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ETA Hoffmann Theater - Page 6

Lese­rei­he in der Treffbar

„Ulys­ses“ am ETA Hoff­mann Theater

Schau­spie­ler Ste­phan Ull­rich ist am ETA Hoff­mann Thea­ter der Mann für die ganz gro­ßen Wer­ke der Welt­li­te­ra­tur. Für sei­ne Lese­rei­he in der Treff­bar des Thea­ters hat er sich bereits Mar­cel Prousts „Auf der Suche nach der ver­lo­re­nen Zeit“ und Tho­mas Manns „Der Zau­ber­berg“ ange­nom­men. Nun folgt mit James Joy­ces „Ulys­ses“, in der Über­set­zung von Hans Woll­schlä­ger, der lan­ge Jah­re in Bam­berg leb­te, eines der kom­ple­xes­ten lite­ra­ri­schen Wer­ke des 20. Jahr­hun­derts. Wir haben mit Ste­phan Ull­rich über die Fas­zi­na­ti­on des „Ulys­ses“ und den Unter­schied zwi­schen gutem und schlech­tem Vor­le­sen gesprochen.

„Ulys­ses“ erzählt in 18 Kapi­teln von einem Tag, dem 16. Juni 1904, im Leben des Dub­li­ner Anzei­gen­ver­käu­fers Leo­pold Bloom. An die Irr­fahr­ten des Odys­seus ange­lehnt beschreibt James Joy­ce nicht nur äuße­re Ereig­nis­se, son­dern auch inne­re Abläu­fe wie Gedan­ken der Figu­ren, Asso­zia­tio­nen und Erin­ne­run­gen. Peter Krauch, Dra­ma­tur­gie­as­sis­tent am ETA Hoff­mann Thea­ter, wird zu Beginn der Lesun­gen eine Ein­füh­rung geben.

Um Coro­na-Hygie­ne-Bestim­mun­gen gerecht zu wer­den, die Treff­bar des ETA Hoff­mann Thea­ters aber trotz­dem mög­lichst vie­len Per­so­nen öff­nen zu kön­nen, wie­der­holt Ste­phan Ull­rich jede für die Lese­rei­he aus­ge­wähl­te Text­pas­sa­ge an sepa­ra­ten Terminen.

Herr Ull­rich, war­um haben Sie sich für die aktu­el­le Lese­rei­he James Joy­ces „Ulys­ses“ ausgesucht?

Ste­phan Ull­rich: Es geht uns bei der Lese­rei­he dar­um, Lite­ra­tur ans Publi­kum zu ver­sen­den, die eine gewis­se Klas­se hat und in der sich das Publi­kum sozu­sa­gen selbst wie­der­fin­den kann – eine Lebens­an­lei­tung. Der Roman hat eine gro­ße Sprach­fan­ta­sie und Sprach­ge­walt, er ist ein Gebir­ge. Außer­dem hat Über­set­zer Hans Woll­schlä­ger es geschafft, das Sprach­ge­fühl des Ori­gi­nals zu über­tra­gen. Für mich schwin­gen da die Rol­ling Stones, Jim Mor­ri­son und Frank Zap­pa mit. Es kom­men in der Über­set­zung unbe­kann­te Wor­te vor, die nicht erklärt wer­den und sozu­sa­gen nur Voka­le sind oder Kon­so­nan­ten wie man sie in der Knei­pe eben so weg rülpst, wenn man redet.

Außer­dem passt „Ulys­ses“ sehr gut in heu­ti­ge Zei­ten. Der öster­rei­chi­sche Schrift­stel­ler Her­mann Broch hat über „Ulys­ses“ geschrie­ben, der Roman habe das 19. Jahr­hun­dert umge­bracht – das hal­te ich für einen tref­fen­den Satz. James Joy­ce hat eine Zei­ten­wen­de beschrieben.

Wie mei­nen Sie das?

