Am 1. September 1999 trat sie die Stelle an, am 1. Januar 2022 ging sie in den Ruhestand. Als Direktorin der Museen der Stadt Bamberg, namentlich Historisches Museum, Villa Dessauer und Sammlung Ludwig, hat Dr. Regina Hanemann die Geschicke der örtlichen Kulturszene 22 Jahre lang mitbestimmt. Im Interview erzählt die geborene Oberbayerin, warum sie die Stelle anfangs eigentlich nicht wollte, von Macho-Reaktionen aus der Bevölkerung und warum man immer alles anders machen sollte als die Vorgänger.
Frau Dr. Hanemann, 1999 haben Sie die Stelle der Direktorin der Museen der Stadt Bamberg angetreten. Warum hatten Sie sich damals in Bamberg beworben?
Regina Hanemann: Ich hatte in Bamberg studiert und danach eigentlich gedacht, dass ich an einen Ort, in dem ich bereits zum Studium so lange Jahre war, nicht zurückkehren möchte, sondern andere Orte kennenlernen. Eine Freundin schickte mir die damalige Stellenausschreibung zur Leitung der Museen der Stadt Bamberg zu. Mir war damals allerdings bekannt, in was für einem schlechtem Zustand zum Beispiel das Historische Museum war, eine ewige Baustelle. Diesen Augiasstall, dachte ich mir, soll jemand anders ausmisten und wollte mich nicht bewerben. Aber mein Mann, der auch hier studiert hat und großer Bambergfan war und ist, hat mich dann überredet, mich doch zu bewerben. Ich tat es und wie es scheint, gefiel dem Stadtrat meine Bewerbung. Was ihm im Lauf der Jahre aber nicht gefiel, war, dass ich immer direkt darauf hingewiesen habe, was im Museum alles im Argen lag.
Wie wurde dieses Missfallen zum Ausdruck gebracht?
Regina Hanemann: Zuweilen wurde gelacht, wenn ich mit einem neuen Antrag ankam und zum Beispiel neue Vitrinen brauchte. Ich wurde angestellt, um die Museen zu verbessern, aber wenn ich konkrete Vorschläge unterbreitete, war so gut wie nie genug Geld da. Das wird auch meiner Nachfolgerin so gehen. Auch sie soll Berge versetzen, aber ohne Geld. Wie man diesen Widerspruch auflösen kann, weiß ich bis heute nicht. Das heißt, eigentlich wüsste ich es schon, aber dazu bräuchte es auf der politischen Ebene eine klare Linie und eine klare Idee zum Stellenwert des kulturellen Erbes.
Es wurde gelacht? Fühlt man sich da in seiner Arbeit gewürdigt?
Regina Hanemann: Ach, na ja. Man hat schon Respekt vor dem Stadtrat, weil da Volkes Stimme spricht und man es mit 44 verschiedenen Meinungen und 44 Rückmeldungen zu tun hat. Man sieht es ja zurzeit während Corona: Die Kultur steht bei der Budgetplanung nicht an erster Stelle und auch in Museen ist die Arbeit schon sehr mühselig geworden. Ich habe über die Zeit gelernt, dass man nicht immer das Ganze fordern kann. Am Anfang bin ich angetreten und habe Sachen gesagt wie „ich brauche eins-komma-soviel Millionen für all das, was ich machen will“. Aber so geht das natürlich nicht. Da habe ich einfach die Abläufe der Politik nicht so gut verstanden.
Änderte sich das im Lauf der Zeit?
Regina Hanemann: Zusammen mit Werner Hipelius, dem damaligen Bamberger Bürgermeister und Kulturreferent, habe ich es dann so ausgemacht, dass wir die Finanzierung in kleinen Schritten angehen. Die Ausstellungen „Das Jüdische in Bamberg“ und „Die Lebensader Regnitz“ haben wir als Dauerausstellungen deklariert, was die Finanzierung und die Einrichtung der Ausstellungen vereinfacht. Ich muss allerdings sagen, dass diese Anstrengungen und das Fast-Fertigstellen des Historischen Museum den Bambergerinnen und Bambergern in den 22 Jahren meiner Amtszeit kaum aufgefallen sind – im Gegensatz zu den Touristen. Nur zehn Prozent unseres Publikums kommen aus Bamberg.
