Der Waldtag 2024 im Steigerwald-Zentrum stand unter dem Motto „Der Wald und wir“. Einen Tag lang konnte sich das Publikum über die
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Steigerwald-Zentrum
Waldtag 2024: Auftakt des Veranstaltungs-Sommers
Der Waldtag 2024 im Steigerwald-Zentrum stand unter dem Motto „Der Wald und wir“. Einen Tag lang konnte sich das Publikum über die gesellschaftliche Bedeutung des Waldes informieren.
Trotz widrigem Wetter haben mehr als 2.500 Besucher:innen am Waldtag 2024 im Steigerwald-Zentrum teilgenommen, wie die Einrichtung mitteilte. Die alljährliche Veranstaltung am ersten Mai-Sonntag markiert den Beginn der Sommersaison im Walderlebnis- und Waldinformationszentrum in Handthal.
Das diesjährige Motto „Der Wald und wir“ bot eine breite Palette an Themen, bei denen sich das Publikum über das Leben im und mit dem Wald informieren konnte. 25 Stationen hatten die Veranstalter im Vorfeld gestaltet.
So ging es etwa mit einem Jäger auf eine spielerische Pirsch mit Tiersuche im Wald, eine Kräuterfrau stellte Essbares wie Waldmeister, Bärlauchblüten-Pfeffer und frisches Fichtengrün aus dem Wald vor und die „Aktion Grundwasserschutz“ machte darauf aufmerksam, welche gesellschaftliche Bedeutung der Wald als Wasserspeicher hat. Dass der Wald gleichsam Arbeits- und Erholungsort sein kann, konnte das Publikum zusätzlich an Ständen von Försterinnen und Forstwirten, in einem Ernte-Simulator und beim QiGong im Wald erfahren.
„Es war ein durch und durch gelungener Waldtag, und wir waren vom Besucheransturm wirklich positiv überrascht,“ sagte Louis Kalikstein (hier im Stadtecho-Interview), forstlicher Leiter im Steigerwald-Zentrum am Ende des Waldtages. Mit Aktionen wie Märchen im Wald, Baumklettern, Holzbasteleien, Bogenschießen oder Stockbrot backen habe man außerdem bewiesen, dass Umweltbildung nicht unbedingt trockene Theorie sein muss.
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Waldtag 2024: Der Wald und wir
Alljährlich lädt das Steigerwald-Zentrum in Handthal zum Waldtag, um dem Publikum „die Pforte zum Wald aufschließen“, wie Louis Kalikstein, Forstlicher Leiter des Zentrums, sagt. Unter dem Motto „Der Wald und wir“ soll den Besucher:innen am 5. Mai durch Informationsveranstaltungen, Mitmach-Aktionen wie Baumklettern oder das immer beliebtere Waldbaden, der Wald, sein Zustand und seine gesellschaftliche Bedeutung nähergebracht werden. Wir haben mit Louis Kalikstein über den Tag gesprochen.
Herr Kalikstein, wäre in einer idealen Welt nicht jeden Tag Waldtag?
Louis Kalikstein: Es ist im Grunde genommen jeden Tag Waldtag. Es gibt in Deutschland das sogenannte freie Betretungsrecht, das heißt, jeder darf jederzeit in den Wald hineingehen. Auch haben wir eigentlich sehr viele Waldtage im Steigerwald-Zentrum, weil wir regelmäßig Schulklassen oder andere Gruppen durch den Wald führen und an den Wochenenden viele Veranstaltungen auch im Wald anbieten. Das könnte man als kleine Waldtage bezeichnen, bloß unser großer Waldtag findet tatsächlich nur einmal im Jahr statt.
Was hat es mit dem diesjährigen Motto „Der Wald und wir“ auf sich?
Louis Kalikstein: Wir überlegen uns jedes Jahr ein anderes Motto, weil wir den Wald, der wahnsinnig facettenreich ist, immer von einem anderen Blickwinkel aus betrachten wollen. Dieses Jahr wurde es „Der Wald und wir“, weil wir damit die Beziehung von Mensch und Wald genauer beleuchten wollen. Man spricht ja immer davon, dass die Deutschen so eine Waldnation seien mit einem besonderen Verhältnis zum Wald.
Es gibt Länder, wie zum Beispiel Island, die überhaupt keinen Wald haben. Deutschland hat hingegen relativ viel davon. Wie kann sich so eine Landschaft in einer Mentalität niederschlagen?
Louis Kalikstein: Sehr stark. Geht man in der Geschichte zurück, sieht man, dass die Menschen in Mitteleuropa immer schon von und mit dem Wald lebten, in einer sehr engen und abhängigen Beziehung. Das Vieh wurde zum Weiden in den Wald getrieben, man hat Eichenrinde zum Gerben verwendet, es wurden Pflanzen, Beeren, Pilze und Kräuter gesammelt und man hat natürlich Holz in rauhen Mengen benötigt. Der Ötzi ist ein gutes Beispiel dafür, wie gut sich die Menschen mit dem Naturstoff Holz auskannten. Er hatte in seinem Werkzeug und seiner Ausrüstung 17 verschiedene Holzarten bei sich, wie Untersuchungen ergaben. Der Griff seines Messers war aus Eschenholz, sein Tragegestell aus Haselnuss, sein Bogen aus Eibe und die Pfeile aus Schneeball, einem Strauchgewächs. Bereits vor gut 5000 Jahren, etwa die Zeit als Ötzi lebte, kannten die Menschen den Wald also sehr gut und wussten ziemlich genau, welches Holz sie wofür verwenden konnten. Diese Verbindung zum Wald hat sich natürlich auch in der Kultur niedergeschlagen, zum Beispiel sind viele Redewendungen heute Zeugnis davon, wie „den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“, „sich wie die Axt im Wald benehmen“ oder „ich glaub, ich steh‘ im Wald“.