Ste­phan Ull­rich: James Joy­ce geht mit sei­nem Roman 1904 einen Tag lang durch Dub­lin und lässt uns erfas­sen, wie reich das Leben sein kann. Es ist wie ein Spa­zier­gang mit Mikro­skop, bei dem man durch sei­nen Lebens­raum geht und schaut, wie es pulst, das Leben. Die Spra­che, die Art und Wei­se, wie der Roman von Schau­platz zu Schau­platz springt, in all dem spie­gelt sich unse­re schnell­le­bi­ge Zeit wider und zielt eigent­lich schon sehr ins 21. Jahrhundert.

Stich­wort Knei­pe: In den Kapi­teln, die in einer Gast­stät­te oder ähn­li­chem spie­len, herrscht das aus­ge­präg­te Stim­men­ge­wirr durch­ein­an­der­re­den­der und durch­ein­an­der­den­ken­der Figu­ren. Wie wer­den Sie sol­che Pas­sa­gen in der Lesung darstellen?

Ste­phan Ull­rich: Was mir beim Arbei­ten mit einem Text wich­tig ist, ist, dass die Spra­che einen Klang bekommt, zu dem das Publi­kum sagen könn­te: „Ja, so könn­te es klin­gen.“ Man muss immer das Gesam­te und sei­ne Stim­mung im Auge behal­ten. Für eine Knei­pen­sze­ne muss man Brü­che spie­len, also etwa eine tro­cke­ne Stim­me gegen eine hys­te­risch und gegen eine bari­to­na­le Stim­me stel­len. Dadurch ent­ste­hen Mus­ter, die auf eine Knei­pe hin­deu­ten können.

Unter­schei­det eine sol­che Her­an­ge­hens­wei­se einen guten von einem schlech­ten Vorleser?

Ste­phan Ull­rich: Es gibt mitt­ler­wei­le sehr vie­le Schau­spie­ler, die Hör­bü­cher ein­spre­chen. Aber die lesen nur vor und es klingt wie in der Schu­le. Ich mache es mal vor (liest die ers­ten Zei­le des ers­ten Kapi­tels von „Ulys­ses“ mit sono­rer Stim­me): Statt­lich und feist erschien Buck Mul­ligan am Trep­pen­aus­tritt, ein Sei­fen­be­cken in Hän­den, auf dem gekreuzt ein Spie­gel und ein Rasier­mes­ser lagen. So klingt ein Satz, in dem das Wort „statt­lich“ vor­kommt, um eine Figur zu beschrei­ben, die in die­ser Sze­ne so tut als sei sie ein Pries­ter, der zu sei­ner Gemein­de spricht, lahm, line­ar und eins zu eins zum Text. Ich ver­su­che, ins Gewe­be des Tex­tes vorzudringen.

Inwie­fern spielt ein guter Vor­le­ser den Text vor?

Ste­phan Ull­rich: Es ist nah am Spie­len, aber nur mit sprach­li­chen Mit­teln und nicht mit Ges­ten oder so. Das wür­de den Rah­men spren­gen, denn das Publi­kum muss ja fol­gen kön­nen. Ich ver­su­che, den Leu­ten über die Spra­che eine Musi­ka­li­tät anzu­bie­ten, die der Text ent­hält, sei­ne Schön­heit. Ich den­ke, die Leu­te seh­nen sich nach Schön­heit in die­ser total ver­wal­te­ten Welt. Wir seh­nen uns danach, dass uns Schön­heit anspringt – und wenn es durchs Ohr ist.

Eine etwas ket­ze­ri­sche Fra­ge: War­um bezah­len Leu­te dafür, sich etwas vor­le­sen zu lassen?

Ste­phan Ull­rich: Neben den Din­gen, die ich ver­su­che zu über­mit­teln, gibt es Unter­su­chun­gen, die besa­gen, dass das lesen­de Auge, wenn man bei­spiels­wei­se still für sich liest, zu ande­ren Asso­zia­tio­nen des gele­se­nen Tex­tes kommt als sie das gespro­che­ne Wort in einer Lesung aus­löst. Dar­in besteht ein Mehrwert.