Carola Schmidt, die neue Direktorin des Diözesanmuseums, hat im Stadtecho-Interview einen ähnlichen Eindruck geschildert. Sie sagte, dass sich die Bambergerinnen und Bamberger nicht besonders bewusst zu sein scheinen, welche kulturellen Schätze die Museen am Domberg beherbergen. Sehen Sie das für die Museen der Stadt auch so?
Regina Hanemann: Ja, aber so etwas ist nicht ungewöhnlich. Das kenne ich als Klage von eigentlich allen Museen und das Thema „Nicht-Besucher“ wird auf vielen Museumstagungen diskutiert. Vielleicht ist das systemimmanent und eine Geisteshaltung heutzutage. Vor 100 Jahren waren die Leute noch stolzer auf ihre Museen. Sie hatten ein Gefühl dafür, dass das ihre eigene Geschichte und ihr eigener Besitz ist, der da vorgezeigt wird. Das scheint verlorengegangen zu sein.
Wenn Sie Ihre 22 Jahre als Direktorin der Museen der Stadt Bamberg mit einigen Adjektiven zusammenfassen müssten, was würden Sie sagen?
Regina Hanemann: Das erste, was mir einfällt, ist jetzt kein Adjektiv, aber ich war immer unter Volldampf. Man rennt immer wie im Galopp auf das nächste Projekt zu. Adjektive wären, auch wenn es ein bisschen platt ist, schön, zufrieden und erfüllend.
Was aus den 22 Jahren bereuen Sie?
Regina Hanemann: Es hat mir immer leid getan, wenn ich einmal sehr streng mit den Mitarbeitern sein musste. Aber so richtig bereuen tue ich nichts. Oder ich habe es vergessen.
Hat die Stelle Sie verändert?
Regina Hanemann: In gewisser Weise. Man arbeitet 22 Jahre im Team mit Menschen, die einem nahe stehen, von denen man aber die Chefin ist. Daran musste ich mich gewöhnen. Und ich habe lernen müssen, Vorwürfe und Kritik zu ertragen. Man kann es nicht allen recht machen, das musste ich auch erstmal begreifen. Obwohl, teilweise gab es wirklich völlig ungerechtfertigte persönliche Kritik – „mit Ihnen wird das nichts“ oder „Sie haben die falschen Klamotten an“ und so weiter.
Können solche Vorwürfe daran gelegen haben, dass Sie die erste Frau im Amt der Direktorin waren?
Regina Hanemann: Das kann gut sein. Das ist schon lange her und ich habe das damals nicht so empfunden, weil ich es mir nicht vorstellen konnte, dass die Vorwürfe daran liegen könnten. Das war vor „metoo“. Aber ich glaube, einem Mann wäre das nicht passiert.
Wofür haben Sie jetzt Zeit, was vorher nicht drin war?
Regina Hanemann: Ich freue mich sehr darauf, jetzt mehr Zeit für andere Museen zu haben. Ich würde zum Beispiel gerne einfach mal zwei Wochen im Ruhrpott rumfahren und mir die ganzen Museen anschauen, die es dort gibt. Und was ich auch wahnsinnig gern tue, ist in Urlaub zu fahren, um zwei Wochen nur zu lesen. Das ist für mich der schönste Urlaub. Aber das erlaubt mein Mann nicht. Er will im Urlaub auch irgendwelche Aktivitäten machen, wie wandern zu gehen.
Sie spielen Bariton-Horn im Posaunenchor der Erlösergemeinde Bamberg und in der Bigband der städtischen Musikschule. Kann man Sie da jetzt öfter hören?
Regina Hanemann: Das konnte man vorher schon. Die Big Band musste in letzter Zeit zwar viele Auftritte ausfallen lassen, aber im Posaunenchor konnte man mich schon viele Sonntage im Gottesdienst mitspielen hören.
