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Scheßlitz

Zecken­dorf, Dem­mels­dorf und Scheßlitz

Pro­jekt „ZeDeSch“: Sicht­bar­keit für die frü­he­re jüdi­sche Bevölkerung

Die Päd­ago­gin und Musi­ke­rin Maria S. Becker hat in den letz­ten Jah­ren unter Mit­hil­fe der VHS Bam­berg-Land zur frü­he­ren jüdi­schen Bevöl­ke­rung Zecken­dorfs, Dem­mels­dorfs und Scheß­litz‘ recher­chiert. Mit die­sem Pro­jekt, dem sie den Namen „ZeDeSch“ gege­ben hat, möch­te sie die Erin­ne­rung an die Ermor­de­ten sicht­bar machen.

In der Stadt Scheß­litz, gele­gen im nörd­li­chen Bam­ber­ger Land­kreis, leb­te bis in die 1940er Jah­re hin­ein eine gro­ße jüdi­sche Gemein­de. Vor allem die bei­den Orts­tei­le Dem­mels­dorf und Zecken­dorf gal­ten mit ihren Syn­ago­gen, einem Rab­bi­nat und einer zeit­wei­li­gen jüdi­schen Bevöl­ke­rungs­mehr­heit als über­re­gio­nal bedeut­sa­me jüdi­sche Zentren.

Die Nazi­dik­ta­tur sorg­te jedoch dafür, dass bis 1945 alle Jüdin­nen und Juden der drei Orte ent­we­der ermor­det oder zur Flucht gezwun­gen wor­den waren. Heu­te erin­nern ledig­lich der Zecken­dor­fer jüdi­sche Fried­hof und ein in den 1990er Jah­ren auf­ge­stell­ter Gedenk­stein an der Stra­ße zwi­schen Dem­mels­dorf und Zecken­dorf an die­se Menschen.

Ein Geden­ken, das die Päd­ago­gin und Musi­ke­rin Maria S. Becker unzu­rei­chend fin­det und der­zeit zu erwei­tern ver­sucht. So forscht und recher­chiert sie seit eini­ger Zeit unter ande­rem in den Stadt­ar­chi­ven Scheß­litz‘ und Bam­bergs, genau wie im Staats­ar­chiv Bam­berg oder der Doku­men­ten­samm­lung der Holo­caust-Gedenk­stät­te Yad Vas­hem zur frü­he­ren jüdi­schen Bevöl­ke­rung der drei Orte. „Als regio­na­les Zeug­nis des ehe­ma­li­gen jüdi­schen Lebens dient bis­her gän­gi­ger­wei­se der Zecken­dor­fer Fried­hof“, sagt sie. „Es gab aber auch ein jüdi­sches Leben vor der Shoa in den drei Orten, das lei­der im Bewusst­sein der Leu­te vor Ort kaum prä­sent ist. Obwohl es dazu eini­ge Ver­öf­fent­li­chun­gen gibt.“

Mehr Sicht­bar­keit möch­te Maria S. Becker dem frü­he­ren jüdi­schen Leben in Scheß­litz, Dem­mels­dorf und Zecken­dorf, akro­ny­mi­siert „ZeDeSch“, ver­lei­hen. „Sicht­bar­ma­chung, auch wenn dies sowohl für Opfer als auch Täter unan­ge­nehm ist, wäre viel­leicht ein Anfang auf dem Weg zur Hei­lung. Wobei Hei­lung das fal­sche Wort ist. Zu schön klingt der Begriff, aber er geht zumin­dest in die rich­ti­ge Rich­tung. Das frü­he­re jüdi­sche Leben muss ans Licht geholt wer­den, auch aus Schutz vor Wie­der­ho­lung. Dafür das zu ver­hin­dern, tra­gen wir Nach­ge­bo­re­nen die Verantwortung.“

ZeDeSch
Maria S. Becker und Joa­chim Schön, Foto: Sebas­ti­an Quenzer
Zusam­men­ar­beit mit der VHS Bamberg-Land