„Ulys­ses“ ist knapp 1.000 Sei­ten lang. Wer­den Sie aus allen Kapi­teln vor­le­sen und soll­te das Publi­kum Vor­kennt­nis­se des Romans haben?

Ste­phan Ull­rich: Ja, ich wer­de Aus­schnit­te aus jedem Kapi­tel vor­le­sen, die Leu­te kön­nen aber zu jedem Ter­min der Lese­rei­he ohne Vor­kennt­nis­se neu ein­stei­gen. Die Pas­sa­gen sol­len einen guten Über­blick über das Werk geben und auch anspor­nen zu lesen, was ich aus­las­se. Die Pas­sa­gen sind Appe­tit­häpp­chen oder Köder, ich bin der Menschenfischer.

Ste­phan Ull­rich liest „Ulys­ses“

Treff­bar, ETA Hoff­mann Thea­ter, jeweils 20 Uhr

27. Okto­ber, 10., 18. und 24. Novem­ber, 8. und 22. Dezember

www.theater.bamberg.de

Spiel­zeit­er­öff­nung

Neue Spiel­zeit im ETA Hoff­mann Theater

Seit 1. Juli wird am ETA Hoff­mann Thea­ter wie­der geprobt. Nach einem Eröff­nungs-Lie­der­abend am 3. Okto­ber soll am 9. Okto­ber die neue Spiel­zeit mit Anton Tschechows „Der Kirsch­gar­ten“ begin­nen – jeweils mit der Ver­pflich­tung, auf der Büh­ne und im Publi­kum Coro­na-Abstands­re­geln ein­zu­hal­ten. Wie genau die Umset­zung die­ser Vor­ga­ben mit der Insze­nie­rung von Thea­ter­stü­cken ver­ein­bar sein wird, ist aller­dings noch nicht abschlie­ßend geklärt. Inten­dan­tin und Regis­seu­rin Sibyl­le Broll-Pape ist aber guter Din­ge, dass Thea­ter­schaf­fen­de mit ihren Aus­drucks­mit­teln ver­tret­ba­re Lösun­gen fin­den wer­den. Wir haben die Inten­dan­tin zum Gespräch getroffen.
Intendantin Sibylle Broll-Pape, Foto: Matthias Hoch
Inten­dan­tin Sibyl­le Broll-Pape, Foto: Mat­thi­as Hoch

Frau Broll-Pape, wie geht es Ihnen nach mona­te­lan­gem Stillstand?

Sibyl­le Broll-Pape: Man möch­te ger­ne wie­der Thea­ter machen. Wir haben bis dahin eine gan­ze Men­ge zu tun, aber eben nicht das, was die See­le eines Thea­ters aus­macht: insze­nie­ren, pro­ben, Vor­stel­lun­gen zei­gen – das fehlt.

Wel­che Arbei­ten ste­hen zur­zeit an?

Sibyl­le Broll-Pape: Hygie­ne­maß­nah­men ent­wi­ckeln zum Bei­spiel. Wir wis­sen ja bereits, dass wir ab 1. Juli wie­der pro­ben kön­nen, aber wir müs­sen Kon­zep­te ent­wi­ckeln, unter wel­chen Bedin­gun­gen und Vor­aus­set­zun­gen das zu machen ist. Und wir über­le­gen natür­lich, wie das Büh­nen­ge­sche­hen aus­se­hen wird, wenn im Okto­ber die neue Spiel­zeit beginnt. Das sind alles Din­ge, die für mich eher fach­fremd waren.

Wie geht es dem Ensem­ble, auch unter finan­zi­el­len Gesichtspunkten?

