 1.300 Lear­ning SMART vhb-Ein­hei­ten mit einer Bear­bei­tungs­zeit von ca. 45 Minu­ten, die von Leh­ren­den und Stu­die­ren­den fle­xi­bel in Blen­ded Lear­ning-For­ma­te inte­griert wer­den können.

Inklu­si­ons­stu­die INSIDE 

Kin­der mit För­der­be­darf konn­ten im Lock­down schlech­ter lernen

Inklu­siv beschul­te Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen haben wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen im Früh­jahr 2020 ungüns­ti­ge­re Lern­be­din­gun­gen erlebt als ihre Mit­schü­le­rin­nen und Mit­schü­ler ohne sol­che beson­de­ren Bedar­fe, wie aus einer der Aus­wer­tung einer Befra­gung von fast 2.000 Kin­dern der Klas­sen­stu­fen 7 und 8 hervorgeht.

Die Befra­gung wur­de als Teil der schul­be­zo­ge­nen Inklu­si­ons­stu­die INSIDE durch­ge­führt, die unter ande­rem am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) behei­ma­tet ist. Es zeig­te sich, dass gleich­zei­tig die Kin­der, unab­hän­gig von För­der­be­dar­fen, die Zeit der Schul­schlie­ßung sehr unter­schied­lich wahr­ge­nom­men haben.

Die Bedin­gun­gen für das Ler­nen zuhau­se wäh­rend der ers­ten Schul­schlie­ßung waren für Schü­le­rin­nen und Schü­ler von ganz unter­schied­li­chen Vor­aus­set­zun­gen geprägt. Inzwi­schen herrscht Einig­keit dar­über, dass sich bestehen­de Benach­tei­li­gun­gen durch die Schul­schlie­ßun­gen wei­ter ver­schärft haben. Eine Grup­pe ist dabei beson­ders betrof­fen, jedoch weit­ge­hend aus dem Blick­feld gera­ten: Zur Situa­ti­on von Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen lie­gen bis­lang nur wenig empi­ri­sche Befun­de vor. Die­se Lücke will das Pro­jekt INSIDE (Inklu­si­on in und nach der Sekun­dar­stu­fe) ver­rin­gern. Die For­sche­rin­nen Dr. Cor­ne­lia Gresch von der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin und Dr. Mon­ja Schmitt vom LIf­Bi in Bam­berg gehen in einer aktu­el­len Aus­wer­tung der Fra­ge nach, wel­che Unter­schie­de es wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen im Früh­jahr 2020 beim Ler­nen und Wohl­be­fin­den zwi­schen Schul­kin­dern mit und ohne För­der­be­dar­fe gab. Die Daten dafür lie­fern Selbst­ein­schät­zun­gen von 1.939 Kin­dern, die im Rah­men der regu­lä­ren Erhe­bun­gen der Lang­zeit­stu­die INSIDE im Herbst 2020 erfragt wur­den. 13 Pro­zent die­ser Kin­der hat­ten son­der­päd­ago­gi­sche Förderbedarfe.


Prä­senz­un­ter­richt ermög­licht Teilhabe

Kin­der mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen wei­sen zu Hau­se häu­fig eher ungüns­ti­ge Lern­vor­aus­set­zun­gen auf. Für sie ist das Feh­len von Prä­senz­un­ter­richt beson­ders fol­gen­reich, denn die Teil­ha­be an Bil­dungs­an­ge­bo­ten wird ihnen dadurch erschwert. Dazu kommt, dass das Ler­nen zuhau­se sich stark von den indi­vi­dua­li­sier­ten Unter­richts­for­ma­ten unter­schei­det, die die­se Grup­pe gewohnt ist: Sie benö­tigt mehr Moti­va­ti­on, mehr Beglei­tung und Auf­merk­sam­keit durch die Lehr­kraft und umso mehr das Gefühl, in einer Gemein­schaft zu ler­nen – Fak­to­ren, die beim Ler­nen zuhau­se im Früh­jahr 2020 weit­ge­hend weg­ge­fal­len sind.


Kin­der mit För­der­be­darf lern­ten weniger

Wie auch aus ande­ren Befra­gun­gen zum Ler­nen zuhau­se wäh­rend der Schul­schlie­ßung (–> NEPS Coro­na & Bil­dung No. 1) her­vor­ging, war die Zeit­span­ne, die Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit schu­li­schen Lern­in­hal­ten ver­brach­ten, sehr unter­schied­lich. Die­ses Bild zeigt sich auch in der INSI­DE-Befra­gung. Es gibt sowohl Kin­der, die berich­te­ten, in die­ser Zeit deut­lich weni­ger für die Schu­le gear­bei­tet zu haben, als auch sol­che, die einen viel grö­ße­ren Zeit­auf­wand als zu nor­ma­len Schul­zei­ten anga­ben. Beim Ver­gleich der Grup­pen mit und ohne För­der­be­dar­fe zei­gen sich sta­tis­tisch bedeut­sa­me Unter­schie­de. 18 Pro­zent der Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit För­der­be­dar­fen gaben an, viel weni­ger gear­bei­tet zu haben. Bei den Mit­schü­le­rin­nen und Mit­schü­lern ohne För­der­be­dar­fe mach­ten die­se Aus­sa­ge nur 11 Pro­zent. Noch deut­li­cher wird die­ser Unter­schied bei der Fra­ge, in wel­chem Umfang die Auf­ga­ben bear­bei­tet wur­den, die von der Schu­le zur Ver­fü­gung gestellt wur­den. 17 Pro­zent der Kin­der mit För­der­be­dar­fen gaben hier „kei­ne“ oder „wenig“ an (im Ver­gleich zu 8 Pro­zent bei der Grup­pe ohne För­der­be­dar­fe). Bei der Arbeits­um­ge­bung ist auf­fäl­lig, dass Kin­der mit För­der­be­dar­fen weni­ger oft einen Zugang zu Dru­ckern hat­te, aber häu­fi­ger von Per­so­nen berich­te­ten, die auf die Erle­di­gung der Auf­ga­ben achteten.


Schul­schlie­ßung beein­flusst auch Wohlbefinden

Die For­schen­den frag­ten die Kin­der auch, wie es ihnen wäh­rend der ers­ten Schul­schlie­ßung ins­ge­samt gegan­gen ist. Die Ant­wor­ten erge­ben ein hete­ro­ge­nes Bild. Auf­fäl­lig ist, dass Kin­der mit För­der­be­dar­fen signi­fi­kant häu­fi­ger extre­me Emp­fin­dun­gen („über­haupt nicht gut“ oder „sehr gut“) angaben.

Ins­ge­samt sehen die For­sche­rin­nen Gresch und Schmitt Kin­der mit son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­dar­fen beim Ler­nen zuhau­se benach­tei­ligt. „Sie hat­ten zusätz­lich zu den bestehen­den Her­aus­for­de­run­gen teil­wei­se ungüns­ti­ge­re Lern­be­din­gun­gen und ver­brach­ten auch weni­ger Zeit mit Ler­nen. Wir sehen hier die Befun­de ande­rer Stu­di­en bestä­tigt, dass Ungleich­heit durch feh­len­den Prä­senz­un­ter­richt wei­ter ver­stärkt wird“, so Cor­ne­lia Gresch.

Der voll­stän­di­ge Bericht ist auf https://www.lifbi.de/Transferberichte zu finden.


Über das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi)

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Verfügung.

Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am LIf­Bi behei­ma­tet ist und die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks ver­eint. Wei­te­re Groß­pro­jek­te, an denen das LIf­Bi betei­ligt oder füh­rend ist, sind die Geflüch­te­ten­stu­di­en ReGES und Bil­dungs­we­ge­Flucht oder das Inklu­si­ons­pro­jekt INSIDE. Grund­la­ge dafür sind die eige­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re die fun­dier­te Instru­men­ten- und Metho­den­ent­wick­lung für längs­schnitt­li­che Bil­dungs­stu­di­en, von der auch ande­re Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen und ‑pro­jek­te profitieren.