Was werden Sie an den drei Museen, Historisches Museum, Villa Dessauer, Sammlung Ludwig, am meisten vermissen?
Regina Hanemann: Ich werde es schon vermissen, jetzt keinen Zugriff mehr zu haben auf die Bestände der Museen. Ich gehe zum Beispiel Inventarlisten durch, die für die eine oder andere Abteilung vielleicht noch lückenhaft sind. Dabei sehe ein ums andere Mal, was wir für tolle Objekte in den Beständen haben und kann gleichzeitig diese Lücken schließen. Toll!
Was werden Sie nicht vermissen?
Regina Hanemann: Ich werde es nicht vermissen, eine Chefin zu sein, also die eine Person, die andere anschieben und ihnen sagen muss „macht dies oder das, so oder so“. Und was ich auch ganz sicher nicht vermissen werde, sind nächtliche Telefonanrufe aus dem Museum, dass es einen Wasserschaden im Depot gibt, wie mehrmals geschehen.
Sie haben es schon angesprochen: Das Historische Museum war 1999 in keinem guten Zustand. Was hieß das genau?
Regina Hanemann: Es war in einem furchtbaren. Mein Vorgänger hat sich in erster Linie mit Ausstellungen beschäftigt und das Museum damit zugegebenermaßen im Ansehen gehoben. Die Pflege des Bestands und des Depots hat er aber zurückfallen lassen. Es gab neun sehr schlechte Depots, in manche hat es reingeregnet und es gab Inventare ohne Standorte der Objekte. Als ich das in meiner ersten Woche gesehen habe, war ich kurz davor, gleich wieder alles hinzuschmeißen. Aber zusammen mit einer tapferen Volontärin, die heute meine Stellvertreterin ist, habe ich einfach angefangen, diesen Saustall aufzuräumen.
In welchem Zustand übergeben Sie das Museum?
Regina Hanemann: In 500 Prozent besserem Zustand als es war.
Haben Sie Tipps für Ihre Nachfolgerin Kristin Knebel?
Regina Hanemann: Sie braucht einen langen Atem. Der lange Atem lohnt sich hier. Ich habe dicke Bretter vorgebohrt in Richtung, was man noch alles bräuchte. Sie muss schauen, dass sie weiter bohrt und darf wahrscheinlich auch nicht gleich zu große Geldsummen zur Finanzierung verlangen.
Frau Knebel hat eine inhaltliche Neuausrichtung der Museen angekündigt. Was halten Sie davon?
Regina Hanemann: So etwas muss man sagen, wenn man neu anfängt. Man muss sagen „ich mache alles anders“. Alle zehn oder 20 Jahre muss sowieso alles umgekrempelt werden. Eine Institution, die so wenige Mitarbeiter hat, wird außerdem ganz stark geprägt von der Person, die die Institution führt. Ich kenne Frau Knebels genaue Pläne nicht, aber ich wünsche ihr alles Gute. Ich habe auch fast alles anders gemacht als alle meine Vorgänger seit 1838.
Aber könnten Sie eine solche Aussage nicht auch insofern auffassen, als dass da jemand vorhat, Ihr Vermächtnis umzuwerfen?
Regina Hanemann: Nein. Es handelt sich ja vor allem nicht um mein persönliches Vermächtnis, sondern ich habe es für die Stadt und das Museum getan. Was ich meiner Nachfolgerin auf keinen Fall antun werde, ist, was mein Vorgänger mir angetan hat, nämlich reinzupfuschen. Mir wurden ja Hindernisse in den Weg gelegt, ich konnte gar nicht so hoch springen.
Auf welche Ausstellung der 22 Jahre sind Sie am stolzesten?
