Gestern (14. April) gewann Bayer 04 Leverkusen 5:0 gegen Werder Bremen und sicherte sich damit die erste Deutsche Meisterschaft der Vereinsgeschichte. In
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Frontmann der Bambägga
Leverkusen-Fan Jonas Ochs: „Ein durchgehender Rausch, nur ohne Kater“
Gestern (14. April) gewann Bayer 04 Leverkusen 5:0 gegen Werder Bremen und sicherte sich damit die erste Deutsche Meisterschaft der Vereinsgeschichte. In Bamberg freut sich einer über den Titel ganz besonders. Jonas Ochs, Frontmann der Hip-Hop-Gruppe Bambägga, ist seit 30 Jahren Fan des Vereins. Am Tag nach dem historischen Triumph haben wir ihn zum Interview erreicht.
Jonas, wie kommt es, dass ein Bamberger Leverkusen-Fan wird?
Jonas Ochs: Ich wurde 1994 mit neun Jahren Leverkusen-Fan. Damals war Fußball-WM In den USA. Das war mein erster Kontakt mit Sport im Fernsehen. Die deutsche Mannschaft war zwar nicht erfolgreich, aber der allgemein bekannte Rudi Völler spielte mit. Ich fand es sehr interessant, wie er spielte und ich fragte meinen Vater, in welchem Verein er spielt. Und mein Vater sagte: Der ist gerade von Marseille nach Leverkusen gewechselt. Dann hat es noch ein bisschen gedauert, aber dann saßen wir im Auto und fuhren nach Leverkusen. So habe ich 1995 mein erstes Leverkusen-Spiel gesehen, damals gegen Karlsruhe. Zwar hat der KSC 3:1 gewonnen, aber um mich war es geschehen. Seitdem bin ich mit Leib und Seele Leverkusen-Fan. Aber natürlich gab es in Bamberg überhaupt keine anderen Fans oder Zugang zu Fanartikeln des Vereins. Meine Mutter hat sogar Zeug vom 1. FC Nürnberg gekauft, um die Logos dieses Vereins abzulösen, damit ich zumindest einen schwarz-roten Schal hatte. Auch habe ich mal aus der Grundschule an die Geschäftsstelle, namentlich an Reiner Calmund, einen Brief geschrieben, dass ich in Franken quasi im Exil keinen Zugang zu Fanartikeln habe. Dann hat er mir ein ganzes Paket geschickt mit Autogrammkarten der ganzen Mannschaft und T‑Shirts. So fing es an und seither war ich – und auch mein Bruder David – immer wieder im Stadion.
Auch in dieser Saison?
Jonas Ochs: Ja, ich war in der Hinrunde beim Heimspiel gegen Frankfurt vor Ort – Endstand 3:0 für Leverkusen. Dann war ich auswärts in Augsburg dabei, da haben wir in der Nachspielzeit noch den 1:0‑Siegtreffer gemacht. Und nächstes Wochenende fahre ich mit meinem Bruder zum Spiel gegen Dortmund.
Was war deine Einschätzung der Leistungsfähigkeit Leverkusens vor der Saison?
Jonas Ochs: Ich hatte gehofft, dass es wie in der Saison 2022 //2023 für einen Platz, der für die internationalen Turniere qualifiziert, reicht. Aber ich war weit davon entfernt – einfach aus reiner Fan-Erfahrung, die man mit diesem Verein über die Jahre hatte – an irgendeinen Titel zu denken.
Wie hast du die Saison, in dem Verlauf, den sie nun genommen hat, wahrgenommen?
Jonas Ochs: Es war wie ein durchgehender Rausch, nur ohne Kater, wie dauereuphorisiert. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, dass jeden Moment der Rückschlag kommen könnte. Aber dann schießen die doch wieder in der 95. Minute ein Tor. Ich glaube, ich habe in meinen Whatsapp-Gruppen noch nie so oft die Begriffe „Wahnsinn“ und „unglaublich“ benutzt. Teilweise haben sich meine Frau und meine Kinder vor mir erschrocken, weil ich jubelnd und brüllend durch die Wohnung gerannt bin.
Eine fast überflüssige Frage: Gab es einen Moment des Zweifels in der Saison?
Jonas Ochs: Man ist als Leverkusen-Fan demütig. Und auch wenn wir die letzten Spieltage die Hand schon sehr nah an der Schale hatten, habe ich mich bis zum letzten Wochenende, trotzdem wir mehr als zehn Punkten Vorsprung hatten, nicht zu Titelprognosen hinreißen lasen. Wenn man es einfach noch nie geschafft hat, Meister zu werden, ist es einfach nicht vorstellbar.
Wenn ich einmal dieses Wort gebrauchen darf: Schwangen da sozusagen die Altlasten aus Vizekusen-Tagen mit?
Jonas Ochs: Ja, das war zu prägend, als dass man es hätte einfach so löschen können.
Hast du einen Lieblingsspieler?
Jonas Ochs: Granit Xhaka. Ein Spieler mit großer Präsenz auf dem Platz, der das Ganze orchestriert und absichert. Er ist auch schon ein dreckiger Spieler – als Gegner spielt man wahrscheinlich ungern gegen ihn – aber für uns war er Gold wert.
Wo hast du das Spiel gegen Bremen gestern verfolgt?
Jonas Ochs: Ich habe es zusammen mit meinem Vater und meinem Bruder bei meinem Bruder zuhause angeschaut. Wir haben da so etwas wie eine Leverkusen-Fanhöhle eingerichtet. Ich wäre allerdings auch wahnsinnig gerne ins Stadion gegangen und habe noch bis gestern Vormittag alles versucht, Tickets zu bekommen – aber erfolglos.
Wie hast du das Spiel durchlebt?