Inter­na­tio­na­le For­schung unter Bam­ber­ger Leitung 

Schul­zeit bestimmt Lebens­we­ge – unab­hän­gig vom Bildungssystem

Ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team unter Lei­tung von Prof. Dr. Stef­fen Schind­ler von der Uni­ver­si­tät Bam­berg hat Bil­dungs­we­ge in sie­ben ver­schie­de­nen Län­dern unter­sucht. Ziel der Unter­su­chung war es, her­aus­zu­fin­den, ob sich unter­schied­li­che Bil­dungs­sys­te­me dar­in unter­schei­den, inwie­weit sie den spä­te­ren beruf­li­chen Erfolg vorherbestimmen.

Durch die Wahl der wei­ter­füh­ren­den Schu­le wer­den in Deutsch­land bereits früh­zei­tig Lebens­ver­läu­fe vor­her­be­stimmt. Schü­le­rin­nen und Schü­ler an Haupt­schu­len fin­den sich im spä­te­ren Leben häu­fi­ger in Beru­fen mit nied­ri­ge­rem Ein­kom­men wie­der als Schü­le­rin­nen und Schü­ler auf dem Gym­na­si­um. Der Umstand, dass durch das deut­sche Schul­sys­tem sol­che soge­nann­ten Pfad­ab­hän­gig­kei­ten beson­ders früh ange­legt wer­den, wird in der öffent­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung häu­fig kri­ti­siert. Zum Ver­gleich wer­den dann oft Bil­dungs­sys­te­me ange­führt, die län­ge­re Zei­ten gemein­sa­men Ler­nens in der Sekun­dar­stu­fe vorsehen.

Ob sich unter­schied­li­che Bil­dungs­sys­te­me tat­säch­lich dar­in unter­schei­den, inwie­weit sie den spä­te­ren beruf­li­chen Erfolg vor­her­be­stim­men, hat nun ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team unter­sucht. Es hat die Bil­dungs­sys­te­me aus sie­ben Län­dern mit­ein­an­der ver­gli­chen. Die Ergeb­nis­se wur­den im Juli 2021 in einem Son­der­band der Zeit­schrift „Lon­gi­tu­di­nal and Life Cour­se Stu­dies“ ver­öf­fent­licht. Die Erkennt­nis: „In allen Bil­dungs­sys­te­men fin­det eine Sor­tie­rung der Schü­le­rin­nen und Schü­ler statt, durch die der spä­te­re Arbeits­markt­er­folg vor­her­be­stimmt wird“, fasst Dr. Stef­fen Schind­ler zusam­men, Pro­fes­sor für Sozio­lo­gie mit dem Schwer­punkt Bil­dung und Arbeit im Lebens­ver­lauf an der Uni­ver­si­tät Bam­berg. Er lei­tet das For­schungs­pro­jekt „LIFETRACK“ („Life-Cour­se Dyna­mics of Edu­ca­tio­nal Tracking“).


Auf­tei­lung der Schü­le­rin­nen und Schü­ler in allen Bildungssystemen

Sozio­lo­gin­nen und Sozio­lo­gen aus Däne­mark, Deutsch­land, Eng­land, Finn­land, Frank­reich, Isra­el und Ita­li­en haben für das Pro­jekt ihre Bil­dungs­sys­te­me unter­sucht und ver­gli­chen. Ihr Augen­merk rich­te­ten sie dabei auf die Sekun­dar­stu­fe. Dort befin­den sich typi­scher­wei­se Schü­le­rin­nen und Schü­ler zwi­schen 10 und 18 Jah­ren. Die Sekun­dar­stu­fe ist je nach Land unter­schied­lich gestal­tet. In Deutsch­land wer­den Schü­le­rin­nen und Schü­ler in der Regel bereits im Alter von 10 Jah­ren auf unter­schied­li­che Schul­for­men aufgeteilt. 

In ande­ren Län­dern besu­chen Her­an­wach­sen­de bis zum Alter von 14 oder 16 Jah­ren eine Gesamt­schu­le. Den­noch fin­den sich auch in sol­chen Schul­sys­te­men Auf­tei­lun­gen der Schü­le­rin­nen und Schü­ler, die jedoch nicht immer offen­sicht­lich sind. „Alle For­schungs­teams haben in ihrem Land eine Form der Auf­tei­lung von Schü­le­rin­nen und Schü­lern in der Sekun­dar­stu­fe fest­ge­stellt – unab­hän­gig vom Bil­dungs­sys­tem“, sagt Stef­fen Schind­ler. Sicht­bar wird die­se Dif­fe­ren­zie­rung etwa, wenn Kin­der je nach Leis­tung in unter­schied­li­che Lern­grup­pen auf­ge­teilt wer­den. In Eng­land fin­det die Auf­tei­lung unauf­fäl­li­ger statt, zum Bei­spiel durch die Wahl bestimm­ter Fächer oder die Teil­nah­me an bestimm­ten Prüfungen.

Der Sozio­lo­ge Stef­fen Schind­ler lei­tet das inter­na­tio­na­le For­schungs­pro­jekt LIFETRACK. Foto: BAGSS/​Universität Bamberg 

Aka­de­mi­sche Bil­dung bringt in jedem Bil­dungs­sys­tem Vorteile

Die sie­ben Län­der­stu­di­en stim­men in einer Erkennt­nis über­ein: Aka­de­mi­sche Bil­dungs­we­ge füh­ren ten­den­zi­ell zu güns­ti­ge­ren Ergeb­nis­sen auf dem Arbeits­markt als beruf­li­che Bil­dungs­we­ge. „Und die Fra­ge, ob jemand spä­ter ein Stu­di­um auf­nimmt oder nicht, wird in fast allen Län­dern sehr häu­fig bereits durch die Sor­tie­rung in der Sekun­dar­stu­fe ent­schie­den“, sagt Stef­fen Schind­ler. Es zeigt sich in der Unter­su­chung auch, dass die Auf­tei­lung der Schü­le­rin­nen und Schü­ler in allen Län­dern zur Ent­ste­hung sozia­ler Ungleich­heit bei­trägt. Das liegt zum Bei­spiel dar­an, dass Kin­der aus benach­tei­lig­ter sozia­ler Her­kunft häu­fi­ger in den nicht-aka­de­mi­schen Bil­dungs­gän­gen vor­zu­fin­den sind als Kin­der aus pri­vi­le­gier­ter sozia­ler Herkunft.

Für das Pro­jekt haben die For­schen­den längs­schnitt­li­che Daten ihres jewei­li­gen Lan­des ana­ly­siert. Das deut­sche Team nutz­te Daten des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels (NEPS) in Zusam­men­ar­beit mit dem Bam­ber­ger Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi). Neben Stef­fen Schind­ler gehö­ren zum deut­schen For­schungs­team Prof. Dr. Corin­na Klei­nert und Clau­dia Trai­ni. LIFETRACK ist ein Teil des euro­päi­schen For­schungs­pro­gramms „Dyna­mics of Ine­qua­li­ty Across the Life Cour­se“ (DIAL). NORFACE för­dert das Pro­jekt ins­ge­samt mit rund 1,4 Mil­lio­nen Euro. NORFACE ist ein Zusam­men­schluss meh­re­rer natio­na­ler For­schungs­för­der­or­ga­ni­sa­tio­nen in Euro­pa, wie zum Bei­spiel der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG).

Pro­jekt „Data Literacy“ 

Digi­ta­le und daten­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen der Men­schen in Deutsch­land wer­den von Bam­berg aus vermessen

Der kom­pe­ten­te Umgang mit digi­ta­len Daten, Infor­ma­tio­nen und Medi­en ist eine Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­ti­on für gesell­schaft­li­che Teil­ha­be und Fort­schritt – sie steht im Fokus eines neu­en Pro­jekts, das im August am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) startet.