Unter­stüt­zung erhält Frau Becker von der VHS Bam­berg-Land, nament­lich von ihrem Lei­ter Joa­chim Schön. „Ent­stan­den ist das „ZeDeSch“-Projekt“, sagt Joa­chim Schön, „als wir 2021 „1700 Jah­re jüdi­sches leben in Deutsch­land“ begin­gen. Damals ergab sich eine Art Initia­ti­on, sich mit jüdi­schen The­men im Land­kreis zu beschäf­ti­gen. Und gera­de durch die Recher­che von Maria wur­de uns bei der VHS klar, auch wenn es eigent­lich schon vor­her rela­tiv offen­sicht­lich war, wie wenig die­se The­men bis­her, gera­de im nörd­li­chen Land­kreis, auf­ge­ar­bei­tet wor­den waren.“

Also ent­schied sich die VHS, Frau Becker und ihre Recher­che mit einem insti­tu­tio­nel­len Rah­men zu unter­stüt­zen. So kann sie die gewon­ne­nen Infor­ma­tio­nen immer wie­der in Vor­trä­gen vor­stel­len, die sie online, in der Regi­on und in den drei Orten hält. Auch die Juda­is­tik der Bam­ber­ger Uni­ver­si­tät und die Mit­tel­schu­le Scheß­litz sind eingebunden.

Neben dem Ziel, die Ermor­de­ten und Ver­trie­be­nen in den Vor­trä­gen für heu­ti­ge Gene­ra­tio­nen sicht­bar zu machen und in Erin­ne­rung zu hal­ten, soll das Pro­jekt außer­dem in einer für Okto­ber geplan­ten Ver­le­gung von Stol­per­stei­nen in den drei Orten mün­den. „Und ein wei­te­res Ziel unse­rer Arbeit wäre“, sagt Frau Becker, „dass sich der Land­kreis Gel­der beschafft und eine For­schungs­stel­le zur ehe­ma­li­gen jüdi­schen Bevöl­ke­rung ein­rich­tet. Die Regi­on hinkt im Ver­gleich zu ande­ren Regio­nen in Deutsch­land was das angeht hin­ter­her. Aber das ist Zukunftsmusik.“

„156 See­len und 166 Juden“

Begon­nen hat der jüdi­sche Zuzug nach Zecken­dorf, Dem­mels­dorf und Scheß­litz etwa im 17. Jahr­hun­dert. Wobei, wie so oft in der jüdi­schen Geschich­te, Frei­wil­lig­keit oder Bewe­gungs­frei­heit dabei kaum eine Rol­le spiel­ten. „Der Grund waren unter ande­rem Ver­trei­bun­gen aus den Städ­ten und ent­spre­chen­de Ansied­lun­gen auf dem Land. Die Leu­te schau­ten, wohin sie gehen konn­ten, bezie­hungs­wei­se wel­che Lan­des­her­ren ihnen Schutz gewäh­ren wür­den. Bis ins 18. Jahr­hun­dert hin­ein konn­ten Juden sich nur schwer ihren Ansied­lungs­ort aus­su­chen. Das änder­te sich erst Mit­te des 19. Jahrhunderts.“

Von Zecken­dorf aus brei­te­te sich die jüdi­sche Bevöl­ke­rung in die ande­ren bei­den Orte aus. So gab es jeweils eine jüdi­sche Schu­le und eine Syn­ago­ge in Zecken­dorf und eine Schu­le und Syn­ago­ge in Dem­mels­dorf. Aus der 1833 erschie­ne­nen „Geo­gra­phi­schen Beschrei­bung des Erz­bisth­ums Bam­berg“ von Joseph Anton Eisen­mann geht zudem her­vor, dass in Zecken­dorf mehr Juden als Chris­ten, bezie­hungs­wei­se, wie es in den Doku­men­ten heißt, 156 See­len und 166 Juden, leb­ten. Fast über­flüs­sig zu sagen, dass in ande­ren Doku­men­ten Beschwer­den der Min­der­heit über die­se Bevöl­ke­rungs­ver­tei­lung fest­ge­hal­ten sind.