Jonas Ochs: Ich war sehr nervös. Man konnte eine Dominanz im Leverkusener Spiel fühlen, aber es ging eben um so viel – da kann einer Mannschaft schnell die Leichtigkeit abhanden kommen. Der, ich sage es ganz ehrlich, glückliche Elfmeter zum 1:0 war dann aber der Dosenöffner und die Partie wurde fast ein Selbstläufer. Je mehr das Spiel voranschritt, umso mehr wuchs der Glaube an den Sieg und es herrschte eine einzige Euphorie.
Im Getümmel des Platzsturms war der Schlusspfiff zwar fast nicht zu hören, aber was ging in dir vor, als das Spiel vorbei und die Meisterschaft gewonnen war?
Jonas Ochs: Ich musste schon in der 70. Minute mal kurz raus, weil mir die Tränen kamen. Das wollte ich nicht vor meinem Vater und Bruder und dessen Freundin machen. Als es vorbei war, spürte ich Ungläubigkeit. Es war surreal. Wann weckt mich jemand auf?
Wie hast du danach gefeiert?
Jonas Ochs: Na ja, wie es in Bamberg so ist, waren die Straßen nicht unbedingt voll mit Leverkusen-Fans. Also habe ich einen Ein-Mann-Fahrradkorso in der Sandstraße gemacht. Ein bisschen Pyrotechnik hatte ich auch dabei und habe im Biergarten vom Lewinsky’s einen kurzen Tanz mit Flagge aufgeführt.
Am 25. Mai steht das Pokalfinale gegen Kaiserslautern an. Dein Tipp?
Jonas Ochs: Ich hoffe, dass wir das Spiel mit aller Seriosität angehen und es entsprechend gestalten. Ich bin zu abergläubisch, einen Ergebnis-Tipp abzugeben, aber rein formell sollten wir gewinnen.
Wie glaubst du, schneidet die Mannschaft in der Europa League ab?
Jonas Ochs: Am Donnerstag (18. April) ist das Viertelfinalrückspiel gegen West Ham. Das wird heftig für die Jungs, in London, im ausverkauften Stadion, den Schalter umzulegen. Das sind zwar alles Profis, aber in so einer Situation waren noch nicht so viele. Der 2:0‑Sieg aus dem Hinspiel ist allerdings eine gute Ausgangslage. Es wäre natürlich Klasse, wenn wir das Halbfinale erreichen und dann muss man schauen, wohin es geht.
Wohin könnte es im nächsten Jahr gehen? Der FC Bayern hat gestern sinngemäß geschrieben: Herzlichen Glückwunsch, aber nächstes Jahr muss die Schale zurück nach München.
Jonas Ochs: Ich freue mich auf einen spannenden Kampf. Die Mannschaften werden sich vielleicht anders aufstellen, Leverkusen wird das Alonso-System weiter voranbringen und die anderen werden es analysieren. Und irgendwann wird man dann auch mal wieder verlieren. Davon geht aber die Welt nicht unter.
Ist ein Bambägga-Lied über den Triumph geplant?
Jonas Ochs: Es gibt jetzt natürlich eine riesige Euphorie um Bayer 04 Leverkusen. Da würde ich aber irgendwie ungern aufspringen und ein Lied beitragen. Wir genießen im Stillen.
Zwiebeltreterfest auf der Böhmerwiese
Zwei Jahre musste es pausieren, nun kehrt es zurück: Von 8. bis 11. September findet das Bamberger Zwiebeltreterfest wieder statt. An den vier spätsommerlichen Tagen treten lokale Bands wie CHP, Maike May oder Bambägga, aber auch Gäste von außerhalb wie die Chicolores auf der Böhmerwiese auf.
Ralf Böhmer organisiert zusammen mit seinem Team das Zwiebeltreterfest. Wir haben ihn zum Interview auf der Böhmerwiese getroffen.
Herr Böhmer, wie fühlt es sich an, das Zwiebeltreterfest nach zwei Jahren Pause wieder veranstalten zu können?
Ralf Böhmer: Es ist, als ob wir es das erste Mal machen. Natürlich sind wir jetzt, Ende August, mit den Vorbereitungen schon wieder im Flow, aber es hat ein bisschen länger gedauert, bis wir in die Abläufe wieder reingekommen waren. Was allerdings ein wenig schwierig war, war Mitarbeiter zu finden und die steigenden Kosten machen uns auch ein wenig Sorgen.
Macht sich also auch beim Zwiebeltreterfest der allgemeine Mitarbeitermangel bemerkbar?
Ralf Böhmer: Wir hatten immer viele Studenten, die mitgeholfen haben. Aber viele davon waren nach zwei Jahren einfach fertig mit dem Studium und haben Bamberg verlassen. Und viele Leute aus der Gastronomie haben sich während der Pause anderweitig orientiert. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir das gut hinkriegen – unser Personalstamm ist ausreichend voll. Jetzt geht es noch darum, auf gutes Wetter zu hoffen.
Bisher haben Sie beim Zwiebeltreterfest keinen Eintritt verlangt. Wird das auch 2022 so sein?
Ralf Böhmer: Ja, das bleibt so.
Aber ist dieser Ansatz bei bei steigenden Kosten noch zeitgemäß? Kann man sich das noch erlauben?
Ralf Böhmer: Das kann ich erst hinterher sagen. Aber es ist ein schwieriges Thema, weil Bamberg auf der einen Seite, was kostenfreie Festivals angeht, sehr verwöhnt ist und die Leute Eintritt entsprechend nur schwer akzeptieren würden – mal schauen, wie das bei der Sandkerwa funktioniert. Auf der anderen Seite muss man, und das soll nicht negativ klingen, um ein gewisses Niveau in der Veranstaltung zu halten, eigentlich auch Eintritt verlangen. Ob das bei uns zukünftig zutrifft, weiß ich aber noch nicht.