Die For­schung zu digi­ta­len und daten­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen wird als Teil der Daten­stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung und der Initia­ti­ve Digi­ta­le Bil­dung durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) mit 8,3 Mil­lio­nen Euro geför­dert. In den kom­men­den Jah­ren wird sys­te­ma­tisch unter­sucht, wie gut es um die Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten der bun­des­deut­schen Bevöl­ke­rung im Umgang mit digi­ta­len Daten, Infor­ma­tio­nen und Medi­en bestellt ist. Das Lang­zeit­mo­ni­to­ring am LIf­Bi erhebt für Deutsch­land reprä­sen­ta­ti­ve Daten von etwa 6.000 Per­so­nen zwi­schen 10 bis 70 Jah­ren. Ergänzt wird es durch eine Längs­schnitt­stu­die mit 5.000 Schü­le­rin­nen und Schü­lern, die ver­ste­hen hilft, wie sich digi­ta­le Kom­pe­ten­zen ab der 6. Klas­se ent­wi­ckeln und wie die­se geför­dert wer­den können.

Digi­ta­le Daten, Medi­en und Infor­ma­tio­nen sind all­ge­gen­wär­tig. Ob bei der Nut­zung von Social Media, in Form von digi­ta­len Akten oder als Kenn­wer­te für die Risi­ko­ab­schät­zung in der Coro­na-Pan­de­mie. „Data Liter­acy“ beschreibt die Fähig­keit eines Men­schen, mit sol­chen digi­ta­len Daten und Infor­ma­tio­nen sach­ge­recht umzu­ge­hen, sie zu inter­pre­tie­ren, dar­aus Hand­lungs­emp­feh­lun­gen oder ‑grund­sät­ze ablei­ten, aber auch die Risi­ken der Daten­samm­lung und ‑nut­zung ein­schät­zen zu kön­nen. Digi­ta­le und daten­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen sind damit eine zen­tra­le Vor­aus­set­zung für die Ent­fal­tung eige­ner Hand­lungs­spiel­räu­me, für bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment und den mün­di­gen Umgang mit eige­nen und frem­den Daten.


Minis­te­rin Kar­lic­zek: Daten­kom­pe­tenz erst­mals flä­chen­de­ckend erfassen

Das Pro­jekt „Data Liter­acy“ am LIf­Bi in Bam­berg nimmt nun die­se zen­tra­le Schlüs­sel­kom­pe­tenz für die Bevöl­ke­rung in den Blick. Es sol­len die grund­le­gen­den Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten von Men­schen erfasst wer­den, die als Vor­aus­set­zung für einen kom­pe­ten­ten Umgang mit digi­ta­len Infor­ma­tio­nen und Daten im Lebens­all­tag anzu­se­hen sind. Im Zuge der För­de­rung des Pro­jekts durch das BMBF wies Bun­des­bil­dungs­mi­nis­te­rin Anja Kar­lic­zek in einer Pres­se­mit­tei­lung des BMBF (157÷2021) dar­auf hin, dass es bis­lang noch kei­ne wis­sen­schaft­lich gesi­cher­ten Infor­ma­tio­nen dar­über gibt, wie gut es um die­se Kom­pe­ten­zen in der Bevöl­ke­rung tat­säch­lich bestellt ist – beson­ders in unter­schied­li­chen Alters­grup­pen. Die neue För­de­rung ermög­licht nun, den Kennt­nis­stand und das Fähig­keits­ni­veau der Bevöl­ke­rung durch das LIf­Bi flä­chen­de­ckend zu erfas­sen. Dar­auf auf­bau­end könn­ten zukünf­tig Lern­an­ge­bo­te, Kur­se und Wei­ter­bil­dun­gen gezielt auf die Bedar­fe in der Bevöl­ke­rung abge­stimmt werden.


Exper­ti­se kommt vom LIfBi

„Für die Durch­füh­rung die­ses wich­ti­gen Pro­jekts sind wir am LIf­Bi gut gerüs­tet“, erläu­tert Prof. Dr. Cor­du­la Artelt, Direk­to­rin des LIf­Bi und eine der Antrag­stel­le­rin­nen des neu­en Pro­jekts. „Wir grei­fen bei der inhalt­li­chen und prak­ti­schen Kon­zep­ti­on der Test­ver­fah­ren, der Daten­er­he­bung, dem Daten­schutz und schließ­lich auch der Auf­be­rei­tung der Daten für die wis­sen­schaft­li­che Nut­zung auf unse­re umfas­sen­de Exper­ti­se zurück und kön­nen das ambi­tio­nier­te Lang­zeit­mo­ni­to­ring-Pro­jekt daher zeit­nah umsetzen.“


Reprä­sen­ta­ti­ver Bevöl­ke­rungs­schnitt von Kin­dern bis zu Senioren

Umge­setzt wer­den soll ein For­schungs­de­sign, das die digi­ta­len und daten­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen für die Bun­des­be­völ­ke­rung reprä­sen­ta­tiv in Form wie­der­keh­ren­der Quer­schnitts­er­he­bun­gen erfasst. Dafür wer­den wie­der­holt 6.000 Per­so­nen im Alter zwi­schen 10 und 70 Jah­ren befragt und getes­tet. Ergän­zend dazu wer­den mit einem längs­schnitt­li­chen Ansatz Schü­le­rin­nen und Schü­ler in der Sekun­dar­stu­fe gezielt in den Blick genom­men. Hier wird ab 2022 eine Stich­pro­be mit 5.000 Kin­dern von der 6. Klas­se an beglei­tet. Auf die­se Wei­se kön­nen die indi­vi­du­el­len Ver­än­de­run­gen der digi­ta­len und daten­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen vom Ende der Kind­heit bis zum Über­gang ins Jugend­al­ter über einen Zeit­raum von meh­re­ren Schul­jah­ren erho­ben und die Ent­wick­lung und Bedin­gun­gen für die­se Schlüs­sel­kom­pe­tenz moder­ner Gesell­schaf­ten erfasst und bes­ser ver­stan­den werden.

Das Groß­pro­jekt „Data Liter­acy: Lang­zeit­mo­ni­to­ring von digi­ta­len und daten­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen der bun­des­deut­schen Bevöl­ke­rung“ star­tet im August 2021 und läuft bis zum Jahr 2026. Geför­dert wird es vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) im Rah­men der Daten­stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung. Die För­de­rung der Daten­kom­pe­ten­zen der Bevöl­ke­rung ist ein zen­tra­ler Bau­stein der Daten­stra­te­gie und der Initia­ti­ve Digi­ta­le Bil­dung und soll unter ande­rem dabei hel­fen, zukünf­tig Lern­an­ge­bo­te gezielt auf die Bedar­fe der Bevöl­ke­rung abzustimmen.


Über das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi)

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Verfügung.

Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am LIf­Bi behei­ma­tet ist und die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks ver­eint. Wei­te­re Groß­pro­jek­te, an denen das LIf­Bi betei­ligt oder füh­rend ist, sind die Geflüch­te­ten­stu­di­en ReGES und Bil­dungs­we­ge­Flucht oder das Inklu­si­ons­pro­jekt INSIDE. Grund­la­ge dafür sind die eige­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re die fun­dier­te Instru­men­ten- und Metho­den­ent­wick­lung für längs­schnitt­li­che Bil­dungs­stu­di­en, von der auch ande­re Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen und ‑pro­jek­te profitieren.

Stu­die

Lebens­zu­frie­den­heit durch Coro­na-Aus­wir­kun­gen deut­lich gesunken

Mit­hil­fe von Daten des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels (NEPS) konn­te erst­mals dif­fe­ren­ziert nach Alters­grup­pen die Lebens­si­tua­ti­on von Erwach­se­nen wäh­rend des ers­ten Lock­downs in Deutsch­land unter­sucht wer­den, wobei ins­be­son­de­re die Zufrie­den­heit und die Zukunfts­er­war­tun­gen von über 65-Jäh­ri­gen betrach­tet wurden.