Über die Jahr­hun­der­te ent­wi­ckel­te sich jedoch ein gemein­schaft­li­ches Zusam­men­le­ben zwi­schen Chris­ten und Juden. So fin­det man etwa in Zecken­dor­fer Gemein­de­rech­nun­gen von 1700 die Ver­gü­tung des Juden Selig­man, der die Gemein­de im Pro­zess gegen einen Mül­ler in Bam­berg ver­tritt. Oder 1912 saßen im Gemein­de­rat von Zecken­dorf zwei Juden, Samu­el Rosen­baum und Karl Heimann. Samu­el Rosen­baum wur­de spä­ter in der Shoa ermor­det. „Die­se Doku­men­te zei­gen“, sagt Joa­chim Schön, „dass die Bezie­hun­gen zwi­schen den Juden und Chris­ten in den drei Orten ganz gut waren. Aus die­sem Grund, so könn­te man anneh­men, haben eini­ge jüdi­sche Fami­li­en nach der Macht­er­grei­fung viel­leicht auch so lan­ge mit ihrer Aus­wan­de­rung gewar­tet, zu lan­ge, bis es zu spät war. Sie konn­ten sich wohl nicht vor­stel­len, dass drei Jahr­hun­der­te tie­fer fami­liä­rer Ver­wur­ze­lung in der Regi­on ein­fach kei­ne Rol­le mehr spiel­ten und sie vom Tod bedroht waren.“

Die Fami­li­en Haus­mann, Gerst und Mannheimer

Begon­nen hat Maria S. Beckers For­schungs­in­ter­es­se in die jüdi­sche Ver­gan­gen­heit der drei Orte nach einem Spa­zier­gang. „Im Som­mer 2019 ging ich mit mit einer Freun­din von der Uni in Dem­mels­dorf spa­zie­ren und ent­deck­te an zwei Gebäu­den Mesus­a­lö­cher.“ Bei einer Mesusa han­delt es sich um eine klei­ne Kap­sel, die in tra­di­tio­nel­len jüdi­schen Häu­sern an Tür- oder Fens­ter­rah­men ange­bracht ist und ein klei­nes hand­ge­schrie­be­nes Per­ga­ment ent­hält, auf dem ein Bibel­zi­tat steht. Befes­tigt wer­den die Kap­seln unter ande­rem mit Schrau­ben, die ent­spre­chend Schrau­ben­lö­cher nötig machen.

„Als ich die­se Löcher in den Tür­pfos­ten von zwei gegen­über­lie­gen­den Häu­sern sah, wur­de ich neu­gie­rig und woll­te mehr wis­sen.“ So fing Frau Becker an, sich in ver­schie­de­nen Archi­ven über die­se Häu­ser und ihre frü­he­ren jüdi­schen Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner zu infor­mie­ren. Auch frag­te sie Leu­te aus den Orten nach der Ver­gan­gen­heit. „Dabei bin ich aller­dings oft auf Ableh­nung gesto­ßen. So wur­de mir bei einer Nach­fra­ge der Satz hin­ge­knallt: Ach, las­sen sie mich bloß mit den Juden in Ruhe.“

Trotz­dem gelang es ihr anhand der gefun­de­nen Infor­ma­tio­nen, ein immer genaue­res Bild der frü­he­ren jüdi­schen Bevöl­ke­rung der „ZeDeSch“-Orte zu zeich­nen. In ihren Vor­trä­gen ver­deut­licht sie die­se anhand von Familiengeschichten.

So leb­te in Zecken­dorf etwa die Fami­lie Haus­mann. Seit mehr als drei Jahr­hun­der­ten war sie dort ansäs­sig gewe­sen. Ihre letz­ten Ver­tre­ter waren Semi und Kathie Haus­mann und ihre bei­den Kin­der Bert­hold und Lud­wig. Semi starb 1940 in St. Getreu in Bam­berg, Mut­ter Kathie und die Söh­ne, die zu die­sem Zeit­punkt 17 und 13 Jah­re alt waren, wur­den in der Shoa ermordet.