Lässt sich sagen, wie es im Steigerwald vor 5000 Jahren zuging?
Louis Kalikstein: Was man sicher weiß ist, dass es deutlich mehr Wald gab und dass der Wald hauptsächlich ein Buchenwald war – genau wie heute. Die Menschen waren zunächst noch nicht sesshaft, sie zogen als Jäger mit Hütten und Zelten umher. Bevorzugt haben sie ihre Quartiere an Wasserläufen errichtet, was Fundstellen entlang der Ebrach belegen. Dort hat man man zum Beispiel Steinklingen und Bohrer gefunden. Mit dem Übergang zum, Neolithikum, also zur Jungsteinzeit vor etwa 5000 Jahren, wurden die Menschen dann mehr und mehr zu sesshaften oder zu teilweise sesshaften Ackerbauern und Viehzüchtern. Auch dies ist durch Keramikfunde im Steigerwald belegt.
Wie steht es um den gesellschaftlichen Bezug zum Wald heute? Ist man sich seiner Wichtigkeit als Rohstoff- oder Nahrungslieferant bewusst oder nimmt man ihn zur Kenntnis und nichts weiter?
Louis Kalikstein: Ich glaube, beides. Früher war der Wald natürlich viel stärker im Fokus, was seine Nutzung anging. In den Jahrtausenden bevor es Plastik gab war Holz der Rohstoff schlechthin: zum Heizen, Bauen, für Werkzeuge, Karren, Waffen oder Schiffe. Das hat sich erst in der Zeit geändert, als Metalle und dann später Plastik aufkamen und das Holz immer weiter ablösten. Entsprechend hat sich auch das Bild, das eine Gesellschaft vom Wald hat, gewandelt. Heute spielt er, neben durchaus auch weiterhin bestehenden wirtschaftlichen Aspekten, zum Beispiel eine wichtige touristische Rolle. Die Leute gegen in ihm spazieren, wandern, Fahrradfahren oder Geocachen. Das ist eine Art Schnitzeljagd anhand von GPS-Daten.
Im Steigerwald und am Waldtag kann man zudem Waldbaden, also im Wald Entspannungsübungen machen, bei denen man versucht, die Natur bewusst und mit allen Sinnen zu erleben. Welche Rückmeldungen bekommen Sie dabei?
Louis Kalikstein: Das Waldbaden stammt traditionell aus Japan und schwappt immer mehr nach Europa über. Die Leute fühlen sich dabei entspannt, was auch wissenschaftlich belegbar ist. Der Puls verlangsamt sich, wenn wir uns im Wald aufhalten. Es ist die kühlere Luft, das Vogelzwitschern, das Knarren der Bäume und das Rauschen der Blätter. Er wirkt auf uns, ohne dass wir es merken, beruhigend.
Wie erklären Sie sich das?
Louis Kalikstein: Der Kontakt mit der Natur scheint etwas anzusprechen, das von jeher in uns steckt. Der Mensch ist ja eigentlich erst seit Kurzem von der Natur entfremdet, wie man sagt. So ein Büroarbeitsplatz ist eine relativ neue Erfindung, vorher haben wir jahrtausendelang in engem Einklang mit der Natur gelebt. Aufgrund der geschichtlichen Verbindung mit dem Wald befriedigt uns die Arbeit oder der Aufenthalt in ihm irgendwie immer noch. Genau wie Gemüse im eigenen Garten anzubauen. Auch scheint es eine generelle gesellschaftliche Sehnsucht nach Natur und Wald zu geben. Man schaue sich nur einmal erfolgreiche Youtube-Formate wie
„7 vs. Wild“ an oder den Erfolg von „Landlust“ und anderen Zeitschriften.
Es steht zu lesen, dass es in südlichen Urlaubsländern immer heißer und ein Urlaub dort entsprechend immer weniger attraktiv wird. Darum bereisen die Leute eher nördlichere Regionen wie die hiesige. Ist Ihnen ein solcher Zuwachs an Tourismus recht?
Louis Kalikstein: Absolut. Was mich jedoch beunruhigt ist, dass es dem Wald wegen des Klimawandels und steigenden Durchschnittstemperaturen nicht so gut geht. Der Wald tickt sozusagen in langen Zeiträumen. Jetzt haben wir aber einen Klimawandel, der sehr rasch voranschreitet und die Bäume tun sich schwer, mit dieser Geschwindigkeit mitzukommen. Sie leiden darunter, deutschlandweit. Gerade bei der Buche merken wir das hier im Steigerwald deutlich. Zusätzlich beunruhigend finde ich, dass diese Entwicklung kaum gesellschaftlich wahrgenommen wird. Ich freue mich also über alle, die in den Wald gehen und ihn und seine Probleme wahrnehmen.
In welchem Zustand ist der Steigerwald?