Es zeigt sich: Älte­re tei­len die­sel­ben Sor­gen, ins­be­son­de­re dar­über, dass die Kluft zwi­schen Arm und Reich wei­ter wächst. Ernst­haf­te Geld­pro­ble­me bei sich oder Nahe­ste­hen­den erwar­ten älte­re dage­gen deut­lich sel­te­ner als jün­ge­re Jahrgänge. 

Für die Aus­wer­tung wur­den die Ant­wor­ten von 2.273 Erwach­se­nen zwi­schen 33 und 76 Jah­ren her­an­ge­zo­gen, die regel­mä­ßig im Rah­men des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels befragt wer­den und im Mai 2020 an einer Coro­na-Zusatz­er­he­bung teil­ge­nom­men haben. Bei der Ana­ly­se wur­de die Lebens­si­tua­ti­on der Befrag­ten im Alter von über 65 Jah­ren mit der von jün­ge­ren Befrag­ten ver­gli­chen – zum einen im Hin­blick auf die aktu­el­le Lebens­zu­frie­den­heit, zum ande­ren bezüg­lich ihrer Erwar­tun­gen an die Zukunft.


Älte­re nicht stär­ker belastet

Erwar­tungs­ge­mäß hat die Coro­na-Pan­de­mie in Ver­bin­dung mit dem ers­ten Lock­down die Lebens­zu­frie­den­heit der Men­schen ver­rin­gert – um knapp einen Punkt auf einer Ska­la von 0 (ganz und gar unzu­frie­den) bis 10 (ganz und gar zufrie­den). Die­ser Befund zeigt sich in allen Alters­grup­pen glei­cher­ma­ßen. Befrag­te über 65 Jah­re waren also vom Lock­down mit all sei­nen sozia­len Fol­gen nicht stär­ker betrof­fen als jün­ge­re Erwach­se­ne. Zu den indi­vi­du­el­len Grün­den für den Zufrie­den­heits­rück­gang in den ver­schie­de­nen Alters­grup­pen lässt die Befra­gung jedoch kei­ne Rück­schlüs­se zu.

„Dass der Rück­gang der Zufrie­den­heit bei allen Alters­grup­pen etwa gleich stark war, hat uns über­rascht“, so Dr. Phil­ipp Hand­schuh, Haupt­au­tor der Aus­wer­tung. „Wir hat­ten ver­mu­tet, dass die Zufrie­den­heit der Älte­ren durch Reduk­ti­on der sozia­len Kon­tak­te beson­ders lei­det. Aller­dings muss man ein­schrän­kend sagen, dass wir bei unse­rer Online-Umfra­ge natür­lich vor allem die Älte­ren mit Zugang zu digi­ta­len Tech­no­lo­gien erreicht haben, durch die feh­len­de per­sön­li­che Sozi­al­kon­tak­te zum Teil ja auch kom­pen­siert wer­den konnten.“


Älte­re und Jün­ge­re tei­len die­sel­ben Sorgen

Bei der Fra­ge nach ihren Sor­gen zeig­te sich, dass alle unter­such­ten Alters­grup­pen in ähn­li­chem Aus­maß eine Über­las­tung des Gesund­heits­sys­tems oder eine län­ge­re schwe­re Wirt­schafts­kri­se fürch­ten. Am stärks­ten war dabei die Sor­ge dar­über aus­ge­prägt, dass die finan­zi­el­le Kluft zwi­schen Arm und Reich durch die Pan­de­mie wei­ter wach­sen werde.

In Bezug auf ihre Erwar­tun­gen für die Zukunft zeig­ten sich wie­der­rum Unter­schie­de zwi­schen den Alters­grup­pen. Befrag­te über 65 Jah­re hiel­ten eige­ne Geld­pro­ble­me, eine Ein­schrän­kung ihres Lebens­stan­dards oder mög­li­che finan­zi­el­le Not­la­gen ihrer Ange­hö­ri­gen für deut­lich weni­ger wahr­schein­lich als jün­ge­re Befrag­te. Auch die Erkran­kung von Ange­hö­ri­gen an Coro­na hiel­ten die Älte­ren für unwahr­schein­li­cher. Ledig­lich wenn es um die eige­ne Gesund­heit geht, rech­ne­ten alle Alters­grup­pen etwa gleich stark mit Einschränkungen.

Alle Ergeb­nis­se der Aus­wer­tung fin­den sich im voll­stän­di­gen Bericht „Älte­re Erwach­se­ne in der Coro­na-Kri­se“ der auf https://www.lifbi.de/Corona mit wei­te­ren Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum Down­load bereit steht.


Über das NEPS und die Zusatzbefragung

Das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) in Bam­berg behei­ma­tet ist, besteht aus sechs gro­ßen Teil­stu­di­en, den soge­nann­ten Start­ko­hor­ten. Die­se umfas­sen ins­ge­samt mehr als 60.000 getes­te­te und befrag­te Per­so­nen von der Geburt über Aus­bil­dungs- und Erwerbs­pha­se bis hin­ein in die Nach­er­werbs­pha­se sowie 40.000 zusätz­lich befrag­te Per­so­nen aus deren Umfeld, etwa Eltern und päd­ago­gi­sches Fach­per­so­nal. Die Stich­pro­ben der Start­ko­hor­ten wur­den reprä­sen­ta­tiv für ganz Deutsch­land gezo­gen. Die so erho­be­nen Daten wer­den anony­mi­siert und Bil­dungs­for­schen­den welt­weit zugäng­lich gemacht.

Das NEPS wird getra­gen von einem inter­dis­zi­pli­när zusam­men­ge­setz­ten, deutsch­land­wei­ten Exzel­lenz­netz­werk, in dem zwölf renom­mier­te For­schungs­in­sti­tu­te zusam­men­ar­bei­ten. Gelei­tet wird das NEPS von Prof. Dr. Cor­du­la Artelt vom Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe in Bamberg.

Durch die Zusatz­be­fra­gung im Mai und Juni 2020 wur­den die aktu­el­len Erleb­nis­se und Ein­drü­cke der NEPS-Teil­neh­men­den in der Zeit zwi­schen dem Beginn der Beschrän­kun­gen und den ers­ten Locke­run­gen wäh­rend der Coro­na-Kri­se ermit­telt und so gemein­sam mit den ande­ren Längs­schnitts­da­ten des NEPS für die Bil­dungs­for­schung nutz­bar gemacht. Die Daten wur­den gewich­tet und post­stra­ti­fi­ziert, um Ver­zer­run­gen in der Stich­pro­be auszugleichen.


Über das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi)

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Verfügung.

Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am LIf­Bi behei­ma­tet ist und die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks ver­eint. Wei­te­re Groß­pro­jek­te, an denen das LIf­Bi betei­ligt oder füh­rend ist, sind die Geflüch­te­ten­stu­di­en ReGES und Bil­dungs­we­ge­Flucht oder das Inklu­si­ons­pro­jekt INSIDE. Grund­la­ge dafür sind die eige­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re die fun­dier­te Instru­men­ten- und Metho­den­ent­wick­lung für längs­schnitt­li­che Bil­dungs­stu­di­en, von der auch ande­re Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen und ‑pro­jek­te profitieren.

Geflüch­te­ten­stu­die ReGES zieht nach fünf Jah­ren Bilanz 

Befun­de zur Inte­gra­ti­on geflüch­te­ter Kin­der und Jugend­li­cher in das deut­sche Bildungssystem

Die Stu­die ReGES – Refu­gees in the Ger­man Edu­ca­tio­nal Sys­tem hat über 4.800 geflüch­te­te Kin­der und Jugend­li­che über einen län­ge­ren Zeit­raum hin­weg beglei­tet und unter­sucht, wie gut die Inte­gra­ti­on in das deut­sche Bil­dungs­sys­tem gelingt. Ein Trans­fer­be­richt fasst nun zen­tra­le Befun­de zur Betreu­ung geflüch­te­ter Kin­der in Kin­der­ta­ges­ein­rich­tun­gen und zur Beschu­lung geflüch­te­ter Jugend­li­cher zusammen.