Wird es Corona-Maßnahmen geben?
Ralf Böhmer: Ich wüsste nicht, wo es, außer im öffentlichen Verkehr, noch Corona-Maßnahmen gibt. Deswegen werden auch wir keine Auflagen machen. Das war ein Grund, warum wir zwei Jahre lang pausiert haben. Wir hätten solche Auflagen finanziell nicht stemmen können.
In der Ankündigung des Zwiebeltreterfestes schreiben Sie, es sei das wahrscheinlich entspannteste Fest Bambergs. Was heißt das?
Ralf Böhmer: Wir haben eine schöne Wiese und die Leute können hier richtig chillen. Viele sitzen mit Decken auf dem Gras und haben einfach eine gute Zeit bei guter Musik und gutem Essen – ohne Stress. In den letzten Jahren hatten wir auch immer wahnsinnig viel Glück mit dem Wetter des Spätsommers Anfang September. Die Hitze ist nicht ganz so ausgeprägt und man kann ganz entspannt draußen sitzen.
Was schätzt das Publikum noch am Zwiebeltreterfest?
Ralf Böhmer: Das Ambiente, das Essen, die Musik und, wie gesagt, die relaxte Stimmung.
Vor einigen Tagen ist das Blues und Jazz-Festival zuende gegangen. Was schätzt das Publikum im Vergleich zu dieser Veranstaltung?
Ralf Böhmer: Vielleicht, dass es nicht so viele Sponsoren-Durchsagen gibt (lacht).
Wie ist im Vorfeld des Fests die Stimmung bei den Bands?
Ralf Böhmer: Gut! Bambägga freuen sich schon unheimlich, weil echt immer gute Stimmung aufkommt, wenn sie zum Beispiel ihr Publikum die Bierbänke hochheben lassen. Oder für den Auftritt von CHP fliegt Gitarrist Peter Chapple extra aus England ein, damit die Band wieder in Originalbesetzung spielen kann. Die sind schon heiß auf den Auftritt.
Los geht es am 8. September mit dem Einböllern durch den Verein Zwiebeltreter Fähnlein, dann folgt Hip-Hop mit Bambägga und an den nächsten Tagen unter anderem Rock, Singer/Songwriter-Musik und Beatles-Cover. Eine ziemlich wilde Mischung.
Ralf Böhmer: Ja, bei uns vermischen sich Tradition und Moderne (lacht). Bisher hat das Publikum die Mischung aber immer geschätzt.
Nach welchen Gesichtspunkten haben sie die Bands ausgewählt? Streng subjektiv nach eigenem Geschmack oder haben Sie auch Meinungen von außen eingeholt?
Ralf Böhmer: Ich höre schon auf die Meinungen von außerhalb, aber am Ende muss die Musik mir gefallen. Bisher sind wir damit immer sehr gut gefahren.
Wird es so etwas wie einen Überraschungsgast auf der Bühne geben?
Ralf Böhmer: Es ist ein Traum von mir, irgendwann mal einen richtigen Kracher von Band als Überraschung zu bringen, aber das hab ich dieses Jahr nicht geschafft.
Worauf freuen Sie sich besonders?
Ralf Böhmer: Ich freue mich vor allem darauf, dass es nach zwei Jahren Pause endlich wieder losgeht, damit die Spannung der Organisation abfällt. Wenn der erste Tag rum ist und es läuft, kann man anfangen, das Fest zu genießen.
Zwiebeltreterfest
8. bis 11. September
Böhmerwiese, Heiliggrabstraße 57
Weitere Informationen zum Programm unter:
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Wu-Tang und Wirsing
Bambägga-Album „Brotzeit“
Im 17. Jahr ihres Bestehens veröffentlichen Bambägga im Juli ihr siebtes Album „Brotzeit“. Im Vorfeld gab von es Jonas Ochs, Constantin „Cony“ Kern und David „DJ Startklar“ Ochs die ersten beiden Single-Auskopplungen „Solange“ und „Wu-Tang und Wirsing“ zu hören. Klanglich deuten sie auf ein etwas ernsteres Album, als es der Vorgänger „Brot und Spiele“ war, hin. Wir haben Jonas Ochs zum Gespräch getroffen.
Der Titel des neuen Bambägga-Albums ist „Brotzeit„“, seine Vorgänger hießen „Der Bägga hat gerufen“, „Zwieback“, „Alarmstufe Brot“, „Laib und Seele“, „Brotlose Kunst“ und „Brot und Spiele“. Habt ihr schonmal durchgezählt: Wie viele Titel mit Brotwortspielen kann man noch machen?
Jonas Ochs: Es gab bandintern schon mal die Diskussion, das aufzubrechen und einen Titel ohne Brot zu suchen. Aber auf der anderen Seite: Schuster bleib’ bei deinen Leisten. Bis wir alt und grau sind, wird es Titel mit Brotspielen geben. Die scheinen sowieso unendlich viele zu sein. Genau wie beim Album davor, haben wir auch diesmal wieder eine superlustige Umfrage bei den Fans gestartet, wie das Album heißen könnte. Die besten Namensvorschläge haben wir im Booklet aufgelistet. Es gab zum Beispiel „Täglich Brot“, „Backware“, „Ährensache“ oder „Brotkrastination“.
Das Album entstand 2022. Ist „Brotzeit“ ein Corona-Album?