Louis Kalikstein: Der Steigerwald ist auf großer Fläche in einem noch guten und noch vitalen Zustand. Aber Schwierigkeiten durch Trockenheit und Baumsterben hat auch er.
Kann es den Bäumen letztlich gelingen, sich an den Klimawandel anzupassen, sofern dieser nicht noch schlimmer wird?
Louis Kalikstein: Mit Sicherheit. Die Natur hat kein Ziel und wird sich irgendwie anpassen. Die Frage ist nur, welches Ziel eine Gesellschaft hat? Wenn wir den Wald erhalten und ihn durch diese schwierige Zeit bringen wollen, müssen wir ihm auf jeden Fall helfen.
Wo geraten Sie damit an Ihre Grenzen? Da wo die Politik nicht mitzieht?
Louis Kalikstein: Nein, eher durch die Geschwindigkeit der klimatischen Veränderungen und die unvorhersehbaren Folgen etwa, dass wir uns auf für den Wald schädliche Insekten einstellen werden müssen, die wir heute noch gar nicht kennen. Abgesehen von den Schutzgebieten wird der Steigerwald überall bewirtschaftet. Diese Schutzgebiete sind auch für die Forschung wichtige Referenzen. Der größte Waldbesitzer im Steigerwald ist der Freistaat, der den Wald auf etwa 17.000 Hektar bewirtschaftet. Hinzu kommen kommunale und Privatwälder. Und gerade der Staats- und Kommunalwald wird vorbildlich bewirtschaftet und für den Klimawandel fit gemacht.
Ist Waldwirtschaft alternativlos nötig oder könnte man Substitutions-Stoffe für zum Beispiel Holz finden?
Louis Kalikstein: Im Gegenteil. Ich denke, Holz ist ein hervorragendes Substitutions-Produkt für Materialien, die viel CO2- und energieaufwändiger in der Herstellung sind. Holz hat zudem die tolle Eigenschaft, CO2 zu speichern.
Wie hat sich der Zustand des Steigerwaldes seit dem letzten Waldtag verändert? Oder ist der Zeitraum zu kurz für eine solche Angabe?
Louis Kalikstein: Der Zeitraum ist tatsächlich ein bisschen kurz. Aber besser ist der Zustand definitiv nicht geworden.
In der Ankündigung des Waldtages schreiben Sie, der Steigerwald sei vor 300 Jahren stark übernutzt gewesen, mit Holzknappheit und Bodenschäden. Sind diese Schäden heute noch bemerkbar?
Louis Kalikstein: Wahrscheinlich. Es ist jedoch so, dass uns dabei Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Wir wissen nicht, wie der Wald heute aussehen würde, wenn er damals nicht für so lange Zeit so intensiv bewirtschaftet worden wäre. Die Böden, denke ich, wären heute zum Beispiel aber sicherlich nährstoffreicher.
In welchem Zustand befindet sich die Tierwelt?
Louis Kalikstein: Es gab schon einmal mehr Tierarten im Steigerwald. Gerade große Beutegreifer, wie Wolf, Bär und Luchs, sind ausgerottet. Was aber die jüngere Entwicklung angeht, bemerken wir durch die Zunahme von Totholz im Wald eine Zunahme der Lebewesen, die auf solches Holz angewiesen sind. Das gilt insbesondere für die Insektenwelt.
Böte der Steigerwald zum Beispiel einem Wolfsrudel genug Platz?
Louis Kalikstein: Ich denke, ja. Wir haben im Steigerwald sehr große und weitläufige Waldgebiete. Was also die Flächengröße angeht, wäre nach den wissenschaftlichen Aussagen zur Größe von Wolfsterritorien der Platz gegeben. Aber das Thema Wolf wird gesellschaftlich kontrovers diskutiert.
Zurück zum Motto des Waldtages. Welche kulturelle Ausstrahlung hat der Wald? Denn was wären zum Beispiel die Märchen der Grimms ohne ihn?
Louis Kalikstein: Er hat auf jeden Fall etwas mystisches. Schon wenn man in den Wald reingeht, merkt man, dass es ein bisschen dunkler und die Luft kühler und feuchter ist. Auch kann man nicht weit sehen und weiß nicht, was sich hinter dem nächsten Baum oder Busch verbirgt. Ich denke, diese Dinge können die Fantasie, zum Beispiel für Märchen, durchaus anregen.
Da möchte man sagen: Je naturbelassener der Wald, umso größer seine mystische Ausstrahlung. Gibt es im Steigerwald Bereiche, die Sie ganz sich selbst überlassen?
Louis Kalikstein: Ja, solche Schutzgebiete gibt es, aber sie sind allerdings relativ jung. Es gibt eigentlich sogar deutschlandweit kaum mehr Urwälder. Fast jeder Quadratmeter Wald wurde in den letzten 1000 Jahren auf irgendeine Art und Weise vom Menschen genutzt und geprägt. Das größte Schutzgebiet im Steigerwald ist der Naturwald „Knetzberge-Böhlgrund“ mit etwa 850 Hektar Fläche, das sind grob gesagt 1000 Fußballfelder. Das ist eine beachtliche Größe und dort soll sich die Natur ohne menschlichen Einfluss entwickeln. Aber im Allgemeinen wollen wir Einfluss nehmen auf den Wald, um ihm an den dem Klimawandel anzupassen.
Hat der Wald dennoch so etwas wie eine besondere Unschuld? Ist dort die Welt noch in Ordnung?