Die Aus­wer­tun­gen der erho­be­nen Daten zei­gen, dass die Inte­gra­ti­on in ver­schie­de­nen Bil­dungs­be­rei­chen durch­aus gelingt, aber sie geben auch Hin­wei­se auf Unter­stüt­zungs­be­dar­fe und Her­aus­for­de­run­gen. Beson­ders der Sprach­för­de­rung kommt dabei eine Schlüs­sel­rol­le zu.

ReGES ist eine Längs­schnitt­stu­die, die über 4.800 Kin­der und Jugend­li­che mit Flucht­hin­ter­grund beglei­tet. Sie ist im Juli 2016 am Bam­ber­ger Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) gestar­tet und wur­de vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) geför­dert. Zum Abschluss des Pro­jekts ReGES wur­den nun die Ana­ly­sen ver­schie­de­ner For­sche­rin­nen und For­scher in einem Trans­fer­be­richt zusam­men­ge­fasst. Die­ser bie­tet einen umfang­rei­chen Über­blick über bis­he­ri­ge Befun­de und zeich­net dabei ein dif­fe­ren­zier­tes Bild über die Inte­gra­ti­on von geflüch­te­ten Kin­dern und Jugend­li­chen an ver­schie­de­nen Punk­ten im deut­schen Bil­dungs­sys­tem. Die Befun­de rei­chen in ihren Impli­ka­tio­nen deut­lich über den for­ma­len Bil­dungs­be­reich hinaus.


Geflüch­te­te Kin­der deut­lich sel­te­ner in Kin­der­ta­ges­ein­rich­tun­gen betreut

Im Rah­men der Stu­die wur­den 2.405 Kin­der im Alter von min­des­tens vier Jah­ren, die zum ers­ten Befra­gungs­zeit­punkt noch nicht ein­ge­schult waren, und ihre Eltern befragt. 79,2 % der Kin­der besuch­ten eine Kin­der­ta­ges­ein­rich­tung. Die Besuchs­quo­te der unter­such­ten Geflüch­te­ten bleibt deut­lich hin­ter der ande­rer Grup­pen Gleich­alt­ri­ger zurück. Dabei erach­ten Dr. Jut­ta von Mau­rice und Dr. Gise­la Will, die bei­den Ver­fas­se­rin­nen des Trans­fer­be­richts, den Besuch einer Kin­der­ta­ges­ein­rich­tung gera­de für Kin­der mit Flucht­hin­ter­grund als sinn­voll und wich­tig. Die Fami­li­en, deren Kin­der kei­ne Kin­der­ta­ges­ein­rich­tung besuch­ten, gaben als Grund hier­für am häu­figs­ten an, dass kein Betreu­ungs­platz ver­füg­bar war. Die Pro­blem­la­ge von Geflüch­te­ten geht aber dar­über hin­aus, so die Autorin­nen des Trans­fer­be­richts, da etwa eini­ge Eltern hier von feh­len­den Infor­ma­tio­nen berichten.

„Ein erfreu­li­ches Ergeb­nis ist, dass 94,1 % der befrag­ten Erzie­he­rin­nen und Erzie­her die Inte­gra­ti­on der Kin­der mit Flucht­hin­ter­grund in ihrer Ein­rich­tung als gelun­gen ein­schät­zen“, so Jut­ta von Mau­rice, Lei­te­rin der ReGES-Stu­die. Es dür­fe aber nicht uner­wähnt blei­ben, dass damit 5,9 % nicht von einer gelin­gen­den Inte­gra­ti­on berichten.


Deut­sche Spra­che als Schlüsselkompetenz

Im Rah­men der Stu­die wur­den 2.415 geflüch­te­te Jugend­li­che im Alter zwi­schen 14 und 16 Jah­ren dazu befragt, wie sie ihre sprach­li­chen Fähig­kei­ten im All­ge­mei­nen (Ver­ste­hen, Spre­chen, Lesen, Schrei­ben) und mit Bezug auf spe­zi­el­le Anwen­dungs­fäl­le ein­schät­zen. Die erho­be­nen Daten wei­sen auf deut­li­che Kom­pe­tenz­un­ter­schie­de in All­tags- und Bil­dungs­spra­che hin.

Wäh­rend die befrag­ten Jugend­li­chen ihre Fähig­kei­ten im All­ge­mei­nen häu­fig als „eher gut“ oder sogar „sehr gut“ ein­schät­zen, zeigt die dif­fe­ren­zier­te Erhe­bung ein deut­lich kom­ple­xe­res Bild: So kön­nen 93,0 % jeman­den begrü­ßen oder sich vor­stel­len, aber nur 41,1 % kön­nen den meis­ten Fern­seh­sen­dun­gen pro­blem­los fol­gen. Und schließ­lich kön­nen nur 18,7 % Lite­ra­tur und Sach­bü­cher lesen und 15,2 % nach eige­nen Anga­ben anspruchs­vol­le Tex­te schrei­ben. „Die Befun­de zur Sprach­kom­pe­tenz wei­sen sehr deut­lich auf die Not­wen­dig­keit von Sprach­för­der­maß­nah­men hin. Hier alar­miert der Befund, dass 64,9 % der Jugend­li­chen zum Erhe­bungs­zeit­punkt an kei­ner Maß­nah­me zur För­de­rung der Deutsch­kom­pe­ten­zen teil­nah­men“, so Prof. Dr. Hans-Gün­ther Roß­bach, ehe­ma­li­ger Direk­tor des Bam­ber­ger Leib­niz-Insti­tuts für Bil­dungs­ver­läu­fe und einer der Antrags­stel­len­den der Stu­die. Er for­dert daher den Aus­bau von Ange­bo­ten der schu­li­schen und außer­schu­li­schen Sprachförderung.


Gro­ße Her­aus­for­de­run­gen in den Schul­lauf­bah­nen geflüch­te­ter Jugendlicher

Die befrag­ten Jugend­li­chen gaben im Rah­men der Stu­die Aus­kunft zum Schul­be­such vor, wäh­rend und nach ihrer Flucht. „Die Daten zei­gen unter ande­rem, dass die Schul­lauf­bahn der befrag­ten Jugend­li­chen auf­grund der Flucht und im Zuge des Ankom­mens in Deutsch­land durch­schnitt­lich län­ger als ein Jahr unter­bro­chen war“, so Gise­la Will. Die anschlie­ßen­de Beschu­lung in Deutsch­land erfol­ge über­dies häu­fig in nied­ri­ge­ren – dem Alter der Jugend­li­chen nicht ent­spre­chen­den – Klas­sen­stu­fen. Gise­la Will, Pro­jekt­ko­or­di­na­to­rin der Stu­die ReGES, betont, dass man mög­li­che Kumu­la­tio­nen der Risi­ken in den Bil­dungs­we­gen geflüch­te­ter Jugend­li­cher im Blick behal­ten müsse.


Ver­bes­ser­te Daten­la­ge über die Situa­ti­on Geflüch­te­ter im deut­schen Bildungssystem

Im Rah­men von ReGES wur­den geflüch­te­te Kin­der und Jugend­li­che sowie ihre Fami­li­en zu meh­re­ren Zeit­punk­ten (= Erhe­bungs­wel­len) befragt. Eltern und Jugend­li­che mach­ten Anga­ben zu per­sön­li­chen und flucht­spe­zi­fi­schen Merk­ma­len sowie zu ihrem Leben und ihren Bil­dungs­er­fah­run­gen in Deutsch­land. Die Geflüch­te­ten hat­ten auch Gele­gen­heit, über Bil­dungs­zie­le und Zukunfts­wün­sche zu berich­ten. Auch Daten der päd­ago­gi­schen Fach­kräf­te sowie der haupt- und ehren­amt­lich in den Gemein­den und Gemein­schafts­un­ter­künf­ten Täti­gen wur­den erho­ben. So konn­te die Stu­die ReGES eine reich­hal­ti­ge Daten­ba­sis über die Situa­ti­on von geflüch­te­ten Kin­dern und Jugend­li­chen im deut­schen Bil­dungs­sys­tem schaf­fen, die in Kür­ze auch der wis­sen­schaft­li­chen Gemein­schaft zur Nut­zung zur Ver­fü­gung steht. Die bis­lang publi­zier­ten Arbei­ten bezie­hen sich vor­wie­gend auf die ers­te Erhe­bungs­wel­le. Wei­te­re Ana­ly­sen mit den Daten der spä­te­ren Erhe­bungs­wel­len sind in Vorbereitung.