Auch die Fami­lie Gerst war jahr­hun­der­te­lang in Zecken­dorf ansäs­sig. Wie vie­le ande­re jüdi­sche Fami­li­en besaß sie ein Anwe­sen, ein Wald­stück und Län­de­rei­en und präg­te den Ort ent­spre­chend. „Heu­te erin­nert in Zecken­dorf jedoch nichts mehr an das weit ver­zweig­te Fami­li­en­le­ben der Gersts“, sagt Maria S. Becker.

Die Fami­lie Mann­hei­mer, auf die Frau Beckers Vor­trä­ge eben­falls ein­ge­hen, wohn­te in Dem­mels­dorf und war im Vieh­han­del tätig. Vater Max und Mut­ter Mar­ta hat­ten eben­falls zwei Kin­der, Tru­de und Wal­ter. Aus einem Zeit­zeu­gen­be­richt geht her­vor, dass Max Mann­hei­mer in der Pogrom­nacht 1938 gezwun­gen wur­de, die Tora­rol­len der Dem­mels­dor­fer Syn­ago­ge auf sei­nem Pfer­de­wa­gen auf den Acker sei­nes Schwie­ger­va­ters zu fah­ren, um sie dort zu ver­bren­nen. Weni­ge Jah­re danach wur­de auch die Fami­lie Mann­hei­mer in der Shoa ermordet.

So riss die Dik­ta­tur nach und nach die jüdi­sche Bevöl­ke­rung aus dem Leben der drei Orte. Im Rah­men eines der Vor­trä­ge kam eine Zeit­zeu­gin auf Frau Becker zu und berich­te­te von einem Vor­fall, der womög­lich sogar den Abschluss die­ser soge­nann­ten Säu­be­run­gen durch die Nazis in Zecken­dorf mar­kier­te. „Sie, die damals Kind war, erzähl­te wie, wahr­schein­lich im Jahr 1942 vor der Bäcke­rei Schmit­tin­ger, die es heu­te noch gibt, ein LKW hielt, und die rest­li­chen Juden, die damals noch nicht aus­ge­wan­dert, weg­ge­zo­gen oder depor­tiert wor­den waren, abholte.“

Kurz­zei­ti­ge Rück­kehr nach „ZeDeSch“

Eini­ge Zeit spä­ter, nach Kriegs­en­de, ergab sich jedoch eine kurz­zei­ti­ge Situa­ti­on, in der wie­der Jüdin­nen und Juden in Scheß­litz und Zecken­dorf leb­ten. Denn 1946 rich­te­te die US-Armee zwei Kib­bu­zim ein, in denen Sho­a­über­le­ben­de aus dem Osten für eini­ge Mona­te eine Wohn­stät­te fan­den. „Dies geschah aus dem Grund, dass die Ame­ri­ka­ner fest­ge­stellt hat­ten, dass es in der Gegend vor der Dik­ta­tur vie­le Juden gege­ben hat­te. Sie nutz­ten die ehe­ma­li­gen jüdi­schen Anwe­sen zur Unter­brin­gung der Shoaüberlebenden.

Dort konn­ten sie sich Kom­pe­ten­zen in der Land­wirt­schaft aneig­nen, um für das neue Leben, das sie spä­ter wo auch immer begin­nen wür­den, gewapp­net zu sein.“ Denn blei­ben woll­ten die Über­le­ben­den im Land der Täter nicht. So wur­de im April 1948 erst der Scheß­lit­zer und im Sep­tem­ber des­sel­ben Jah­res der Zecken­dor­fer Kib­buz wie­der geschlos­sen. „Heu­te weiß in Zecken­dorf aber auch dar­über kaum jemand mehr etwas. Auch das möch­te ich ändern.“