Jonas Ochs: Die großen gesellschaftlichen Themen lassen einen natürlich nicht kalt und die Umstände der Produktion waren schon speziell. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf Texte und Klang. Für „Brot und Spiele“ mussten wir alle Konzerte absagen und wir sind innerlich, wie alle anderen Kulturschaffenden auch, erstmal zusammengefallen. Also haben wir begonnen, mit allen Lockdown-Hindernissen, ein neues Album zu machen. Aber Corona ist nicht das herausgehobene Thema, dazu haben sich schon genug andere geäußert. Aber wir verarbeiten die Pandemie. Ein Stück heißt zum Beispiel „Nauswärds“ – das ist so ein bisschen der fränkische Hilfeschrei und Bezugnahme auf die Situation. Ein anderer Song heißt „Zuversicht“, bei dem es – unterschwellig – darum geht, ein bisschen Optimismus zu verbreiten. Aber die Stücke sind nicht schwermütig. Wir möchten den Leuten etwas Positives mitgeben.
Die erste Singleauskopplung heißt „Solange“. Um was geht es?
Jonas Ochs: Wir wollten damit grundlegend zurückblicken und erzählen, wie lange wir das schon machen. Es geht aber auch darum, das Feuer weiterzutragen und die ganzen Geschichten weiterzuerzählen, die uns passiert sind. Das trägt uns auch als Kumpels. Gerade wenn es finanziell um nichts geht und das Dasein einer Band schon fast ehrenamtlich ist, ist es zwischenmenschlich immer eine zusätzliche Herausforderung, solange befreundet zu sein. Wir sind als Schülerband gestartet, waren dann 16 Semester lang Studentenband, jetzt sind wir Berufsband oder Vaterband und Kinderband.
Aber ist ein Rückblick nicht immer auch ein Abschluss? Steht Bambägga vor einem Abschluss?
Jonas Ochs: Diese Band ist so tief in unserer Persönlichkeit drin, dass es, glaube ich, einen Abschluss nicht geben kann. Ich kann mir nicht vorstellen und ich glaube, die anderen beiden sehen das auch so, dass es irgendwann endet. Wir haben ja sowieso eine besondere Konstellation. Cony und ich sind mehr oder weniger am selben Tag im selben Krankenhaus geboren und unser DJ ist mein Bruder. Ob wir immer miteinander Musik machen werden, weiß ich nicht. Aber Bambägga wird es immer geben, selbst wenn es nur als Lebenseinstellung ist.
Warum habt ihr „Solange“ als erste Single ausgewählt?
Jonas Ochs: Zuerst hatten wir den Beat von unserem Beatmaker, Lucas. Beim Anhören habe ich mir vorgestellt, wieder vor einem Publikum zu stehen. Es ist nicht nur die erste Single, sondern auch das erste Stück auf dem Album. Die Entscheidung dafür fiel aber gar nicht so sehr wegen des Texts, sondern wegen seiner Energie. Das Lied hat einen sich immer weiter aufbauenden Klang, ein Element, das ankündigt, dass sich jetzt so langsam wieder etwas aufbaut – zum Beispiel Kulturleben.
Euer letztes Album war, was Inhalt und Vermarktung anging, sehr auf dich zugeschnitten. Spielt Cony jetzt wieder eine größere Rolle?
Jonas Ochs: Ja, für „Brotzeit“ war es uns ganz wichtig, wieder mehr als Team aufzutreten. Das letzte Album war von mir mehr oder weniger ein Soloalbum. Jetzt haben wir wieder ein gute Ausgewogenheit. Auch beim Schreiben haben wir darauf geachtet, dass wir das wieder zusammen machen.
„Wu-Tang und Wirsing“ ist die zweite Single. Um was geht es hier?
Jonas Ochs: Durch die 17 Jahre Bambägga gibt es ein sich durchziehendes Thema: Die Auseinandersetzung mit der Ortschaft, in der man lebt: Bamberg. In unserer Anfangszeit war es für die Subkultur Hip Hop in Bamberg ziemlich schwer, weil sie kaum Mitglieder hatte. Also hat man das wenige, das es gab, noch mehr zu schätzen gelernt. Der eine hatte das Tape, der andere das auf Kassette – es war wie eine Schatzsuche. In einer Stadt zu leben, die heute teilweise noch genauso aussieht wie auf Ansichten von vor 200 Jahren, ist schon schön, aber auch immer gleich. Aber sie ist Teil unserer Identität: Wir sind schon cool wie Wu-Tang, aber auch fränkisch wie Wirsing. Wir stehen zu unserem Zeug. Es ist immer auch ein bisschen zwischen Größenwahn und Provinztheater. Das spiegelt sich ja auch in Lokalpolitik wider.
Wieso verdient der Wirsching ein musikalisches Denkmal?
Jonas Ochs: Er ist etwas, das immer da ist. Also in Franken. In vielen Ecken Deutschlands ist er überhaupt nicht bekannt. Eine Freundin meines Bruders, sie war aus dem Norden, sagte einmal: Spannend, was man aus Avocado alles machen kann.
Das Video zu „Wu-Tang und Wirsing“ habt ihr in der Gärtnerstadt und der Küche deiner Großmutter gedreht. Welche Zusammenhänge gibt es da?
Jonas Ochs: Da, in der Gärtnerstadt, unter den Äckern liegen die besten Ideen. Das Haus meiner Großmutter haben wir auch schon in anderen Liedern besungen, zum Beispiel „Herz aus Presssack“. Außerdem können die Leute in der Gärtnerstadt Geschichten erzählen, das würde für fünf Kinofilme reichen.
Beide Singles haben einen eher ernsten Klang. Ist es insgesamt ein ernsteres Album?
Jonas Ochs: Nein, es geht auch schon viel nach vorne und es wird lustig. Wobei lustig vielleicht zu viel gesagt ist. Nicht dass wir den Spaß verloren haben, aber vielleicht ist die Stimmung eher positiv optimistisch. Es geht um Liebe und Freundschaft und es sollte warm klingen.
Seid ihr reifer geworden?