Neue Stu­die am LIf­Bi: „Bil­dungs­we­ge von geflüch­te­ten Kin­dern und Jugendlichen“

Ende Janu­ar wur­de die För­de­rung eines neu­en Pro­jekts „Bil­dungs­we­ge von geflüch­te­ten Kin­dern und Jugend­li­chen“ vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) bewil­ligt, das auf dem Daten­be­stand der Stu­die ReGES auf­baut. Das Pro­jekt unter­sucht mit län­ger­fris­ti­ger Per­spek­ti­ve Bil­dungs­we­ge sowie Bil­dungs­ent­schei­dun­gen von jun­gen Geflüch­te­ten an zen­tra­len Schnitt­stel­len des deut­schen Bildungssystems.

Der voll­stän­di­ge Bericht zum Pro­jekt ReGES ist auf https://www.lifbi.de/reges zu finden.


Über das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi)

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) in Bam­berg unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Verfügung. 

Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am LIf­Bi behei­ma­tet ist und die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks ver­eint. Groß­pro­jek­te, an denen das LIf­Bi betei­ligt oder füh­rend ist, sind neben der Geflüch­te­ten­stu­die ReGES auch das schul­be­zo­ge­ne Inklu­si­ons­pro­jekt INSIDE oder die För­der­stu­die für benach­tei­lig­te Kin­der und Fami­li­en BRISE. Grund­la­ge dafür sind die eige­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re die fun­dier­te Instru­men­ten- und Metho­den­ent­wick­lung für längs­schnitt­li­che Bil­dungs­stu­di­en, von der auch ande­re Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen und ‑pro­jek­te profitieren.

30 Jah­re nach dem Mauerfall 

Ein­stel­lung zu Müt­ter­er­werbs­tä­tig­keit spal­tet Ost und West, Jung und Alt

Soll­ten Müt­ter klei­ner Kin­der beruf­lich kür­zer tre­ten? Frau­en sich lie­ber um die Fami­lie als um die Kar­rie­re küm­mern? Män­ner sich aus der Haus­ar­beit her­aus­hal­ten? Eine Stu­die am Bam­ber­ger Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg hat unter­sucht, inwie­fern sich Ost- und West­deut­sche auch 30 Jah­re nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung in ihren Rol­len­bil­dern aktu­ell noch unterscheiden.

Dr. Gun­du­la Zoch, wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin am Bam­ber­ger Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe, hat mit­hil­fe von Längs­schnitt­da­ten unter­sucht, inwie­fern sich Ost- und West­deut­sche in ihren Rol­len­bil­dern aktu­ell noch unter­schei­den. Für ihre Ana­ly­se ver­wen­de­te sie Daten des Bezie­hungs- und Fami­li­en­pa­nels pair­fam (Panel Ana­ly­sis of Inti­ma­te Rela­ti­onships and Fami­ly Dyna­mics). Die ursprüng­lich etwa 12.000 Teil­neh­men­den wer­den seit 2008 ein­mal pro Jahr zu The­men wie Part­ner­schaft, Ein­stel­lun­gen und Fami­li­en­le­ben befragt. Für die Unter­su­chung ver­gleicht Zoch drei Geburts­ko­hor­ten von Ost- und West­deut­schen, die Anfang der 1970-er, 1980-er und 1990-er Jah­re gebo­ren wur­den und damit unter ganz unter­schied­li­chen Bedin­gun­gen auf­ge­wach­sen sind.


Müt­ter­er­werbs­tä­tig­keit spal­tet Ost und West, Jung und Alt

Auch 30 Jah­re nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung unter­schei­den sich die Rol­len­bil­der in Ost und West immer noch deut­lich: Ost­deut­sche befür­wor­ten im Durch­schnitt etwas moder­ne­re Rol­len­bil­der als West­deut­sche. Zwar lie­gen die Ein­stel­lun­gen, dass sich Män­ner eben­so wie Frau­en an der Haus­ar­beit betei­li­gen soll­ten, in Ost- und West­deutsch­land recht nahe bei­ein­an­der, der größ­te Unter­schied zeigt sich aber in der Bewer­tung der Erwerbs­tä­tig­keit von Frau­en mit klei­nen Kin­dern. Wäh­rend sich im Wes­ten die Hal­tung dazu im Lau­fe der Jah­re immer wei­ter moder­ni­siert und sich damit den ega­li­tä­re­ren Ein­stel­lun­gen des Osten ange­gli­chen hat, för­der­te die Aus­wer­tung über­ra­schen­de Ergeb­nis­se für die jüngs­te befrag­te Alters­grup­pe zuta­ge: Sowohl in West als auch in Ost zeigt die Grup­pe der zwi­schen 1990 und 1993 Gebo­re­nen deut­lich tra­di­tio­nel­le­re Ein­stel­lung zur Müt­ter­er­werbs­tä­tig­keit als älte­re Befrag­te. Für die tra­di­tio­nel­le­ren Ein­stel­lun­gen jün­ge­rer Ost­deut­sche dürf­ten vor allem die gestie­ge­ne Teil­zeit­ar­beit von Müt­tern und der Abbau von Betreu­ungs­plät­zen in der Nach­wen­de­zeit rele­vant sein.


Zustim­mung zu Müt­ter­er­werbs­tä­tig­keit vor allem bei Jün­ge­ren stark gestiegen

Auf­grund der jähr­li­chen Befra­gung konn­te erst­mals auch unter­sucht wer­den, inwie­weit sich die Rol­len­bil­der indi­vi­du­el­ler Per­so­nen in den ver­gan­ge­nen 10 Jah­ren ver­än­dert haben. Hier zeigt sich: gera­de jün­ge­re Befrag­te ver­än­dern ihre Ein­stel­lun­gen vor dem Hin­ter­grund neu­er Erfah­run­gen und Lebens­er­eig­nis­se stär­ker als älte­re Befrag­te. Die jüngs­te Gene­ra­ti­on in Ost und West unter­schei­det sich inzwi­schen in ihren Ein­stel­lun­gen am wenigs­ten voneinander.


Lebens­ver­hält­nis­se wich­ti­ger als Herkunft

Ein gro­ßer Teil der beob­ach­te­ten Ein­stel­lungs­un­ter­schie­de zwi­schen Ost und West geht auf unter­schied­li­che Lebens­ver­hält­nis­se zurück. Bei­spiels­wei­se arbei­ten im Wes­ten Deutsch­lands noch immer mehr Frau­en in Teil­zeit, es gibt dort mehr Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund und mehr reli­gi­ös gepräg­te Men­schen als im Osten. All die­se Eigen­schaf­ten beein­flus­sen die gene­rel­le Ein­stel­lung zu tra­di­tio­nel­len Rol­len­bil­dern stark. Aber auch wenn die­se Unter­schie­de berück­sich­tigt wer­den, unter­schei­den sich vor allem älte­re Ost- und West­deut­sche in ihren Ein­stel­lun­gen zur Müttererwerbstätigkeit.

„Die Ost-West-Unter­schie­de haben sich in einem nur sehr kur­zen Zeit­fens­ter von knapp 10 Jah­ren sicht­bar redu­ziert. Vor allem in West­deutsch­land las­sen sich deut­li­che Ver­än­de­run­gen in den vor­mals eher tra­di­tio­nel­len Rol­len­bil­dern beob­ach­ten. Die­se Ein­stel­lungs­ver­än­de­run­gen, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Berufs­tä­tig­keit von Frau­en, hän­gen sicher­lich auch mit dem star­ken Aus­bau der Betreu­ungs­mög­lich­kei­ten für Kin­der unter drei Jah­ren in West­deutsch­land zusam­men“, so Gun­du­la Zoch.