Sibyl­le Broll-Pape: Unter finan­zi­el­len Gesichts­punk­ten sind sie durch ihr Fest­enga­ge­ment am ETA Hoff­mann Thea­ter abge­fe­dert, aber sie schar­ren natür­lich schon mit den Hufen und möch­ten end­lich wie­der rich­tig arbei­ten kön­nen. Ganz beschäf­ti­gungs­los waren sie unter ande­rem mit der Video-Rei­he „ETA@home“ zwar nicht, aber das ist natür­lich nicht ver­gleich­bar mit einem stän­di­gen Pro­ben- und Vor­stel­lungs­be­trieb. Schau­spie­ler brau­chen genau das, sie müs­sen das die gan­ze Zeit wei­ter prak­ti­zie­ren. Und sie brau­chen den Kon­takt zum Publi­kum. Sie müs­sen spie­len kön­nen und sie brau­chen das Feed­back vom Publi­kum. Wenn da lan­ge Zeit nichts zurück­kommt, fehlt etwas Fundamentales.

Kul­tur­schaf­fen­de haben in den zurück­lie­gen­den Wochen immer wie­der die zu gerin­ge Unter­stüt­zung von staat­li­cher Sei­te kri­ti­siert. Kön­nen Sie nach­voll­zie­hen, was in Kul­tur­schaf­fen­den im Ange­sicht die­ser gering­schät­zi­gen Behand­lung vorgeht?

Sibyl­le Broll-Pape: Ich glau­be, dass wir als Kul­tur­schaf­fen­de uns nie groß­ar­ti­gen Illu­sio­nen dar­über hin­ge­ge­ben haben, dass wir bei der Poli­tik die Num­mer eins wären. Inso­fern hät­te ich auch nichts ande­res erwar­tet. Wir haben auch kei­ne finan­zi­el­le Lob­by hin­ter uns, wie etwa der Fuß­ball oder die Auto­in­dus­trie, die über ganz ande­re Druck­mit­tel ver­fü­gen. Des­we­gen ist Kul­tur auch nicht das Ers­te, wor­über in der Poli­tik nach­ge­dacht wird. So ist es eben. Aber ich bin schon froh, dass über­haupt über Kul­tur nach­ge­dacht wird und es durch­aus Wert­schät­zung gibt. Ich glau­be aber, dass die wirk­lich schwie­ri­gen Jah­re erst noch kom­men. Der jet­zi­ge Still­stand ist nicht so pro­ble­ma­tisch, wie das, was finan­zi­ell noch kom­men könnte.

Das heißt?

Sibyl­le Broll-Pape: Jetzt muss Geld aus­ge­ge­ben und jetzt müs­sen Schul­den gemacht wer­den. Die­ses Geld muss aber auch irgend­wann wie­der rein­kom­men, in den Stadt­sä­ckel zum Bei­spiel. Das heißt, die Bud­gets, auch die für Kul­tur, könn­ten in den nächs­ten Jah­ren ins­ge­samt redu­ziert wer­den. Das befürch­te ich.

Wie geht es dem ETA Hoff­mann Thea­ter der­zeit finanziell?

Sibyl­le Broll-Pape: Im Moment gehen wir sehen­den Auges ins Defi­zit. Wir tun sehr viel, um das Defi­zit zu ver­klei­nern. Zum Groß­teil wer­den wir das auch schaf­fen, aber es wird uns eben nicht gelin­gen, das Defi­zit aus eige­ner Kraft voll­stän­dig ver­schwin­den zu las­sen. Wir hof­fen also auch wei­ter­hin auf Unter­stüt­zung durch die Stadt.

Gibt es schon Rück­mel­dun­gen aus dem Rat­haus bezüg­lich finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung des Theaters?

Sibyl­le Broll-Pape: Nein, aber das kann ich in gewis­ser Wei­se nach­voll­zie­hen, weil die Stadt sel­ber noch nicht weiß, wie der kom­men­de Haus­halt aus­se­hen wird und man noch bis zum Herbst war­ten möch­te, um die Höhe des städ­ti­schen Defi­zits einzuschätzen.