Jonas Ochs: Ich denke schon, ja, aber nicht abgestanden, sondern mit einer Tiefe, die das Erwachsenenalter eben mit sich bringt. Wir sehen uns auch überhaupt nicht in irgendeiner Konkurrenz mit jungen Bands. Wir sind 36-jährige Rapper und das ist gut so.
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Neues Video von Bambägga
“Insel einsam” – 3:30 Minuten Flucht
“Insel einsam” ist die neueste Videoveröffentlichung von Bambägga. Auch wenn das Stück, in dem es um Verlust, Flucht und Resignation geht, so klingt – das Hip Hop-Trio aus Frontmann Jonas Ochs, Cony MC und DJ Startklar wollte damit ausdrücklich keinen Corona-Kommentar abliefern. Bleibt aber noch die Frage, ob “Insel einsam” eine Ankündigung des Endes von Bambägga sein soll. Wir haben mit Jonas Ochs gesprochen.
Jonas, das Video zu “Insel einsam” zeigt Szenen einer zu Ende gehenden Beziehung. Die Frau und der Mann scheinen sich aber in Freundschaft und nur aufgrund von äußerem Druck, vor dem sie gerne auf eine einsame Insel fliehen würden, zu trennen. Sind das Anspielungen auf eigene biografische Erlebnisse oder auf derzeitige gesellschaftliche Entwicklungen?
Jonas Ochs: Die Rückmeldung vieler Leute, die das Video gesehen haben, sah tatsächlich schon oft so aus, dass sie es für einen Corona-Kommentar halten. Aber das Lied ist schon vor Corona geschrieben worden und, genau, es geht um das freundschaftliche Ende einer Beziehung – ein zeitloses Thema also. Ein Thema, das für mich zwar nicht aktuell ist, aber auch in meiner Biografie schon vorkam.
Die Szenen sind sehr filmisch. Gab es ein Drehbuch? Wer hat es geschrieben?
Jonas Ochs: Ja, das war ich! Ich wollte das schon länger machen. Im Rap wird ja unendlich viel geredet und ich finde die Option eines Videos und seiner Bildsprache eine sehr attraktive Möglichkeit, das Lied nochmal, auf eine andere Art und Weise, zu gestalten. So ein Video kann ein Lied aufwerten und nochmal ganz anders sprechen lassen. Für “Insel einsam” wollte ich schon fast strebermäßig alles für ein Video vorbereiten und nicht total planlos einfach nach dem Motto “wir machen jetzt mal ein bisschen Hip Hop” anfangen. In der Geschichte von Bambägga haben wir gelernt, was beim Videodrehen gut ist und was eher hindert. Wir sind oft genug mit unserem berufs-jugendlichen Leichtsinn naiv in irgendwelche Situationen gestolpert, die wegen unserer Unvorbereitetheit dann für alle unangenehm waren.
“Insel einsam” stammt, wie erwähnt, aus der Zeit vor der Pandemie – diese wird also nicht ausdrücklich erwähnt. Aber bei Beschreibungen von Verlust, wie sie im Text vorkommen, denkt man in diesen Zeiten unwillkürlich natürlich sofort an die Pandemie. Stört es euch, dass Corona zwischen den Zeilen mitschwingt?
Jonas Ochs: Nein, eigentlich nicht. Hätten wir vor fünf oder sechs Jahren ein eher gefühlvolles Stück wie “Insel einsam” rausgebracht, hätten sich viele Leute im Gegensatz zu heute nicht getraut, es zum Beispiel in den sozialen Medien zu kommentieren oder zu teilen. Das Genre Hip Hop ist dafür zu sehr von einem etwas chauvinistischen coolen Machobild geprägt. Aber die Zeit macht möglich, was früher ein No-go gewesen wäre, nämlich auch als Hip Hop-Band öffentlich Gefühle oder Schwäche zu zeigen. Die Leute sind empfindsamer für solche Themen geworden – das merke ich an den Reaktionen auf das Video. Mit Einsamkeit können sich ja momentan fast alle identifizieren.
Eine weitere Lesart des Liedes, seiner persönlichen Momente des Aufgebens, könnte sich auch auf die sich immer mehr einstellende Resignation in der Kulturszene beziehen.
Jonas Ochs: “Insel einsam” ist schon das vierte Video, das wir während der Pandemie veröffentlicht haben. Wir möchten unseren Fans einfach so gut es geht etwas anbieten. Aber gar nicht so sehr als Kommentar zur Zeit oder Kritik an irgendwelchen Maßnahmen. Aus Debatten wollten wir uns immer raushalten. Wir wollen zeigen, dass wir da sind, auch wenn die Zeiten schwierig sind, und für 3:30 Minuten einen kreativen Input anbieten, in einer Zeit, in der viele stillstehen müssen und vielleicht auch langsam innerlich gelähmt sind.
Im Lied kommen ebenfalls Formulierungen wie “der letzte Akt beginnt” oder “wir sind gestrandet” vor. Ist das Stück eine Ankündigung des Endes von Bambägga?
Jonas Ochs: Nein, nein! Wie haben heute zwar alle Familien und Cony, unser zweiter Rapper, wohnt schon seit zehn Jahren in Berlin. Wir haben also durchaus schon ein paar Dinge gemacht, die den letzten Akt einer Band einleiten könnten. Aber wir haben es bis jetzt noch immer geschafft, Texte zu schreiben und Musik zu produzieren. Es gibt Phasen, in denen man mehr macht, so wie gerade, und es gibt Phasen, da macht man weniger. Aber wie auch immer ist die Band nach wie vor fester Bestandteil unserer Leben. Ein Vorteil ist ja auch, dass wir finanziell nicht von der Band leben müssen. Das gibt uns gewisse Freiheiten, nicht ständig aktiv sein zu müssen. Auf jeden Fall ist “Insel einsam” keine Ankündigung unseres Endes. Dafür würden wir auch ein ganz anderes Lied wählen – so in der Art des letzten Tages der Sandkerwa, wo es nochmal richtig kracht.