Der voll­stän­di­ge Bericht zur Stu­die ist hier zu fin­den: https://www.lifbi.de/Portals/13/Transferberichte/LIfBi-Forschung-kompakt_01_Rollenbilder-Ost-West.pdf

Wer pro­fi­tiert vom Digitalisierungsschub?

Wie Coro­na zu einer neu­en digi­ta­len Spal­tung in der Arbeits­welt beiträgt

Aktu­el­le Aus­wer­tun­gen einer Coro­na-Zusatz­be­fra­gung im Natio­na­len Bil­dungs­pa­nel (NEPS) geben Auf­schluss dar­über, wel­che Berufs- und Bil­dungs­grup­pen digi­ta­le Tech­no­lo­gien im ers­ten Lock­down häu­fi­ger als vor der Pan­de­mie genutzt haben, zei­gen aber auch, dass der Digi­ta­li­sie­rungs­schub zu einer neu­en digi­ta­len Spal­tung der Erwerbs­be­völ­ke­rung bei­trägt. Hier gilt es, jetzt Steue­rungs­maß­nah­men zu ergrei­fen, for­dern die Autorin­nen und Autoren des Berichts.

Video­mee­tings, Team­ar­beits­platt­for­men und vir­tu­el­le Kon­fe­ren­zen sind spä­tes­tens seit dem Früh­jahr 2020 aus dem pan­de­mi­schen Arbeits­le­ben nicht mehr weg­zu­den­ken. Die Nut­zung die­ser ver­netz­ten digi­ta­len Tech­no­lo­gien ist für vie­le Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer inzwi­schen selbst­ver­ständ­li­cher Teil ihres Arbeits­all­tags. Aktu­el­le Aus­wer­tun­gen der Coro­na-Zusatz­be­fra­gung im Natio­na­len Bil­dungs­pa­nel (NEPS) geben nun Auf­schluss dar­über, wel­che Berufs- und Bil­dungs­grup­pen digi­ta­le Tech­no­lo­gien im ers­ten Lock­down häu­fi­ger als vor der Pan­de­mie genutzt haben. Die Daten zei­gen aber auch, dass der pan­de­mie­be­ding­te Digi­ta­li­sie­rungs­schub nicht alle Beschäf­tig­ten erreicht hat und sogar zu einer neu­en digi­ta­len Spal­tung der Erwerbs­be­völ­ke­rung bei­trägt, die lan­ge über die Pan­de­mie hin­aus Bestand haben könn­te. Hier gilt es, jetzt Steue­rungs­maß­nah­men zu ergrei­fen, for­dern die Autorin­nen und Autoren des Berichts.

Coro­na hat der Digi­ta­li­sie­rung in Deutsch­land einen Schub beschert. Die Hälf­te der fast 1.800 in der NEPS-Zusatz­er­he­bung befrag­ten Erwerbs­tä­ti­gen gab an, in den ers­ten zwei Mona­ten der Pan­de­mie ver­netz­te digi­ta­le Tech­no­lo­gien beruf­lich häu­fi­ger als zuvor genutzt zu haben. Wel­che Beschäf­tig­ten­grup­pen kon­kret einen Digi­ta­li­sie­rungs­schub erlebt haben und wel­che Rol­le das Bil­dungs­ni­veau und Tätig­keits­pro­fi­le dabei spie­len, wur­de mit den NEPS-Daten nun detail­liert untersucht.


Die Tätig­keit ist entscheidend

Mehr als die Hälf­te der Befrag­ten mit Hoch­schul­ab­schluss berich­te­te, dass sie digi­ta­le Tech­no­lo­gien mit Beginn der Pan­de­mie stär­ker genutzt hat. Wich­ti­ger als der for­ma­le Bil­dungs­grad sind jedoch die Tätig­kei­ten der Beschäf­tig­ten. Hier zeigt sich, dass die Sche­re wei­ter aus­ein­an­der­geht: Men­schen mit stark ana­ly­ti­schen Tätig­kei­ten im Job, für die Schrei­ben, Lesen, Rech­nen und IT-Kennt­nis­se hoch rele­vant sind, sowie Men­schen mit stark inter­ak­ti­ven Tätig­kei­ten im Job und hohem Kun­den­kon­takt erfuh­ren einen deut­li­chen Digi­ta­li­sie­rungs­schub am Arbeits­platz. Sie berich­te­ten zu 70 bezie­hungs­wei­se 63 Pro­zent, digi­ta­le Tech­no­lo­gien stär­ker als zuvor zu nut­zen. Wer hin­ge­gen vor allem manu­el­len Tätig­kei­ten nach­geht, erleb­te sel­te­ner eine Ver­stär­kung und manch­mal sogar einen Rück­gang der Technologienutzung.


Wer zuhau­se arbei­tet und hoch­qua­li­fi­ziert ist, wird digitaler

Den gra­vie­rends­ten Unter­schied fan­den die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler im Zusam­men­hang mit der Ver­la­ge­rung des Arbeits­or­tes ins Home­of­fice. Wäh­rend 73 Pro­zent der im Home­of­fice Täti­gen von einer Zunah­me berich­te­ten, liegt der Anteil unter den­je­ni­gen, die ihren Arbeits­platz nicht in die eige­nen vier Wän­de ver­la­gern konn­ten, bei nur 38 Pro­zent. Aus einer frü­he­ren Aus­wer­tung ist bekannt, dass es vor allem hoch­qua­li­fi­zier­te Arbeit­neh­men­de sind, die ins Home­of­fice wech­seln. Und die­se Grup­pe pro­fi­tiert vom pan­de­mi­schen Digi­ta­li­sie­rungs­schub auch am stärksten.

Digi­ta­li­sie­rungs­schub muss alle erreichen

„Die­se neue digi­ta­le Spal­tung der Erwerbs­be­völ­ke­rung dürf­te sich seit dem Früh­jahr 2020 noch wei­ter ver­schärft haben“, so Prof. Dr. Corin­na Klei­nert, eine der Autorin­nen des Berichts.
Sie forscht am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) und ist Pro­fes­so­rin für Sozio­lo­gie mit dem Schwer­punkt längs­schnitt­li­che Bil­dungs­for­schung an der Uni­ver­si­tät Bamberg.

Prof. Dr. Corin­na Klei­nert, Pro­fes­so­rin für Sozio­lo­gie, Foto: LIfBi/​Thomas Riese

„Ver­netz­te Tech­no­lo­gien wer­den zuneh­mend auch für die beruf­li­che Wei­ter­bil­dung genutzt. Wir gehen davon aus, dass der kom­pe­ten­te Umgang mit die­sen neu­en Arbeits­werk­zeu­gen künf­tig eine wach­sen­de Bedeu­tung hat und bestimm­te Beschäf­tig­ten­grup­pen ins Hin­ter­tref­fen gera­ten. Der durch die Coro­na-Kri­se aus­ge­lös­te Digi­ta­li­sie­rungs­schub muss so gesteu­ert wer­den, dass mög­lichst vie­le Beschäf­tig­te davon pro­fi­tie­ren – eine grö­ße­re Aus­schöp­fung der Home­of­fice-Poten­tia­le könn­te zu einer Ver­rin­ge­rung der digi­ta­len Spal­tung bei­tra­gen“, so Klei­nert weiter.


Alle Ergeb­nis­se der Aus­wer­tung fin­den sich im voll­stän­di­gen Bericht „Für wen brach­te Coro­na einen Digi­ta­li­sie­rungs­schub?“, der mit wei­te­ren Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum Down­load bereit steht auf https://www.lifbi.de/Corona

Ler­nen im Lockdown 

Wer gut liest, lernt auch zuhau­se besser

Was hilft Schü­le­rin­nen und Schü­lern, das Ler­nen im Lock­down zu meis­tern? Mit die­ser Fra­ge beschäf­tigt sich die fünf­te Aus­wer­tung der Coro­na-Zusatz­be­fra­gung im Rah­men des Natio­na­len Bildungspanels.