Wie sehen die Spar­maß­nah­men des ETA Hoff­mann Thea­ters aus?

Sibyl­le Broll-Pape: Wir haben Pro­duk­tio­nen absa­gen oder ver­schie­ben müs­sen, das heißt, wir haben Gagen ein­ge­spart und die Kos­ten für Mate­ri­al wie zum Bei­spiel Kulis­sen und Kos­tü­me. Auch sind wir größ­ten­teils in Kurzarbeit.

Lässt sich aus der Not eine Tugend machen, indem man zum Bei­spiel spar­ta­ni­sche Kulis­sen zum künst­le­ri­schen Aus­drucks­mit­tel macht?

Sibyl­le Broll-Pape: Mei­ne Büh­nen­bil­der sind meis­tens redu­ziert. Mehr lässt sich dort eben nicht zusammensparen.

Das Mot­to der kom­men­den Spiel­zeit lau­tet „Wo ste­hen wir?“. War­um haben Sie es gewählt, was bedeu­tet es?

Sibyl­le Broll-Pape: Wir haben uns schon vor fast einem Jahr für die­ses Mot­to ent­schie­den. Damals waren wir noch auf der Suche nach einem Slo­gan, der Bezug dazu hat, dass wir schon fünf Jah­re hier sind, was die Hälf­te mei­ner Ver­trags­lauf­zeit als Inten­dan­tin aus­macht. Da fängt man an zu über­le­gen, was man gemacht hat und wo es noch hin­ge­hen soll. Das Mot­to drückt aber auch aus, wor­über zeit­ge­nös­si­schen Theaterautor*innen heu­te nach­den­ken. Uns ist auf­ge­fal­len, dass sehr vie­le Autor*innen ange­fan­gen haben, eine Art Bestand­auf­nah­me unse­res Lan­des und unse­rer Gesell­schaft zu machen. Das fan­den wir sehr span­nend. Dass das Mot­to jetzt, nach Mona­ten des Still­stan­des, aber erst so rich­tig passt, das hät­te nie­mand gedacht.

Geschah ent­spre­chend auch die Aus­wahl der Stü­cke für die neue Sai­son vor Coro­na? Bezie­hungs­wei­se wür­de der Spiel­plan anders aus­se­hen, wenn Sie ihn unter dem Ein­druck der Pan­de­mie zusam­men­ge­stellt hätten?

Sibyl­le Broll-Pape: Wir haben über­legt, ob wir uns ument­schei­den und aus dem Spiel­plan tat­säch­lich einen rei­nen Coro­na-Spiel­plan machen soll­ten. Aber letzt­end­lich haben wir die­sen Schritt abge­lehnt. Wir haben das Gefühl, dass Coro­na schon genug Auf­merk­sam­keit bekommt. Aber, was die Kri­se mit sich gebracht hat, ist, dass es sie gesell­schaft­li­che Pro­ble­me, die die gan­ze Zeit schon da waren, viel deut­li­cher in den Fokus rückt.

Sind bereits Thea­ter­stü­cke, die sich mit der Virus-The­ma­tik befas­sen, geschrie­ben worden?

Sibyl­le Broll-Pape: Ja.

Fin­den Sie das gut oder schlecht?

Sibyl­le Broll-Pape: Ich ver­ste­he das sehr gut und ich ver­ste­he auch jedes Thea­ter, das sol­che Stü­cke zei­gen will. Aber ich glau­be auch, dass das The­ma sowie­so in künf­ti­gen Insze­nie­run­gen vor­kom­men wird. Es kann auch gar nicht anders sein, als dass wir damit auf unse­re Art und Wei­se umge­hen, schon aus dem Grund, dass wir auf der Büh­ne jetzt anders arbei­ten und zum Bei­spiel Abstän­de ein­hal­ten müs­sen. Das The­ma wird also impli­zit mit dabei sein, auch wenn es nicht expli­zit genannt wird.