Auch heißt es im Text des Liedes, dass ein Fazit gezogen wird. Bambägga gibt es seit 16 Jahren. Was ist euer Fazit bisher?
Jonas Ochs: Ein Fazit könnte sein: Es geht immer weiter – das ist unser Antrieb. Oder, auch wenn das jetzt ein mega Kalenderspruch ist: Am Ende ist der Weg das Ziel. Die schönsten Momente waren nicht, zum Beispiel in Coburg vor 6.000 Leuten aufzutreten. Das war schon toll, aber eigentlich blicke ich am liebsten auf die wahnsinnig vielen Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, die wir in den Jahren hatten, zurück. Manchmal treffe ich Leute, die schon als Jugendliche bei unseren Konzerten waren und heute mit ihren Kindern zu uns kommen. Wegbegleiter zu sein ist die schönste Anerkennung. Und nach 16 Jahren unseren Namen nicht mehr überall buchstabieren zu müssen, ist auch nicht schlecht.
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Bambägga zusammen mit Lost but found
OneWayTicket
Für ihr Lied „OneWayTicket” haben sich Devon Gleixner und Lukas Schröder von der Erlanger Band Lost but found Jonas Ochs von Bambägga ins Studio geholt. Obwohl das Akustik-Stück nicht als direkter Kommentar zur Pandemie geschrieben wurde, handelt es unter anderem passenderweise von Fernweh. Wir haben mit Jonas Ochs über die Zusammenarbeit, seinen ersten Gesangspart und die Wichtigkeit von Vorstellungskraft gesprochen.
Wie kam die Zusammenarbeit für „OneWayTicket“ mit Devon Gleixner und Lukas Schröder von Lost but found zustande?
Jonas Ochs: Die beiden haben letztes Jahr eine Benefizaktion mit BamBuS e. V. veranstaltet, bei der Bambägga und Lost but found aufgetreten sind. Dabei ist es spontan zu einem Jam zwischen mir und der Band gekommen. Das kam gut an und wir haben uns entschieden, mal was zusammen zu machen. Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber vor ein paar Wochen haben wir uns dann zusammen im Studio wieder gefunden. Das Stück „OneWayTicket“ hatten die beiden zu dem Zeitpunkt schon geschrieben. Der Text hat mich total abgeholt und ich wollte unbedingt einen Rap-Teil beisteuern. Und zu unserer Studioarbeit haben wir auch ein Video gedreht.
Du singst auf dem Lied auch ein bisschen. Hast du das schon öfter für Bambägga gemacht?
Jonas Ochs: Ja, ich habe zumindest versucht zu singen! Ich hatte schon immer Lust, auch für Bambägga mal zu singen, habe mich aber auch immer bedeckt gehalten. Es gibt im Hip-Hop ein paar Sachen, die verpönt sind – singen gehört dazu. Aber dadurch, dass wir mit Lost but found jetzt mal richtige Musik gemacht haben, hat es mich schon gekitzelt.
War es trotzdem ungewohnt für dich zu singen?
Jonas Ochs: Ja, schon. Es ist mir ein bisschen peinlich, es zuzugeben, aber ich kann nach wie vor keine Noten lesen und mache das komplett autodidaktisch und singe nach Gehör. Ich weiß gar nicht, wie ich damals in der Schule durch den Musikunterricht gekommen bin. Ich habe einfach versucht, mich an Devon und Lukas anzupassen und ansonsten nicht unangenehm aufzufallen.
Jimi Hendrix, heißt es, konnte auch keine Noten lesen.
Jonas Ochs (lacht): Da bin ich komplett cool damit! Das passt auch zum Do it yourself-Gedanken beim Hip-Hop, der mich nach wie vor trägt und treibt. Es gibt sicherlich Leute, die erstmal verkrampft Gesangsunterricht genommen hätten. Aber wieso nicht einfach mal probieren, ob es nicht auch so klappt. Trial and Error.
Die Anfangsakkorde erinnern ein bisschen an „Free fallin“ von Tom Petty. Ist das Absicht?
Jonas Ochs: Toll! Ich weiß nicht, ob das Absicht ist, aber das ist einer meiner absoluten Lieblingssongs, einer meiner heimlichen Lieblingssongs.
In „OneWayTicket“ geht es unter anderem um Fernweh. Welcher wäre dein Ort, von dem du nie wieder zurückkehren würdest?
Jonas Ochs: Das ist nicht einfach. Vielleicht sollte die Frage eher sein, mit wem man verreist. Ich bräuchte auf jeden Fall ein Familien-One-Way-Ticket. Andererseits sind die schönsten Orte oft auch die, von denen man es gar nicht erwartet. Oder, was auch wichtig ist, ist im Kopf die Möglichkeit zu haben auszubrechen und sozusagen mental durch Nachdenken zu verreisen oder aus dem Alltag auszubrechen. Das geht auch, wenn ich durch die Gartenstadt spaziere.
Wie weit steckt zwischen den Zeilen von „OneWayTicket“ die Aussage, dass der kulturellen Szene derzeit sowieso nichts anderes übrigbleibt, als sich in die Ferne zu träumen?
Jonas Ochs: Komplett richtig. Wenn man Kultur und speziell Musik erschafft, arbeitet man in einem Medium, das nichts ist ohne sein Publikum. Es lebt von seiner Community, den Hörerinnen und Hörern und dem Dialog zwischen Bühne und Publikum. Die Vorstellungskraft, sich Gedanken darüber hinzugeben, sich wieder auf einer Bühne vor Menschen zu sehen, sich Gedanken darüber zu machen, wie die eigene Musik bei den Leuten ankommt, braucht man zurzeit sehr stark. Man muss auf diese Art und Weise in die Ferne schweifen, weil wenn man in diesen Tagen rausschaut, ist es einfach nur trostlos und man würde wahrscheinlich düster und melancholisch werden.