Zusam­men­ar­beit mit der Mit­tel­schu­le Scheßlitz

Ein Vor­ha­ben, das bis­her nicht ohne Erfolg zu sein scheint. „Der Vor­trag in Zecken­dorf“, sagt Joa­chim Schön, „war mit mehr als 80 Leu­ten einer der best­be­such­ten Vor­trä­ge der VHS Bam­berg-Land in den letz­ten Jah­ren. Wir hat­ten mit etwa 20 gerech­net.“ Trotz wie­der­keh­ren­der Ableh­nung in der Bevöl­ke­rung sind Frau Becker und Herr Schön mit dem Anklang der Vor­trä­ge ent­spre­chend zufrie­den. „Es flutscht“, sagt Maria S. Becker, „die Infor­ma­tio­nen wer­den mehr und es mel­den sich immer wie­der Leu­te und geben uns wei­te­re Aus­künf­te. Es scheint ein Inter­es­se an unse­rer Arbeit da zu sein. Und“, fügt sie an, „wir bekom­men Spenden.“

Die­se finan­zi­el­len Zuwen­dun­gen wer­den Mit­te des Jah­res wich­tig. Dann pla­nen Becker und Schön in den drei Orten, etwa 30 Stol­per­stei­ne zu ver­le­gen. Dabei soll der drei erwähn­ten Fami­li­en Haus­mann, Gerst und Mann­hei­mer genau wie wei­te­ren ermor­de­ten Fami­li­en gedacht werden.

Für die­se Sicht­bar­ma­chung erhält das Pro­jekt „ZeDeSch“ zusätz­li­che Unter­stüt­zung von der Mit­tel­schu­le Scheß­litz. „Eine Leh­re­rin der Schu­le war bei einem mei­ner Vor­trä­ge und nahm Kon­takt auf“, sagt Frau Becker. „Nun arbei­te ich schon das gan­ze Schul­jahr mit Klas­sen und Lehr­kräf­ten der Schu­le zusam­men und jetzt wird sie sich an der Stol­per­stein-Ver­le­gung finan­zi­ell beteiligen.“

Ist die­ses Ziel erreicht, will Maria S. Becker die Arbeit am „ZeDeSch“-Projekt aller­dings been­den. „Die Recher­che ist psy­chisch sehr anstren­gend. Vie­le der Doku­men­te, die ich fin­de, geben detail­liert Aus­kunft über die Schick­sa­le der Depor­tier­ten und Ermor­de­ten, das ist für mich auf Dau­er nur schwer aus­zu­hal­ten. Aber bis dahin brin­gen wir etwas ans Licht und das ist gut für alle.“

Vor­trag Maria S. Becker:
Jüdi­sche Geschich­te in der Regi­on Bamberg

22. Febru­ar, 19 Uhr, Ste­phans­hof, Ste­phans­platz 5

260 Asyl­su­chen­de

Ehe­ma­li­ger Super­markt in Scheß­litz wird Notunterkunft

Die Regie­rung von Ober­fran­ken weist dem Land­kreis Bam­berg wei­te­re 260 Asyl­su­chen­de aus der Auf­nah­me­ein­rich­tung für Ober­fran­ken zu. Ein ehe­ma­li­ger Super­markt in Scheß­litz soll nun als Not­un­ter­kunft dienen.

Der­zeit sind in der Auf­nah­me­ein­rich­tung für Ober­fran­ken, dem Bam­ber­ger Anker­zen­trum, etwa 2.400 Geflüch­te­te unter­ge­bracht. Bereits im Novem­ber 2022 hat­te die Stadt Bam­berg auf die Pro­ble­me, die für Ein­woh­ner und Anwoh­ner aus die­ser zu hohen Bele­gung ent­ste­hen, hin­ge­wie­sen und die baye­ri­sche Lan­des­re­gie­rung auf­ge­for­dert, die bis dato man­gel­haf­ten Vor­be­rei­tun­gen auf die geplan­te Schlie­ßung der Ein­rich­tung 2025 zu ver­bes­sern. Um die Situa­ti­on ein wenig zu ent­schär­fen, hat die Regie­rung von Ober­fran­ken dem Land­kreis Bam­berg nun wei­te­re 260 Asyl­su­chen­de aus der Auf­nah­me­ein­rich­tung zuge­wie­sen. So wird der Land­kreis Bam­berg einen frü­he­ren Super­markt in Scheß­litz ab kom­men­der Woche als Not­un­ter­kunft für Asyl­su­chen­de nut­zen. Dies teil­te das Land­rats­amt mit.