Louis Kalikstein: Das kann ich mir vorstellen. Obwohl der Wald in Deutschland kaum mehr unberührt und insofern fast vollständig ein Zivilisationsprodukt ist, hat er eine sehr natürliche Ausstrahlung. Kaum andere Bereiche aus dem sonst so anthropogen geprägten Umfeld haben eine solche Ausstrahlung. Das beginnt schon bei den rechtwinkligen oder geradlinigen Strukturen, die wir aus dem Alltag gewohnt sind, die aber im Wald nicht vorkommen.
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Bauholz, Brennholz, Totholz
Waldtag 2023 im Steigerwald-Zentrum
Am 7. Mai öffnet das Steigerwald-Zentrum, am westlichen Rand des gleichnamigen Waldes gelegen, wieder seine Tore zum jährlichen Waldtag. Durch Informationsstände, Aktionen oder Ausstellungen möchte das Zentrum seinem Publikum den Wald und seine Bewohner näherbringen. Thematischer Schwerpunkt ist 2023 die Vielfältigkeit des Rohstoffes Holz. Mit Louis Kalikstein, forstlicher Leiter im Steigerwald-Zentrum, haben wir über den Waldtag, den Zustand des Steigerwaldes und die Ressource Holz gesprochen.
Herr Kalikstein, warum legen Sie beim Waldtag 2023 den thematischen Fokus auf Holz?
Louis Kalikstein: Mit unseren Waldtagen möchten wir die Multifunktionalität unserer Wälder anschaulich und für ein breites Publikum begreifbar machen. Dabei ist uns wichtig, sowohl die ökologische, die wirtschaftliche als auch die soziale Bedeutung der Wälder ausgewogen zu beleuchten. Die Themen der letzten Waldtage waren Insekten, „Wald ist gesund und macht Spaß“ und „Tiere im Wald“.
Welche wirtschaftliche Rolle spielt Holz im und für den Steigerwald? Wie viele Bäume werden jährlich gefällt?
Louis Kalikstein: Insbesondere für die vielen klein- und mittelständischen, familiengeführten Sägewerksbetriebe und Forstunternehmer im Steigerwald und der näheren Umgebung hat der Rohstoff Holz eine wichtige Bedeutung. Die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und die kurzen Transportwege machen das Holz aus dem Steigerwald zu einer besonders nachhaltigen Ressource. Wie viele Bäume genau gefällt werden, wird nicht erhoben, aber anhand von Forstinventuren, die wir im Zehn-Jahres-Intervall unternehmen, können wir den jährlichen Holzzuwachs sehr genau ermitteln. Aufbauend auf diesem Zuwachs wird der sogenannte Hiebssatz, also die maximal zu erntende Holzmenge festgelegt. Eine nachhaltige Forstwirtschaft kennzeichnet sich grundsätzlich dadurch, dass der Hiebssatz den Zuwachs nicht überschreitet.
Sie zeigen am Waldtag eine Ausstellung zu dieser nachhaltigen Forstwirtschaft – wie wird sie im Steigerwald betrieben?
Louis Kalikstein: Die Waldwirtschaft, die wir im Steigerwald praktizieren, erfolgt grundsätzlich nach waldrechtlichen Vorschriften, die im internationalen Vergleich sehr streng sind. Demgemäß führen wir im Steigerwald keine Kahlschläge durch, sondern begutachten erntereife Bäume einzeln, ernten sie in Abhängigkeit von Vitalität und Holzqualität oder belassen sie als Biotopbäume im Wald. Im vergangenen Herbst hatten wir eine Gruppe französischer Förster zu Gast, die sehr erstaunt waren über diese zeitaufwändige, aber auch präzise Art der Waldbewirtschaftung. Darüber hinaus verfolgt die Waldwirtschaft in Bayern einen multifunktionalen Ansatz. Dieser beinhaltet die Sicherstellung aller Waldfunktionen auf gleicher Fläche: Der Wald soll als intakter und artenreicher Lebensraum, als vitaler Lieferant von Holz und als gesunder Erholungsort für die Bevölkerung erhalten bleiben.
Aber, der Wald hat auch Schutzfunktionen, denn er ist beispielsweise in der Lage, Hochwasser abzumildern und hochqualitatives Trinkwasser zu spenden, Temperaturschwankungen auszugleichen, Staub und Gase aus der Luft zu filtern und Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Holz aufzunehmen. Diese Vielzahl an Funktionen gilt es langfristig zu sichern. Das Holz aus dem Steigerwald bleibt zum großen Teil in der Region und wird zu Schnittholz, Parkett und Möbeln verarbeitet. Aus Holz, das nicht im Sägewerk bearbeitet werden kann, werden Papier, Spanplatten und Cellulosefasern gemacht oder die örtliche Bevölkerung nutzt es als Brennholz.
Spielt Holz auch eine gesellschaftliche Rolle?