Befra­gun­gen von 1.452 Eltern wäh­rend des Lock­downs im Früh­jahr 2020 und Kom­pe­tenz­tests und Befra­gun­gen aus dem Jahr 2018 lie­fern Daten, anhand derer der Stel­len­wert von Lese­kom­pe­tenz, dem Inter­es­se an den Lern­in­hal­ten und der Bereit­schaft, sich beim Ler­nen anzu­stren­gen, ana­ly­siert wur­de. Die Aus­wer­tun­gen der Eltern­be­fra­gun­gen zei­gen, dass die Kin­der mit hoher Lese­kom­pe­tenz und hoher Anstren­gungs­be­reit­schaft bes­ser mit dem Ler­nen zuhau­se zurecht­ka­men – das Inter­es­se an den Lern­in­hal­ten spielt dage­gen eine gerin­ge­re Rol­le für die Moti­va­ti­on zum Ler­nen wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen. Der Distanz­un­ter­richt kann aber auch eine Chan­ce bie­ten, das selbst­re­gu­lier­te Ler­nen zu för­dern. Dazu müs­sen Leh­ren­de ver­stärkt Metho­den nut­zen, die indi­vi­du­el­le Rück­mel­dun­gen erlau­ben, sagt Prof. Dr. Cor­du­la Artelt, Lei­te­rin des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels.

Das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe in Bam­berg behei­ma­tet ist, besteht aus sechs gro­ßen Teil­stu­di­en. Die­se umfas­sen ins­ge­samt mehr als 60.000 getes­te­te und befrag­te Per­so­nen von der Geburt über Aus­bil­dungs- und Erwerbs­pha­se bis hin­ein in die Nach­er­werbs­pha­se sowie 40.000 zusätz­lich befrag­te Per­so­nen aus deren Umfeld, etwa Eltern und päd­ago­gi­sches Fach­per­so­nal. Die Stich­pro­ben wur­den reprä­sen­ta­tiv für ganz Deutsch­land gezo­gen. Die so erho­be­nen Daten wer­den anony­mi­siert und Bil­dungs­for­schen­den welt­weit zugäng­lich gemacht.

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Ver­fü­gung. Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel, das die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks vereint.

Schrift­li­che Arbeits­an­wei­sun­gen als Motivationsbremse

Zwei Drit­tel der Eltern (67 %) hat­ten Pro­ble­me, ihre Kin­der beim Distanz­un­ter­richt zum Ler­nen zu moti­vie­ren, etwa die Hälf­te davon (35 %) fand dies sogar eher oder sehr schwer. Ein deut­li­cher Unter­schied besteht dabei zwi­schen den Geschlech­tern: Eltern gaben für Jun­gen deut­lich häu­fi­ger an, dass sie schwie­ri­ger zum Ler­nen zuhau­se zu moti­vie­ren waren als für Mäd­chen. Das berich­ten die Eltern von 14-jäh­ri­gen Schü­le­rin­nen und Schü­lern der ach­ten Klas­se wäh­rend der ers­ten Pha­se des Home­schoo­lings im Früh­jahr 2020. Kom­bi­niert man die­se Ein­schät­zung der Eltern mit den Ergeb­nis­sen von Kom­pe­tenz­tests, die die­sel­ben Schü­le­rin­nen und Schü­ler andert­halb Jah­re zuvor im Rah­men des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels erbracht haben, zeigt sich: Wer gut liest, lässt sich leich­ter zum Ler­nen zuhau­se moti­vie­ren und kam mit der unge­wohn­ten Lern­si­tua­ti­on bes­ser zurecht.

Dies mag dar­auf zurück­zu­füh­ren sein, dass das Lesen von Tex­ten in Schul­bü­chern, aber auch von Anlei­tun­gen und Arbeits­an­wei­sun­gen beim Ler­nen zuhau­se beson­ders wich­tig ist, fol­gern die Autorin­nen des Berichts. Anders als im regu­lä­ren Prä­senz­un­ter­richt kön­nen Lehr­kräf­te den Lern­stoff und die Auf­ga­ben in vie­len Fäl­len nicht münd­lich erklä­ren. Die Fähig­keit schrift­li­che Tex­te zu ver­ste­hen, wird damit zur zen­tra­len Kom­pe­tenz für alle Schul­fä­cher – nicht nur für den Deutsch­un­ter­richt. Das hat Fol­gen. Haupt­au­to­rin Dr. Kath­rin Lockl, Lei­te­rin des Arbeits­be­reichs „Kom­pe­ten­zen“ am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe: „Wir ver­mu­ten, dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit gerin­ge­ren Lese­kom­pe­ten­zen häu­fi­ger Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten haben und man­che Auf­ga­ben­stel­lun­gen weni­ger gut nach­voll­zie­hen kön­nen. Sol­che eher ent­mu­ti­gen­den Erfah­run­gen könn­ten dann dazu bei­tra­gen, dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler weni­ger moti­viert sind, ihre Auf­ga­ben zu erledigen.“

Wel­che Chan­cen im Distanz­un­ter­richt liegen

Doch Distanz­un­ter­richt kann Kin­dern auch hel­fen, ihre Kom­pe­ten­zen zu ent­wi­ckeln. Prof. Dr. Cor­du­la Artelt, Lei­te­rin des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels und Direk­to­rin des LIf­Bi: „Damit Kin­der moti­viert sind, brau­chen sie rea­lis­ti­sche Zie­le und Rück­mel­dun­gen. Sie müs­sen sich als kom­pe­tent und auto­nom erle­ben. Eigent­lich eig­net sich das Ler­nen auf Distanz wun­der­bar dazu, selbst­re­gu­lier­tes Ler­nen zu för­dern, aber es muss eine gute Mischung aus selbst­stän­di­gen und ange­lei­te­ten Pha­sen geben.“

Prof. Dr. Cor­du­la Artelt, die Direk­to­rin des Leib­niz-Insti­tuts für Bil­dungs­ver­läu­fe, Foto: LIfBi/​Thomas Riese

Wird Distanz­un­ter­richt nur als die Über­mitt­lung von Auf­ga­ben ver­stan­den, besteht die Gefahr, dass Kin­der zu wenig Rück­mel­dung erhal­ten und gera­de die­je­ni­gen, die ohne­hin Moti­va­ti­ons­schwie­rig­kei­ten haben, abge­hängt wer­den. Die bis­he­ri­gen Aus­wer­tun­gen der Zusatz­be­fra­gung des Natio­na­len Bil­dungs­pa­nels legen nahe, dass dies im ers­ten Lock­down oft der Fall war. Bil­dungs­for­sche­rin Artelt emp­fiehlt Leh­re­rin­nen und Leh­rern des­halb unbe­dingt, indi­vi­du­el­le Ele­men­te zukünf­tig in den Distanz­un­ter­richt ein­zu­bau­en, zum Bei­spiel durch per­sön­li­che Sprech­stun­den, Video­kon­fe­ren­zen oder inter­ak­ti­ve Auf­ga­ben. Klar sei auch: Eltern kön­nen die­se didak­tisch-päd­ago­gi­sche Beglei­tung nicht erset­zen. Was Eltern hin­ge­gen von den Schu­len brau­chen, ist neben Plan­bar­keit des Home­schoo­lings auch Trans­pa­renz, was im Fern­un­ter­richt erwar­tet wird und was die Kin­der in die­ser Zeit leis­ten sol­len. Alle Ergeb­nis­se der Aus­wer­tung fin­den sich im voll­stän­di­gen Bericht „Ler­nen im Lock­down: Wel­che Vor­aus­set­zun­gen hel­fen Schü­le­rin­nen und Schü­lern wäh­rend der Schul­schlie­ßun­gen?“ auf https://www.lifbi.de/corona

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