„Die ohne­hin schwie­ri­ge Lage spitzt sich auch im Land­kreis Bam­berg wei­ter zu“, sag­te Land­rat Johann Kalb. „Der Flücht­lings­zu­strom ver­stärkt sich. Die Regie­rung von Ober­fran­ken ver­teilt immer mehr Asyl­su­chen­de aus der Auf­nah­me­ein­rich­tung in Bam­berg auf die Land­krei­se und kreis­frei­en Städ­te in ganz Oberfranken.“

Zwar sei­en den viel­fa­chen Auf­ru­fen des Land­krei­ses, Wohn­raum zur Ver­fü­gung zu stel­len, Gemein­den und Pri­vat­per­so­nen bereits in den zurück­lie­gen­den Wochen gefolgt. „Die Situa­ti­on ist aber für alle schwie­rig“, sag­te der Land­rat. Des­halb müs­se der Land­kreis nun den ehe­ma­li­gen Super­markt in Scheß­litz als eige­ne Immo­bi­lie für die vor­über­ge­hen­de Unter­brin­gung von Flücht­lin­gen heranziehen.

„Wir wol­len es so lan­ge wie mög­lich ver­mei­den, Schul­turn­hal­len für die­sen Zweck nut­zen zu müs­sen“, so Land­rat Kalb. Das Gebäu­de in Scheß­litz dien­te zuletzt als Test­zen­trum und Lager für Schutzmasken.

Die Ein­rich­tung von vor­über­ge­hen­den Unter­künf­ten ist not­wen­dig, weil Wohn­raum noch nicht in aus­rei­chen­dem Maße zur Ver­fü­gung steht. Der Land­kreis arbei­te bereits seit Mit­te ver­gan­ge­nen Jah­res dar­an, neue Unter­künf­te für die­sen Zweck zu erschlie­ßen. Seit Novem­ber 2022 gibt es Ver­hand­lun­gen, zusätz­li­chen Wohn­raum zum Bei­spiel auch über mobi­le Con­tai­ner­an­la­gen zu schaffen.

1700 Jah­re jüdi­sches Leben in Deutschland

Guter Ort

2021 mar­kiert das bun­des­wei­te Jubi­lä­ums­jahr „1700 Jah­re jüdi­sches Leben in Deutsch­land“. Vor die­sem Hin­ter­grund ent­wi­ckel­ten das „Pro­jekt 2025-Arche Musi­ca“ und das Bil­dungs­bü­ro des Land­krei­ses Bam­berg die Ver­an­stal­tungs­rei­he “Guter Ort“. Am mor­gi­gen Sonn­tag fin­det in Schlüs­sel­feld die zwei­te Ver­an­stal­tung statt.

Ins­ge­samt han­delt es sich um vier Erin­ne­rungs­ta­ge an das jüdi­sche Leben der Regi­on, die Arno Schim­mel­p­fen­nig aus Bam­berg durch Vide­os und das Auf­zeich­nen der Ver­an­stal­tun­gen zudem in Sze­ne setzt. Eröff­nung war Ende Juli unter gro­ßem Publi­kums­in­ter­es­se in Scheß­litz. Wei­te­re Ter­mi­ne zu Begeg­nun­gen mit der jüdi­schen Geschich­te Fran­kens sind mor­gen in Schlüs­sel­feld, in Hei­li­gen­stadt im Sep­tem­ber und Mit­te Okto­ber in Lich­ten­fels. Wir haben mit Tho­mas Spind­ler über die Rei­he gesprochen.