Das Lied ist auch Kritik am Hamsterrad der Arbeitswelt. Was stört dich hierbei besonders?
Jonas Ochs: In der Sozialpädagogik, in der ich beruflich bei der Lebenshilfe aktiv bin, ist es so, dass es noch ein bisschen mehr die Möglichkeit gibt, Spielraum für den eigenen Geist zu haben, neue Einflüsse zuzulassen und sich weiterzuentwickeln. Aber außerhalb dieses Bereichs erlebe ich so viele Menschen, die neue Sichtweisen ausblenden und irgendwann immer den gleichen Trott nach Schema F runterreißen und sich in so ein Hamsterrad begeben. Das ist unkreativer Dienst nach Vorschrift, den ich im Lied kritisiere.
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„Bamberg Hoffnung geben“
Gegen die einsetzende Ohnmacht
Mediendesigner Arno Schimmelpfennig und die Band Bambägga haben sich zusammengetan, um den Bambergerinnen und Bambergern ein wenig Unterhaltung und Hoffnung in diesen für viele schwierigen Zeiten zu bieten. Gemeinsam produzierten sie das Musikvideo „Bamberg Hoffnung geben“. Arno Schimmelpfenning hat uns genauere Auskunft darüber gegeben.
„Bamberg Hoffnung geben“ lauten der Titel und das Ziel Ihres Videos. Wie kam die Idee zustande? Worum geht es?
Arno Schimmelpfennig: Rückblickend konnte ich die Situation, die auf alle von uns zukam, nicht richtig greifen und einschätzen. Ich sah nur, dass befreundete Unternehmen einbrechen ihre Angestellten plötzlich im Supermarkt Regale einräumten. Ich habe selbst Familie und bin als Alleinverdiener entsprechend besorgt. Darum habe ich mir überlegt, was ich tun könnte, um dieser einsetzenden Ohnmacht entgegenzuwirken. Ich habe darüber nachgedacht, dass es wahrscheinlich vielen ähnlich geht. All die leeren Plätze in Bamberg, an denen sonst so viel Leben ist. Die Polizei, die uns kontrolliert. Das kann einen schon einschüchtern. Ich habe mir also überlegt, wie ich den Menschen Hoffnung geben könnte. Was verbindet uns? Was schafft das Gefühl von Gemeinschaft? In dem Film geht es um die Dinge, die Bamberg ausmachen. Die Band Bambägga bezeichnet Bamberg als „Perle des Südens“ und als „Mutterstadt“. Mit dem Film möchte ich uns ins Gedächtnis rufen, dass unsere Stadt die von uns geliebten Eigenschaften beibehält. Es wird weiter gehen.
Woran machen Sie fest, dass die Menschen in Bamberg Hoffnung brauchen? Ist die Situation in der Stadt so schlimm?
Arno Schimmelpfennig: Wir befinden uns alle in einer Ausnahmesituation. Hoffnung ist meiner Meinung nach in jeder Lebenslage ein sehr schönes Zeichen und sollte in jeder Situation vermittelt werden. Wir haben seit Jahrzehnten keine Krise mehr erlebt. Von daher sind fast zwei Monate der Isolation schon eine Herausforderung. Manche älteren Menschen verbringen ihre letzten Tage plötzlich alleine im Heim. Die frisch gebackene Mutter kann keinen Besuch empfangen, der sich mit ihr über den Nachwuchs freut. Kranke Menschen haben Angst um ihr Leben und hoffen, dass diese schlimme Erkrankung an ihnen vorbei geht. Kinder sitzen daheim und können nicht mehr raus. Sie sind zu jung, um Ihnen zu erklären, was da passiert und dass alles irgendwann besser wird. Man beginnt, die Normalität des Lebens zu vermissen. Ich wollte mit dem Film ein Zeichen setzen, dass man diese Normalität zurückgewinnen wird.
Wie kam der Kontakt zu Jonas und David Ochs von Bambägga zustande?
Arno Schimmelpfennig: Ich habe mich aktiv für eine Zusammenarbeit mit Jonas und David Ochs entschieden. Wir haben in diesem Jahr bereits einen Musikclip realisiert und es war eine sehr angenehme, professionelle und trotzdem spontane Zusammenarbeit. Genau diese Zusammenarbeit habe ich angesichts eines straffen Terminplans gebraucht. Es waren aber auch die Emotionen, welche die Jungs genial vermitteln, wie in den Songs „Vater sein“ oder bei einem eigenen Arrangement, das sie mit anderen Musikern vor gut einem Jahr für die Lebenshilfe geschrieben hatten. Zudem gefällt mir die Idee, dass gerade ein Kulturbotschafter des Goethe-Instituts die Hoffnungsbotschaft verbreitet, der selbst bereits in China war und das Land und seine Einwohner kennt und daher gewissermaßen eine Brücke baut.
Wie lief die Umsetzung ab? Wie schnell konnten Sie das Projekt durchziehen?