Regina Hanemann: Es gibt das Sprichwort „Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz“. Stolz ist nicht so sehr meins, aber worüber ich doch froh bin, sind die beiden schon genannten Dauerausstellungen, die wir im Museum haben, also „Das Jüdische in Bamberg“ und „Lebensader Regnitz“. Worüber ich mich auch freue, ist die Ausstellung „100 Meisterwerke“, mit der wir den Bambergerinnen und Bambergern in einer kleinen, aber feinen Auswahl zeigen konnten, was sie in und mit diesem Museum haben. Mit dieser Ausstellung haben wir das Historische Museum außerdem sozusagen zu seinem Ursprung zurückführen können. Es wurde 1838 als städtische Kunstsammlung mit eigenen Beständen gegründet.
Was oder wen hätten Sie gerne einmal ausgestellt?
Regina Hanemann: Ich hätte gerne mal eine Ausstellung zu den Treus gemacht, dieser großen Bamberger Maler-Familie aus dem 18. Jahrhundert. Aber deren Gemälde hätten wir uns von anderen Sammlungen ausleihen müssen. Dazu muss ich allerdings generell sagen, dass wir Gemäldeausstellungen nur aus den Beständen des Historischen Museums zusammensetzen können. Unsere Gebäude sind nämlich nach wie vor in einem so bedenklichen Zustand, dass uns andere Museen wegen der klimatischen Voraussetzungen kaum etwas leihen würden. Von daher kann ich mir für Ausstellungen wünschen, was ich will, ich bekomme es nicht.
Wie hat sich die Bamberger Museumslandschaft in Ihrer Zeit verändert?
Regina Hanemann: Es hat sich einiges verändert. Als ich anfing, gab es noch ein Museum für Büromaschinen und eines für Hologramme. Neu ist aber zum Beispiel die Vernetzung der Museen am Domberg, die sogenannte Domberg-Kooperation. Diese finde ich eine tolle Entwicklung. Auch wenn man vielleicht noch ein bisschen mehr Geld und Personal reinstecken könnte, um die Bamberger Akropolis noch mehr ins Licht zu rücken.
Haben Sie Spuren in der Bamberger Kulturszene hinterlassen?
Regina Hanemann: Das möchte ich hoffen. Und wenn sie nur darin liegen, den Leuten verdeutlicht und gezeigt zu haben, was wir in unseren Beständen alles haben.
Gibt es eine Abschiedsausstellung?
Regina Hanemann: Ja, sogar zwei. Das ist einmal die Ausstellung „Geschenkt! Geschenke aus 22 Jahren an die Museen der Stadt Bamberg“. Und seit 19. Dezember die Ausstellung zu Paul Maar.
Welchen Rat haben Sie an all die Studierenden der Kunstgeschichte, ein Fach, dessen karrieremäßige Umsetzung oft nicht von Erfolg gekrönt ist? Es wird nicht allen gelingen, eine Stelle wie die Ihre zu bekommen.
Regina Hanemann: Damals in der Studienberatung wollte man mich mit dem Klischee des taxifahrenden Kunstwissenschaftlers von diesem Studiengang abbringen, aber ich sehe das ganz anders. Vielleicht bekommen tatsächlich nicht alle so eine Stelle wie ich, aber die Kunstgeschichte ist ein Fach, in dem man das Denken in einer Art und Weise lernt, dass es an sehr vielen Stellen sehr gut eingesetzt werden kann. In meiner Studienzeit gab es zu den Geisteswissenschaften den Spruch „mit Kant und Kafka in die Wirtschaft“. Das gilt auch für die Kunstgeschichte. Wer Kunstgeschichte studiert, kann, meiner Meinung nach, fast überall, in sehr vielen Bereichen unterkommen. Wer gripsig genug ist, wird etwas finden.
Wenn Sie zu Ihrem Abschied einen Zapfenstreich inklusive Musikauswahl bekämen, welche Stücke sollten gespielt werden?
Ich würde einen militärischen Zapfenstreich ganz sicher ablehnen, aber über ein Abschiedsfest mit einem Auftritt von Boxgalopp oder der Gruppe Federspiel oder einem Soloauftritt von Dennis Chambers wäre ich höchst erfreut!