Vor der eigent­li­chen Spiel­zeit­er­öff­nung am 9. Okto­ber ver­an­stal­ten Sie am 3. Okto­ber einen Lie­der­abend. Das kommt mir ein biss­chen wie das Pfei­fen im dunk­len Wald vor.

Sibyl­le Broll-Pape: Das sehe ich nicht so. Aber natür­lich haben wir einen Auf­takt gesucht, der unse­rem Publi­kum wie­der Lust und Spaß auf Thea­ter macht, der in gewis­ser Wei­se fei­ert, dass wir wie­der da sind. Der Abend wird viel mit uns, mit Bam­berg und der jet­zi­gen Situa­ti­on zu tun haben.

War­um haben Sie für das ers­te Stück der neu­en Spiel­zeit „Der Kirsch­gar­ten“ von Anton Tschechow ausgewählt?

Sibyl­le Broll-Pape: Eigent­lich war es für die zurück­lie­gen­de Spiel­zeit geplant, zum dama­li­gen Mot­to „Fort­schritt“. Wir hat­ten auch schon das Büh­nen­bild gebaut, waren eigent­lich fer­tig und stan­den einen Tag vor Pro­ben­be­ginn, aber dann muss­ten wir die Spiel­zeit abbre­chen. Alles in die Ton­ne schmei­ßen woll­ten wir aber nicht, mit all der bereits geleis­te­ten Arbeit. Ich fin­de, es ist tat­säch­lich ein per­fek­tes Stück, um die kom­men­de Spiel­zeit zu begin­nen, weil es sehr genau auf die The­ma­tik gesell­schaft­li­cher Pro­ble­me und Umbrü­che, wie wir sie der­zeit erle­ben, passt. Außer­dem bin ich sehr gespannt, wie ich damit umge­hen kann, so vie­le Men­schen unter Coro­na-Bedin­gun­gen auf der Büh­ne zu haben. Das reizt mich.

Wie wird das Büh­nen­ge­sche­hen, gera­de bei kör­per­li­chen Sze­nen, aus­se­hen, wenn die Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler Abstand zuein­an­der hal­ten müs­sen und sich nicht berüh­ren dürfen?

Sibyl­le Broll-Pape: Sol­che Sze­nen gibt es dann eben nicht. Da muss man sich etwas Adäqua­tes ein­fal­len las­sen. Zuerst dach­ten wir schon, wie scha­de das ist, aber eigent­lich ist es auch span­nend und eine Her­aus­for­de­rung. Wie kann man trotz­dem klar­ma­chen, was zwi­schen Figu­ren pas­siert, ohne dass sie sich anfassen?

Aber kön­nen dabei die­sel­be Stim­mung und Ener­gie entstehen?

Sibyl­le Broll-Pape: Ich glau­be schon. Es kann auch viel über Spra­che erreicht wer­den oder über die Posi­ti­on von Men­schen im Raum. Wir pro­bie­ren es aus und sind gespannt auf das Ergebnis.

Seit 1. Juli läuft der Pro­ben­be­trieb. Wie sehen die bis­he­ri­gen Erfah­run­gen mit Pro­ben unter Coro­na-Abstands­re­geln aus?

Sibyl­le Broll-Pape: Es macht ein­fach rich­tig Spaß, wie­der gemein­sam zu pro­ben. Das Tra­gen von Abstands­hal­tern und ande­re hygie­ne­be­ding­te Ein­schrän­kun­gen sind zwar manch­mal etwas hin­der­lich, brin­gen uns im Gegen­zug aber immer wie­der auf neue, span­nen­de Ideen.

Könn­te es pas­sie­ren, dass wäh­rend der Pro­ben oder Auf­füh­run­gen ein Punkt erreicht wird, an dem Sie oder das Ensem­ble ent­nervt aufgeben?