Arno Schimmelpfennig: Ich habe aktuell nicht viel Zeit. Ich verbringe fast 20 Stunden im Büro pro Tag und habe auch sehr kurze Wochenenden. Mir lag das Projekt sehr am Herzen und so wollte ich konzentriert an die Sache herangehen, aber ein möglichst schnelles Resultat erzielen. Anfangs wollte ich den Film selbst umsetzen und dokumentarisch festhalten, was in den Straßen passiert. Doch dann erinnerte ich mich an die vielen individuellen Eindrücke, die derzeit in Facebook geteilt werden. Genau diese Stimmung und diese Bilder zeigten viel besser die äußeren Umstände als alles, was ich hätte selbst einfangen können. Und so rief ich Bamberg per Facebook dazu auf, mir Bilder der leeren Plätze, aber auch der Bilder zu schicken, die wir sonst von Bamberg kennen. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich bereits mehr als 300 Fotos beisammen. Letztlich waren es In einer Woche über 20 Einsendungen mit 578 Fotos, die ich übrigens nahezu alle in den Film integriert habe. Während ich auf die Einsendungen wartete, produzierten die Jungs von Bambägga eine „Home Edition“ des Lieds „7 Hügel“. Es schloss sich noch eine Woche des Schnitts an. Nach gut 26 Stunden Arbeit war das Werk vollendet.
Welche Hoffnung verbinden Sie mit dem Video, was sollen die Menschen davon mitnehmen?
Arno Schimmelpfennig: Zunächst bin ich sehr glücklich, dass inzwischen so viele Menschen diesen Film gesehen haben. Ich habe ganz unterschiedliche Reaktionen darauf bekommen. Zum einen habe ich einige Projekte integriert, die Menschen unserer Region auf ganz unterschiedlichen Ebenen helfen. Zum einen haben sich diese Projekte darüber gefreut, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekommen. Als Vorstand des Stadtmarketings Bamberg sehe ich hierin aber auch irgendwie meine Aufgabe. Deshalb haben mich Rückmeldungen von Bürger*innen noch viel mehr gefreut. Unter anderem sprach mich eine Krankenschwester an, dass sie mit ihrer ganzen Station den Film gesehen und deutlich Mut gefasst hätte. Das ist es, was mir und auch Bambägga am Herzen lag: Mut vermitteln, Perspektiven schaffen und ein Gefühl vermitteln, dass wir zusammenstehen und uns alle zusammen aus diesen Tagen befreien werden.
Wie gehen Sie mit der derzeitigen Situation persönlich um und wie als Unternehmer?
Arno Schimmelpfennig: Ich finde diese Frage schwierig. Es ist alles so unsicher und zugleich so unnahbar zugleich. Anfangs gab es diesen Moment der Leere, in dem ich selbst nicht wusste, wie es für mich und dadurch finanziell für meine Familie weitergehen wird. Ich wusste nur, dass es tief im Kern einen gemeinsamen Nenner für Lösungen der Anliegen meiner Kunden gibt: Erreichbarkeit, ein weiterhin konstanter Absatz und die Vermittlung an deren Kunden, dass man nach wie vor da ist – wenn auch vielleicht vor geschlossenen Türen. Daraufhin kamen einige Unternehmen auf mich zu, die ihre Angebote digitalisieren wollten. Jetzt, wo sich die Situation aufgrund der Corona-Krise allmählich lockert, gibt es immer noch Branchen, die es schwer haben, wieder auf die Beine zu kommen. Hierzu gehört zum Beispiel die Veranstaltungsbranche mit ihren Kreativen und Dienstleistern. An dem Punkt, an dem nun Online-Lösungen weniger gefragt sind als in den letzten Tagen, ist es nur die digitale Kommunikation etwa über Film. Persönlich musste nicht nur ich, sondern in erster Linie auch meine Familie stark zurückstecken. Meine große Tochter spricht inzwischen schon von „Sleep & Drive“ anlässlich meiner Anwesenheit daheim.
Wie sieht Ihre Hoffnung bezüglich der Zukunft nach der Krise aus?
Arno Schimmelpfennig: Abgesehen von all dem Übel, das die Krise sicherlich mit sich gebracht hat, denke ich, dass in jeder Krise auch etwas Positives steckt. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass die Zeit zu knapp ist, um tiefgreifend etwas zu ändern. Ich gehe trotzdem davon aus, dass sich auf zwei Ebenen etwas ändern wird. Zum einen mussten wir auf der persönlichen Ebene auf vieles verzichten. Es ist nicht einfach, in sozialer Isolation zu leben. Darum konnten wir uns über die Zeit – quasi in einer Art Fasten – von dem trennen, was uns belastet, und uns auf das besinnen, was uns guttut und was wir in unserem Leben haben wollen. Wenn wir nun in einiger Zeit raus gehen und wieder zusammen sein dürfen, denke ich, dass wir den Wert des Lebens, Freundschaft, Kameradschaft und alte Tugenden wie Respekt, Aufrichtigkeit und dergleichen mehr schätzen können und auch wollen. Zum anderen gehe ich davon aus, dass Deutschland nun aus einer Art Dornröschenschlaf erwacht ist. Es ging uns Jahrzehnte wirtschaftlich gesehen gut. Selbst die Finanzkrise 2008 als Krise der jüngeren Vergangenheit war nicht dermaßen stark zu spüren. Nun konnten wir sehen, dass wir uns öffnen und neue Wege beschreiten müssen. Es sind viele tolle und innovative Ideen entstanden. Geschäftsfelder haben sich erweitert, andere Bereiche deutlich erweitert. Als Beispiel merke ich das am Einzelhandel. Was gab es hier Berührungsängste mit dem Internet. Amazon und stellvertretend damit ein Großteil des Onlinehandels war der jahrelange Feind des stationären Handels. Nun erkennen wir, dass digitale Mega-Stores nicht alles sind. Wer seine Stärken kennt und weiß, was seine Kunden an einem lieben, der kann durch Onlinepräsenz sein Angebot erweitern und noch mehr Menschen erreichen. Die Krise hat also Barrieren abgebaut und Chancen geschaffen. Ich habe die Hoffnung, dass wir dem treu bleiben und darauf aufbauen.