Herr Spind­ler, war­um haben Sie und das Bil­dungs­bü­ro des Land­krei­ses sich ent­schlos­sen, die Rei­he “Guter Ort – Begeg­nun­gen mit der jüdi­schen Geschich­te Ober­fran­kens” zu organisieren?

Tho­mas Spind­ler: Da Ober­fran­ken und beson­ders der Land­kreis Bam­berg eine Jahr­hun­der­te alte, gro­ße jüdi­sche Geschich­te hat, war es nicht nur an der Zeit, die­se Geschich­te mehr ins Blick­feld der Öffent­lich­keit zu rücken. Das Jubi­lä­ums­jahr „1700 Jah­re jüdi­sches Leben in Deutsch­land“ bot die Mög­lich­keit, die jüdi­sche Geschich­te Ober­fran­kens bun­des­weit vorzustellen.


Am 25. Juli star­te­te die Rei­he in Scheß­litz mit einem Vor­trag. Was wur­de dem Publi­kum dabei geboten?

Tho­mas Spind­ler: Die Ver­an­stal­tung „Guter Ort“ besteht aus unter­schied­li­chen Ange­bo­ten für die Besu­cher. Ein beson­de­res Ange­bot waren Füh­run­gen durch den jüdi­schen Fried­hof von Zecken­dor­fe durch Anton Hein­ert, einem Ken­ner der jüdi­schen Geschich­te der Stadt Scheß­litz.
Im Rah­men des Begeg­nungs­fo­rums in der Mit­tel­schu­le von Scheß­litz konn­ten sich unter­schied­lichs­te Pro­jekt­part­ner und jüdi­sche Kul­tur­ein­rich­tun­gen prä­sen­tie­ren. Auch die Mit­tel­schu­le Scheß­litz und der Hei­mat­ver­ein betei­lig­ten sich und das Besu­cher­inter­es­se war groß. Das drit­te Ange­bot bestand aus auf­ein­an­der abge­stimm­ten Vor­trä­gen, Musik­stü­cken und Ein­bli­cken in die Kul­tur­ge­schich­te unse­rer Regi­on. Refe­ren­ten waren Prof. Dr. Gün­ter Dip­pold, Dr. Karin Deng­ler-Schrei­ber und Mar­kus Rau­pach. Dass ein frän­ki­scher Musik­ver­ein, unter Lei­tung von Hol­ger Lieb, drei jüdi­sche Musik­stü­cke nach einem Arran­ge­ment aus Tel Aviv, Arran­geu­er Dan­ny Don­ner, spiel­te, war ein ech­ter Höhe­punkt und ein beson­de­res Sym­bol für die jüdisch-israe­lisch-deut­sche Pro­jekt­ko­ope­ra­ti­on. Die wun­der­ba­ren und sehr atmo­sphä­ri­schen Video­ein­spie­lun­gen von Arno Schim­mel­p­fen­nig prä­sen­tier­ten den Gäs­ten mehr als 500 Jah­re jüdi­sche Geschich­te und Geschich­ten unse­rer Region.


Wie vie­le Leu­te waren da? Mit wie vie­len hat­ten Sie gerechnet?

Tho­mas Spind­ler: Inklu­si­ve der Füh­run­gen und der Kern­ver­an­stal­tung gehen wir von 250 bis 300 Besu­chern aus, die zwi­schen 13 und 17 Uhr die Ange­bo­te wahr­ge­nom­men haben. Das war ein sehr gutes Ergeb­nis, das so nicht zu erwar­ten war. Zudem haben sich bun­des­weit bereits mehr als 500 Per­so­nen für den Video­stream der Ver­an­stal­tung inter­es­siert, den Arno Schimmelpfennig.


Wie sahen die Rück­mel­dun­gen aus?