Louis Kalikstein: Die meisten Menschen verwenden gerne Holz und schätzen es im Alltag als natürlichen und ansprechenden Rohstoff. Sie schlafen lieber in einem Bett aus Holz als in einem mit kühlem Metallgestell. Anstatt an einem Kunststofftisch zu sitzen, macht man es sich lieber an einem Unikat aus Holz gemütlich. Auch Textilien aus Holzfasern sind eine gute Alternative zu Baumwollprodukten, für deren Herstellung viel Wasser und Pflanzenschutzmittel notwendig sind. Deshalb gewinnt Waldbewirtschaftung als unmittelbarer Lieferant dieses nachwachsenden und auch wieder verrottenden Rohstoffes immer mehr an Bedeutung. Genau wie im Baugewerbe. Dort gewinnt es bei der Konstruktion von Gebäuden – auch von mehrgeschossigen – immer mehr an Relevanz. Denn im Bau kann Holz energieaufwändige Materialien wie Stahlbeton, Ziegel und Kunststoff ersetzen. Und: Holz hat ein enormes Potenzial, klimaschädliche Emissionen einzusparen – ein Potenzial, das heute noch in großen Teilen ungenutzt ist.
Wo wird Holz verwendet, ohne, dass man darauf kommen würde?
Louis Kalikstein: Mittlerweile lässt sich Holz durch moderne Technik verflüssigen und, ganz ähnlich wie wir es von Kunststoffprodukten kennen, zu Folie oder Spritzguss verarbeiten. Damit können auch wasserabweisende Produkte wie Zahnputzbecher und Seifenschalen hergestellt werden. Neueste Forschungen befassen sich außerdem mit der Verwendungsmöglichkeit von Holz als Stromspeicher. Die wenigsten vermuten Holz außerdem in weichen Materialien wie Klopapier oder Kleidung. Eichenfässer verleihen dem Wein ein einzigartiges Aroma. Selbst in der Pflanzenheilkunde oder als Räuchergut findet Holz Verwendung.
Was hat es mit Holz als Stromspeicher genau auf sich?
Louis Kalikstein: Die Technologie sieht vor, Akkus auf Basis von Lignin zu nutzen. Lignin ist ein Bestandteil von Holz und fällt beispielsweise bei der Papierproduktion als Nebenprodukt an. Der große Vorteil von diesen Lignin-Akkus ist, dass man damit Stoffe wie Blei oder Lithium ersetzen kann, deren Gewinnung nicht unbedingt positiv für unsere Natur ist, und dass die Brandgefahr deutlich niedriger ist als bei Lithium-Akkus.
Kann es sein, dass das Bastel-/Bau-/Motorsägen-Programm des Waldtages alles in allem den Fokus auf die Verwendbarkeit von Holz legt, also das Fällen von Bäumen, und nicht so sehr auf ihren Schutz?
Louis Kalikstein: In diesem Jahr liegt der Fokus unseres Waldtages auf dem wertvollen Rohstoff Holz, seinen vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten und auf seiner zentralen Bedeutung für den Klimaschutz. Denn eine intelligente Nutzung von Holz ersetzt andere energieintensive und klimaschädliche Rohstoffe wie Kunststoff, Stahl oder Beton. Die Nutzung von Holz setzt aber immer auch den Schutz des Waldes voraus. Nur ein intaktes Ökosystem Wald kann langfristig seine Funktionen, wie Wasserrückhalt, Sauerstoffbereitstellung, CO2-Speicherung, Holzproduktion, sowie seine Rolle als Erholungsort und Lebensraum erfüllen. All dies möchten wir an unserem Waldtag vorstellen. Vor allem für Familien mit Kindern wird es eine Menge zum Ausprobieren und Handwerken geben.
In welchem Zustand befinden sich die Bäume des Steigerwalds? Wie hat er sich seit dem letzten Waldtag geändert?
Louis Kalikstein: Der nördliche Steigerwald ist hauptsächlich durch Rotbuchen geprägt. Diese Baumart würde auch von Natur aus auf dem Großteil der Fläche dominieren. Durch den Klimawandel finden die Bäume aber mittlerweile viel trockenere und heißere Bedingungen vor, als sie gewöhnt sind. Wir beobachten, dass infolgedessen auch Buchen absterben. Wir müssen davon ausgehen, dass sich dieser Trend mit dem Fortschreiten der Erderwärmung auch künftig fortsetzt. Der östliche Steigerwald ist hingegen von Kiefern geprägt. Auch diese Baumart leidet stark unter der Hitze und Trockenheit der vergangenen Jahre. Aufgabe der Förster*Innen ist es, die Wälder mit Baumarten anzureichern, die an das sich ändernde Klima besser angepasst sind, zum Beispiel mit Eichen, Elsbeeren oder Feldahornen.
Gibt es bereits irreparable Schäden?
Louis Kalikstein: Wir beobachten, dass viele, auch heimische Baumarten, wie eben die Rotbuche, durch den Klimawandel an die Grenzen ihrer Widerstandsfähigkeit stoßen. Noch besteht die Hoffnung, dass sich künftige Generationen dieser Baumarten durch Selektion noch an die veränderten Umweltbedingungen anpassen. Um aber auch den restlichen Wald für die Zukunft zu erhalten, ist es wichtig, sich nicht nur auf diese oder wenige Baumarten zu verlassen. Vielerorts ist hierfür die Hilfe der Förster*innen gefragt. Indem wir die Baumartenzusammensetzung um klimaresiliente Arten ergänzen, erhöht sich die Vielfalt.