Sibyl­le Broll-Pape: Nein. Das könn­ten wir uns ein­fach nicht leis­ten. Wir haben drei Pre­mie­ren im Okto­ber geplant und die wol­len wir ein­fach zei­gen. Aber natür­lich weiß kein Mensch, wie sich die Situa­ti­on um das Virus im Okto­ber dar­stel­len wird. Natür­lich könn­te ich den­ken, dass sowie­so eine zwei­te Infek­ti­ons­wel­le kommt und dann gar nichts statt­fin­det. Aber ich ver­su­che, mir mei­nen Opti­mis­mus zu erhalten.

Sind Geis­ter­auf­trit­te ohne Publi­kum, zum Bei­spiel für den Online-Kon­sum, denkbar?

Sibyl­le Broll-Pape: Das ist eine Über­le­gung wert, aber ich fän­de die­se Lösung sehr scha­de. Das wäre eigent­lich kein Theater.

Grund­le­gend gefragt, wel­che Rol­le spielt das Publi­kum wäh­rend einer Thea­ter-Auf­füh­rung? Es sitzt ja eigent­lich nur still im Dunkeln.

Sibyl­le Broll-Pape: Es ist viel­leicht nicht so laut wie beim Fuß­ball, aber man spürt sei­ne Anwe­sen­heit, die Ener­gie, die aus dem Publi­kum kommt. Man spürt, dass da Auf­merk­sam­keit ist.

Wie könn­te Thea­ter mit Abstand­hal­ten auf der Büh­ne und in den Sitz­rei­hen auf das Publi­kum wirken?

Sibyl­le Broll-Pape: Ich glau­be, dass die Leu­te gespannt genug sind, es ein­fach auszuprobieren.

Bezie­hungs­wei­se, was hat ein Mit­glied des Publi­kums von der nor­ma­ler­wei­se dicht gepack­ten Anwe­sen­heit ande­rer, wenn auch stil­ler Zuschaue­rin­nen und Zuschauer?

Sibyl­le Broll-Pape: Eine Men­ge, weil Thea­ter trotz der Stil­le ein star­kes sozia­les Ereig­nis ist. Man erlebt etwas zusam­men und spürt die ande­ren Men­schen im Raum. Ich glau­be, Men­schen brau­chen das.

Hal­ten die Abon­nen­tin­nen und Abon­nen­ten Ihnen bis­her die Treue oder wer­den Abon­ne­ments ver­mehrt gekündigt?

Sibyl­le Broll-Pape: Zum gro­ßen Teil blei­ben sie uns treu. Wir erhal­ten sehr zuge­wand­te und unter­stüt­zen­de Rückmeldungen.

Wie sieht das Ensem­ble die Pflicht zum Abstand?

Sibyl­le Broll-Pape: Im Moment über­wiegt die Vor­freu­de, über­haupt wie­der mit­ein­an­der arbei­ten zu können.

Was, wenn die Spiel­zeit doch wie­der abge­bro­chen wer­den muss?

Sibyl­le Broll-Pape: Da möch­te Ich jetzt nicht dar­über nach­den­ken. Wenn sie abge­bro­chen wird, wird sie abge­bro­chen und wir set­zen mit neu­en Pla­nun­gen zu einem ande­ren Zeit­punkt wie­der an. Wir wer­den nicht die Hän­de in den Schoß legen und aufgeben.

Gibt es etwas Posi­ti­ves, das Sie per­sön­lich aus der Kri­se zie­hen können?

Sibyl­le Broll-Pape: Ach, das berühm­te Posi­ti­ve in der Kri­se. Ich weiß nicht, eigent­lich nichts. Das eine ist, dass das Virus zahl­rei­che Men­schen­le­ben gefor­dert hat, was soll dar­an gut sein? Und dann die­se gan­zen wohl­mei­nen­den Sprü­che, dass man Zeit hat, über sich nach­zu­den­ken und so wei­ter, die sind gut und schön, aber ich mache das wie vie­le ande­re Men­schen sowie­so andau­ernd. Dafür habe ich kei­ne Kri­se gebraucht.

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