Tho­mas Spind­ler: Die aktu­el­len Rück­mel­dun­gen von den Besu­chern, von Pro­jekt­part­nern und aus den Sozia­len Net­zen ist über­aus posi­tiv. Wir beleuch­ten einen bis­her wenig berück­sich­tig­ten und sehr ver­nach­läs­sig­ten Bereich unse­rer Regionalgeschichte.


Wie wird das Pro­gramm der wei­te­ren Ver­an­stal­tun­gen in Schlüs­sel­feld (22. August.), Hei­li­gen­stadt (19. Sep­tem­ber) und Lich­ten­fels (17. Okto­ber) aussehen?

Tho­mas Spind­ler: Die Inhal­te der Vor­trä­ge und die Gäs­te­aus­wahl ändern sich zwar von Ver­an­stal­tungs­tag zu Ver­an­stal­tungs­tag, aber das Rah­men­for­mat der vier Ver­an­stal­tun­gen ist jeweils iden­tisch: Zwi­schen 13 und 17 Uhr gibt es ein Begeg­nungs­fo­rum, wobei die Kern­ver­an­stal­tung jeweils von 15 bis 16:15 Uhr statt­fin­det. Unse­re Füh­run­gen zu den jüdi­schen Fried­hö­fen begin­nen jeweils um 13:30 Uhr und enden um 16:30 Uhr. Alle Kern­ver­an­stal­tun­gen sind am Ver­an­stal­tungs­tag ab 18 Uhr außer­dem als Stream zu sehen.


War­um haben Sie die­se vier Orte für die Vor­trä­ge gewählt?

Tho­mas Spind­ler: Bei mehr als 30 beson­de­ren jüdi­schen Orten in Ober­fran­ken war es unser Ziel, durch die vier unter­schied­li­chen Schau­plät­ze einen ers­ten Ein­druck zum jüdi­schen Leben zu ver­mit­teln. Jeder die­ser Orte wie Scheß­litz, Schlüs­sel­feld, Hei­li­gen­stadt und Lich­ten­fels hat sei­ne eige­nen jüdi­schen Geschich­ten und Schicksale


Was wer­den die Gäs­te Eva Hal­ler, die Prä­si­den­tin der Euro­päi­schen Janusz Kor­c­zak Aka­de­mie, die sich dem inter­re­li­giö­sen Dia­log wid­met, und der Holo­cau­st­über­le­ben­de Roman Hal­ler beitragen?

Tho­mas Spind­ler: Die Teil­nah­me von Gäs­ten wie Eva Hal­ler und Roman Hal­ler, außer­dem Karin Off­mann, die Geschäfts­füh­re­rin des Lan­des­ver­ban­des israe­li­ti­scher Kul­tus­ge­mein­den in Bay­ern, Ger­man Dja­nat­lie, einem Mit­glied im Direk­to­ri­um des Zen­tral­ra­tes der Juden, sind ein Beleg für die Aktua­li­tät der The­men Juden­tum und Anti­se­mi­tis­mus und für die Bedeu­tung die­ser Ver­an­stal­tungs­rei­he. Unse­re Zusam­men­ar­beit mit dem Bil­dungs­bü­ro des Land­krei­ses Bam­berg, hier möch­te ich Vanes­sa Hoh­mann, Dr. Rosa Karl und Dr. Chris­ti­an Lorenz beson­ders dan­ken, war der Schlüs­sel für den Erfolg. Die Team­leis­tung hat den Land­kreis Bam­berg zu einem ech­ten Hot-Spot der jüdi­schen Geschich­te trans­for­miert und gezeigt, dass der Land­kreis die Fach­kom­pe­tenz hat die­ses The­ma über­zeu­gend zu präsentieren.

Rei­he „Guter Ort“

Ter­mi­ne:

22. August, Schlüs­sel­feld, His­to­ri­sche Zehntscheune

19. Sep­tem­ber, Hei­li­gen­stadt, Oertelscheune

17. Okto­ber, Lich­ten­fels, Stadthalle

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen und Strea­ming-Ange­bo­te sind zu fin­den unter https://arche-musica.org/guter-ort/