Gleichzeitig sinkt damit das Risiko für flächige Absterbe-Erscheinungen durch Trockenheit, Stürme und Massenvermehrungen von Insekten, die durch den Klimawandel immer häufiger werden. Verstärkt werden heimische Baumarten mit höherer Toleranz gegenüber Hitze und Trockenheit, zum Beispiel Eichenarten oder Edellaubhölzer wie Elsbeere, Speierling und Feldahorn, angepflanzt. Kleinflächig wird der Anbau von Baumarten aus kontinentaleren Gebieten erforscht, welche an unser künftiges Klima mit mehr Extremen angepasst sind. Beispiele hierfür sind die Baumhasel oder auch die Orient-Buche aus dem Balkan, als Schwesterart unserer heimischen Rotbuche.
Letztes Jahr ging es wie erwähnt beim Waldtag um Insekten. Wie hat sich deren Population seither entwickelt?
Louis Kalikstein: Grundsätzlich schwanken Insektenpopulationen in Abhängigkeit von Witterung, Nahrungs- und Habitatangebot. Im Wald liegt der Fokus besonders auf Insektenarten, welche abgestorbenes Holz als Lebensraum nutzen. Das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm fördert in den Kommunal- und Privatwäldern des Steigerwalds Maßnahmen, die dem Artenschutz zugute kommen sollen. Das sind etwa der Erhalt von liegendem oder stehendem Totholz, oder von Bäumen, die für Insekten und Vögel wichtige Strukturen aufweisen. Wir beobachten, dass die Inanspruchnahme dieser Förderleistungen stetig zunimmt. Auch in den Staatswäldern des nördlichen Steigerwalds hat das Totholzaufkommen und die daran angepasste Insektenfauna seit 2010 stark zugenommen. Damit hat sich natürlich auch der Lebensraum für viele Arten vergrößert. Leitarten wie der Zunderschwamm, der ästige Stachelbart oder der an den Zunderschwamm gebundene Schwarzkäfer leben mittlerweile überall im Staatswald.
Sie präsentieren außerdem Forschungsergebnisse zur Artenvielfalt an Totholz. Was hat es damit auf sich?
Louis Kalikstein: Wir möchten am Waldtag auch veranschaulichen, dass abgestorbenes Holz eine wichtige Rolle für viele Waldbewohner als Zuhause und Speisekammer spielt. Die ökologische Forschungsstation der Universität Würzburg wird dazu an einem Stand aktuelle Forschungsergebnisse präsentieren, auf die wir schon sehr gespannt sind. Denn totes Holz ist überraschenderweise sehr lebendig. In Mitteleuropa sind mehr als als 2.000 verschiedene Pilz- und 1.350 Käferarten bekannt, die in und von Totholz leben. Viele Folgekonsumenten wie Vögel, vor allem auch Spechte, sind wiederum auf diese Arten angewiesen.
Viel totes Holz begünstigt zum Beispiel auch das Vorkommen des Mittelspechtes – ein charakteristischer und einzigartiger Bewohner der Steigerwalds. Seine Anwesenheit ist ein eindeutiges Indiz für Totholzreichtum und lässt dadurch auch auf das Vorkommen anderer Totholz-liebender Arten schließen. Das Überleben des Mittelspechts sichert somit das Überleben der ganzen Artengemeinschaft. Und: Neben der hohen Biodiversität bietet Totholz dem Wald auch Schutz vor Austrocknung, denn das liegende Material schützt das Bodenwasser vor Verdunstung und speichert selbst Wasser, ähnlich wie ein Schwamm.
Sie erwarten 2.000 BesucherInnen zum Waldtag. Ist es gut für den Wald und seine Flora und Fauna, wenn 2.000 Leute an einem Tag durch ihn hindurch laufen oder trampeln?
Louis Kalikstein: Der Waldtag findet hauptsächlich im Umfeld des Steigerwald-Zentrums statt. Mit gezielter Besucherlenkung stellen wir sicher, dass sich die Leute an den Ständen und Stationen entlang von befestigten Wegen aufhalten. Der Wald, seine Tiere und Pflanzen werden dadurch keinen Schaden nehmen. Wir sind im Gegenteil sogar davon überzeugt, dass die Menschen durch solche Veranstaltungen bewusster und wertschätzender mit dem Wald und seinen wertvollen Ressourcen umgehen.
Ein weiteres Thema des Tages heißt „Waldapotheke – welche Heilkräfte hat der Wald“. Sind diese Heilkräfte wissenschaftlich bewiesen?
Louis Kalikstein: Folgende positive Wirkungen auf die Gesundheit sind bereits wissenschaftlich belegt: Die höhere Luftfeuchtigkeit und ‑reinheit im Wald entlastet Atemwege und Haut und hilft, Atemwegserkrankungen zu behandeln. Der Kontakt mit Mikrobiom des Waldbodens über die Haut und Atemwege stärkt das Immunsystem und trägt bei Kindern zur Entwicklung des Immunsystems bei. Außerdem kann ein Waldbesuch den Blutdruck regulieren, die Pulsfrequenz senken, Stress reduzieren, ADHS-Symptome minimieren, Selbstakzeptanz positiv beeinflussen und chronische Schmerzen lindern. Insbesondere in Japan beschäftigt sich die Forschung außerdem schon lange mit der Heilwirkung des Waldes. „Waldbaden“, in Europa ein jüngerer Trend, hat dort eine sehr lange Tradition.
Auch eine Rallye zum Thema Spechte bieten Sie an. Besteht dabei die Chance, Spechte zu sehen zu bekommen?
Louis Kalikstein: Die Rallye findet im Gebäude statt, weil dort aktuell eine Ausstellung zum Thema Spechte aufgebaut ist. Lebendige Spechte kann man aber häufig rund um das Zentrum fliegen sehen und vor allem jetzt im Frühling auch trommeln und rufen hören. Ganze sechs der in Deutschland vorkommenden zehn Spechtarten kommen regelmäßig im Steigerwald vor: Der Bunt‑, Mittel‑, Grau‑, Grün- und Schwarzspecht sowie der Wendehals.
Die verborgene Welt der Insekten
Waldtag 2022
Alljährlich veranstaltet das Steigerwald-Zentrum, nahe Schweinfurt gelegen, den Waldtag. Durch kindgerechte Aktionen, Darbietungen und Ausstellungen bringt das Team aus Trägerverein und Forstverwaltung seinem Publikum an diesem Tag gemeinsam den Steigerwald, seine tierischen und pflanzlichen Bewohner, und auch den vielfältigen Werkstoff Holz näher. 2022 steht thematisch die oft verborgene Welt der Insekten im Vordergrund. Eine Welt, die bedroht ist.
„Kleine Wesen ganz groß“ lautet das Motto, wenn das Steigerwaldzentrum am 15. Mai um 11 Uhr dem Publikum seine Tore zum Waldtag öffnet. Gemeint sind damit zum einen Insekten und zum anderen Bodenlebewesen, also Tiere, die im Boden leben, wie Milben, Asseln oder Regenwürmer.
Als Buchenwaldgebiet beherbergt der Steigerwald viele Insekten, die an die Buche als Nahrungsquelle oder Lebensstätte angepasst sind. Eine besondere Art, mit der der Steigerwald aufwarten kann, ist der Schwarzkäfer. Diese Käferart lebt vom Zunderschwamm, einem Pilz, der absterbende Buchen besiedelt.
Für nicht wenige Menschen sind Insekten allerdings eher unangenehme Vertreter des Tierreichs, aber „die meisten haben sich nur noch nicht getraut, näher hinzusehen, um die eigentümliche Schönheit der Insekten zu entdecken. Viele Menschen wissen auch nicht, wie bedeutend sie sind“, sagt Sarah Kolmeder, Försterin und Waldpädagogin im Steigerwald-Zentrum. „So erklärt sich auch das Motto näher. Insekten mögen sehr klein sein, ihre Wichtigkeit für uns und auch für den Wald ist aber enorm.“ Das zu veranschaulichen und spielerisch Begeisterung für diese Tiere zu wecken, ist das Ziel des Waldtags 2022. Genau wie Schutzmaßnahmen aufzuzeigen, die jeder ergreifen kann.
„Das ganze Ökosystem würde instabiler werden“
Diese Wichtigkeit hat mehrere Aspekte. Insekten und Bodenlebewesen sorgen sozusagen für das Recycling im Wald. Stirbt ein Baum oder ein Tier, zersetzen oder vertilgen sie, zusammen mit Pilzen oder Mikroorganismen wie Bakterien, die abgestorbene Materie. Ohne diesen Einsatz würde sich tote Substanz meterhoch im Wald aufschichten.
„Das ist außerdem der erste Schritt in der Nahrungskette“, sagt Sarah Kolmeder, „um Nährstoffe für die ersten Folgekonsumenten, zum Beispiel hungrige Pflanzen, verfügbar zu machen. Außerdem sind Bodentiere und Insekten selbst die Nahrung für andere Lebewesen. Insekten spielen darüber hinaus eine sehr große Rolle für die Bestäubung von Pflanzen.“
Und damit auch für den Menschen. Von 109 der verbreitetsten Kulturpflanzen sind 87 auf die Bestäubung durch Insekten wie Bienen oder Schmetterlinge angewiesen. Hinzu kommt, dass manche Pflanzen derart spezialisiert sind, dass sie nur von einer einzigen Insektenart bestäubt werden können. Das heißt, je weniger Insektenvielfalt, desto weniger Pflanzenvielfalt. Und anders herum.
Ein Rückgang der Insektenpopulation könnte entsprechend gravierende Konsequenzen für das Ökosystem Wald und auch für die Ernährung der Menschheit haben. „Pflanzenvielfalt in unserem Speiseplan ist die Grundlage für ein gesundes Leben. Die Böden, auch im Wald, könnten außerdem Tieren und Pflanzen nicht mehr im nötigen Umfang Nährstoffe liefern, weil die Zersetzung nicht mehr richtig funktionieren würde. Das ganze Ökosystem würde instabil werden. Darüber hinaus gehen Populationen von Folgekonsumenten zurück – bei beispielsweise Vögelbeständen merken wir das schon. Eine deutsche Studie, die es sogar in die New York Times geschafft hat, konnte den dramatischen Rückgang der Insekten schon belegen: Die Biomasse flugaktiver Insekten hat deutschlandweit in den letzten 27 Jahren um mehr als 75 Prozent abgenommen.“
Die Hauptursache dafür sei der Verlust von Lebensraum. „Die prägendste Landnutzungsform in Deutschland ist die Landwirtschaft. Sie hat mehr als die Hälfte der Fläche des Landes inne. Größtenteils wird sie mit Monokulturen betrieben, stark gedüngt und mit Pestiziden besprüht. Das sind Dinge, die Insekten krank machen – und übrigens auch Menschen. Der Zusammenhang zwischen Pestiziden und verschiedenen Krebsarten ist bereits erforscht. Nach der Landwirtschaft kommt flächenmäßig der Wald mit rund 30 Prozent. Auch wir Förster*innen müssen also Verantwortung für den Insektenschutz übernehmen und ihnen durch Blühstreifen, natürliche Waldränder, Alt- und Totholz Lebensraum schaffen. Knapp 15 Prozent der Landnutzung machen Siedlungen aus – auch jeder naturnahe Garten ist also ist ein Schatz.“
Baumsterben im Steigerwald
Der Klimawandel tut sein Übriges. Grundsätzlich sind Insekten sehr wärmeliebend, manche Arten profitieren insofern von höheren Temperaturen. Hierzulande aber leider oft die falschen. „Borkenkäfer oder Schwammspinner, welche die Nährstoffleitbahnen unter der Fichtenrinde beziehungsweise Eichenblätter fressen, sind Beispiele solcher Arten. Sie können sich bei steigenden Durchschnittstemperaturen öfter massenhaft vermehren und Bäume zum Absterben bringen. Andere Insekten sind durch den Klimawandel aber in ihrer Entwicklung gestört. Es gibt Schmetterlinge, die im Herbst im Puppenstadium in den Boden eingegraben überwintern und im Frühling schlüpfen. Damit ihre Metamorphose hin zum Schlüpfen aber richtig ablaufen kann, brauchen sie Frosttemperaturen. Ist es zu warm, bleiben die Fröste aus und die Schmetterlinge sterben durch die unvollständige Entwicklung.“
Der Steigerwald hat seit Jahren mit diesen Entwicklungen, vor allem mit dem Baumsterben zu kämpfen. Klimatisch in einer ohnehin wärmeren und niederschlagsarmen Gegend gelegen, verschärft sich seine Situation durch den Klimawandel noch. „Nadelbaumbestände sind dadurch stark zurückgedrängt worden“, sagt Sarah Kolmeder. „Da sie hier nicht standortheimisch und eigentlich an kältere, feuchtere Klimate angepasst sind, weichen sie als erste. Doch sogar viele Buchen, die sich hier in ihrer Heimat befinden, sterben zunehmend durch Trockenheit ab.“
Noch kann dem aber gegengesteuert werden. Von Regierungen und jeder und jedem Einzelnen. „Es ist dringend notwendig, ein menschen- und insektenfreundliches Klima zu erhalten. In Bezug auf das Insektensterben ist es außerdem elementar wichtig, dass wieder Lebensraum für sie geschaffen wird. Durch den Konsum von Bio-Produkten können wir die ökologische Landwirtschaft fördern, die auf Pestizide verzichtet. Im eigenen Garten kann man Insekten kleine Inseln schaffen, indem man zum Beispiel heimische Nahrungspflanzen, wie Kräuter oder Obstbäume, für sie pflanzt. Eine Wiese einfach wachsen lassen, sie lediglich zweimal im Jahr mähen, im Juni und August, und das Mähgut entfernen, geht auch. Auch über Totholz und Sandhäufchen freuen sich viele Insekten. Außerdem kann man Artenschutzvereine unterstützen.“
Die singende Försterin
Der Waldtag am 15. Mai hat also durchaus seine Hintergedanken. Im Vordergrund soll jedoch stehen, die verborgene Welt der Insekten zu erkunden. Je nach Wetterlage stellt sich das Steigerwald-Zentrum auf bis zu 2.000 Besucherinnen und Besucher ein.
„Es gibt für alle etwas, um Faszination an Insekten zu entdecken! Wir werden eine Theateraufführung zum Thema „Regenwurm“ und zu den „wilden Bienen“ haben – richtig cool“, sagt Sarah Kolmeder. „Außerdem gibt es Bastelstände, Kinderschminken, Baumklettern, einen Stand zur Insektenforschung, eine Kettensägenkünstlerin, einen Fachvortrag über Honigbienen und natürlich Speis und Trank.“
In den Räumlichkeiten des Zentrums selbst kann das Publikum eine zweiteilige Ausstellung besuchen. Thema: „Funkeln im Dunkeln“. Es geht um Bodentiere und Nachtfalter und ihre finstere, geheimnisvolle Welt. In zwei Dunkelzelten – „ein bisschen geisterbahnmäßig“ – zeigt das Steigerwaldzentrum überlebensgroße, mindestens zehnfach vergrößerte Pappmaché-Insektenmodelle und vermittelt Informationen dazu. Der zweite Teil beleuchtet die Rolle der Waldameisen mit ihren Wechselbeziehungen zu unzähligen Tier- und Pflanzenarten und ihrem fein gesponnenen Netz von Abhängigkeiten in ihrem Lebensraum.
Sarah Kolmeder kann in Sachen Informationsübermittlung unterdessen einen ganz eigenen Ansatz beitragen. Sie ist bekannt als die singende Försterin. „In meiner Freizeit mache ich Musik, die ich manchmal mit meinen waldpädagogischen Führungen verbinde. Dann habe ich meine Ukulele dabei und singe Schulklassen selbstgeschriebene Lieder über Wald und Natur vor. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auf diesem Wege mehr hängen bleibt. Vielleicht werde ich auch auf dem Waldtag spielen.“